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Archiv "Kommunale Krankenhäuser: Die Streiks zeigen Wirkung" (07.07.2006)

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och „100 Meter bis zum Streik“ – dunkelblaue Buchstaben, die mit einem dicken Pinselstrich auf ein orangefarbenes Schild gemalt sind, kün- digen es an: Im Kreiskrankenhaus Gum- mersbach ist heute kein Tag wie jeder an- dere.Trillerpfeifen schrillen.Lange weiße Banner mit großen Lettern hängen aus den Fenstern des dunkelroten Gebäudes:

„Ärztestreik“. Etwa 50 Ärzte, haben sich vor dem Eingang des Krankenhauses po- stiert. Sie tragen orangefarbene Schirm- mützen und halten Protestplakate in ihren Händen: „Gutes Geld für gute Ar- beit“ oder „Visit us in England“. Seit 5:30 Uhr seien sie hier, berichtet René Hal- bach, chirurgischer Assistenzarzt. Doch müde sieht hier niemand aus. Fleißig pu- sten die Mediziner weiter in ihre Triller- pfeifen und drehen ihre apfelsinenfarbe- nen Ratschen in der Luft.

Druck „von oben“

In der achten Etage öffnet sich ein Fen- ster. Ein junger Mann im weißen Kittel schaut heraus und winkt seinen prote- stierenden Kollegen zu. Ein Streikbre- cher? Vereinzelt gebe es einen spürbaren Druck „von oben“, und manche befürch- teten Auswirkungen auf ihre Ausbildung, so die Einschätzung der streikenden Me- diziner. Die protestierenden Ärzte win- ken aufmunternd zurück. Das Verhalten ihres Kollegen empfinden sie nicht als unsolidarisch, viele sind eher entsetzt über die Einstellung einzelner Führungs- kräfte im Krankenhaus.

Unterdessen geht das bunte Treiben vor dem Krankenhaus weiter. Ein Ka- merateam ist unterwegs, Journalisten aus Funk und Fernsehen sind eingetrof- fen. Die Ärzte verteilen Info-Flyer an jeden Patienten, der vorbeikommt. Den ersten Streiktag wollten die Mediziner

vor allem nutzen, um die Patienten zu informieren, erklärt Halbach. Auf dem Zettel sind noch einmal die Forderun- gen aufgelistet: ein eigener Tarifvertrag, geregelte Arbeitszeiten sowie eine an- gemessene Bezahlung von Diensten.

Die Zustimmung bei den Patienten ist groß. „Ich finde das gut“, sagt Monika Fleischer, Patientin in der Inneren Ab- teilung. Die Ärzte verdienten zu wenig, meint sie. Die 61-Jährige trägt ein oran- gefarbenes Käppi und hält eine Pfeife in der Hand: „Wenn schon, denn schon.“

„Eher sichtbar als spürbar“ sei das Motto des Streiks in dieser ersten Phase, betont Dr. med. Thomas Heuel, Assi- stenzarzt in der Inneren Abteilung. Die Besetzung im Krankenhaus liegt heute am ersten Streiktag deutlich über der an normalen Wochenenden. Manche Abtei- lungen sind von vornherein von den Pro- testen ausgenommen, etwa die Kinder- heilkunde und die Onkologie. Eine sehr

gute Versorgung der Patienten sei weiter- hin gewährleistet, sagt auch Halbach. Die Zustimmung bei den Patienten sei groß.

Beim Pflegepersonal jedoch, so räumt er ein, gebe es auch Ängste, eine bessere Bezahlung für Ärzte könne zulasten an- derer Berufsgruppen erfolgen. „Da ist der Informationsbedarf noch groß“, er- klärt der 30-jährige Assistenzarzt.

Das Kreiskrankenhaus Gummers- bach zählt zu den ersten Krankenhäu- sern in Nordrhein-Westfalen (NRW), die sich an dem Streik beteiligen. Geschäfts- führer Joachim Finklenburg ist davon überzeugt, dass das kein Zufall ist. Denn er ist gleichzeitig Mitglied der Verhand- lungskommission der Vereinigung kom- munaler Arbeitgeberverbände (VKA).

Dass die Ärzte in Gummersbach strei- ken, kann Finklenburg überhaupt nicht nachvollziehen. „Völlig überflüssig“, meint er. Die Forderungen des Marbur- ger Bundes (MB) nach besseren Arbeits- bedingungen seien nicht zu rechtfertigen.

„Es gibt hier nichts mehr zu verbessern“, meint Finklenburg und verweist auch auf

eine gemeinsame Erklärung von Land- kreistag, Städtetag sowie Städte- und Ge- meindebund in NRW.Dort heißt es:„Gut bezahlte Stellen bei rundum vorbildli- chen Arbeitsbedingungen sind in den kommunalen Kliniken bereits heute Realität.“

Das sehen die Betroffenen anders:

Die Beteiligung an der ersten Streikwo- che der Ärztinnen und Ärzte in kommu- P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 27⏐⏐7. Juli 2006 AA1865

Kommunale Krankenhäuser

Die Streiks zeigen Wirkung

Die Tarifverhandlungen zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände werden wieder aufgenommen.

Ein eigener Tarifvertrag muss her – auch an den kommunalen Krankenhäusern. Die Ärzte des Kreiskrankenhauses Gummersbach zeigen sich an ihrem ersten Streiktag entschlossen.

Fotos:Eberhard Hahne

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nalen Krankenhäusern war enorm. Al- lein am 30. Juni legten 11 800 Mediziner in 46 Städten und sieben Bundesländern die Arbeit nieder, um ihrer Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen und einer angemessenen Vergütung Nach- druck zu verleihen.

Drohgebaren: Privatisierung

VKA-Präsident Dr. Thomas Böhle wird indes nicht müde zu betonen, dass die Umsetzung der MB-Forderungen seiner Ansicht nach die Existenz vieler kommu- naler Krankenhäuser gefährden würde.

Böhle: „Ein arztspezifischer Tarifvertrag, wie ihn der MB mit der Tarifgemein- schaft deutscher Länder (TdL) für die Uniklinikärzte abgeschlossen hat, verur- sacht Kostensteigerungen bei den Ärzten von 15 bis 20 Prozent.“ Solche Personal- kostensteigerungen könnten auch nicht annähernd von den Krankenkassen aus- geglichen werden, sondern müssten un- mittelbar vom Krankenhaus aufgefan- gen werden – „und das in einer Situation, in der jedes zweite Krankenhaus rote Zahlen schreibt“. Privatisierungen und Schließungen seien unvermeidbar.

Von Privatisierung war auch schon beim Kreiskrankenhaus Gummersbach die Rede. Geschäftsführer Finklenburg hatte gegenüber der Presse geäußert, wenn es zu einem Abschluss analog zu dem an Unikliniken komme, werde er den Trägern (Kreis, Stadt, Landschafts- verband) empfehlen, das Haus zu ver-

kaufen. Nur so könne man schnell wieder aus dem Tarifvertrag herauskommen.

Das hatte in Gummersbach für einigen Wirbel gesorgt. Seitens der Träger wurde zwar klargestellt, ein Verkauf sei nicht ge- plant, dennoch bleibt der Klinikmanager bei seiner Meinung: „Eine Privatisierung wäre die logische Folge“, sagte Finklen- burg gegenüber dem Deutschen Ärzte- blatt.Alles andere sei nicht finanzierbar.

Das Beispiel Stuttgart zeigt hingegen, dass der Tarifvertrag für die Uniklinik- ärzte auch für kommunale Arbeitgeber bezahlbar ist. Für die Ärzte am Klinikum Stuttgart einigten sich der MB-Landes- verband Baden-Württemberg und die Stadtverwaltung auf eine Übergangsver- einbarung auf Basis des TdL-Abschlus- ses. Diese gilt, bis sich die Klinikärztege- werkschaft mit der VKA auf einen Tarif- vertrag geeinigt hat. Der MB-Bundes- vorsitzende, Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, kommentierte: „Wir sehen in der Stuttgarter Vereinbarung einen vernünftigen Pilot-Abschluss, der von der beiderseitigen Erkenntnis getragen ist, dass auch in den kommunalen Kran- kenhäusern eine Verbesserung der Ar- beitszeiten, bessere Arbeitsbedingungen und höheres Entgelt unabwendbar sind.“ VKA-Präsident Böhle konterte:

„Wir stellen klar, dass dieser Abschluss keinen Pilotcharakter hat. Eine Lösung nach dem ,Stuttgarter Modell‘ kann nur kurzfristig Kosten vermeiden, sie steht in keinem Verhältnis zu den langfristigen Belastungen, die ein solcher Abschluss mit sich bringt.“

Nichtsdestotrotz habe die Stuttgarter Initiative – auch in anderen Städten wer- den inzwischen Einzelvereinbarungen angestrebt – die Bereitschaft der VKA, an den Verhandlungstisch zurückzukeh- ren, noch einmal erhöht, sagte MB-Ver- handlungsführer Lutz Hammerschlag dem Deutschen Ärzteblatt. Entschei- dend dafür, dass die kommunalen Ar- beitgeber ab dem 7. Juli wieder offiziell mit den Ärzten verhandeln wollen, sei jedoch die große Streikbereitschaft der Ärztinnen und Ärzte in den Kranken- häusern gewesen: „Der Druck auf die Verhandlungsführer der Arbeitgeber aus den Kommunen war dadurch sehr groß“, sagte Hammerschlag. In den Ver- handlungen werde sich nun zeigen, ob die Arbeitgeberseite etwas dazugelernt habe und zu Zugeständnissen bereit sei.

Ansonsten gingen die Streiks weiter.

Hammerschlag: „Eine Friedenspflicht gibt es nicht, die Streikbereitschaft ist ungebrochen groß.“

Jens Flintrop, Dr. med. Birgit Hibbeler P O L I T I K

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A1866 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 27⏐⏐7. Juli 2006

Tarifvertrag der Uniklinikärzte

Große Zustimmung

Mit deutlicher Mehrheit haben sich die be- troffenen MB-Mitglieder für den Abschluss des vom Marburger Bund mit der Tarifge- meinschaft deutscher Länder ausgehandel- ten ärztespezifischen Tarifvertrages für die Ärzte an Unikliniken ausgesprochen. In der Urabstimmung stimmten 86 Prozent für den Abschluss. Ausschlaggebend für das positi- ve Votum war wohl vor allem die Tatsache, dass es gelungen ist, erstmals einen eigen- ständigen Tarifvertrag für Ärzte zu erkämp- fen. Nach wochenlangen intensiven Streiks an den Unikliniken hatten sich Arbeitgeber und Marburger Bund auf einen arztspezifi- schen Vertrag geeinigt, der bereits am 1. Juli 2006 Gehaltszuwächse, eine bessere Be- zahlung von Ruf- und Bereitschaftsdiensten sowie eine Reihe von Regelungen zur Ver- besserungen der Arbeitsbedingungen vor- sieht. Nicht durchsetzen konnte sich die Kli- nikärztegewerkschaft mit ihrer Forderung nach Einbezug der Ärzte in den psychiatri- schen Landeskliniken und nach einer Ost- West-Angleichung der Gehälter. JF Der Tarifvertrag im Wortlaut unter www.

aerzteblatt.de/plus2706 Handzettel, Gespräche und ein Lächeln auf den Lippen: Die Gummersbacher Ärzte informieren

über ihren Streik. Die Zustimmung bei den Patienten ist groß.

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