Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 20|
16. Mai 2014 A 905 man sich hierbei von der Vorstellungverabschieden, dass eine deutsche Superbehörde oder Organisation ei- ne zentrale Lösung verordnen kann, sondern vielmehr ein dezentrales Konzept entwerfen, das neue An- wendungen jederzeit integrieren kann. Denn anders als noch vor zehn oder 20 Jahren sei es inzwischen möglich, Daten anonymisiert und unter Schutz der Privatsphäre zu analysieren. „Wir sind in der Lage, Analytik auf großen Datenbeständen zu betreiben, ohne dabei Daten zen- tralisieren zu müssen. Man kann nur die Politik, die Gesellschaft einla- den, das auch anzunehmen.“
Vor allem der Gesunde aber möchte seine persönlichen Daten nicht unbedingt hergeben, auch wenn der Fortschritt der personalisierten Medizin genau davon abhängt, dass massenhaft Gen- und Gesundheits- daten gesammelt, verknüpft und ana- lysiert werden. „Wenn ich krank bin,
dann interessiert der Datenschutz weniger. Dann bin ich froh, wenn ich davon profitieren kann, dass andere meine Daten auswerten und ich die beste Behandlung erhalte“, meinte Grolimund.
Patientengenossenschaft Er berichtete vor diesem Hinter- grund von den Überlegungen in der Schweiz, eine Patientengenossen- schaft zu gründen, in der die Bürger ihre eigenen Gesundheitsdaten ein- stellen und selbst entscheiden kön- nen, wer diese Daten zu welchem Zweck gebrauchen kann. „Das ist langfristig der Weg aus dem Dilem- ma, denn im Moment trauen sich zumindest in der Schweiz Kranken- versicherungen, Spitäler, Ärzte, Pharmaindustrie und Patientenorga- nisationen – salopp gesagt – nicht über den Weg, um wirklich etwas aus Big Data zu machen. Jeder be- hält seine Daten für sich.“
Die Frage nach dem Mehrwert und mehr Evidenz durch Big Data in der Medizin beantwortet der IT- Experte Wrobel eindeutig positiv:
„Die technischen Voraussetzungen sind da. Wir sehen auch sehr deut- lich den Nutzen, den das bringen kann. Dennoch brauchen die gesell- schaftlichen Diskussionen Zeit.“
Ähnlich ist das aus Sicht der Ärz- te: „Wir sind noch nicht gut genug aufgestellt für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit von Daten.
Zum Teil ist das ein biologischer Prozess, das heißt, die nachwach- sende Generation wird mit Daten ganz anders umgehen als diejenige, die kurz vor Aufgabe ihrer prakti- schen Tätigkeit ist“, meinte Bart- mann. Gleichwohl heiße das nicht, dass man nichts tun könne und müs- se. Die intensive Befassung mit die- sem Thema sei noch nicht verbrei- tet: „Es gibt sehr viel zu tun.“
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Heike E. Krüger-Brand
UNIVERSITÄTSMEDIZIN MAINZ
Gewebe-Biobank in Betrieb
Die Universitätsmedizin Mainz hat eine Gewebe-Biobank in Betrieb genommen, in der sich bis zu 14 000 Gewebe-, Blut- und Spei- chelproben von Patienten systema- tisch sammeln und speichern las- sen. Langfristig erhofft sich die Universitätsmedizin Mainz, neue Er- kenntnisse und Behandlungsmög- lichkeiten etwa zu Krebserkrankun- gen auf Basis des Probenmaterials zu gewinnen. Die Gewebe-Biobank gehört zum Universitären Centrum für Tumorerkrankungen am Institut für Pathologie.
Die Proben lagern in der Gas- phase von flüssigem Stickstoff. Es handelt sich einerseits um Proben von Tumoren und andererseits von nicht tumorösen Veränderungen, die etwa bei chronisch-entzündli- chen Erkrankungen wie Rheuma auftreten. Das High-Tech-Kühlge- rät („Smartfreezer“) muss besonde- ren Anforderungen genügen: So dürfen zwischen der Entnahme ei- ner Probe und ihrer Einlagerung nur
maximal 30 Minuten vergehen.
Auch muss das Herunterkühlen auf minus 180 Grad Celsius extrem schnell erfolgen. Gleichermaßen gilt es Schwankungen bei der Tem- peratur und Feuchtigkeit nahezu auszuschließen, denn auch das könnte den biologischen Prozess wieder in Gang setzen. Die Folge wäre eine Schädigung des Proben- materials – vor dem Hintergrund, dass Moleküle in Gewebeproben zum Teil sehr schnell zerfallen.
Wurden bei Gewebe-Biobanken früherer Bauart noch Proben hän- disch eingelagert, übernimmt diese Aufgabe jetzt ein Roboterarm. Er setzt die etwa drei Zentimeter gro- ßen Probenröhrchen jeweils einzeln in die Schublade des „Smart - freezers“. Identifiziert werden die Probenröhrchen über einen Barcode.
Damit geht eine sichere Verschlüs- selung von Patientendaten einher, so dass der Patient für den Forscher anonym bleibt. Die Personendaten sind zudem für die Wissenschaftler
nicht zugänglich, da sie an anderer Stelle verwaltet werden.
Die vom Ressort Forschung und Lehre der Universitätsmedizin Mainz getragenen Kosten der Bio- bank belaufen sich auf insgesamt etwa 170 000 Euro. Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz, aber auch externe Kooperations- partner können auf die Daten zu- greifen. Darüber hinaus ist eine Vernetzung mit anderen For- schungsverbünden geplant. EB
Präsentation der Gewebe-Biobank am Universitären Centrum für Tumorerkrankungen (von links nach rechts): Matthias Theobald (III. Medizinischen Klinik und Poliklinik), Charles J. Kirkpatrick und Christoph Brochhausen (Institut für Pathologie), Ulrich Förstermann, Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Mainz
Foto: Peter Pulkowski