Korrekte Anwendung essenziell
Die Autoren schreiben, außer „Über- und Unterdosierungen [. . .], sind die Ursachen für mangelnde Wirksamkeit oder Nebenwirkungen bisher weitge- hend unbekannt.“ Das erweckt beim Leser den Eindruck, Über- und Unter- dosierungen seien für den Therapieer- folg eher von nachgeordneter Bedeu- tung. Tatsächlich handelt es sich hier aber um den entscheidenden Faktor für die weit überwiegende Mehrzahl von Therapieversagern. Nimmt man allein die verfügbare Literatur zum Thema Patientencompliance zusam- men, dann dürfte der Anteil der Pati- enten, die ihre Medikamente gar nicht oder nicht in der verordneten Weise einnehmen, grob geschätzt bei minde- stens 50 Prozent liegen. Hinzu kommt, dass teilweise die ärztliche Medika- mentenauswahl und -dosierung nur suboptimal ist. Hierzu zählt auch die Nichtbeachtung von unerwünschten Interaktionen, die von den Autoren als Ursache für ein Therapieversagen gar nicht erwähnt werden. Sicher kann die Phänotypisierung in einigen Fällen zur Therapieoptimierung beitragen. Bei den meisten Fällen mit unbefriedigen- dem Therapieerfolg ist es jedoch we- sentlich schneller, kosteneffizienter und vor allem ausreichend, zuerst den
Patienten stärker in die Pflicht zu neh- men (TDM zur Kontrolle der Compli- ance ist preiswert und sehr hilfreich) sowie die gesamte Medikation kritisch auf Dosierung und mögliche Interak- tionen zu prüfen.
Dr. med. Arne Reimers Schwanenweg 25 24558 Henstedt-Ulzburg
Schlusswort
Herr Dr. Reimers weist mit Recht dar- auf hin, dass Non-Compliance vonsei- ten des Patienten ein großes Problem in der Arzneimitteltherapie darstellt und ursächlich für Therapieversagen verantwortlich sein kann. Vor allem bei der Pharmakotherapie älterer Pa- tienten ist dieses Phänomen weit ver- breitet und kann in den meisten Fällen auf eine unregelmäßige Einnahme von Medikamenten zurückgeführt werden (3). Auch seinen Ausführun- gen, dass Arzneimittelinteraktionen ein relevantes Problem sind, können wir nur zustimmen. Eine entsprechen- de Aussage haben wir durch den Hin- weis gemacht, dass viele Arzneistoffe mit sehr unterschiedlicher Struktur durch ein Zytochrom-P450-Isoenzym verstoffwechselt werden beziehungs- weise ein Arzneistoff selbst – wie im Falle des Calciumantagonisten Vera- pamil – Substrat für mehrere P450- Enzyme sein kann.
Da es aber Ziel unseres Beitrags war, die Bedeutung genetischer Fakto- ren aufzuzeigen, die ursächlich für Ne- benwirkungen beziehungsweise eine fehlende oder auch mangelnde Wir- kung von Arzneimitteln verantwort- lich sein können, lag der Schwerpunkt unserer Ausführungen darin, mit einer an den Genotyp des Patienten ange- passten Dosierung, die Arzneimittel- therapie zu optimieren und Toxizität zu vermeiden.
Darüber hinaus ist bei der Beurtei- lung der Wirksamkeit eines Arznei- stoffes prinzipiell zu unterscheiden, ob man von der Wirksamkeit eines Medi- kamentes spricht, die in kontrollierten Studien im Rahmen der Arzneimittel- zulassung überprüft wurde, oder ob es um das individuelle Ansprechen einer
Therapie beim Patienten geht. Gerade in kontrollierten Studien (zum Bei- spiel Phase-3-Studien) ist eine man- gelnde Wirksamkeit eines Arzneimit- tels oftmals ungeklärt, obwohl Non- Compliance vonseiten des Patienten aufgrund aufwendiger Kontrollen weitgehend ausgeschlossen werden kann und in den meisten Fällen ergän- zend Plasmakonzentrationen des Arzneistoffs gemessen werden (4).
Beispielsweise gibt es im Falle von β- Agonisten Untersuchungen, die dar- auf hinweisen, dass bei vergleichbaren Plasmakonzentrationen das Ausmaß der Wirksamkeit von β-Agonisten sehr unterschiedlich sein kann (5).
Ursächlich dafür verantwortlich sind Mutationen des β2-Rezeptorgens (ADBR2), die die Rezeptorfunktion in der Weise verändern, dass trotz op- timaler Dosierung, das heißt ausrei- chender Plasmakonzentration des β2- Agonisten, kein oder nur ein mangel- hafter Effekt zu beobachten ist (2, 5).
Durch Anwendung pharmakogeneti- schen Wissens ist es deshalb heute in bestimmten Fällen möglich, einen hilf- reichen Beitrag zu einer optimierten Arzneimitteltherapie zu leisten (1).
Literatur
1. Evans WE, Johnson JA: Pharmacogenomics: the in- herited basis for interindividual differences in drug response. Ann Rev Genomics Hum Genet 2001; 2:
9–39.
2. Israel E, Drazen JM, Liggett SB et al.: The effect of polymorphisms of the beta (2)-adrenergic receptor on the response to regular use of albuterol in asth- ma. Am J Respir Crit Care Med 2000; 162: 75–80.
3. Kruse WH: Comprehensive geriatric assessment and medication compliance. Z Gerontol Geriatr 1995;
28: 54–61.
4. Lindpaintner K: Genetics in drug discovery and de- velopment: challenge and promise of individuali- zing treatment in common complex diseases. Br Med Bull 1999; 55: 471–491.
5. Taylor DR, Kennedy MA: Beta-adrenergic receptor polymorphisms and drug responses in asthma.
Pharmacogenomics 2002; 3: 173–184.
Dr. med. Matthias Schwab Prof. Dr. med. Michel Eichelbaum Dr. Margarete Fischer-Bosch- Institut für Klinische Pharmakologie Auerbachstraße 112
70376 Stuttgart M E D I Z I N
A
A2430 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 3713. September 2002
zu dem Beitrag
Pharmakogenetik der Zytochrom-P-450-Enzyme
Bedeutung für Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten
von
Dr. med. Matthias Schwab Dr. med. Claudia Marx Priv.-Doz. Dr. phil. nat.
Ulrich M. Zanger Prof. Dr. med.
Michel Eichelbaum in Heft 8/2000