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Archiv "Lukrative Frühchen" (15.03.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 11

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15. März 2013 193

M E D I Z I N

DISKUSSION

Lukrative Frühchen

Die Bedeutung der Frühgeburtlichkeit als wachsendes, und zu einem Gutteil auch iatrogenes Problem zeigt der Artikel in erschreckender Deutlichkeit, und die Aussa- ge, dass sich bei einer verantwortungs- und qualitätsvol- len Geburtshilfe der Anteil ärztlich indizierter Entbin- dungen vor der 39. SSW um 70–80 % senken ließe, passt so gar nicht in den Trend steigender Kaiserschnit- traten, die nach den neusten Daten des Statistischen Bundesamtes fast ein Drittel aller Klinikgeburten aus- machen (2011 zwischen 23 % und 38 %, im Schnitt 32 %). Auch ist das Bewusstsein dafür, dass die Kom- plikationsrate bei Kindern weit höher liegt, als die ver- meintliche Sicherheit einer Schnittentbindung vermuten lässt, wenig verbreitet. Die hier genannten Zahlen zei- gen, dass auch „leichte“ Frühgeburtlichkeit mit einem Risiko späterer „Unterstützungsnotwendigkeit“ ver- knüpft ist. Konkret heißt das, dass im weiteren Kinder- leben vor allem medizinische Fördermaßnahmen not- wendig werden und mit pädagogischen und sozialpoliti- schen Konsequenzen zu rechnen ist. Es heißt aber damit auch, dass die „Gesundheitswirtschaft“ als Ganzes hier langfristig ein einträgliches Auskommen hat. Denn nicht Gesundheit rechnet sich, sondern Krankheit. Die Neonatologie ist zum größten und profitabelsten Berei- che der klinischen Kinderheilkunde geworden, und hier sind die Frühgeborenen die größte Patientengruppe. Bei den derzeitigen Diskussionen um Mindestmengen und Rentabilitäten in einer zunehmend kommerzialisierten Krankenhauswelt fällt es schwer zu glauben, dass ein ernsthafter Wille besteht, eine wirksame Prävention von Frühgeburtlichkeit durchzusetzen, die, wie die Autoren beispielhaft darlegen, bei konsequenten Qualitätsver- besserungsmaßnahmen möglich wäre. Hier gilt, genau wie in anderen Bereichen der zur „Gesundheitswirt- schaft“ degradierten Medizin, dass nur erbrachte „Leis- tungen“ zählen, etwa ein Überleben trotz 25. SSW, nicht aber verhinderte Einzelschicksale, die letztlich nicht be- weisbar sind. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0193a

LITERATUR

1. Poets CF, Wallwiener D, Vetter K: Risks associated with delivering in- fants 2 to 6 weeks before term—a review of recent data. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(43): 721–6.

Dr. med. Stephan Heinrich Nolte, Kinder- und Jugendarzt, shnol@t-online.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Schlusswort

Wir sind dem Kollegen Nolte dankbar, den Bogen noch etwas weiter gespannt zu haben, als dies in un- serem Beitrag (1) intendiert und möglich war. Der Aussage, dass Medizin nicht nur unter ökonomi- schen Gesichtspunkten gesehen werden darf, kann nur zugestimmt werden, inklusive dem Hinweis auf die Gefahr, dass die zunehmende Ökonomisierung der Medizin, bis hin zur Verknüpfung zwischen per- sönlichem Einkommen und auf Umsatzsteigerung abzielenden „Zielvereinbarungen“, dem Ansehen des Arztes in der Gesellschaft und der Medizin insge- samt schaden kann. Umso wichtiger erscheint es, dass es seitens der Ärzteschaft hierzu in den letzten Monaten – wie auch in dieser Zeitschrift dokumen- tiert – erste Gegenbewegungen gibt (2). In diesem Sinne sollte unser Beitrag, zusammen mit einem weiteren zu den Risiken der Sectio-Entbindung (3), dazu beitragen, den von S. Nolte angesprochenen Trend umzukehren, das heißt sich für mehr vaginale Termin- und weniger frühe elektive Sectio-Entbin- dungen einzusetzen. Bei der Umsetzung dieser bei- den Ziele ist jeder Arzt gefordert, der Schwangere bezüglich der Wahl von optimalem Entbindungszeit- punkt und Geburtsmodus berät, und hierzu können und sollten nicht zuletzt auch Pädiater einen Beitrag leisten.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0193b

LITERATUR

1. Poets CF, Wallwiener D, Vetter K: Risks associated with delivering infants 2 to 6 weeks before term—a review of recent data.

Dtsch Arztebl Int 2012; 109(43): 721–6.

2. Maio G: Ärztliche Hilfe als Geschäftsmodell? Eine Kritik der ökonomischen Überformung der Medizin. Dtsch Arztebl 2012;

109(16): A 804–5

3. Poets CF, Abele H: Geburt per Kaiserschnitt oder Spontangeburt.

Was ist sicherer für das Kind? Monatsschr Kinderheilkd 2012; 12:

1196–203.

Prof. Dr. med. Christian F. Poet Abteilung für Neonatologie, Universitätsklinikum Tübingen christian-f.poets@med.uni-tuebingen.de

Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener Universitäts-Frauenklinik, Universitätsklinikum Tübingen

Prof. Dr. med. Klaus Vetter Berlin

Interessenkonflikt

Prof. Poets erklärt, dass er Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftli- chen Fortbildungsveranstaltungen von der Firma Milupa erhielt. Des Weiteren bekam er Kostenerstattung für die Datenerhebung als auch Gelder für ein von ihm initiiertes Forschungsvorhaben von der Firma Chiesi .

Prof. Vetter und Prof. Wallwiener erklären, dass kein Interessenkonflikt besteh t.

zu dem Beitrag

Zwei bis sechs Wochen zu früh geboren – Risiken für das weitere Leben

von Prof. Dr. med. Christian F. Poets, Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener, Prof. Dr. med. Klaus Vetter in Heft 43/2012

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