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Archiv "Vorwürfe gegen Kardiologen: Viel Wirbel um neuen „Ärzte-Skandal“" (25.07.1997)

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rei Jahre nach der sogenann- ten Herzklappen-Affäre ste- hen Ärzte erneut im Ruf, korrupte Abzocker zu sein, die sich in großem Stil auf Kosten der Beitragszahler bereichern. Am 4. Juli vermeldete die Boulevard- presse den „größten Ärzte-Betrug“.

Von einem „mafiösen Ärzte-Kar- tell“ war die Rede, das einen milliar- denschweren Betrugsskandal aus- gelöst habe.

Gernot Kiefer, Vorstand des Bundesverbandes der Innungskran- kenkassen (IKK), informierte die Presse am selben Tag in Bonn über die „betrügerischen Machenschaf- ten“ zweier niedergelassener Kar- diologen aus Hannover. „Die Kran- kenkassen haben Strafanzeige we- gen des Verdachts auf Abrechnungs- manipulationen bei Sachmitteln wie Herzkathetern gestellt“, berichtete er. Einzelne Produkte seien mit mehr als hundert Prozent Aufschlag gegenüber dem Einkaufspreis abge- rechnet worden. Den Kardiologen stehe jedoch „generell nur eine Sachkostenerstattung in Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwen- dungen zu“. Erzielte Rabatte, erläu- terte Kiefer, müßten an die Kran- kenkassen weitergegeben werden.

Die Staatsanwaltschaft Hanno- ver ermittelte ursprünglich gegen fünf Kardiologen einer Gemein- schaftspraxis. In drei Fällen seien die Verfahren eingestellt worden, sagte Oberstaatsanwalt Nikolas Borchers.

Die Ermittlungen seien jedoch

frühestens im Herbst abgeschlossen.

Die AOK Niedersachsen, die Ende vergangenen Jahres Strafanzeige ge- stellt hatte, vermutet, daß die in Ver- dacht stehenden Ärzte der AOK Sachmittel über eine Firma zu über- höhten Preisen in Rechnung gestellt haben. Den finanziellen Schaden, der ihr in den letzten drei Jahren entstanden sei, schätzt die Kasse auf sechs bis sieben Millionen DM. Daß der IKK-Bundesverband zum jetzi- gen Zeitpunkt vor die Presse getre- ten ist, konnte selbst ein Sprecher der AOK „nicht ganz verstehen“.

Kassen überprüfen 80 bis 100 Praxen Unter der Federführung des IKK-Bundesverbandes überprüfe eine Sonderarbeitsgruppe der Spit- zenverbände der Krankenkassen nun bundesweit die Abrechnungs- unterlagen von 80 bis 100 kardiolo- gischen Praxen, führte derweil Kie- fer in Bonn aus. Der gesamte finan- zielle Schaden könne daher noch nicht abschließend beziffert werden.

Die Ermittlungen seien in ein paar Wochen abgeschlossen. Er kündigte jedoch an: „Es ist davon auszuge- hen, daß in den nächsten Wochen weitere Strafanzeigen gestellt wer- den.“

Gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt erklärte Gernot Kiefer:

„Der Vorfall in Hannover ist ein massiver Impuls gewesen, bundes-

weite Überprüfungen vorzuneh- men.“ Der Eindruck habe sich ver- stärkt, daß auch andere Kardiologen falsch abrechneten. Zudem hätten die Kassen in den letzten Jahren ei- ne überproportionale Mengenent- wicklung bei Sachmitteln beobach- tet. Den Vorwurf, dieses Medien- spektakel inszeniert zu haben, wies Kiefer entschieden zurück: „Wir sind von der Presse überrollt wor- den. Der Zeitpunkt ist uns aufge- zwungen worden.“

Doch in Bonn ging es den Kas- sen auch um „das Ärgernis der überteuerten Fallpauschalen und Sonderentgelte“ im Krankenhaus.

Allein für Linksherzkatheterunter- suchungen und Ballondilatationen, so Kiefer, würden den Krankenkas- sen pro Jahr rund eine Milliarde DM mehr in Rechnung gestellt, als Ex- perten für angemessen hielten. Die- se Sonderentgelte habe das Bundes- ministerium für Gesundheit erst- mals in den Jahren 1994 und 1995 für 1996 festgelegt: „Die Kalkulations- methode ist verantwortlich dafür, daß die unbestrittenen Unwirt- schaftlichkeiten nicht ausgeräumt werden konnten.“

Bereits im Zusammenhang mit der sogenannten Herzklappen- Affäre (vgl. DÄ, Heft 31–32/1996) hatten die Krankenkassen die Poli- tik aufgefordert, die Preise für Fall- pauschalen und Sonderentgelte in den Krankenhäusern zu senken. Die Pauschalen basierten auf zu hohen Preisen für Medicalprodukte, argu- A-1975

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 30, 25. Juli 1997 (11)

Vorwürfe gegen Kardiologen

Viel Wirbel um neuen

„Ärzte-Skandal“

Die Kardiologen sind erneut in die Schlagzeilen geraten – diesmal die niedergelassenen. Ihnen wird in der Presse ein

„milliardenschwerer Betrugsskandal“ vorgehalten. Tatsa- che ist, daß die Staatsanwaltschaft Hannover seit Februar dieses Jahres gegen zwei niedergelassene Kardiologen er-

mittelt. Der Vorwurf: Abrechnungsbetrug. Daraufhin haben

die Spitzenverbände der Krankenkassen flugs bundesweite

Überprüfungen angekündigt. Zugleich beklagten die Kas-

sen in diesem Zusammenhang erneut die zu hohen Sonder-

entgelte und Fallpauschalen in der stationären Kardiologie.

(2)

E

in Gutachten „Krankenhaus 2006“, vorgelegt vom Institut für Krankenhausentwicklung in Krefeld (Autoren: Klaus Elfes, Christoph Buschkotte und Ursula Fernholz-Gräfe) kommt zu dem Er- gebnis, daß schon in zehn Jahren in der Region Aachen zusätzliche Kran- kenhausbetten aufgestellt

werden müßten, wenn die jetzt zur Disposition ge- stellten Klinikbetten vor- eilig stillgelegt würden. Im Bereich von kirchlichen Klinikträgern im Bistum Aachen wurde festge- stellt: Bereits in zehn Jahren wird die Kran- kenhausinanspruchnahme noch mehr als bisher schon wesentlich durch die Altersstruktur der Be- völkerung und die über- proportionale Zunahme der über 65jährigen, meist multimorbiden Patienten bestimmt, die im Kran- kenhaus behandelt wer-

den müssen. Schon jetzt entfallen rund 34 Prozent der in den Krankenhäusern behandelten Patienten auf solche, die älter als 65 Jahre sind, obwohl deren Anteil an der Gesamtbevölkerung nur etwa 16 Prozent beträgt.

1995 wurden der Studie zufolge in den kirchlichen Kliniken im Aache- ner Raum mehr als 47 Prozent der erbrachten 1,7 Millionen Pflegetage von Patienten über 65 Jahre in Anspruch ge- nommen. Die über 65jährigen Patienten wur- den stationär an Erkran- kungen behandelt, die zu mehr als 50 Prozent auf lediglich vier Behand- lungsgruppen entfallen.

Sie betreffen Krankhei- ten des Kreislaufsystems, Verletzungen und Vergif- tungen, Krankheiten der Verdauungsorgane und Neubildungen. Auf diese Diagnosegruppen entfie- len im Untersuchungs-

zeitraum rund 57 Prozent der Pflege- tage.

Eine Modellrechnung des Kre- felder Instituts ergab: Bei einer kon- sequenten Substitution der Kurzlie- gerfälle (bis zu zwei oder drei Liege- tage) durch klinikambulante und konsequente ambulante Versorgung würden der Bettenbedarf und die Zahl der Pflegetage lediglich um 1,51 Prozent niedriger liegen. Die Begrün- dung der Autoren: Die Operationen sinken zwar überdurchschnittlich im Verhältnis zu den Fallzahlen, da sich die ambulant verlegbaren Operati- onsfälle auf Kurzzeitlieger konzen- trieren. Auf diese Fälle entfallen aber kaum mehr verringerbare Pflegetage- volumina und ein relativ geringer Ko- stenanteil der Krankenhäuser.

lFazit der Krefelder Studie: In den nächsten zehn Jahren wird der Auslastungsgrad der rheinischen kirchlichen Krankenhäuser im Bistum Aachen von derzeit 85 Prozent (Durchschnitt) auf weit über 90 Pro- zent wachsen und die Kapazitätsgren- ze erreichen. Dann wäre im Jahr 2006 eine auf die Pflegetage abgestellte Soll-Bettenzahl von knapp 6 200 Bet- ten erforderlich, eine jetzt zur Disposi- tion stehende Zahl von Kranken- hausbetten, die unter anderem auch der nordrhein-westfälische Sozial- und Gesundheitsminister Dr. Axel Horst- mann (SPD) wiederholt ins Gespräch gebracht hatte (vgl. auch Rubrik

„Nachrichten“). Dr. Harald Clade mentierten die Kassen. Das Thema ist

jetzt wieder aktuell: Am 1. Juli dieses Jahres sind die beiden Neuordnungs- gesetze für die Krankenversicherung in Kraft getreten. Darin wird der Selbstverwaltung, in diesem Fall den Krankenkassen und Krankenhausträ- gern, die Aufgabe übertragen, Höhe und Umfang der Sonderentgelte und Fallpauschalen festzulegen. Für die Krankenkassen ist der IKK-Bundes- verband federführend bei den Medi- calprodukten.

Als maßlos überzogen hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung

(KBV) unterdessen den Vorwurf zurückgewiesen, Kardiologen hätten durch Falschabrechnungen Schäden in Höhe von 1,5 Milliarden DM ange- richtet. Denn jährlich würden in der vertragsärztlichen Versorgung für ma- ximal 60 Millionen DM Katheter und andere Hilfsmittel abgerechnet. Die Kosten für Sachmittel sind nicht im vertragsärztlichen Honorarbud- get enthalten. Die niedergelassenen Herzspezialisten rechnen diese geson- dert ab. Der Abrechnungsweg ist je- doch in den einzelnen KVen unter- schiedlich.

Die KV Niedersachsen (KVN) teilte mit, sie habe auf die Betrugsvor- würfe bisher nicht reagiert, da sie nicht in die Untersuchungsarbeit einbezogen worden sei. Man habe der Staatsan- waltschaft und den Kassen im Frühjahr dieses Jahres lediglich Abrechnungs- unterlagen zur Verfügung gestellt. Die KVN und der Erste Vorsitzende der KBV, Dr. med. Winfried Schorre, stell- ten jedoch klar: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen werden im Falle von Falschabrechnungen die notwendigen Schritte gegen die betreffenden Ärzte einleiten.“ Dr. Sabine Glöser

A-1976

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(12) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 30, 25. Juli 1997

Krankenhäuser

Voreiliger Bettenabbau

Ein Musterbeispiel, wie undifferenziert und übereilt Krankenhausplanbetten abgebaut wer- den sollen, ist die jetzt diskutierte revidierte Krankenhausbedarfsplanung des Landes Nord- rhein-Westfalen. Nach einer Art Stop-and-go-Politik sollen kurzfristig Krankenhausbetten stillgelegt oder „umgewidmet“ werden, die bis zum Jahr 2000 wieder bedarfsnotwendig werden. Ein aktuelles Gutachten* bestätigt, daß mittelfristig mehr Betten benötigt werden.

Dr. Axel Horstmann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfa- len: „Bettenabbau wird auch vor den Unikliniken nicht halt- machen.“Foto: Archiv/MAGS, Düsseldorf

*Klaus Elfes, Christoph Buschkotte, Ursula Fernholz-Gräfe, Krankenhaus 2006, Hrsg.

vom Institut für Krankenhausentwicklung (Kurfürstenstraße 69, 47829 Krefeld)

Referenzen

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