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Mitteilungen

des Eidg. Institutes für Schnee- und Lawinenforschung

Dezember 1961 Nr.17

30 Jahre Eidg. Schnee-

und Lawinenforschungskommission 25 Jahre Schnee- und Lawinenforschung

auf W eilifluhjoch

Separatabdruck aus der «Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen•, Nr.12, Dezember 1961

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Separatabdruck aus cler • Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen r. 12, Dezember 1961, S. 733-750

30 Jahre E i dg. Schnee- und Lawinenforschungs- kommission

25 Jahre Schnee- und Lawinenforschung auf Weißfluhjoch

Von J. ]ungo, Bern

Vor dreißig Jahren hat das Eidg. Departement des Innern auf Antrag der Inspek- tion für Forstwesen, Jagd und Fischerei eine schweizerische Lawinenforschungskom- mission, die später in «Kommission für Schnee- und Lawinenforschung» umbenannt wurde, ins Leben gerufen. Die ihr damals gestellte Aufgabe bestand in der Messung des ruhenden Schnees, in Untersuchungen über die Dynamik des Schnees, in der Anschaffung der notwendigen Instrumente und im Einrichten von Beobachtungs- stationen.

achdem während einiger Jahre unter der Leitung der Kommission durch ver- schiedene Stationen im Alpengebiet Beobachtungen durchgeführt worden waren, ergab sich die otwendigkeit einer vertieften, wissenschaftlich fundierten Erfor- schung der Schnee- und Lawinenprobleme. Diese Erkenntnis führte zur Konzentra- tion der Forschung an ein und demselben Ort, nämlich auf Weißfluhjoch ob Davos.

Seit 25 Jahren werden nun hier kontinuierliche Schneeaufnahmen und vor allem aktive und systematische Schnee- und Lawinenforschung betrieben.

Aus den damaligen bescheidenen Anfängen hat sich im Verlaufe eines Viertel- jahrhunderts ein Institut entwickelt, das einerseits gründliche wissenschaftliche For- schungsarbeit leistet und anderseits dem praktischen Forstdienst die Grundlagen für seine Verbauungen liefert, welche die Bevölkerung unserer Bergtäler vor den Gefah- ren der Lawinen schützen. Die erzielten Ergebnisse haben aber sehr bald über die engen Grenzen unseres Landes hinaus Bedeutung erlangt, und heute i t der ame Weißfiuhjoch in aller Welt bekannt.

Für die Kommission und das Institut stellen diese ersten Jahrzehnte einen wich- tigen, ja wohl den wichtigsten Abschnitt ihrer Entwicklung dar. Es galt vorerst, die

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Aufgaben und Ziele zu bestimmen, die [ethoden und fittel der Forschung festzu- legen und die Mar chroute zu suchen. Auf dieser GTundlage ist das Institut im Ver•

laufe der 25 Jahre 'tetig und zielbewußt gewach en, haben sich Glied um Glied dem ursprünglichen Konden ationskern angefügt und die einzelnen Arbeit gebiete her- au kri tallisiert. Heute teht da In titut fe tgefügt und voller Vitalität da. Seine Entwicklung hat mit der Verordnung des Bundesrates vom 8. Juli 1960 einen vor•

läufigen Abschluß gefunden. In Artikel l der erordnung wird seine ufgabe wie folgt umschrieben:

«Es hat zur Aufgabe, den Schnee in allen seinen Erscheinungen und uswirkun- gen, vorab hin ichtlich Lawinenbildung und Lawinenabwehr, zu erfor chen; da- neben soll es Behörden, Gerichte, ArntsStellen und Private in allen Belangen seines Tätigkeitsgebietes beraten, sei es im Sinne bloßer Information oder in Form eigent•

licher Gutachten; sodann hat es den Lawinenwarndienst der chweiz, einschließlich der gebotenen Aufklärung über die Gefahr von Lawinen, zu besorgen.

WeiLere yerwandte Aufgaben, wie Hagelforschung, Studien an Eis und Gletschern owie von ereisungen u w., können vom Institut mit Zustimmung des Eidg. De- partements des Innern übernommen werden.»

Der zweite Absatz hält den Weg für eine weitere Entwicklung offen; denn das Forschungsgebiet von Schnee und Eis ist nod1 lange nicht erschöpft.

Das Eidg. Departement des Innern hat die Gelegenheit der ordentlid1en Sitzung der Schnee- und Lawinenforschungskommission vom 11. und 12. Oktober 1961 be- nützt, um zu einer beschei~enen Jubiläumsfeier nach Davos einzuladen, welche der Departementschef, Herr Bundesrat T s c h u d i, mit seiner Anwesenheit beehrte.

Der Präsident der Kommission konnte die Vertreter der Behörden des Kantons Graubünden und der Landschaft Davos begrüßen, ferner ehemalige und aktive Kommissionsmitglieder, ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts sowie Vertreter befreundeter wissenschaftlicher Institutionen. Sein besonderer Gruß galt den derzeitigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts mit Herrn Direktor M. de Quervain an der Spitze, die jaluaus, jahrein freudig ihre schöne, oft aber auch beschwerliche und gefahrvolle Arbeit auf Weißlluhjoch verrichten. Er gedachte ferner jener Männer, die sich um den Aufbau der schweizerischen Schnee- und Lawinenforschung bleibende Verdienste erworben haben und die leider schon in die Ewigkeit abberufen worden sind.

Die Herren Prof. Dr. R. H ae f e l i und Direktor Dr. M. de Q u c r v a in hatten es übernommen, aus früheren Akten und auf Grund persönlicher Erinnerungen die Entwicklung der Schnee- und Lawinenforschung von ihren Anfängen bis auf den heutigen Tag zu schildern. Ihre Ausführungen stellen die Geschichte der ersten Jahr- zehnte der schweizerischen Schnee- und Lawinenforschung dar und dürften auch weitere Kreise interessieren.

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Von den Anfängen der Schnee- und Lawinenforschung

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Von R. Haefeli, ETH, Zürich

1. Einleitung

Wenn mir heute die ehrenvolle Aufgabe zugefallen ist, die Anfänge der Schnee- und Lawinenforschung in unserer Erinnerung wieder aufleben zu lassen - jene relativ bescheidenen Anfänge, welche die meisten von Ihnen miterlebt haben -, so sind es vor allem Gefühle des Dankes, die mich dabei bewegen. Haben wir doch allen Grund, dankbar zu sein dafür, daß wir in irgendeiner Form am Aufbau eines Werkes mitheHen durften, das dazu beitragen mag, die durch die Lawinen verursachte Not der Menschen zu lindern. Tiefen persönlichen Dank schulde ich der Vorsehung, daß ich in jungen .Jahren als begeisterter Skifahrer und Bergsteiger und später als Schnee- forscher zu wiederholten Malen wie durch ein Wunder vor dem Lawinentod bewahrt worden bin.

Als Bauingenieur und Laie in forstlichen Fragen habe ich gewisse Hemmungen, vor diesem prominenten Kreis von Forstleuten zu sprechen. Ich bitte Sie deshalb, es meiner Unwissenheit zugute zu halten, wenn ich trotz dem hohen Stand der Forst- wissenschaften an der Auffassung festhalte, daß - wer auch immer dem Schoße unserer lieben Mutter Erde einen Setzling anvertraut, eigentlich doch nicht so genau weiß, was daraus werden wird. Er kann seinen Schützling wohl hegen und pflegen, aber mehr kann er nicht tun. Das Schicksal des werdenden Baumes ist ihm verborgen.

Er gebietet nicht über Regen und Sonnenschein, die dessen Gedeihen oder Verderben bestimmen. Er glaubt der Gärtner zu ein, aber der wirkliche Gärtner ist ein Höherer.

Ähnliches gilt von jeder Idee, der eine Initiative entspringt. Allzuleicht vergessen wir, daß der Mensch nur der Empfänger und Träger der Idee ist, nicht aber ihr Schöpfer. Uns liegt es ob, die empfangene Idee zu realisieren, indem wir sie in die Tat umsetzen.

olche Gedanken mögen uns heute bewegen, wenn wir auf jene Initiative zurück- blicken, die vor 30 Jahren, am 11. Dezember 1931, mr Gründung der schweizerischen Schnee- und Lawinenforschungskommission führte. Sie war vom Bestreben getragen, den Kampf gegen das weiße Element auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen und dadurch wirksamer zu gestalten. Gräbt man den ·wurzeln dieses Baumes nach, dessen Werden wir verfolgen wollen, so stößt man auf eine Per önlichkeit von ganz besonderer Prägung und Bedeutung, ohne deren segensreiches Wirken wir heute kaum hier versammelt wären: Johann Co a z, der erste eidgenössische Oberforst- inspektor (1822-1918). Ihm verdanken wir nicht nur die erste Lawinenstatistik der Schweizer Alpen, sondern auch jene gesetzliche Grundlage, welche durch die enge Verbindung von baulichen und forstlichen Maßnahmen das übel der Lawinen an

1 Vortrag anläßlich de1· Feier •30 Jahre Eiclg. chnee- und Lawinenforschungs- kommission, 25 J,1hrc chneeforschung auf Weißfluhjoch• (12. Oktober 1961).

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der \\'urzel bckiimpft. Von ähnlichem Holz wi ein Hans Conrad Escher von der Lin th, hat oaz eine ganze Per önlichkeit und sein Leben dafür eingesetzt, um die durch die zerstörende Naturgewalt vcrursa hte ot der Gebirgsbevölkerung zu lindern.

Noch zu Lebzeiten Coaz' begann sich um die Jahrhundertwende die Eroberung de winterlichen Hochgebirges durch die kitouri tik au( die weitere Entwicklung der Schnee- und Lawinenkunde au zuwirken. Den eidgenössischen und kantonalen Forstbeamten wurde durch die Benütwng von kiern die ufgabe, die Verbauungs- gebiete auch im '\ inter zu kontrollieren und ·hnecprofile zu graben, wesentlich erleichtert. Die auf diesen mühsamen und gefährlid1en Fahrten gesammelten Erfah- runo-en wurden in einer Reihe wertvoller Veröffentlichungen über Verbauttngen und Aufforstungen der Eidg. Inspektion für For twesen fe tgehalten und kamen päter der chneekommi ion zugute. Um die tiefe Be orgnis und das Suchen nach neuen Lö ungen jener Zeit zu ver tehen, muß man berück ichtigen, daß sich die Liste der jährlichen Lawinentoten der zwanziger Jahre auf dem düsteren Hintergrund der kata u·ophalen Bilanz de Er ten Weltkriege abzeichnete. Auf gegen 60 000 wurde die Zahl der Soldaten und Offiziere geschätzt, die Yorwiegend aus Unkenntnis und rnaµgelnder Erfahrung den Lawinen an den Alpenfronten zum Opfer fielen (1914 bi 191 ).

2. Aus der Frühzeit der Schnee- und Lawinenforschung (1931-1941)

Die cLawine> der chneeforschung wurde im Jahre l 930 durch. Prof. Paul c k e, ein bekannter Pionier des alpinen kilaufs und Entdecker des Schwimmschnees, ausgelöst, indem er an den damaligen Sdrnlratspräsidenten, Prof. Dr. A. Roh n, mit dem Vorschlag gelangte, ein internationales Hochschullaboratorium für Schnee- und Lawinenforschung zu gründen. Die zur Prüfung dieses Vorschlages einberufene Expertenkonferenz vom II. Dezember 1931 anerkannte und betonte die otwendig- keit systematischer Forschung auf dem Gebiete von Schnee und Lawinen, verzichtete jedoch auf eine engere Verbindung mit Paulcke. Sie rief einen Ausschuß ins Leben, der sich anschließend unter dem Vorsitz des Eidg. Oberforstinspektors selbst zur Schweizerischen Kommission für Sdmee- und Lawinenforschung konstituierte. Dieser Ausschuß bestand aus 7 Mitgliedern: Drei Vertretern des Forstwesens, zwei Vertre- tern der ETH, einem Vertreter der Hydrologie und einem Repräsentanten der Bundesbahnen. Es waren dies: Oberforstinspektor Petitmermet, die Forstinspek- toren H e ß und D a s e n, Prof. M e y er -P e t e r, Prof. S t a u b, Dr. L ü t s c h g und Direkt0r Lab h a r t (SBB).

Anfänglich galt das Hauptanliegen der jungen Kommission der Finanzierung und Koordination der Untersuchungen der bereits bestehenden 5 Stationen Jaman, Safiisd1, Andermatt, Elm und Parsenin, von denen sich jede neben den allgemeinen Aufgaben einem ganz speziellen Problem widmete. So beschäftigte sich zum Beispiel Kreisoberförster Dr. Eu gs t er auf der Station Saflisch erfolgreich mit dem Problem der Schneeablagerung durch Wind und deren Beeinflussung durch aufgestellte Objekte. Ein von ihm konstruiertes Penetrometer diente der Feststellung des Wider- standes, welchen die einzelnen Schneeschichten dem Eindringen eines Stempels ent- gegensetzten. Auf der Station Andermatt verfolgte Dr. 0 e c h s l in seit Jahren die Schneeverhältnisse und Lawinenniedergänge des Gotthardgebietes und führte mit

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Hilfe eines selbstkonstruierten Apparates die ersten Kohäsionsmessungen an der ungestörten Schneedecke durch. Seine besondere Aufmerksamkeit galt ferner den Kriechbewegungen der Schneedecke und deren Messung.

Jn der kurzen uns zur Verfügung stehenden Zeit ist es leider nicht möglich, die Tätigkeit der Kommission für Schnee- und Lawinenforschung während des ersten Jahn;ehnts ihres Bestehens in extenso zu verfolgen und zu würdigen. Gestatten Sie mir deshalb, mich mit dem Versuch .zu begnügen, einige jener Entscheidungen der Kommission herauszugreifen, die sich rückblickend als Marksteine in der Entwick- lung der schweizerischen Schneeforschung enveisen.

Eine erste grundsätzliche Entscheidung wurde im Rahmen der Kommission durch eine lebhafte Diskussion zwischen den Vertretern der Wissenschaft und der Praxis über gewisse, für das Verständnis der Lawinenbildung fundamentale Grundbegriffe wie Kohäsion und Scherfestigkeit herbeigeführt. Die Klärung dieser Begriffe und die otwendigkeit, die entsprechenden Eigenschaften des Schnees von Grund auf zu studieren, führten zwangsläufig zum Laboratoriumsver uch unter künstlich regulier- baren Bedingungen. Dabei war es naheliegend, sich zunächst an die Methoden der in intensiver Entwicklung begriffenen Bodenmechanik anzulehnen, die es ebenfalls mit einem Lockerag&"t'egat zu tun hat.

Die ersten derartigen Elementarver ·uche wurden vom Verfasser auf Anregung von Prof.Meyer-Peter im Februar 1931 im Erdbaulaboratorium von Dr. H. Gru ner in Basel durchgeführt. Dieses Laboratorium diente dem Bau der Erddämme des Kraft- werke Albbruck-Dogern, d. h. \'On • rdschüttungen, deren Stabilitätsprobleme auf den ersten Blick ähnlich gelagert sind wie diejenigen der Schneebö chungen. Der nächste Schritt war die Konstruktion eines Scherapparates für Schnee aus Leichtmetall, der im Winter 1934/35, dank der Mithil(e von Herrn Dr. W. Mörikofer und Herrn Ch. Th am , au( dem Dach des Phy ikali eh-Meteorologischen Ob ervatoriums in Davos ausprobiert wurde mit dem Re ultat, daß derartige Ver uche nur unter völliger Abschirmung gegen störende meteorologische Einflüsse auf der Basis einer Synthese zwischen den kristallographischen und mechanischen Phänomenen mit u sieht au{

Erfolg durchführbar sind.

Damit eröffneten sich ganz neue Perspektiven, denen wir das Interesse und die führende Mitarbeit des allzufrüh verstorbenen großen Kristallographen, Gelehrten und Lehrers Prof. Paul Niggli und seines Beauftragten Dr. H. Bader, ver- danken.

Als Kri tallisationskeim dieser neuen Emwicklung wurde 1935 als sech te tation eine kleine, als primitives Labor dienende Schneehütte, eine Art Igloo, gebaut. Sie lag beim Davoser Observatorium, de sen Leiter, Herr Dr. Mörikofer, und de en damaliger As istent, Herr Thams, un mit Rat und Tat beistanden und dem jüng- sten Baby der chneefor chung alle nur denkbare Unterstützung und Hilfe gewähr- ten. Äußerlich betrachtet glich damals da Skelett der schweiz. Schneeforschung mit ihren sechs Stationen einem sechsstrahligen Schnee tern. Kristallographi eh ge ehen ist ein sol hes Gebilde von atur aus unstabil. Und so wie die erste Pha e der Meta- morphose eines chneesterns - wie Bader gezeigt hat - darin be teht, daß die , individuellen ·· ste des Dendriten abgebaut und eingezogen werden, wobei sich die Masse im Zentrum konzentriert, so verlagerte sich auch der Schwerpunkt der chnee- forschung - dem Ge etz der Natur gehorchend - in den Kern de Davo er Gebiete . Während aber der chnee tern vom Himmel fällt, so führte un er Weg- dem Ge etz

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der Polarität gemäß - von unten nach oben, dem Lauf der Lawinen entgegen. lb- bruck am Rhein, Da\'os, Höhenweg waren tationen auf dem vVcgc nach dem Weiß- fiuhjoch, da den großen Vorteil hatte, mitten im Anbruchgebiet der Lawinen ge- legen zu sein.

So kam es dank dem Entgegenkommen der Direktion der Parscnnbahn im ,,vinter 1936/37 erstmal zu jenem Teamwork auf vVeißfluhjoch, dessen Ergebnisse unter dem Titel «Der chnee und seine 1\-fetamorpho e• mit einem Vorwort von Professor iggli veröffentlicht wurden. An dieser Zusammenarbeit waren folgende vi r ln- stitute beteiligt:

Drei Institute der Eidgenö sisd1en Technischen Hochsdrnle, nämlich die Erdbauabteilung der Versuchsanstalt für Wasserbau,

das ·Iineralogi che-Petrographische Institut und

das Geologische Institut zu ammen mit dem Meteorologisch-Physikalischen In- stitut in Davos, dessen Leiter auch die Rechnungsführung besorgte.

Anfang 1937 wurde ferner das Team er tmals durch einen Forstingenieur ( A . S c h w a b ) ergänzt.

Gestatten ie mir, hier zwei kleine Epi oden einzuschalten, die den Wandel der Zeiten beleuduen. Als Dr. Bader in der Schneeforschung debütierte, gab er uns gleid1 zu Beginn eine eindrucksvolle Kostprobe seiner wissenschaftlid1en Einstellung und Konsequenz. An einem schönen Winterabend hatten wir beschlossen, am näch- sten Tag eine Felduntersuchung durchzuführen. Ich traute meinen Augen nicht, als tags darauf Bader im Smoking erschien und erklärte, er habe durch Versuche fest- gestellt, daß sich von seiner ganzen Garderobe cI6 Smoking durch die geringste Ad- häsion gegenüber dem Sdmee auszeidme. Da sich seine Skikunst damals nicht speziell durd1 Sturzfreiheit hervortat, war dieses Argument überzeugend.

Unvergeßlich sind auch die ersten Versud1e1 mit Forstinspektor A.

J.

Schlatter, dem damaligen Betreuer der Station Weißfluhjoch, Major

J

o s t, Chef des Parsenn- dienstes, und Ing. E. Bucher an der Strelahalde (1937), um die Lawinen mit dem .Minenwerfer auszulösen. och heute sehe ich

J

o s t, dem wir für seine gewichtige Unterstützung und selbstlose .Mitarbeit als Chef des Parsenndienstes zu großem Dank verpflichtet sind, allein in den gefährlichen Strelahang einsteigen, um uns zu demonstrieren, wie man sich in einer Lawine zu verhalten hat. Nur mit einer Lawinenschnur bewaffnet, trat er das Schneebrett los, ritt auf der Lawine in die Tiefe, indem er sich durch Schwimmbewegungen wie ein Bär an der Oberfläche hielt. Un- beschadet entstieg er dem Schneebad und wiederholte zu unserem großen Erstaunen das Experiment. Strahlend kehrte er dann zum sicheren Feldherrnhügel zurück und erklärte im Brustton der Überzeugung, daß er jetzt wieder vollkommen nüchtern sei.

Der Zauber der Unberührtheit, der dem Schnee als Forsdrnngsobjekt eignet, beglückte damals, vor 25 Jal1ren, unsere tastenden Versuche in hohem Maße. Nur zögernd enthüllte die Schneedecke die Geheimnisse ihrer Metamorphose, jener Wandlung, die so viele Parallelen mit dem menschlichen Leben aufweist und die im Wechselspiel zwischen den drei Aggregatszuständen - fest, flüssig und gas-

förmig - wie Pa u 1 i g g 1 i treffend sagte, «über alles Trennende Zusammenhänge

1 Der Ul'Sprung derartiger Versuche geht auf den Ersten ,veltkrieg zurück. Sie wurden ferner wesentlich gefördert durch die wertvollen Erfahrungen, die Herr Dir. Z im m er - man 11 an der Berninabahn beim Einsatz des Minenwerfers zur künstlichen Loslösung von Lawinen im Bahnbetrieb gesammelt hat.

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ahnen läßt•. Daß diese Metamorphose die Schneedecke gleichsam befähigt - ganz ähnlich wie beim menschlichen Oberschenkelknochen - ihre Struktur dem Kra{t- linienfeld anzupassen, um die statische Funktion des Tragens mit größtmöglicher ökonomie zu erfüllen, bildet eines der von

J.

eher entdeckten Phänomene der Anpassung, die uns immer wieder erneut in Staunen versetzen.

icht weniger erstaunlich war die Feststellung, daß jeder Schneekristall einer planparallelen Schneeböschung beim Kriechvorgang eine Bahn beschreibt, die den Bahnen der Gestirne im kleinen ähnlich ist. Fesselnd war auch der Versuch, den Prozeß des als Spannungsmetamorphose bezeichneten Kräftespiels zu entziffern, cler ähnlich einem Reifcprozeß zum Anbrechen der Schneebrettlawinen führt. Die Begrilie der toten Natur schienen zu versagen, als Ausdruck dafür, daß der Stoff

« Wasser» selbst in seiner kristallinen Form nicht aufhört, Sinnbild des Lebens zu sein. Eine neue Welt tat sich auf, die uns mit den aus den ersten Resultaten sich ergebenden praktischen Anwendungsmöglichkeiten damals vollkommen in ihren Bann zog. Der Nachteil, daß Laboratorium und Ausrüstung im Vergleich zu heute denkbar primitiv waren, wurde wettgemacht durch den Vorteil, daß wir noch nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit standen und in aller Stille - von vielen mitleidig belächelt - unseren Problemen nachgehen durften.

Nach einigen Jahren ungestörter Arbeit, die durch die Eidg. Inspektion für Forst- wesen und die Schneekommission stets großzügig unterstützt wurde, war es ein besonders glücklicher Umstand, daß beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Herbst 1939 die Beurteilung wie auch die Methoden zur wirksamen Bekämpfung der Lawinengefahr soweit abgeklärt waren, daß sie in den Dienst der Gebirgs- truppen gestellt werden konnten, wofür sich der spätere Oberforstinspektor Oberst F. He ß mit dem ganzen Gewid1t seiner Persönlichkeit einsetzte. Die dadurch erwie- sene praktische Bedeutung der ersten Forschungsergebnisse fand ihre äußere A nerken- nung nicht zuletzt in der von Behörden (Bund, Gemeinde und Landschaft Darns), Direktion der Parsennbahn, Industrie und Privaten gewährten finanziellen Unter- stützung, die es ermöglichte, die bisher als primitives Laboratorium 1936 von der Parsennbahn erstellte Holzbaracke durch ein modernes Forschungslaboratorium zu ersetzen, dessen damals kaum geahnte Entwicklung wir.heute feiern dürfen. Bevor jedoch die Projektierung des neuen Institutes, mit der die Erdbauabteilung der Versuchsanstalt für Wasserbau in Zusammenarbeit mit der Eiclg. Bauinspektion und Architekt Gabarell betraut wurde, in Angriff genommen werden konnte, mußte die vVahl des Standortes getroffen werden, wobei sich zwei scharfe Konkurrenten gegenüberstanden: ,-veißfluhjoch in Verbindung mit DaYos und das im Herzen der Alpen gelegene Jungfraujoch, in Kombination mit Eigergletscher. Um diese wich-

tige Entscheidung in möglichst objektiver ,veise zu treffen, wurden während des Winters 1940/41 in beiden Stationen unter Mitwirkung von Ing. A. Roch parallele Untersuchungen durd1geführt. Die Ergebnisse dieser Parallelver uche ließen ein- deutig erkennen, daß als Standort eines Institutes, dessen zentrale Aufgabe der Kampf gegen die Lawinen auf wissenschaftlicher Grundlage bildet, die tation Weißfiuhjoch wesentliche Vorteile bietet, während Jungfraujoch die ideale Basis für glaziologische Untersuchungen in Verbindung mit Schneebeobachtungen in hod1gelegenen Firngebieten dar tellt. So wurde im Frühjahr 19·11 Weißiluhjoch endgültig zum Sitz des zu erstellenden Institutes für Schnee- und Lawinenforschung gewählt, während gleiclueitig auf Jungfraujoch die ystematische Erforschung de Aletschgletschers durch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Versuchsanstalt für

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\-\'a erbau und der Glct cherkommission unter der Iitarbeit ,·on Ing.

r.

K a s c r ihren Anfang nahm. Ein eigenartige Füg·ung wollLc c , daß die c zwei Forschungs•

zweige der chnce-und Glets hcxfor'chung ich 20 J ahrc spiiter - anläßlich der inter- nationalen gla1iologischcn Grönlandcxpedition - auf cl ·m Inlandeis wieder unter einem gemein amen Ziel zu ·ammcnfanden.

Ge tauen ie in diesem Zu ammenhang einen kleinen Gedankensprung in die jüngste ergangenheit:

In 70° nördlicher Breite und auf rund 3000 m Meereshöhe wurde 1959 unter der Firndecke de zentralen Inlandeises ein Laboratorium errichtet, das bei - 27° Firn- temperatur keiner kün tlichen Kühlung bedurfte. So kam es genau 25 Jahre nach den ersten Laboratoriumsve1 uchen mit chnee im hohen 'orden zu inem neuen Teamwork auf internationaler Basis1, wobei der chweizergruppe vor allem die wei- tere Bearbeitung der nivologi chen und glaziologischen Probleme der Arktis, unter Benützung der inzwi chen auf \Veißßuhjoch und Jungfraujoch entwickelten Metho- den, anvcru·aut waren.

Ein anderer Krei . der während der ersten Dekade der chnecforschung seinen Anfang nahm und i h inzwischen allmählich zu schließen beginnt, sind die frucht- baren Beziehungen zwi chcn Bodenmechanik und chneemechanik. Wieder sind es genau 25 Jahre, daß bei der tation Höhenweg das erste Rammprofil der Schnee- decke aufgenommen wuxde, womit ich eine damal ungeahnte Entwicklung in zwei Richtungen anbahnte. Einer eits i t die Rammsonde inzwi chen zum Standardgerät geworden, um den Schichtaullia;; der chneedecke, die Jahresringe des grön- ländi chen Inlandeises oder die Firnbeschaffonheit der antarktischen Kontinente abzutasten. Anderer eits hat das Rammprofil in der Bodenmechanik und Funda- tionstedmij- zur Abklärung der Untergrund verhälmisse, eine mit der Verfeinerung der Technik stets zuwach ende Bedeutung und Ausbreitung erfahren.

Auch die an der chneedecke so klar in Er cheinung tretenden Kriechprozcsse haben ein helleres Licht auf analoge Vorgänge des Bodens geworfen. So i t zum Bei- spiel die Berechnung des Kriechdruckes, der die tabilität von Kunstbauten im Gebirge wie Stützmauern, Brücken usw. in Rutschgebieten bedroht, aus einer sinn- gemäßen Übertragung schneemechanischer Begriffe auf die Bodenmechanik hervor- gegangen. Als eine erste Anwendung dieser neuen, der Schule der Schneedecke zu ver- dankenden Anschauungen, ist die crfolgreid1e Sanierung der vom Bergdruck bedrohten Landquartbrücke der Rhätischen Bahn bei Klosters zu erwähnen. Die auf Grund dieser Erfahrungen lebendig gewordene W'echselwirkung zwischen den beiden Disziplinen hat zum Beispiel in Kanada und neuerdings auch in den USA dazu geführt, die Institute für Boden-, chnee- und Eismechanik inklusive Perma- frost unter dem gleichen Dach zu vereinigen, eine in den letzten Jahren sich abzeich- nende Entwicklung, deren Früchte nicht ausbleiben dürften:

·wenn ich mir erlaubt habe, an einige neuere Entwicklungen anzuknüpfen, soll dadurd1 das Fazit der ersten Dekade der S hweizerischen Schnee- und Lawinen- forschung keineswegs überschätzt oder vern•ischt werden: Das Bild eines zehnjäh- rigen Bäumchens, das erst eine bescheidene Anzahl von Zweigen angesetzt hatte.

Ohne den Ausführungen ,·on Dr. M. de Q u e l'\' a in vorzugreifen, möchte ich nicht unterlassen, ihn und seine Mitarbeiter zu jenen neuen jungen Trieben zu beglück-

1 Internationale glaziologische Grönlandexpcdition (1957-60).

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wünschen, als da sind: die intensive Bearbeitung der meteorologischen Seite des I>roblcms in Verbindung mit der Lawi11enprognose1 die Erforschung der Beziehungen zwischen Schneedecke und Vegetation (I'er Kampfzone, die zu einer noch engeren Zusammenarbeit mit der Alma Mater geführt hat, die Abklärung der enormen, bei den dynamischen Wirkungen der Lawinen auftretenden Kräfte, die grundlegenden neueren Untersuchungen über die Plastizität des Eises und last but not least - die sensationellen Erfolge der Hagelforschung.

3. Schlußbemerkungen

Dem am Ende der ersten Dekade aufgestellten Projekt des Eidgenössischen Insti- tutes für Schnee- und Lawinenforschung lagen vor allem drei Ziele zugrunde: Der Grundlagenforschung auf dem Gebiete von Schnee, Eis und Lawinen eine bleibende Stätte zu bereiten, die Öffentlichkeit über die weiße Gefahr aufzuklären und die Eid- genössische Inspektion für Forstwesen in ihrer verantwortungsvollen Aufgabe der Oberleitung und Betreuung des vom Bund subventionierten Lawinenverbaus auf wissenschaftlicher Basis wirksam zu unterstützen. Einige Zahlen mögen die wach- senden Anstrengungen des Bundes und der Kantone zum Schutze der Gebirgs- bevölkerung gegen Lawinen beleuchten. Bis 1926 wurden 9,3, bis 1938 15,9 bis 1951 60,3 Millionen Franken für die vom Bund subventionierten Lawinenverbau- ungen ausgegeben. In der fünfjährigen Periode, die dem Katastrophenwinter 1951 folgte, wurden allein 36,'l Millionen Franken für Lawinenverbauungen aufgewendet, das sind rund 6 Millionen Franken pro Jahr. Die wirksamere Gestaltung von Lawi- nenverbauungen und die Schaffung entsprechender Richtlinien, mit deren Heraus- gabe die Eidg. Inspektion für Forstwesen den 25. Geburtstag der jungen Schnee- und Lawinenforschung in sinnvoller Weise dokumentierte, war deshalb von allem An- fang an das zentrale nliegen der chneekomrnis ion.

Das zarte Bäumchen, das vor 25 Jahren unter dem Schutz der Schneekommission von einem kleinen Team von Schneeforschern auf Weißfluhjoch gepflanzt wurde, ist inzwischen zu einer knorrigen Lärche in der Kampfzone herangewachsen. Den Stürmen trotzend, ist der Baum stark geworden·, so daß ihm sogar der künstliche Hagel nichts anhaben konnte. \Venn er gedeiht und Früchte getragen hat, ist das nicht unser Verdienst. Dem guten Stern, der unentwegt geleuchtet, und einem Höheren gehört unser Dank. Ihnen allen möchte ich danken, die zum gemeinsamen Werke beigetragen haben. Wie oft haben wir zusammen der'Kälte getrotzt und wie oft hat un er Schutzengel ·wunder vollbracht, uns vor den Lawinen zu bewal1ren.

Aber auch unvergeßliche und frohe Stunden hat uns die vom Schnee verzauberte Berg·welt geschenkt, und manche Freundschaft wurde fürs Leben geschlossen. Zeuge sein zu dürfen, wie das gemeinsame ,verk unter der Leitung von Direktor de Quer v a in und einen Mitarbeitern sich im Dienste des Lande weiter ent- wickelt und gedeiht, ist für uns alle da chön te Geschenk des heutigen Tages.

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Die Entwicklung der schweizeriscl;len Schnee- und Lawinenforschung von 1942 bis zur Geg·enw art

\'on M. de Quervai11, Weißfiuhjoch / Davos

Die Errichtung de stolzen Institutsgebäude :.u(Weißfiuhjoch im dunkeln Kriegs- jahr 1942 erscheint heme wie ein \Vunder. Neben dieselll materiellen Erbstück, das die er te chneefor chergeneration hinterlas en hat, durfte noch ein zweites ebenso gewichtige geistiges Erbe angetreten werden. Es be land in dem Sammelband «Der Schnee und seine Metamorphose», der die Ergebni se der ersten For chungsdekade zusammenfaßte. Die er Bericht enthält eine erstaunlid1e Fülle von Beobachtungen und programmatischen Gedanken und wurde richtungweisend für die weitere Arbeit durch die 19 Jalu·e hindurd1, über die id1 Ihnen zu berichten habe. fit dieser mate- riellen und gei tigen Au rüstung waren dem jungen Institut jedenfalls die Voraus- setzungen für einen guten tart gegeben.

Die Zeitspanne YOn 19 Jahren kann in vier Abschnitte von eigenem Gepräge unterteilt werden. Id1 möd1te nun Yersuchen, die einzelnen Etappen zusammen•

fassend aufleben zu las en, ohne mich dabei allzu pedantisch an den Zeitablauf zu halten. ,venn in dieser Darstellung das Institut im Vordergrund steht und nicht die Kommission, wollen Sie mir dies bitte entsdrnldigen. Wir sind uns aber stets bewußt, daß die Kommission immer der Nährboden war für die ganze Aktivität des Institutes.

Die Betrachtungen bleiben auch bewußt auf unseren engeren Forschungskreis besd1ränkt, was nicht als Ignorierung der Leistung anderer Forschungsstellen aus- gelegt werden möge.

Die erste, bis zum Jahr 1945 dauernde Phase war zunächst dem Aufbau des Mit•

arbeiterstabes gewidmet, der mit acht Köpfen als ausreichend dotiert betrachtet wurde. Vom ursprünglichen Tean:i unter Robert Haefeli waren zunächst nur zwei Mitarbeiter gewillt, «Professionals» zu werden, nämlich Ed w in B u eh er, dem in der Folge die Leitung des Institutes anvertraut wurde, und Reinhard Figili- s te r. Andre Ro eh zog es Yor, zunäch t seine alpinistischen Pläne in verschiedenen Teilen der ,velt zu realisieren, und kreuzte vorerst nur sporadisch im Institut aµf.

Zu dieser Zeit trat Forstingenieur Arnaldo Arrigoni und bald auch der Sprechende dem neuen Team bei.

Als erste Aufgabe hatte die neue Belegschaft die vielversprechenden Beobach- tungsreihen über die Schneedecke fortzusetzen, auf deren 25jähriges Bestehen wir heute stolz zurückblicken. Daneben waren früher bereits aufgegriffene schnee- mechanische und kristallographische Untersuchungen mit bestehenden Methoden weiter zu verfolgen. Selbst,·erständlid1 bedurfte das Institut noch eines technischen Ausbaues.

1 Vortrag anläßlich der Feier •30 Jaluc Eidg. Schnee- und Lawinenforschungs- kommission, 25 Jahre chnceforschung auf Wcißfluhjoch • (12. Oktober 1961).

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Die Källeanlage in den Laboratorien war zu installieren, Werkstätte und Dunkel- kammer verlangten nach einem zweckentsprechenden Inhalt. Die Beschaffung all tler errorderlichen Gerätschaften war bei der damaligen Versorgungslage ein Pro- blem für sich und größte Zurückhaltung war am Platz; noch tobte ja der Krieg um unser Land. Mit Rührung betrachten wir heute <las kleine Drehbänklein, die da- malige Zierde unserer "'erkstatt.

Der durchgehende Jahresbetrieb eines Institutes auf 2700 m Höhe mußte sich auch erst noch einspielen. Die oft und heute noch gehörte Publikumsfrage: «Was tut ihr eigentlich im Sommer?» bereitete uns zwar keine Sorge, wenigstens nicht im maliziösen Sinn der Fragestellung, indem der kurze Bergsommer schon damals kaum ausreichte, den vorangegangenen ·winter auszuwerten und den neuen vorzubereiten.

Hingegen bot die ganzjährige Belegung der Bergstation anderweitige Probleme. Im Frühling und Herbst pflegte die Parsennbahn den Betrieb über längere Perioden einzustellen, und das Personal war auf Schusters Rappen angewiesen, um die 1100 m Höhendifferenz \'011 Davos aus zurüchulegen, wenn es nicht vorzog, in den wenigen primitiven Unterkünften auf Weißfiuhjoch zu nächtigen. Gelegentlich gestalteten sich die Transportmärsche recht beschwerlich. Im November 1944 beispielsweise, als die Landschaft schon mit einer verfrühten Schneefracht von l bis 2 m Höhe über- zogen war, kämpften sich zwei schwer beladene Mitarbeiter über fünf Stunden lang mit Ski und Fellen direkt auf dem verschneiten Bahngleis nach Weißfiuhjoch. Wohl nie vorher oder nachher haben sich dort Skifahrer bewegt. Auf die Dauer mußte nach besseren Verbindungsmöglichkeiten mit Weißfluhjoch Ausschau gehalten werden.

Die damals noch dünn gesäten Schneeforscherfrauen hätten sonst bald Reißaus genommen, und an die Akquisition neuer wäre gar nicht zu denken gewesen. Dank dem Entgegenkommen der Parsennbahn haben sich die Verhältnisse seither ent- scheidend gebessert.

Das Institut begnügte sich natürlich in dieser ersten Phase nicht damit, bloß die Tätigkeit der bisherigen Forschungsgruppe routinemäßig fortzusetzen, sondern beeilte sich, neue Methoden zu entwickeln, um neue Probleme in Angriff zu nehmen.

Als Fernziel hatte Buche r in der das neue Institut beschreibenden Mitteilung Nr. 1 ein Programm umrissen, das weite Ausblicke eröffnete. Ich zitiere daraus einige Punkte:

Zum Forstwesen: \,Virkung des Kriechens der Schneedecke auf Verbauungen und Aufforstungen. Waldschäden bei Lawinenniedergängen. Grundlagen für die Lawi- nenverbauung.

Zur l\Ieteorologie: Zusammenhang zwischen "Wetterlage, Schneefall und Lawinen- gefahr. Studium des Einflusses der Schneebedeckung auf das Klima.

Zur Hydrologie: w·asserwert der Schneedecke, zeitlicher Ablauf des Schmelzvor- ganges, Wass~rrückhaltevermögen der Schneedecke.

Zum Verkehrswesen: Förderung des Winterverkehrs durch Erfo~schung der Schnee- und Lawinenverhältnis e. Schaffung günstiger Bedingungen für das ganze Transportwesen im Winter.

Im weiteren werden angeführt Gebiete der Botanik, der Metallurgie, der Glct- scherforschtmg und praktische Anliegen des Straßen- und Kraftwerkbaues.

'\,Vir stellen fest, daß die Ziele weit gesteckt waren. Ander eits darf darauf hin- gewiesen werden, daß schon die von der ersten Forschungsgruppe gelegte Basi breit war. Ein beglückender Geist der Universität, wenn man sich dieses 'Wortes erkühnen

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darf, hwebte \'On allem nfang an über der chneeforschung. Er haue aber au h seine Krallen, die er Geist, indem er die kleine Belegschaft tändig in Gefahr brachte, sid1 zu zersplittern und den Faden zu verlieren.

Die er Bedrohung wur<le entgegengewirkt durd1 die ufstellung von Jahrespro- grammen mit entsprechender Rechenschaftsablage, ein U us, der heute noch in rrafti t.

nläßli h der Eröffnungsfeier de In titutes im Jahre 19•11 sprach Herr Bundes- rat Etter den \Vunsch au, e möge den Schneeforschern vergönnt sein, auf einige Jahre hinaus unge tört von der mwelt zu forschen. Dieses stille Forscherglück bestand in der Tat, solange der Krieg andauerte. Es hatte aber auch seine Kehrseiten. Die internationalen Kontakte in p 1 önlicher wie auch in publizi tischer Hinsicht fehlten fa t Yoll tändig. und es war kaum möglich, Arbeiten vor einem internationalen Forum zu publizieren. In der damal angelegten ammlung der «Internen Berichte>

häufte ich daher bald ein b trächtli bes I apiLal an Beobachtungsmaterial und theor ti chen Beiträgen an. ie zählt heute bereits an die 400 'ummern. In diesem Zeitab chnitt, wie übrigen auch päte;, teucrtc Ha e f

c

l i noch gewichtige Beiträge zur chneemechanik bei.

Die zweite Etappe dauerte YOn 1946 bis 1950. Im Institut bahnten ich mit dem Eintritt der Herren Theodor Zingg und Ielchior child neue Entwick- lungen an. Er terer baute al Meteorologe den 'Wetter- und Klimadien t aus und brachte da In titut in engere Beziehung zur MZA. Seither gehen täglich zwei

\Vetterbeobachtungen von 'i'Veißfluhjoch nach I loten. Der Zweitgenannte brachte die Erfahrungen des militäri chen Lawinendien tes, der bei Kriegsende aufgelöst worden war, in Institut zurück, als wohlbetreute Leihgabe, wenn man so sagen darf, denn die Fachbearbeiter der Lawinenforschung kommission hatten ja ihrerseits sechs Jahre vorher die damaligen Erkenntni se der Lawinenforschung der Truppe zur Verfügung ge tellt.

:.'\Iit 20 Beobachtungstationen wurde ein ziviler Lawinenwarndienst aufgezogen, der dem auflebenden ·wintertourismus grundsätzlich ein Lawinenbulletin pro Woche über Radio und Pre e bekanntgab. Zur chulung von Intere enten in Schnee- und Lawinenkunde bürgerte sich ein zweijähriger Turnus von Lawinenkursen ein.

In den Kältelaboratorien herrschte Hochbetrieb. Schneemechanik und Kristallo- graphie entfalteLen sich unter den Titeln Verformbarkeit, Festigkeit, thermische Eigenschaft und Umwandlung von Schnee. 1eue Härte- und Festigkeitsprüfverfah- ren wurden entwickelt und die Dünnschnitt-Technik erfuhr eine entscheidende Verbes erung. Aus den schneemechani chen Untersuchungen wuchs die zweite Dis ertation der schweizeri chen chneeforschung herau , nämlich die Arbeit 1:lucher : «Theoretische Grundlagen des Lawinenverhaues>, die in einer Schnee- druckformel gipfelt. Bei den FeldbeobacJitungen wurden hydrologische Fragestel- lungen wie Verdunstung und bfluß in de,n Problemkreis einbezogert und 1947 in einer speziellen Tagung der Kommission eingehend behandelt.

In der Art der Berichter tattung kam es zu einer 'euerung, indem von nun an alle Feldbeobachtungen und Arbeiten, die sich auf die einzelnen ,i\l'inter bezogen, in gedruckten Winterberichten unter dem Titel «Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen> erschienen. 'ach rückwirkender Aufarbeitung aller Beobachtungen bis zum Winter 1936/37 zurück steht die Reihe heute vor der Herausgabe des 25. Jahrganges.

'ach Kriegsende erwachten bald die so lange unterbundenen Auslandverbindun- gen. Sie begannen für uns mit neugierigen Besuchen aus Übersee und resultierten in

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Engagements von Mitarbeitern <les Institutes nach Kanada und den USA, Länder, die selber Lust verspürten, Schneeforschung im Rahmen ihrer Probleme zu treiben.

In dieser Zeit bildeten sich die Keime der Schnee- und Eissektion des 'ational Research Councils in Kanada und des berühmten «Snow, Ice and Permafrost Research Establishment (SIPRE)• bei Chicago, dem gleich drei Mitarbeiter von Weißfluhjoch zu Gevatter stauden, darunter der ideenreiche erste Kristallograph von Weißfluh- joch, He n r i Bader. Mit diesen Institutionen verbinden uns bis auf den heutigen Tag enge Beziehungen. Es bleibt für diesen zweiten Abschnitt nachzutragen, daß 1947 der erste Kommissionspräsident, Oberforstinspektor P et i tm e rm et, mit sei- nem Rücktritt au h das Präsidium der Kommission seinem Amtsnachfolger Doktor E. He ß übergab.

'Wir kommen zum dritten Abschnitt, ,1950 bis 1955. Er wurde eingeleitet durch einen Verlu·t, indem der initiative Institutsleiter, Edwin Bucher, seinen frisch erworbenen Doktorhut aufsetzte und sich verabschiedete, um sich ganz der Entwick- lung von Schneeräumgeräten zu widmen.

Der Sprechende wurde daraufhin mit der ehrenvollen ufgabe betraut, die Arbeiten auf Weißfluhjoch zu leiten. Ein Ersatz für Buche r in seiner Eigenschaft als Bauingenieur erfolgte bis auf weiteres nicht, so daß das Bauingenieurwesen für einige Zeit personell knapp dotiert war. Immerhin hatte sich Andre R o eh in- zwischen ganz an das Institut angeschlossen. Die Belegschaft zählte jetzt 12 Häupter.

Auf dem Gebiet der reinen Forschung sind vor allem die Arbeiten über die Ver- formbarkeit und Rekristallisation des Eises von Sam u e 1 Steinemann zu nennen, der damit die dritte Doktorarbeit mit dem Ursprungszeichen SLF einleitete. Eine Revision der Beschreibung und I<.lassierung der ver chiedenen Schneearten ging vom Institut aus und resultierte in einer offiziellen internationalen Schneeklassifikation.

Studien über eine Neugestaltung der Lawinenklassifikation folgten auf dem Fuß.

Diese ordnende Tätigkeit, zu der auch die gemeinsam mit der Schneekommission aufgestellte Verbauungsnornenklatur zu ,zählen ist, darf zwar nicht als Forschung bezeichnet werden, aber sie war für die Entwicklung der Forschung doch wichtig.

Das wesentlichste Ereignis der Jahrhundertmitte war indessen - ·aus der Per- spektive der Schneeforschung gesehen - der Lawinenwinter 1951. In wenigen Tagen wurde unerbittlich abgerechnet über Bewährung und Versagen des baulichen Lawi- nenschutzes in der Schweiz. Trotz den 98 Todesopfern und den ungeheuren Sach- schäden war die Bilanz keineswegs entmutigend für die Lawinenverbauer, denn dort, wo starke und moderne Verbauungen vorhanden waren, wurde die Kraftprobe, wenn auch mit 1ot, bestanden. Als Beleg erwähne ich das Quartier Yon Davos, in dem wir uns gerade aufhalten. Ohne Schiahornverbauung wäre hier zweifellos eine grauen- hafte Katastrophe eingetreten. Aber e zeigte sich doch, daß in der Lawinenabwehr große Lücken bestanden.

Nach 1951 erlebte das Verbauungswesen, nicht zuletzt dank der re,·idierten ub- ventionspolitik, einen rapiden Aufschwung. Es muß offen zugegeben werden: das Institut war den nforderungen, vor die es sich plötzlich gestellt sah .. nicht immer gewachsen. ·wohl be tanden glücklichenvei e Grundlagen zur ingenieurmäfüaen Berechnung von Verbauung werken; wie die Werke aber im einzelnen zu ge talten und anzuordnen waren, konnte nur aus zer treuten, nicht immer wider pruchsfreien Erfahrungen abgeleitet werden. Die Praxis forderte aber unerbittlich, und unsere Auskünfte, die oft mit Fragestellungen oder Anregungen zu Versuchen verbunden waren. wurden durch die auf den Plan getretene Verbauungsindustrie sogleich be-

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hiindigt und der erienproduktion überantwortet. Der für die vakante Stelle des Bauingenieurs endli h gefundene I'andidat Jakob Hardegger erhielt den Auf- trag, da alte Postulat der Errichtung einer Versuchsverbauung zu venvirklichen;

doch gleichzeitig mit dieser Anlage am Dorfberg entstanden bereits die ersten moder- nen Groß"erbauungen. Der Praxi darf da Lob gespendet werden, daß sie der For- chung unter die .Arme griff, wo sie konnte, und sclb t manche gute Idee zur Lö ung der Probleme beisteuerte.

In der tünni chen Emwicklung ern•ies id1 bald wieder eine klare, richtung- gebende Stimme al notwendig. zu_-ammen mit Prof. II a e f e 1 i, dessen Erfahrung und berblick immer wieder in An pruch genommen werden durften, wurden daher Richtlinien Z1tr·T'erbautmg teclmih aufgestellt und zun;ichst in provisorischer Form, aber o-leichwohl verbindlich für zu subventionierende Arbeiten, herausgegeben.

Auch im Lawinenwarndienst waren die Kon equenzen von 1951 zu ziehen. Die erste Katasu·ophenperiode Yom Januar war zwar mit aller wünschbaren Deutlichkeit erkannt und angekündigt worden. Docli bradlte zwei Tage nach dem Geschehen ein Telcphonanruf ymptomatisch ans Lid1t, daß wir doch noch nicht in der Lage waren, die ituation laufend zu überblicken. Morgens vor 7 Uhr meldete sich eine timtne:

«Hier Bunde rat Kobel t. Ich bin in amaden und möchte wissen, ob es heute mög- lich ist, ins Lawineno-ebiet von Zcrnez zu fahren.• Ich hätte am lieb ten zurück- gefragt, wieviel dmee im Engadin liege und wie da \Vetter dort sei. Kurz und gut, die Basis meiner Auskunft war jedenfalls recht dürftig. Beim zweiten, die üdschweiz betreffenden Lawinenschub vom Februar 1951 brach da dünne Informations ystem vollends zu ammen, und wir selb t konnten \'On einem gewis en Zeitpunkt an nur noch ahnen, wa sich in Airolo und anderswo vorbereitete und abspielte. In der Folge wurde das Beobachtung netz Yon 25 tationen auf die Zahl von rund 50 ge- bracht und da übennittlungssystem grundlegend geändert.

In dieser Berichtsperiode begannen noch weitere Samen zu keimen. Unser Mit- arbeiter Forstingenieur H. R. In der Ga n d, der bereits seit 1945 am Institut tätig war, leitete Gespräche mit Vertretern der Eidg. Anstalt f iir das forstliche Versuchs- wesen ein über Probleme der Auffor tung unter der \Virkung des gleitenden und kriechenden Schnees. Daraus entwickelte sich bald ein groß angelegtes gemeinsames Forschungsprogramm, dessen Realisierung in der Umgebung ,·on Davos vorge ehen war.

Eine spezielle Kommission zum tudium rnn T'ereisungsfragen ließ durch das Institut unter Beizug des Physikers Dom in i k M e 1 c her Probleme der Vereisttn~

von Freileitungen abklären. Anschließend richtete die Eidg. Kommission zum Stu- dium der Hagelbildung und -abwehr an unserem Institut eine Forschungsstelle ein mit dem Ziel, Bildung und \Vachstum von Hagel von der experimentellen Seite her zu untersuchen. Dem ersten Fachbearbeiter Thomas Brunner, der leider sein Leben bei einem Eisenbahnunglück im Engadin lassen mußte, folgte der Physiker R o 1 an J List nach. eine Tätigkeit hatte nach einiger Zeit bedeutsame Folgen auch für die äußere Erscheinung des Institutes. Das bis zur Ausführungsreife entwickelte Projekt eines Hagelversuchskanals erforderte 1954 den Bau eines besonderen Labora- toriums. Zusammen mit dieser Ergänzung konnten mit einem allgemeinen Erweite- rungsbau verschiedene andere, schon lange quälend empfundene Raumnöte gelin- dert werden. Beispielsweise sei nur envähnt, daß die Belegschaft das Mittagessen in zwei Schichten einnehmen mußte.

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Im Sommer 1955, am Schluß dieses dritten Abschnittes, wurde der Erweiterungs- bau bezogen. Inzwischen hatten sich in <ler lange Zeit stabilen Kommission einige teils schmerzliche Veränderungen ergeben. Im Oktober 1951, also genau vor zehn .Jahren, entriß uns der Tod Oberforstinspektor E. Heß, so daß die geschilderte Etappe fast ganz unter dem Zeichen seines achfolgers, des Oberforstinspektors A.

J.

Schlatter, stand. Sodann betrauerte die ganze wissenschaftliche Welt den Hinschied von Prof. Dr. P. i g g 1 i, der wegweisend für unsere wissenschaftliche Marschrichtung war und in der Kommission ein gewichtiges ·wort sprach. Schließlich beklagten wir auch den Verlust des langjährigen Vertreters des Schweizerischen Skiverbandes, Charles Perret. Ich muß mir versagen, die weiteren Iutationen lückenlos nachzuführen.

Es beginnt der vierte Abschnitt, den wir 1960 enden lassen. Diesmal seien einige Hinweise auf die Kommissionsgeschichte vorweggenommen: Oberforstinspektor Sch I a t ter mußte sich leider wegen Gesundheitsrücksichten vorzeitig aus dem Amt zurückziehen, und von 1955 bis 1957 wurde.die Kommission durch Oberforstinspt>k•

tor M i.i 11 er präsidiert. Beide Präsidenten waren schon als Forstinspektoren über lange .Jahre mit der Schneeforschung verbunden. Von den Gründungsmitgliedern verabschiedeten sich Prof. Meyer-Peter und Dr. h. c. Oechslin, denen das In•

stitut sehr viel zu danken hat, und seit 1957 steht der Kommission unser heutiger Chef, Oberforstinspektor .J u n go, vor. u[ Weißfluhjoch belief sich die Zahl der Mitarbeiter auf 16. Bi dahin stellte das Institut organisatorisch ein einzelliges Gebilde, gleichsam eine Amöbe dar. Wohl war jeder auf einem gewissen Gebiet spezialisiert; es bestand aber keine starre Gliederung mit dauernden Unterstellungs.

verhältnissen. Die Arbeitsteams wurden von Fall zu Fall ad hoc gebildet und den Arbeiten angepaßt. un erwies es sich doch al notwendig, so weit wie möglich per- sonell abgerundete Arbeitsgruppen zu schaffen. Leider mußte die Grundlagenfor•

schung über Schnee und Eis für einige Zeit etwas in den Hintergrund treten. Die betreffende Arbeitsgruppe bestand zwar dem amen nach, war aber personell nur zeitweilig besetzt. Immerhin konnten die Untersuchungen über die Schneeumwand- lung regelmäßig durch weitere Laborversuche ergänzt werden, und solche Arbeiten hielten zusammen mit der nun publizierten und bereits envähnten schönen Arbeit von teinemann die Erinnerung an die reine Forschung im Institut wach. Unter das Stichwort «Reine Forschung» darf auch die Beteiligung des Institutes an der

«Internationalen Glaziologischen Grönlandexpedition 1959/60» klassiert werden.

Der prechende und Andre Roch nahmen daran teil und sind nun im Begriff, die Ernte zu verarbeiten.

Die schneemechanische Arbeitsgruppe, verstärkt durch Bauingenieur

· w

ern er Kennel und For tingenieur Manfred Zehn der, richtete ihre Aufmerksamkeit auf zwei Problemkreise: nämlich auf die Verbauungstechnik, die sich jetzt auf die neuen Richtlinien einspielen mußte, und a 1f das bisher vernachlässigte Gebiet der Lawinenmechanik, d. h. der kinetischen und dynamischen Verhältnisse bewegter Schneemassen. Die Verbauungstechnik erlebte nochmals eine Phase der Evolution.

Es waren vor allem die Fundationen, für die neue Lösungen gesucht wurden. Ich er- innere an die Gleitlager, die Plattenfundamente, die Frage des gelenkigen Anschlus- ses des Oberbaues usw. Werner Kennel wurde leider durch den Sog der Baukon- junktur bald weggetragen. Sein achfolger, Bruno Salm, setzte sich aber rasd1 über alle hängigen Fragen ins Bild, so daß au[ Ende der vierten Etappe die Unter- lagen bereitstanden zur definitiven Herausgabe der revidierten und zu ammen•

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gefafüen Richtlinien zum pcrma11e11te11 tiilzverbau. Hin ichtlich der Begriffe •dc- finitin und «pennan nt> ollen in adjccto gleich die Vorbehalte angebracht werden, die allen men eh liehen vVerkcn zukommen. \;\Ticder stand uns Prof. II a e f e 1 i zur eite in all n die en Fragen, die ja teilweise ganz in ein erdbaumechanischcs Spezial- reYier gehören. Aber :iuch die une11Lbehrli h Verbindung zur Eidg. l\faterial- prühmgsan talt und zur Versuch anstalL für Was erbau der ETH (Erdbaulabora- torium) verdienen hier der Erwähnung. Der süindige Kontakt mit der Verbauungs- praxi wird eit 195 durch den Forstingenieur Hans Fr u t i g er gepflegt.

Die Erfor chung der Lawinenbewegung litt chon immer unter dem Um tand, daß man mit Lawinen nur in beschränktem faß experimcnLicrcn kann. Es reifte daher der Plan, unter der Bezeichnung Lawinengleitbahn eine nlage zu scha!Ien, die da tudium des Verhaltens und der 'W'irkung von bewegtom chnee ge tattet. Das Projekt erlebte durch die Jahre hindurd1 eine e1 taunlid1e Metamorphose. Ursprüng- lid1 war ein bescheidenes Holzgcrü t vorgesehen; heute steht neben dem Institut ein Wunderwerk au LeichLmetall, gespickt mit Hydraulik und Elektronik. Schon vor einigen Jahren entstand der logan: «Ob dieser schönen Gleitebahn werden wir noch pleite gahn.• Dank dem Verständnis unserer BrqLherren ist es glücklicherwei ·e bis heute noch nicht so weit gekommen. Es darf aber die Zu icherung gegeben werden, daß mit der heutigen Gleitbahn Einblicke in die Schneemechanik gewonnen werden können, die mit dem Holzgerü t nicht erhältlich wären. Parallel zu dieser Emwick- lung liefen Projekte zur Messung natürlicher Lawinenkräfte, teils in der näheren Umgebung des In titutes, teils in weiter Ferne, 1amhafte Firmen wie Aluminium Industrie AG und Motor Columbus beteiligten sich an diesen Versuchen, und von Jahr zu Jahr erhellt ich das Bild über die maximalen Lawinenkräfte mehr - und von Jahr zu Jahr scheinen diese \Verte zuzunehmen.

Die Gruppe •Schneedecke und T'egetation• vern•irklichte in diesem vierten Ab- schnitt der Institutsgeschichte zusammen mit der Forstlichen Versuchsanstalt der ETH die geplanten Versuche am Dorfberg über die Einwirkung des Schneegleitens auf die Aufforstungen und über Schutzmaßnahmen gegen solche Effekte, und im Dischmatal wurden die Voraussetzungen geschaffen für groß angelegte ufforstungs- versuche in einer Lawinenzone. Bei dieser- Gelegenheit darf wieder auf da stets erfreuliche Einvernehmen zwischen der Versuchsanstalt und unserem Institut hin- gewiesen werden.

Die Gruppe «Hagellorschung• erlebte schöne Erfolge, indem der Hagelversuchs- kanal, auch ein Paradestück des Institutes, zunächst einmal die geforderten Betriebs- bedingungen erfüllte und bald schon einen interessanten und wesentlichen Eiswachs- tumsprozeß im unterkühlLen ebel erkennen ließ, der bisher bei der Behandlung des

\Vachstumsmechanismus von Hagelkörnern übersehen worden war, nämlid1 die simultane schwammig-zellige Agglomeration Yon Wasser und Eis. Mit seinen Unter- suchungen über Struktur und \Vacbsu.tm von Hagelkörnern erwarb sich Roland List den vierten Doktortitel von Weißfluhjoch.

Im Lauf der Jahre hatte das «Gutachtengeschäft• mehr und mehr angezogen - wohlvermerkt ein Geschäft zugunsten der Bundeskasse. Im Zusammenhang mit der Straßenplanung meldete sich auch der Bund selbst als bedeutsamer Auftraggeber.

Zur Fällung der heiklen Entscheide über die Rangfolge beim Ausbau der Alpenpässe war er auf sorgfältige Analysen der Schnee- und Lawinenverhältnisse längs der in Frage kommenden Routen angewiesen. Die Zahl der Gutachten für öffentliche und private Instanzen, darunter viele Kraftwerk- und Bergbahnunternehmungen, er-

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reichte einen Pegel von über 30 pro Jahr. Leider geriet ob dieser Nachfrage das begonnene schöne Projekt eines Schweizerischen Lawinenkatasters in einen Zustand der Stagnation. Unsere personellen Möglichkeiten waren einfach ausgeschöpft.

Ein Forschungsauftrag der Vereinigung schweizerischer Straßenfachmänner über Schneeverwelmngen und Glatteisbildung konnte indessen weit vorangetrieben wer- den, da sich in Ton i Schneider ein tatkräftiger Fachbearbeiter finden ließ.

Wir kommen znm Stichjahr J 960. Es bedeutet einen Markstein in der Geschichte des Institute insofern, als der hohe Bundesrat mit der Verordnung vom 8. Juni erst- mals den Status des Institutes festlegte, dessen Aufgaben und Gliederung umschrieb und auch die übe1·geordneten Kommissionen in ihrer Zusammensetzung und Funk- tion verbriefte. Seither ist das l nstitut mit der Eidgenossenschaft anständig ver- heiratet und figuriert nicht nur in deren Budget. Die Arbeitsgruppen erscheinen nun als Sektionen, was sie in ihrer Funktion schon längst waren. Im Personalregister finden wir 26 Namen, einschließlich aller Zugewandten. Es versteht sich, daß auf vVeißfiuhjoch kein Platz mehr vorhanden war, um diese alle unterzubringen. Für die forstliche Sektion, deren feldmäßige Arbeitsstätten sich um Davos herum gruppier- ten, konnte im Ort sclb t-ein günstiges Bürozentrum gefunden werden.

Besonders" freuen mag es alle, in deren Brust ein Forscherherz schlägt, daß auf den Anfang des laufenden Jahres die Sektion für Grundlagenforschung über Schnee und Eis in Permanenz mit einem \Vissenschaftcr dotiert werden konnte und daß in CI au cl e Ja c ca r d gleich ein Phy~ikcr verfügbar war, der auf Grund seiner früheren Tätigkeit auf diesem Gebiet eine schöne Mitgift hereinbrachte.

Wir sind in unserer Betrachtung auf dem Punkt angelangt, da der in die Zukunft weisende Mund des Januskopfes zu sprechen beginnen sollte. Vorläufig können wir nur ahnen, was kommt. ·was die äußere Entwicklung betrifft, ist zu hoffen, daß die eingeleitete personelle Abrundung der Sektionen die Expansion zum Abschluß bringt. Wir möchten, daß der Betrieb persönlich bleibt und damit Verantwortlichkeit bei jedem einzelnen beläßt. Wir hoffen ferner, daß die noch hängigen Raum- probleme. gelöst werden können, und zwar in einer ·weise, die uns auch ein offenes Haus zu führen gestattet für einzelne temporäre Mitarbeiter aus dem In- und Aus- land. Vergleichbar der Gipfelflur, die den Horizont von Weißfluhjoch begrenzt, sehen wir uns umringt von Aufgaben und Problemen. Einzelne davon näher liegend und scharf profiliert, andere in dunstiger Feme, doch was dahinter liegt, wissen wir

noch nicht. ,

Abschließend verbleibt mir, im Namen der Aktiven zu danken. Ein Dank richtet sich an die Begründer der Schneeforschung, insbesondere an Prof. Ha e f e l i, für die breite Basis und den universellen Raum, den sie dem Projekt gegeben haben.

Ein Dank geht an unsere höchste Landesbehörde für das Verständnis, das wir immer wieder erfahren durften, wenn unsere Anliegen einmal so unbescheiden waren, daß sie den Bundesrat in nspruch nehmen mußten.

Ein Dank geht an die beiden uns beschirmenden Schnee- und Lawinenforschungs- kommissionen und an die Kommission zum Studium der Hagelbildung und -abwehr, deren Anregung und Kritik stets getragen waren von einem wohlmeinenden Unter- ton.

Ein besonderer Dank geht an die Reihe der Oberforstinspektoren. Das Interesse und Wohlwollen hat sich von den verstorbenen Inhabern dieses Postens, Petimer- me t und He ß, über ihre achfolger Schia tter und Müller stets weiter vererbt auf unseren heutigen Chef, Oberforstinspektor Jung o. Auch den Mitarbeitern der

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Forstinspektion, vor allem dem uns kollegial betreuenden Verbiudungsmann, Forst- inspektor A.

J

an e t t, gebührt unser Dank.

Ein Dank geht an den präd1tigen und geräumigen Kanton Graubünden und an die Landschaft Davos dafür, daß wir hier leben, arbeiten (und auch steuem) dürfen, und vor allem aber tlafür, daß uns als meist Zugezogenen so freundlicher nschluß gewährt wird.

Ein Dank geht an die Balmunternehmungcn, vorab an die Parsennbahn untc1·

dem Präsidium von Dr. C. Frei und der Leitung von Direktor E. Fischer, die uns seit bald 30 Jahren die Treue hält. ·

Ein Dank schließlich an die Mitarbeiter, ohne die das Institut nur ein leerer und toter Kasten wäre. \,Vir arbeiten zu ammen, wir essen zusammen am gleichen Tisch - auch heute wird es so ein. Wir necken einander und gelegentlich knistern auch die funken. Da gehört dazu. Ich danke für alle Kollegialität, für das Mitdenken bei der Lösung unserer Probleme; ich danke aber auch für die 1a'chsicht meinen Unzuliing•

lichkeiten gegenüber.

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