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Archiv "Parallelnarkosen: Helios entschärft umstrittenes Konzept" (16.03.2007)

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A694 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 11⏐⏐16. März 2007

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elten hat eine Klausurta- gung so unmittelbar Wir- kung entfaltet wie die der Deut- schen Gesellschaft für Anästhesio- logie und Intensivmedizin (DGAI) und des Berufsverbandes Deut- scher Anästhesisten (BDA) am 27.

und 28. Februar in Münster. Das Thema lautete „Delegation ärztli- cher Leistungen, insbesondere in der Anästhesiologie – Perspektiven und Konsequenzen: Entlastung oder Entlassung“. Dabei ging es vor allem um das umstrittene MAfA- Konzept der Helios Kliniken GmbH, das auf den planmäßigen Ersatz von Anästhesisten durch spe- ziell qualifizierte Krankenschwes- tern und Krankenpfleger abzielt (MAfA = Medizinischer Assistent/

Medizinische Assistentin für Anäs- thesie). Schnell wurde deutlich, dass DGAI und BDA diese soge- nannten Parallelnarkosen ebenso strikt ablehnen wie die Bundes- ärztekammer. Auch Medizinrecht-

ler meldeten einhellig erhebliche Bedenken an.

Der Helios-Konzern hat überra- schend schnell auf diese geballte Kritik reagiert und seine Chefärzte am 7. März explizit angewiesen, die MAfAs nur noch innerhalb des durch die DGAI und den BDA vor- gegebenen Rahmens einzusetzen –

„und nicht mehr darüber hinaus“.

Planmäßige Parallelnarkosen soll es in den Helios-Kliniken demnach vorerst nicht mehr geben.

Pflegekräfte übernehmen die Narkoseführung

Seit 2004 wurden im Helios-Kon- zern insgesamt 22 Anästhesiepfle- gekräfte zu MAfAs weiterqualifi- ziert, die inzwischen in sieben Kli- niken eingesetzt werden. Die MAfAs gehören zu „Anesthesia- Care-Teams“ und übernehmen nach ärztlicher Delegation Aufgaben bei der Narkoseführung. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass „in un-

kritischen Phasen“ die Überwa- chung der Narkose einer Anästhe- siepflegekraft übertragen wird. Der zuständige Facharzt für Anästhesie ist demnach nicht mehr ununterbro- chen bei einem anästhesierten Pati- enten, sondern rotiert zwischen zwei bis vier Operationssälen. Um die Behandlung des Patienten per- sönlich übernehmen zu können, soll er im Fall einer Komplikation oder eines schweren Zwischenfalls „un- mittelbar“ verfügbar sein.

Den naheliegenden Verdacht, dass Helios mit der Umsetzung des MAfA-Konzepts Ärzte und somit Kosten einsparen will, wies Dr.

med. Gerald Burgard weit von sich:

„Es fallen keine Arztstellen weg“, betonte der Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Helios-Klini- kum Erfurt: „Für jeden einzelnen Patienten ist weiterhin ein Anästhe- siearzt zuständig.“ Es komme aller- dings vor, dass ein MAfA die Über-

PARALLELNARKOSEN

Helios entschärft umstrittenes Konzept

Wegen massiver Bedenken in der Ärzteschaft hat der Klinikkonzern seine Chefärzte angewiesen, Medizinische Assistenten für Anästhesie nur noch nach den Vorgaben der Fachgesellschaft und des Berufsverbands einzusetzen.

Foto:Caro

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wachung einer unkritischen Narko- se übernehme, damit zum Beispiel ein Oberarzt einem Assistenzarzt bei einer komplizierten Narkose as- sistieren könne. Im Vergleich zu an- deren Krankenhäusern, in denen ein erfahrener Arzt einem unerfahrenen Arzt in einer Krisensituation bei- springen müsse und dann die Anästhesiepflegekraft die Narko- seüberwachung übernehme, bringe das Helios-System sogar eine Qua- litätssteigerung mit sich, argumen- tierte Burgard: „Schließlich sind unsere MAfAs für diese Fälle besser qualifiziert als herkömmliche Anäs- thesiepflegekräfte.“

Auch die beteiligten Ärzte gehen ein Risiko ein

Prof. Dr. med. Hugo van Aken hält diese Argumente für vorgeschoben.

Der DGAI-Präsident ist überzeugt, dass Helios mit der Umsetzung des

MAfA-Konzepts vorrangig kos- tenintensive ärztliche Arbeit ein- sparen will. Die Delegation ärztli- cher Leistungen sei aber insbeson- dere in der Anästhesie viel zu ge- fährlich. „Schwere Anästhesiezwi- schenfälle sind zwar selten, aber wenn sie auftreten, dann handelt es sich um lebensbedrohliche und ge- fährliche Krisen“, sagte der Direk- tor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative In- tensivmedizin am Universitätsklini- kum Münster. In solchen Situatio- nen sei fachärztliches Know-how unabdingbar, um drohenden Scha- den vom Patienten abzuwenden:

„Oft liegen zwischen Erkennen ei- nes sich ankündigenden Zwischen- falls und dessen Beherrschen nur wenige Minuten. Ist der Anästhe- sist, wie im MAfA-Konzept vorge- sehen, in Rufweite – beispielsweise in einem anderen Operationssaal –

so fehlen diese lebenswichtigen Mi- nuten.“ Hinzu komme, dass die ers- ten Alarmzeichen einer Komplika- tion oft nicht erkannt würden und der Anästhesist deshalb häufig nicht oder zu spät gerufen werde.

Doch nicht nur für den Patienten birgt das MAfA-Konzept Risiken:

„Hat der Arzt bei einem Zwischen- fall zwischenzeitlich den Operati- onssaal verlassen, liegt ein schwerer Kunstfehler vor“, betonte van Aken.

Dr. iur. Elmar Biermann, Justiziar des BDA, bestätigte diese Einschät- zung anhand der vier „Parallelnar- koseurteile“ des Bundesgerichts- hofs (BGH), in denen die rechtli- chen Mindestanforderungen für die Durchführung und Überwachung von Narkosen festgelegt wurden.

Demnach dürfen Anästhesieverfah- ren grundsätzlich nur von einem als Facharzt ausgebildeten Anästhesis- ten oder – bei einem entsprechend fortgeschrittenen Ausbildungsstand – zumindest unter dessen Aufsicht von einem anderen Arzt vorgenom- men werden, „wobei Blick oder Rufkontakt bestehen muss“. Aus- drücklich legte der BGH fest, dass im Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen Überlegungen und der Einhaltung der gebotenen Stan- dards Letzteren der Vorrang einge- räumt werden müsse. „Die Sicher- heit der Patienten“ geht „allen ande- ren Gesichtspunkten vor“ und darf nicht „etwaigen personellen Eng- pässen geopfert werden“.

Helios beugt sich dem Druck

„Wenn die Fachgesellschaft festlegt, dass eine Narkose eine ärztliche Tätigkeit ist, dann ist die Rechtslage klar“, ergänzte der Münchener Rechtsanwalt Prof. Dr. iur. Dr. rer.

pol. Klaus Ulsenheimer – und dies ist der Fall: DGAI und BDA lehnen die auch nur zeitweise Betreuung von Patienten während der Narkose durch MAfAs strikt ab. „Nach dem Gehörten gibt es nur eine Schluss- folgerung für einen Vorstand: Finger weg von der Zuständigkeit der Anästhesisten für die Narkosen“, schlussfolgerte Rüdiger Strehl, kauf- männischer Direktor des Univer- sitätsklinikums Tübingen und Gene- ralsekretär des Verbands der Univer- sitätsklinika Deutschlands.

DÄ: Herr Dr. Burgard, hat Helios das MAfA-Konzept auf den Weg gebracht, um Kosten zu sparen?

B

Buurrggaarrdd::Nein. Helios hat ganz im Gegenteil in die Ausbildung investiert, um zu erreichen, dass das Know-how in den Operationssälen steigt. Das heißt: Wir haben ein Qualifizie- rungsprogramm für Anästhe- siefachpflegekräfte, das MAfA- Konzept, auf den Weg gebracht, um die Ausbildung unserer Krankenpflegekräfte zu verbes- sern und damit die Qualität der Patientenbetreuung während der Narkose insgesamt zu erhöhen.

DÄ: Hat der Konzern die Brisanz des Themas unterschätzt?

B

Buurrggaarrdd::Wir fühlen uns in der momentan geführten Diskussion missverstanden, denn das MAfA-Konzept hat nicht zum Ziel, geltende Richtlinien der

Fachgesellschaften zu miss- achten. Möglicherweise haben wir selbst zu Missverständnissen Anlass gegeben, indem wir nicht deutlich genug herausgestellt haben, dass der MAfA ein Quali- fizierungsprogramm für Anästhe- siepflegekräfte ist und eben kein neues Berufsbild, das die beste- hende ärztliche Verantwortung aufweicht. Helios hat zur Bekräf- tigung seiner Position und zur Klarstellung, dass die MAfAs an den Kliniken auf der Linie der Fachgesellschaften agieren und damit also keine ärztlichen Tätig- keiten übernehmen, aktuell eine Konzernregelung an seine Chef- ärzte verschickt. Die Ärzte sind auf diese Weise noch einmal angeleitet, dass sie den MAfA innerhalb des durch den Berufs- verband Deutscher Anästhesis- ten und der Deutschen Gesell- schaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin vorgegebenen Rahmens einsetzen und nicht darüber hinaus.

DÄ: Helios hat demnach auf die massive Kritik der Fach- gesellschaften reagiert?

B

Buurrggaarrdd::Der zentrale Vorwurf der Verbände, Helios wolle durch MAfAs Kosten und Ärzte sparen, ist falsch. Er wider- spricht den klaren und nach- prüfbaren Festlegungen im Konzern. Das MAfA-Konzept ließ es bisher in Einzelfällen zu, dass in unkritischen Phasen der Narkose die Überwachung der Narkose unter Verantwor- tung eines Arztes einem speziell qualifizierten Anästhe- siefachpfleger übertragen wird. In diesem Punkt haben die Fachgesellschaften und nunmehr auch die Kammern Bedenken geäußert. Wir haben uns daher entschlossen, diesen Bedenken in vollem Umfang Rechnung zu tragen, und dies verbindlich mit einer Konzernregelung, die auch in Erfurt zur Anwendung kommt, umgesetzt.

3 FRAGEN AN…

Dr. med. Gerald Burgard, Chefarzt für Anästhesie am Helios-Klinikum Erfurt

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ie Zahl der bei den Landes- ärztekammern gemeldeten Ärztinnen und Ärzte ist im Jahr 2006 auf 406 974 gestiegen. Dies sind 1,6 Prozent mehr als im Jahr 2005, was in etwa den Steigerungs- raten der vorherigen Jahre ent- spricht. Der Anteil der Ärztinnen ist auch im Jahr 2006 wie in den vergangenen Jahren leicht ange- stiegen und liegt jetzt bei 42 Pro-

zent (2005: 41,4 Prozent) aller Ärz- tinnen und Ärzte.

Im vergangenen Jahr haben sich drei Trends im Bereich der Arzt- zahlentwicklung verstärkt, die schon seit geraumer Zeit erkennbar ge- wesen sind.

> Erstens beschleunigte sich die Abwanderung: Im Jahr 2006 nahm im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die

ÄRZTESTATISTIK

Berufsanfänger: Mehr als die Hälfte sind Ärztinnen

Die Tendenz zur „Feminisierung“ der medizinischen Profession verstärkt sich, wohingegen

im Jahr 2006 die Zahl der berufstätigen Ärzte weiterhin rückläufig war. Auf dem ärztlichen Arbeits- markt herrscht inzwischen Vollbeschäftigung.

Foto:Mauritius

Für Helios war die heftige Kritik in der Ärzteschaft am MAfA-Pro- jekt nicht neu. Auch die haftungs- rechtlichen Risiken müssen der Konzernführung schon lange be- kannt gewesen sein. Die Münstera- ner Tagung hat die Verantwortlichen aber wohl endgültig überzeugt, dass das Konzept nicht vermittelbar ist – weder den Ärzten noch den Patienten (also den „Kunden“). Am 6. März informierte der Klinikkonzern das Deutsche Ärzteblatt vorab darüber, dass das umstrittene Konzept ent- schärft wird: „Mit der Qualifizie- rung zum MAfA wird kein neuer Beruf geschaffen. MAfAs helfen den Anästhesisten bei der Durchführung der Narkose. Art und Umfang dieser Hilfe wird ausschließlich durch den zuständigen Anästhesisten vor Ort und unter Beachtung und im Rah- men der als verbindlich anerkannten Grundsätze der Fachgesellschaften oder Berufsverbände bestimmt“, heißt es in einem Schreiben der Un- ternehmensführung an alle Helios- Chefärzte vom 7. März.

Die Delegation ärztlicher Leistungen bleibt ein Thema

Doch auch nach diesem Etappensieg der Anästhesisten wird die Delegati- on ärztlicher Leistungen ein brisantes Thema für die Ärzte bleiben. Denn

„es gibt derzeit mehrere Bewegun- gen, die am Arztvorbehalt knabbern“, warnte Dr. iur. Albrecht Wienke in Münster. Der Kölner Rechtsanwalt verwies auf Aussagen im Koalitions- vertrag, wonach nichtärztliche Heil- berufe stärker in die Versorgungskon- zepte einzubeziehen seien. Ebenfalls dem Thema widmen wird sich der Sachverständigenrat zur Begutach- tung der Entwicklung im Gesund- heitswesen in seinem nächsten Gut- achten – „und das unter der Prämisse, dass dadurch die Wirtschaftlichkeit verbessert wird“, wie Dr. med. Re- gina Klakow-Franck klarstellte. Die stellvertretende Hauptgeschäftsfüh- rerin der Bundesärztekammer appel- lierte an die Ärzte, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen und selbst Vorschläge zu unterbreiten, welche Tätigkeiten delegierbar sind: „Ande- renfalls werden die Gesetze gegen unseren Willen geändert.“ I Jens Flintrop

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