„Marion hat für ihre elf Jahre eine Menge Erfahrung. Sexuelle Erfahrung. Denn ihr Vater miß- braucht sie seit einigen Jahren sexuell. Wenn Marion älter wird, wird sie vielleicht nie zu einer normalen Partnerschaft fähig sein. Das bittere Gefühl, sexuell benutzt worden zu sein, wird sie ein Leben lang begleiten. Mögli- cherweise wird sie unter De- pressionen oder Verhaltensstö-
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rungen leiden. Die Gefahr, daß Marion auch später sexuell aus- genutzt wird, ist groß."
Mit diesen Worten beginnt eine Anzeige des Deutschen Kinderschutzbundes gegen den sexuellen Mißbrauch von Kin- dern. Die Anzeigenkampagne steht unter dem Motto „Helfen statt Schweigen" und will das Bewußtsein für ein häufig tabui- siertes Problem wecken.
Sexuelle Ausbeutung sei nicht nur eine gravierende Schä- digung einzelner betroffener
Kinder, sie zeige auch, wie sträf- lich ihre Rechte insgesamt ver- nachlässigt würden. Hilfe für Kin- der könne jedoch nur erfolgreich sein, wenn sie gleichzeitig eine Hilfe für die Erwachsenen ist - auch für die Väter, Verwandte, Bekannte oder Nachbarn, die ih- re Macht gegenüber Kindern mißbrauchen. „Sie haben weiter- hin Verantwortung für Kinder, und ihre Fähigkeit, dieser nach-
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Helfen statt Schweigen.
zukommen, muß gestärkt wer- den. Sie auszugrenzen, zu stig- matisieren, zu kriminalisieren er- höht die Gefahr, daß sie weiter- hin Kinder mißbrauchen", so der Kinderschutzbund.
Deshalb lautet die Fortset- zung des Anzeigentextes: „Mäd- chen und Jungen wie Marion gibt es viele. Marions brauchen Hilfe. Marions Väter brauchen Hilfe. Ihre Hilfe. Und unsere Hil- fe." Alle anderen Anzeigen der Aktion sind ähnlich getextet und gestaltet.
Unterstützt werden sollen außerdem auch jene Erwachse- nen, die von solchen Fällen et- was ahnen, damit sie bereit sind, den betroffenen Kindern zu hel- fen und sie zu ermutigen, sich zu offenbaren. Den Betroffenen wird geholfen, indem sie erfah- ren, daß sie mit ihrem Problem nicht allein sind.
„Helfen statt Schweigen" ist schließlich auch ein eindringli- cher Appell an die Politiker und Verwaltungen, in ausreichen- dem Maße Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Da es viel zu wenig Hilfsangebote für sexu- ell ausgebeutete Kinder und ihre Familien gebe, sei es dringend erforderlich, flächendeckend Einrichtungen zu schaffen. Die Einrichtungen, die sich dieser Problematik zugewandt haben, könnten die Hilfeersuchen von Betroffenen und ihren Familien kaum noch bewältigen. Der Kin- derschutzbund strebt deshalb eine bessere Ausstattung bereits bestehender Einrichtungen an.
Besonders in unterversorgten Regionen - damit sind vor allem die ländlichen Gebiete gemeint - müßten zudem Hilfsangebote so schnell wie möglich aufge- baut werden.
Die Bedeutung des Themas
„Sexueller Mißbrauch von Kin- dern" wird durch den Beschluß des 94. Deutschen Ärztetages von Anfang Mai dieses Jahres unterstrichen, der die Öffentlich- keit dazu auffordert, „sich des Problems der Vernachlässigung und Mißhandlung von Minder- jährigen intensiver als bisher in Erziehung und öffentlicher Dis- kussion zu widmen". Die Bun- desärztekammer wurde beauf- tragt, eine „Arbeitsgruppe zu den ärztlichen Problemen der Mißhandlung Minderjähriger"
einzurichten (Deutsches Ärzte- blatt, Heft 21/1991).
Kontaktadresse: Bundesver- band des Deutschen Kinder- schutzbundes,
Drostestraße
14-16, W-3000 Hannover 1, Tele- fon: 05 11/66 09 79. Kli„Helfen
statt Schweigen”
Eine Kampagne des Deutschen Kinderschutzbundes
Dt. Autebl. 88, Heft 36, 5. September 1991 (23) A-2871