DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
Wissenschaft
für den Menschen
I
m Mai 1990 fand unter dem Motto"Wissenschaft — für den Men- schen" die 3. Nationale Blutdruck- Konferenz in Heidelberg statt. Über 1000 Teilnehmer, viele aus der da- maligen DDR, nahmen an den Ple- narsitzungen und über 20 verschie- denen Workshops teil.
Eine Bestandsaufnahme in meh- reren Vorträgen zeigte, daß im Be- reich der Prävention von Herzkreis- laufkrankheiten in der Bundesrepu- blik noch viel zu leisten ist. So leiden immer noch 15 Prozent der Bevölke- rung unter einem nicht ausreichend therapierten Hypertonus (Prof. Grei- ser, Bremen), und im Gegensatz zu
den USA und Japan sinkt die Herz- infarktrate bei uns kaum (Dr. Hense, München). Anhand dieser Befunde riet der Epidemiologe Prof. Keil (Bo- chum) zu einer umfassenden und in- tegrierten Bevölkerungsstrategie bei der Bekämpfung der Risikofaktoren.
Nur wenn es in der Gesamtbevölke- rung zu einer Verschiebung der Ver- teilungskurven zum Beispiel des Blutdrucks oder der Serumlipide zu niedrigeren Werten kommt, werden die hohe Morbidität und Mortalität durch Gefäßerkrankungen sinken.
Eine intensive Betreuung der Hoch- risikopatienten ist daneben sicher- lich weiterhin notwendig, aber sie al- lein kann wegen des geringen Anteils dieser Gruppe (zehn bis zwanzig Prozent) nicht den gewünschten Er- folg erzielen.
Prof. Schettler (Heidelberg) und andere Redner wiesen auf die enge Verflechtung der Risikofaktoren Hochdruck, Hyperlipidämie und ge- störte Glukosetoleranz hin. Prof. Ritz (Heidelberg) führte aus, daß dies vielleicht auch ein Grund für die nur geringe Senkung der Herzinfarktrate bei behandelten Hypertonikern sein könnte. Fast alle bisher verwendeten Antihypertensiva verschlechtern po- tentiell das Lipidspektrum und die Glukosetoleranz, wodurch der Ge- winn der Blutdrucksenkung in bezug auf das koronare Risiko einge-
3. Nationale
Blutdruck-Konferenz 1990
schränkt wurde. Dies liegt unter an- derem auch an der nicht ausreichend individualisierten und zu hoch do- sierten Therapie bei gleichzeitiger Vernachlässigung nichtmedikamen- töser Maßnahmen
Ein gesundheitspolitisches Fo- rum der 3. Nationalen Blutdruck- Konferenz befaßte sich mit Strate- gien der Prävention und verabschie- dete „Sieben Heidelberger Thesen".
Um diese rasch zu realisieren und wegen der Notwendigkeit, die Hauptrisikofaktoren gemeinsam zu bekämpfen, arbeiten fünf große me- dizinische Gesellschaften jetzt in der
„Nationalen Herz-Kreislauf-Konfe- renz" zusammen. Mitglieder sind die Deutsche Herzstiftung, die Deutsche Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdruckes, das Nationale Blut- druck-Programm, die Deutsche Ge- sellschaft zur Bekämpfung von Fett- stoffwechselstörungen und ihren
Folgeerkrankungen (Lipid-Liga) so- wie die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz- und Kreislauferkrankungen.
In zahlreichen Workshops wäh- rend der Konferenz wurde eine Viel- zahl von Aspekten der aktuellen Hochdrucktherapie diskutiert, au- ßerdem wurden Blutdruckmeßkurse für Arzthelferinnen veranstaltet. Die Bevölkerung Heidelbergs wurde ein- geladen, Blutdruck und Blutfette be- stimmen zu lassen sowie in einem Arzt-Patienten-Seminar über die Be- handlung des Bluthochdrucks zu sprechen. Zahlreiche Schulkinder nahmen an einem Malwettbewerb zum Thema „Gesund leben macht Spaß" teil. Diese begleitenden Ak- tionen sollten ebenso wie der Kon- greß das Bemühen verdeutlichen, wissenschaftliche Ergebnisse schnel- ler in den Praxisalltag zu bringen und für den Patienten und noch gesun- den Menschen zu nutzen. In diese Aufgabe müssen alle Berufsgruppen im Umfeld der Erkennung, Behand- lung und Betreuung von Hypertonie- patienten mit einbezogen werden.
Hierzu gehören die Wissenschaftler theoretischer Forschungsinstitute, Kliniker, praktische Ärzte, aber auch Sozialwissenschaftler, Kranken- schwestern, Praxishelferinnen und Diätassistenten. Es war das besonde- re Ziel der Konferenz, diese Fach- gruppen erstmals zusammenzubrin- gen und gemeinsam in Workshops, Seminaren, Kursen und Plenarsit- zungen das ungelöste Problem Hy- pertonie zu behandeln.
Veranstaltet wurde die 3. Natio- nale Blutdruck-Konferenz vom Na- tionalen Blutdruck-Programm, einer Sektion der Deutschen Liga zur Be- kämpfung des hohen Blutdruckes.
Informationen hierzu sowie zu der Nationalen Herz-Kreislauf-Konfe- renz können von den Verfassern an- gefordert werden.
Dr. med. Martina Pötschke-Langer Dr. med. Reinhard Baildon Prof. Dr. med. Detlev Ganten Nationales Blutdruck-Programm Berliner Straße 46
W-6900 Heidelberg
Dt. Ärztebl. 88, Heft 3, 17. Januar 1991 (69) A-127