A3522 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 51–52⏐⏐24. Dezember 2007
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igentlich war Dr. med. Nico- lai Schäfer (43) jahrelang eine treue Seele. Schon als Medizinstu- dent arbeitete er im Kölner St. Fran- ziskus-Hospital. Dort absolvierte er auch seine AiP-Zeit, fing dann als Assistenzarzt an und wurde Anästhesist. Als das Krankenhaus Ende der 90er-Jahre in wirtschaft- liche Schwierigkeiten geriet, kam Schäfer ins Nachdenken: „Damals wurde mir klar, dass ich nicht mein ganzes Berufsleben im Kranken- haus verbringen will.“ Denn auch dort war der Job nicht sicher.Schäfer kündigte. Er übernahm ei- ne Schwangerschaftsvertretung in ei- ner Kinderklinik, fuhr auf Honorar- basis Notarzteinsätze und stellte fest:
So könnte man auch leben. Der Lie- be wegen zog er nach Berlin. Doch auf feste berufliche Bindungen ließ er sich nicht mehr ein: „Ich hatte ein- fach Freiheit geschnuppert.“ Nach wie vor vertritt er Kollegen in Klini- ken und fährt in Berlin und Branden- burg als Notarzt im Rettungsdienst.
Angebote gibt es genug.
Ein Pool für die Urlaubszeit
Schäfer schätzt es, dass er sich seine Zeit besser einteilen kann, weniger arbeiten muss als früher und herum- kommt. So wie er denken auch andere. Am weitesten verbreitet ist eine Tätigkeit als Honorararzt unterAnästhesisten. Doch nach Schäfers Eindruck führt der zunehmende Mangel an erfahrenen Fachärzten dazu, dass mehr und mehr Kliniken und Insti- tutionen auf Freiberufler zurückgreifen, die auf Honorarbasis arbeiten.
„Auch in Fächern wie der Gynäkologie oder der Urologie begegnet man zunehmend aushelfenden Kolleginnen und Kolle- gen“, sagt er. „Einzelne Kliniken haben sich ei- nen Pool von Aushilfs- kräften aufgebaut, die in
Stoßzeiten oder in der Urlaubszeit das Stammpersonal entlasten.“
Schäfer will angesichts dieser Entwicklung am 19. Januar in Berlin einen Berufsverband Ho- norarärzte gründen (Infos: www.
bv-honoraraerzte.de). „Ich versuche, Leute zu organisieren, die lieber unorganisiert arbeiten“, sagt er la- chend. Falsch ist das nicht gedacht.
Denn das freiere Arbeiten hat nicht nur Schokoladenseiten. „Man hat wenig Einfluss auf die Gestaltung
von Strukturen“, sagt Schäfer über seine wechselnden Arbeitsplätze.
„Etwas verändern kann man nur dann, wenn man über längere Zeit das Vertrauen von Kollegen und Vorgesetzten gewonnen hat.“ Um so zu praktizieren wie er, muss man flexibel sein und es aushalten kön- nen, sich immer wieder neu einzuar- beiten. Dazu werden Honorarärzte nicht selten von Häusern nachge- fragt, in denen es Probleme gibt.
Sie müssen sich zudem mit be- stimmten berufsrechtlichen Proble- men befassen; auch hierfür will Schäfer im Verband ein Forum schaf- fen. Schon dass jemand dauerhaft auf Honorarbasis arbeitet, ist in der (Muster-)Berufsordnung streng ge- nommen nicht vorgesehen. Wer des- halb heute hier im Rettungsdienst tätig wird, morgen dort in der Klinik, der muss klären: Welche Ärzte- kammern sind zuständig? Wie belegt man seine Fortbildung korrekt? Wie verhält es sich mit der Mitgliedschaft in ärztlichen Versorgungswerken?
Wo findet man einen geeigneten Haftpflichtversicherer?
Viele nette Kollegen – aber kein vernünftiger Arbeitsplatz
Als großes Problem wird die kleine Gruppe der Honorarärzte bei den Kammern nicht angesehen. Die Bundesärztekammer berät derzeit allerdings darüber, ob in Zukunft eine sogenannte Monomitglied- schaft sinnvoll wäre. Das hieße:ein Arzt – eine zuständige Kammer.
Denn durch das Vertragsarztrechts- änderungsgesetz sind die Möglich- keiten gestiegen, den Arztberuf flexibler auszuüben. Da Ärztinnen und Ärzte allerdings grundsätzlich Pflichtmitglied in der Kammer sein sollten, in deren Bereich sie ihren Beruf ausüben, nehmen Doppel- und Mehrfachmitgliedschaften zu – mit entsprechendem Aufwand für alle Beteiligten.
Honorararzt Schäfer will nicht ausschließen, dass er sich eines Ta- ges wieder in einem Krankenhaus anstellen lässt. Doch noch hat es ihm nirgendwo gut genug gefallen:
„Ich habe schon viele nette Kolle- gen getroffen, aber noch keinen ver- nünftigen Arbeitsplatz.“ I Sabine Rieser
ÄRZTE ALS HONORARKRÄFTE
Verband für „Unorganisierte“
Es sind wenige, aber es werden mehr: Ärztinnen und Ärzte, die an wechselnden Orten arbeiten und ihr Geld durch Praxisvertretungen oder OP-Einsätze verdienen. Nun will einer einen Verband gründen.
Einer allein schafft es nicht im OP.
Wenn das Stamm- personal knapp wird, helfen deshalb immer häufiger Honorarärzte aus.
Vor allem Anästhe- sisten interessieren sich für diese beruf- liche Alternative.
Foto:Barbara Krobath
Ich versuche, Leute zu organisieren, die lieber unorganisiert arbeiten.
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Nicolai SchäferFoto:privat