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Archiv "Neue Bedarfsplanung: Keine Landärzte ohne Anreize" (04.08.2014)

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A 1350 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 31–32

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4. August 2014

NEUE BEDARFSPLANUNG

Keine Landärzte ohne Anreize

Die Bertelsmann Stiftung hat ein Gutachten vorgelegt, dessen Autoren urteilen:

Die neue Bedarfsplanung bringt in vielen Regionen nicht mehr als die alte. Doch bei Bertelsmann weiß man auch: Perfekte Planung bringt noch keinen Arzt aufs Land.

D

ie Kritik an der Bedarfspla- nung für die ambulante ärzt- liche Versorgung reißt nicht ab. So hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem jüngsten Gutachten angemerkt, dass für eine hilfreiche Planung grundlegende Daten fehlen: „Es bleibt das Problem, dass es bis heute keine wirkliche Bedarfser- mittlung gibt, die auf fundierten empirischen Füßen steht“, so die Feststellung. „Das heißt, es gibt keine Daten, die zeigen, wie viele Versorgungsstunden eines Haus- arztes, eines Augenarztes oder ei- nes Kardiologen beispielsweise ein 65-Jähriger im Schnitt für eine ausreichende und angemessene Versorgung benötigt.“

Auch die Bertelsmann Stiftung kommt zu einem negativen Urteil, was die reformierte Bedarfsplanung und ihre Effekte auf die Versorgung anbelangt. In ihrem aktuellen „Fak- tencheck Gesundheit“ stellt Ber- telsmann fest, dass sich auf dem Land auch künftig erheblich mehr

Patienten einen Arzt teilen müssen als in den Städten. Dem „Fakten- check“ zufolge hat die neue Be- darfsplanung, die die schwarz-gel- be Koalition vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) verlang- te, zwar die Vorgaben für die haus- ärztliche Versorgung verbessert.

Versorgungsnähere Planung für die Hausärzte

„Durch die veränderte Planung steigt der Anteil der Regionen, de- ren Hausärztedichte dem relativen Versorgungsbedarf entspricht, von 18,7 auf 46,4 Prozent“, so eines der Ergebnisse des Faktenchecks.

Dennoch sei die Verteilung der Arztsitze damit nicht einmal in je- dem zweiten Landkreis bedarfsge- recht. Insbesondere bei den Fach- arztgruppen, die nach Auffassung des G-BA wohnortnah benötigt werden, hat sich an der ungleichen Verteilung zwischen Stadt und Land nach Ansicht von Bertels- mann „nichts Wesentliches“ geän- dert. Nach den Berechnungen steigt infolge der neuen Planung

der Anteil der Kreise, in denen die Kinderärztedichte nicht dem Be- darf entspricht, sogar von 70,4 auf 75,1 Prozent.

Ähnliches ergibt sich für die Gy- näkologen. Die Versorgung in Ost- deutschland sei, gemessen am Be- darf, eher unterdurchschnittlich, in west deutschen Regionen dagegen überdurchschnittlich, verdeutlichte Stefan Etgeton, Gesund heitsexperte der Bertelsmann Stiftung: „So sind in Baden-Württemberg überdurch- schnittlich viele Gynäkologen vor- gesehen. In 17 von 44 Kreisen liegt die Ärztedichte deutlich über dem Bedarf. Der Osten Deutschlands bleibt hingegen mit Frauenärzten deutlich unterdurchschnittlich ver- sorgt. 16 von 23 Kreisen in Thürin- gen sind betroffen.“

Etwas besser fällt das Ergebnis des Vergleichs bei den Augenärzten aus. Bislang wich die Versorgungs- dichte in fast 73 Prozent der Regio- nen vom errechneten Bedarf ab, nun in 66,5 Prozent. „Das dürfte vor allem daran liegen, dass der An- teil der über 65-Jährigen in der neu-

Alle Facharztgruppen sind in die Bedarfsplanung einbezogen, das heißt in ihren Niederlassungsmöglichkeiten begrenzt.

Ermächtigte Ärzte und Einrichtungen werden ebenfalls einbezogen. Auch die Arbeit von Ärzten und Psychothera- peuten bedarfsunabhängig zuzulassender Psychiatrischer Institutsambulanzen und Sozialpädiatrischer Zentren wird pauschal angerechnet. Weil dies sehr umstritten war, wer- den die Effekte drei Jahre lang evaluiert.

Für Hausärzte sind durch die kleinräumigere Planung rund 600 zusätzliche Sitze entstanden, insgesamt 2 600 sind nun nicht besetzt. (Stand: 1. 9. 2013).

Für Psychotherapeuten entstanden 769 neue Zulas- sungsmöglichkeiten, für Kinder- und Jugendpsychiater 154, für Augenärzte 103, für HNO-Ärzte 85, für Orthopä- den 58, für Fachinternisten vier.

Die Facharztgruppen werden vier Ebenen zugeordnet: Je spezialisierter die Gruppe, desto größer der Bereich. Die zulässige Zahl von Hausärzten wird für Mittelbereiche ge- plant, die zulässige Zahl von Pathologen für eine Kassen- ärztliche Vereinigung (KV).

Für die Planung der fachärztlichen Grundversorgung (da- runter Kinderärzte, Augenärzte, Orthopäden) gibt es fünf Kreistypen. So kann man beispielsweise vorsehen, dass sich wegen vieler Berufspendler in einem Kreis mehr Ärz- te niederlassen können als anderswo.

Auf Landesebene kann man von den Vorgaben der Richt- linie abweichen. In mehr als der Hälfte aller KVen wird da- von Gebrauch gemacht, andere wollen folgen. Die Be- rücksichtigung eines zusätzlichen lokalen Versorgungs- bedarfs ist weiter möglich.

DIE NEUE RICHTLINIE IN DER PRAXIS

P O L I T I K

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4. August 2014 A 1351 en Planung deutlich stärker berück-

sichtigt wird“, heißt es.

Mit dem Vergleich hatte Bertels- mann das Berliner Forschungsinsti- tut IGES beauftragt. Es verglich die regionalen Planungen auf Basis der G-BA-Beschlüsse mit eigenen Be- rechnungen zum relativen Versor- gungsbedarf in Regionen. Anders als bei der reinen Bedarfsplanung fließen bei der Ermittlung des rela- tiven Versorgungsbedarfs sozioöko- nomische und morbiditätsbezogene Faktoren in die Berechnungen ein, darunter Arbeitslosenquote, Ein- kommensstruktur, Pflegebedarf.

Die Ergebnisse beziehen sich aber auf Arztsitze, nicht auf einen wirk- lichen Versorgungsbedarf.

Positive Effekte nur dann, wenn Anreize folgen

Auch Bertelsmann erkennt aller- dings die Grenzen von Planung.

„Die besten Pläne nützen nichts, wenn es keine Strategien für die Umsetzung gibt“, betonte Etgeton.

„Der Job des Landarztes muss für Nachwuchsmediziner attraktiver werden. Dabei geht es sowohl um finanzielle Anreize als auch um die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem Land.“

Ähnlich argumentierte Ende Juni Josef Hecken, der Unparteiische Vorsitzende des G-BA, bei einem Rechtssymposium seines Hauses zur Bedarfsplanung in der vertrags- ärztlichen Versorgung. Er warnte vor allzu großen Hoffnungen in die reformierte Bedarfsplanung: „Sie kann ihren Auftrag nur dann erfül- len, wenn sie flankiert wird durch gesetzgeberische Maßnahmen.“ Als Beispiel nannte der G-BA-Vorsit- zende Anreize, um die ärztliche Versorgung auch in ländlichen Re- gionen zu gewährleisten: „Sonst werden wir trotz freier Sitze wenig erreichen können.“ Alle Anstren- gungen seien sinnlos, „wenn es uns nicht gelingt, eine von allen aner- kannte Überversorgung auch abzu- bauen“, sagte er. „Das kann nur ge- lingen, wenn solche Sitze eliminiert werden.“

Diese Äußerungen lösten Nach- fragen aus. Wer für die Entschädi- gung eines Arztes aufkommen müs- se, dessen Sitz man stilllege, fragte

ein Zuhörer: Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen)? KVen und Kassen? „Das ist eine Frage, die die Politik beantworten muss“, antwor- tete Hecken. Er denke auch über an- dere Steuerungsmodelle nach, bei- spielsweise den Ansatz, einem Arzt nach zehn Jahren Niederlassung in einem weniger attraktiven Bereich eine Zulassung in einer begehrten Region zu garantieren.

Nach den Erkenntnissen des G-BA werden zumindest die Mög- lichkeiten genutzt, im Sinne der Versorgung regional von seinen Vorgaben abzuweichen: Neun KVen haben davon Gebrauch ge- macht; die Anpassungen reichen von neu gebildeten Mittelbereichen bis zu Änderungen der Verhältnis- zahlen Arzt – Patienten. Was unter Versorgungsaspekten viele bejahen, besorgt aufgrund möglicher rechtli- cher Folgen die Juristen. So sieht Horst Schirmer, Chefjustiziar der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, Potenzial für Rechtsstreitig- keiten: „Jeder Fall einer Abwei- chung führt dazu, dass der ein oder andere Bewerber einer Zulassungs- beschränkung unterliegt“ – und

möglicherweise dagegen klagt.

Schirmer hält Prozesse auch des- halb für wahrscheinlich, weil der Gesetzgeber es dem G-BA nicht zu- gestanden habe, die möglichen Ab- weichungen zu normieren.

Feinplanung in den Regionen:

neue Fallstricke

Auch Prof. Dr. jur. Ulrich Wenner, Vorsitzender Richter am Bundesso- zialgericht, ging auf solche Fallstri- cke ein. Weil bundesweite Vorga- ben für bestimmte Feinplanungen nicht existieren, zum Beispiel für die Berücksichtigung der vielen in- ternistischen Fachgebiete, kommen auf die Zulassungsausschüsse schwierige Entscheidungen zu. Nur liegen diesen – wie auch später den Gerichten – häufig keine Daten vor, mit denen sie das Leistungsspek- trum beurteilen können. Wenner riet, die Gründe für Abweichungen von der Richtlinie gut zu dokumen- tieren. Nachvollziehbaren Abwei- chungen werde sich kein Gericht verschließen – solchen, die mögli- cherweise vor allem einer Begünsti- gung dienten, aber schon.

Sabine Rieser

Der IGES-Studie zufolge hat sich durch die neue Bedarfsplanung kaum etwas verbessert.

Ist dieser Schluss zutreffend?

Feldmann: IGES hat ein eigenes Planungssystem entwickelt und erklärt dieses kurzerhand zum Goldstandard. Über das Ergebnis kann man veri- tabel streiten. Dabei wird eines vergessen: Pla- nung alleine schafft noch keine neuen Ärzte, schon gar nicht dort, wo man sie braucht. Viel wichtiger ist es, Anreize für die Niederlassung zu schaffen. Hier hat sich bislang noch zu wenig be- wegt. Allerdings ist dies auch nicht die Aufgabe der Bedarfsplanung.

Was hat sich durch die neue Bedarfsplanung verbessert?

Feldmann: Ein Beispiel: Jeder weiß, dass das Einzugsgebiet einer Fachgruppe vom Spezialisie- rungsgrad abhängt: je spezialisierter, desto grö- ßer. Das wird jetzt besser in der Bedarfsplanung abgebildet, was im Falle der Hausärzte auch die

Bertelsmann Stiftung anerkennt. Und regional kann von allen Vorgaben begründet abgewichen werden. Die Bedarfsplanung neuer Art kann viel besser als bisher auf die tatsächlichen Versor- gungserfordernisse eingehen.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Bedarfsplanung?

Feldmann: Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland über eine sehr dichte, gut ausge- baute ärztliche Versorgung. Eine beständige He- rausforderung bleibt jedoch die Suche nach einer Antwort auf folgende Fragen: Wie viele Ärzte kann, will oder muss die Gesellschaft sich leis- ten? Wie viel Geld wollen wir dafür ausgeben?

Dieser Wirtschaftlichkeitsdruck ist die größte He- rausforderung jeder Bedarfsplanung. Außerdem muss man darüber nachdenken, ob Versorgung vor allem auf Basis des medizinischen Bedarfs der Patienten geplant werden soll. Das ist noch nicht erfolgt – und gestaltet sich sehr schwierig.

3 FRAGEN AN . . .

Dipl.-Med. Regina Feldmann, KBV-Vorstand

P O L I T I K

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