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Archiv "Israel: Diskussion über die passive Euthanasie" (30.05.1997)

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ieben einschlägige Fälle „pas- siver Euthanasie“ wurden 1987 bis 1994 vor israelischen Ge- richten verhandelt. In diesen Verfahren hatten Patienten oder de- ren Angehörige auf juristischem Weg zu erreichen versucht, daß intensiv- medizinische Maßnahmen entweder nicht aufgenommen oder abgebro- chen werden sollten. Die Entschei- dungen der Gerichte waren dabei un- terschiedlich ausgefallen.

Unlängst wurde über das Thema

„passive Euthanasie“ auch intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert. Einem Bericht in der „Jerusalem Post“ zufol- ge waren im November 1996 polizeili- che Ermittlungen gegen mehrere Ärzte des Rebecca-Sieff-Kranken- hauses in Safed (Galiläa) aufgenom- men worden. Der Vorwurf gegen die Ärzte lautete, daß sie es in zwei Fällen unterlassen hätten, das Leben von terminal erkrankten Patienten zu verlängern. Die Ärzte entgegneten, die Entscheidung, terminal Kranke nicht mehr wiederzubeleben, sei eine, die Ärzte üblicherweise fällen wür- den; sie hätten ihre Handlungen nicht als Ausübung von „Euthanasie“ an- gesehen.

Nachdem die Ermittlungen pu- blik wurden, kam es zu einer Diskus- sion im Arbeits- und Sozialausschuß der Knesset. Der Vorsitzende des Ausschusses, Maxim Levy, argumen- tierte, daß nicht gegen Ärzte unter dem Verdacht der Euthanasie ermit- telt werden sollte, wenn keine klare gesetzliche Regelung existieren wür-

de. Auch die meisten anderen Spre- cher, darunter der israelische Gesund- heitsminister und der Vorsitzende der Israel Medical Association, äußerten sich dahingehend, daß die Entschei- dung, ob das Leben eines Menschen intensivmedizinisch verlängert wer- den solle oder nicht, „aus den Händen der Ärzte“ zu nehmen und eindeutig gesetzlich zu regeln sei.

Grundprinzipien der Halacha

Bemerkenswert ist diese Debatte nicht zuletzt deshalb, weil hier Grundprinzipien des jüdischen Reli- gionsgesetzes (Halacha) berührt wer- den. Zwar ist unstrittig, daß „aktive Euthanasie“ beziehungsweise Tötung auf Verlangen nach jüdischer Lehre als Mord angesehen wird. Nach der Halacha gilt, von wenigen Ausnah- men wie zum Beispiel Notwehr und Todesstrafe abgesehen, daß der Mensch sich nicht durch die Tötung eines anderen Menschen Rechte anmaßen dürfe, die allein Gott zu- kommen.

Doch in bezug auf die „passive Euthanasie“ sind die religiösen Auto- ritäten nicht einer Meinung. Eine Minderheit unter den Rabbinern der Gegenwart argumentiert unter Hin- weis auf das Gebot des „pikuach ne- fesch“ (Rettung aus Lebensgefahr) für eine Lebensverlängerung um je- den Preis. Das Leben an sich habe demnach einen so hohen Wert, daß

jede Maßnahme ergriffen werden müsse, es zu erhalten. Die meisten führenden halachischen Autoritäten halten aber dafür, daß zwar jede ak- tive Beschleunigung des Sterbevor- gangs verboten sei, daß jedoch das Vorenthalten bestimmter Behand- lungsformen, die den Todeseintritt hinauszögern könnten, erlaubt sei.

Diese Auffassung beruht auf der An- nahme, daß das menschliche Leben von höchstem, jedoch nicht von unbe- grenztem Wert sei. Daher dürfe der Arzt im Falle von terminal Kranken

„beiseite treten und der Natur ihren Lauf lassen“ (zitiert nach Steinberg, 1994, Seite 134).

Die Frage, welche Behandlungs- form vorenthalten werden dürfe, ha- be auf der Basis der Unterscheidung zu erfolgen, ob diese Form „künst- lich“ („artificial“) sei und der direk- ten Behandlung der terminalen Krankheit gelte (beispielsweise Wie- derbelebung und Beatmung nach Herzstillstand bei terminal Kranken) – dann dürfe sie vorenthalten wer- den – oder ob diese Form „natürlich“

(„natural“) sei und auf die Behand- lung von üblicherweise beherrsch- baren Situationen ziele (zum Beispiel die Gabe von Nahrung, Flüssigkeit, Sauerstoff, aber auch die Gabe von Antibiotika bei einfachen Infektio- nen im Falle terminaler Grundkrank- heit) – dann dürfe sie nicht vorenthal- ten werden.

Unabhängig davon, wie die Aus- einandersetzung um die „passive Euthanasie“ in Israel ausgehen wird, ist festzuhalten, daß die „aktive Euthanasie“, wie sie etwa in den Nie- derlanden praktiziert wird, in Israel strikt abgelehnt wird.

Literatur

1. Maissel J: Euthanasia: Who plays God? The Jerusalem Post, 27. 12. 1996: 5.

2. Steinberg A: The Terminally Ill – Secular und Jewish Ethical Aspects. Isr J Med Sci 1994; 34: 130–135.

3. Steinberg A: The Terminally Ill – Ethical and Jewish Perspectives. Isr J Med Sci 1996;

32: 601–602.

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Dr. phil.

Udo Benzenhöfer

Abt. Medizingeschichte, Ethik und Theoriebildung in der Medizin Medizinische Hochschule Hannover 30623 Hannover

A-1488 (36) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 22, 30. Mai 1997

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Israel

Diskussion über die passive Euthanasie

Nach israelischem Recht ist die „aktive Euthanasie“ verboten. Juristisch nicht

eindeutig geklärt ist jedoch die Frage, ob auch jede Form von „passiver

Euthanasie“ bei Moribunden durch Ärzte untersagt sei, wobei darunter nicht nur

die Einstellung laufender lebensverlängernder Maßnahmen, sondern ebenso das

Nichtergreifen solcher Maßnahmen zu verstehen ist. Bei einer Diskussion im

Arbeits- und Gesundheitsausschuß der Knesset forderte neuerdings unter an-

derem der israelische Gesundheitsminister eine eindeutige gesetzliche Regelung.

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