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Archiv "Krankenversicherungsschutz: „Historischer Meilenstein“" (11.05.2007)

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A1280 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 19⏐⏐11. Mai 2007

P O L I T I K

A

ls „historischen Meilen- stein“ hatte Elke Ferner die Regelungen zum Basistarif bezeichnet, denn künftig, freute sich die SPD-Fraktionsvorsitzen- de nach den Verhandlungen von CDU/CSU und SPD Anfang Januar, werde niemand mehr ohne Versi- cherungsschutz sein. Die Weichen sind gestellt: Seit dem 1. April, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-Wettbewerbsstärkungsgeset- zes (GKV-WSG), gilt der umfassende Versicherungsschutz in der gesetz- lichen Krankenversicherung (GKV).

Seit circa sechs Wochen müssen die gesetzlichen Krankenkassen bislang Nichtversicherte aufnehmen, Mit- gliedern dürfen sie nicht länger kün- digen. Vom 1. Juli an muss die pri- vate Krankenversicherung (PKV) nachziehen, denn ab diesem Zeit- punkt können sich Nichtversicherte in der PKV versichern, wenn sie dieser zuzuordnen sind. Eine umfas- sende Versicherungspflicht greift ab dem 1. Januar 2009.

Wie viele Menschen in Deutsch- land von der Neuregelung betroffen sind, ist Spekulation. Ergebnissen des Mikrozensus von 2003 zufolge waren zum damaligen Zeitpunkt 188 000 Deutsche ohne Krankenver- sicherungsschutz (das enspricht 0,2

Prozent der Bevölkerung). Damit lag die Zahl nicht versicherter Perso- nen 2003 um 33 000 höher als noch vier Jahre zuvor. Aktuellere Zahlen veröffentlicht das Statistische Bun- desamt erst im Rahmen des nächsten Mikrozensus 2008. Vielerorts wird davon ausgegangen, dass inzwi- schen deutlich mehr Personen nicht krankenversichert sind – zumal, wie Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen ein- räumt*, die geringe Teilnehmerzahl am Mikrozensus gemessen an der Gesamtbevölkerung (ein Prozent) nur Schätzungen zulasse.

Die bislang Nichtversicherten Ein Großteil dieser 188 000 nicht versicherten Personen machen Selbstständige aus, die sich die Kos- ten für eine Versicherung – sei sie gesetzlich oder privat – nicht (mehr) leisten konnten. Zu den Betroffenen zählen auch Personen, denen eine beitragsfreie Mitversicherung nicht länger zusteht, beispielsweise ge- schiedene Ehefrauen oder Kinder nach vollendetem 23. Lebensjahr, die weder über einen Arbeitsplatz

verfügen noch Anspruch auf Ar- beitslosengeld II haben. Unter den Nichtversicherten befinden sich aber auch Personen, die kurzfristig auf ei- nen Versicherungsschutz verzichten wollten und nicht wussten, dass ih- nen dieser nach Ablauf von zwei Monaten auf Dauer verloren geht.

Nicht in den 188 000 enthalten sind Menschen, die illegal in Deutsch- land leben und nicht krankenversi- chert sind. Bei der Malteser Migran- ten Medizin (MMM), einem Zweig des Malteser Hilsdiensts e.V., geht man von rund einer Million Men- schen ohne Aufenthaltsstatus aus.

Da die Krankenkassen die Anzahl bisher Nichtversicherter für „keine relevante Größenordnung“ hielten, wie Udo Barske vom AOK-Bundes- verband betont, überrascht auch die bislang geringe Resonanz auf die ge- setzlichen Neuerungen nicht. Bei den Ersatzkassen beispielsweise hätten sich seit Anfang April nur 1 500 Per- sonen ohne Versicherungsschutz ge- meldet, berichtet Stefan Sieben vom Referat für Versicherungsschutz und Beitragsrecht des VdAK. Gemessen an insgesamt 22 Millionen Versicher- ten bei den sieben VdAK-Mitglieds- kassen fallen 1 500 Neu-Versicherte nicht ins Gewicht. Beim AOK-Bun- desverband liegen Barske zufolge KRANKENVERSICHERUNGSSCHUTZ

„Historischer Meilenstein“

Seit dem 1. April gilt er bereits in der gesetzlichen Krankenversicherung, vom 1. Januar 2009 an ist er obligatorisch: der Versicherungsschutz für alle.

Foto:vario images

Eine für alle:

Ab 2009 gilt für alle Nichtversicherten die Versicherungs- pflicht.

* Mitautor der Studie: Nichtversicherte Personen im Krankenversicherungssystem der Bundesrepu- blik Deutschland – Bestandaufnahme und Lö- sungsmöglichen, Duisburg-Essen 2005.

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 19⏐⏐11. Mai 2007 A1281

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konkrete Zahlen wenige Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht vor. Doch auch hier rechnet man mit einer Zahl von weit unter 10 000.

Ehemals privat Krankenversi- cherte können sich ab dem 1. Juli im Standardtarif der PKV ohne Risiko- zuschläge oder Leistungsausschlüs- se versichern (siehe DÄ, Heft 13/2007). Diese Regelung gilt auch für diejenigen, die bislang weder ge- setzlich noch privat versichert wa- ren, beispielsweise Selbstständige.

Obwohl die Regierung vom „modi- fizierten Standardtarif“ spricht, blie- ben die Leistungen dieselben, erklärt PKV-Sprecher Oliver Bauer. Auch wird weiterhin nach dem 1,7-fachen Gebührensatz (Amtliche Gebühren- ordnung für Ärzte, GOÄ) abgerech- net. Ab dem 1. Januar 2009 gilt für alle der PKV zuzuordnenden Perso- nen die Pflicht, sich zu versichern.

Da die PKV ab diesem Zeitpunkt auch den sogenannten Basistarif ein- zuführen hat, rutschen Nichtversi- cherte automatisch in diesen Tarif.

Der Umfang an Leistungen ähnelt dem gesetzlicher Krankenkassen.

Hierbei rechnen Ärzte die von ihnen erbrachten Leistungen nach dem 1,8-fachen GOÄ-Satz ab.

Für den Fall, dass ehemals Nicht- versicherte die Kosten für den Stan- dard- oder für den Basistarif nicht aufbringen können, hat der Gesetzge- ber vorgesorgt: Grundsätzlich dürfen die Beiträge für beide Tarife den Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung – dieser beträgt rund 500 Euro pro Monat – nicht

überschreiten. Ist ein Versicherter dennoch wegen seines geringen Ein- kommens finanziell überfordert, hat das Versicherungsunternehmen die Beitragskosten um die Hälfte zu re- duzieren. Ist das noch immer zu viel, erhält er einen finanziellen Zuschuss vom Jobcenter oder vom Sozialamt.

Wie viele Personen finanziell über- fordert sein werden, ist nach Aussage von PKV-Sprecher Bauer derzeit noch nicht abzuschätzen. Entschei-

dender sei, ob die neu zu versichern- den Personen in der Vergangenheit häufig krank gewesen oder chronisch erkrankt sind. Diese „schlechten Risi- ken“, wie sie die PKV nennt, sieht die Branche mit Sorge, zumal die priva- ten Versicherer sich künftig innerhalb des Standard- und Basistarifs nicht mehr aussuchen dürften, wen sie auf- nehmen.

Sanfte Sanktionen

Noch für einen weiteren Fall hat der Gesetzgeber vorgesorgt: für den Fall, dass sich Nichtversicherte auch künftig nicht versichern oder ihre Beiträge nicht zahlen. Dann fal- len in der GKV Säumniszuschläge für die offenen Beträge und bei der PKV Prämienzuschläge an. Darüber hinaus müssen Ärzte nur noch sol- che Behandlungen leisten, die „un- aufschiebbar“ sind, beispielsweise

akute Schmerzbehandlungen oder die Versorgung von Schwangeren.

Diese Regelung hält Wasem für halbherzig. Schließlich, kritisiert der Ökonom, habe der Gesetzgeber eine Versicherungspflicht einge- führt, und eine Pflicht bedürfe einer Kontrolle. Auf diese hat der Gesetz- geber jedoch verzichtet.

Trotz kleinerer Einwände – un- term Strich gibt es kaum eine Rege- lung im GKV-WSG, die so reibungs-

los Einlass in den Gesetzesentwurf fand wie die der Versicherungs- pflicht. Für die Ärzteschaft, glaubt KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl, stel- le diese Neuregelung „zunächst ein- mal eine Erleichterung“ dar. Schließ- lich blieben Ärzte, die sich trotz feh- lenden Versicherungsschutzes in der moralischen Pflicht sahen, Patienten zu behandeln, in der Vergangenheit auf ihren Kosten sitzen. Was zählte, waren die Leiden der Patienten, die zu ihnen kamen. Hinter diesen Perso- nen stehen häufig „Schicksale“, be- richtet Angelika Haentjes-Börgers von ihren Erfahrungen. Börgers ist bundesweit verantwortlich für die Malteser Migranten Medizin und hat häufig mit diesen Schicksalen zu tun.

Zehn Prozent der Patienten ohne Ver- sicherungsschutz, die zu MMM kom- men, sind Deutsche – in Köln sind es sogar 25 Prozent. „Und zu uns kom- men nur Menschen, bei denen die Er- krankung bereits weit fortgeschritten ist“, sagt Börgers.

Dass die Ärzteschaft schon län- ger für dieses Thema sensibilisiert ist, zeigt ein angenommener Antrag auf dem 109. Deutschen Ärztetag.

Darin forderten die Ärzte um Dr. med.

Frank Ulrich Montgomery und Dr.

med. Heidrun Gitter ein Finanzie- rungssystem einzuführen, bei dem

„am Ende eine Versicherungspflicht für alle Bürger erreicht wird“. Aller- dings, lautete der Zusatz, sollten Pa- tienten frei unter allen Versicherern auswählen können. Das allein ist nun nicht der Fall. I Martina Merten

DIE SERIE: ÜBERSICHT

Folgende Beiträge sind bereits erschienen:

>Heft 11:GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz: Nachhaltige Änderungen, aber keine nachhaltige Finanzierung

>Heft 12:Krankenhäuser: Geschröpft, aber lebensfähig

>Heft 13:PKV: Systemfremde Eingriffe bereiten den Ärzten Sorgen

>Heft 14:Gemeinsamer Bundesausschuss: Hauptamtlich unparteiisch

>Heft 15:Arzneimittel: „Es ist nicht übersichtlicher geworden“

>Heft 16:GKV-Wahltarife: Freiheit für Versicherte, Arbeit für Ärzte

>Heft 17:Rehabilitation: Krankenkassen in der Pflicht

>Heft 18:Ambulante Versorgung: Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf dem Euro-EBM In den nächsten Ausgaben folgen unter anderem Beiträge zu den neuen Ver- tragsformen, zum Bürokratieabbau und zum geplanten Gesundheitsfonds.

Es gibt kaum eine Regelung im GKV-WSG, die so

reibungslos Einlass in den Gesetzesentwurf fand wie die

der Versicherungspflicht.

Referenzen

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