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Archiv "Humanitäre Hilfe: Mit Sicherheit helfen?" (28.01.2000)

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A-163 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 4, 28. Januar 2000

T H E M E N D E R Z E I T TAGUNGSBERICHTE

ine Frau aus Srebrenica hat nach ihrer Deportation im Juli 1995 zu einem Mitarbeiter ge- sagt: ,Warum konnte dem Morden nicht am ersten Tag Einhalt geboten werden, als bereits mehr als tausend Männer umgebracht worden waren?

Wenn Ihr uns 1993 beschützt habt, warum habt Ihr es nicht zwei Jahre später auch gemacht?‘ Oder: ,Hättet Ihr uns 1993 in Ruhe gelas-

sen, dann wären vielleicht ei- nige Tausend auf der Flucht gestorben, aber es wären niemals so viele umgekom- men, wie im Juli 1995 abge- schlachtet worden sind.‘ “

Christine Schmitz von

„Ärzte ohne Grenzen“ be- richtete über dieses be- drückende Urteil einer Frau im Kosovo. „Ärzte ohne Grenzen“ hatte 1993 die Verantwortung für die medi- zinische Unterstützung der Bevölkerung in der Sicher- heitszone Srebrenica über- nommen, von der sich im Ju- li 1995 herausstellte, dass sie

der Bevölkerung letztlich keine Si- cherheit bot. Auch die humanitären Hilfsorganisationen konnten damals der Bevölkerung „mit Sicherheit“

nicht helfen. Sie können es auch an vielen anderen Orten nicht.

Bei militärischen Konflikten ist die Sicherheit der Helfer von der der betreuten Bevölkerung graduell ver- schieden. In Srebrenica gab es, wie Christine Schmitz berichtete, für die Mitarbeiter von „Ärzte ohne Gren- zen“ Sicherheitsrichtlinien und einen Evakuierungsplan. Es gab eine bom- bensichere Unterkunft, die Mitarbei- ter trugen kugelsichere Westen und Helme. Die Organisation stand im

ständigen Kontakt mit den serbischen Behörden, sodass es keine gezielten Angriffe auf die Helfer gab. Nach dem Fall von Srebrenica konnten alle Mitarbeiter evakuiert werden.

In anderen Fällen ist die Sicher- heit der Mitarbeiter enger mit der der Bevölkerung verknüpft. Volker Kasch, Deutscher Entwicklungs-Dienst, wies darauf hin, dass die Zivilbevölkerung

zunehmend das Ziel von Angriffen ist und dass dadurch auch die Gefähr- dung der Helfer wächst. Ihre Sicher- heit wird zusätzlich dadurch beein- trächtigt, dass in solchen Auseinan- dersetzungen die Lage unübersicht- lich ist und oft nicht zwischen Solda- ten, Milizen und Zivilbevölkerung un- terschieden werden kann.

Die Sicherheit der Mitarbeiter hängt auch von deren seelischer Stabi- lität ab. Plötzliche Großunfälle, Na- turkatastrophen oder Katastrophen mit großen Flüchtlingsbewegungen konfrontieren die Helfer mit extre- men Situationen, die das psychische Reagieren und das seelische Erleben

massiv beeinflussen. Diese Eindrücke hinterlassen häufig Ängste, Depres- sionen und Erschöpfung. Dadurch kommt es zu Verhaltensänderungen und körperlichen Symptomen. Dau- ern diese als posttraumatische Bela- stungsstörungen an, kann es zu Krankheit und bleibenden Schäden kommen. Bernd Domres, Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedi- zin, berichtete über die Möglichkeiten von Stressmanagement, mit denen das Ausmaß der Reaktionen vermindert und chronische Folgeerscheinungen zum Teil verhütet werden können.

Mit dem Teilaspekt der sozialen Sicherheit der Helfer beschäftigen sich Daniel Sagebiel und Holger Kili- an vom Auslandsbüro der Ärztekam- mer Berlin, die ein Freistellungsmo- dell für Krankenhausärzte vorstellten.

Neben dem Sicherheitsaspekt war die Verflechtung von humanitärer Hilfe mit der Politik ein Thema. Wie steht es beispielsweise mit der Neutralität der Hilfsor- ganisationen? Ulrike von Pi- lar, „Ärzte ohne Grenzen“, stellte klar, dass humanitäre Hilfe nicht unpolitisch ist.

„Ärzte ohne Grenzen“, die sich früher als „strikt neu- tral“ bezeichneten, haben vor zwei Jahren das Wort

„strikt“ aus ihrer Charta ge- strichen. Ein Kompromiss.

Einerseits werden zwar Ver- letzungen des humanitären Völkerrechts angeprangert.

Andererseits wird die An- klage bestimmter Parteien oder einzelner Personen in einer Regierung vermieden, weil sonst die Gefahr bestünde, dass humanitäre Hilfe unmöglich würde.

Einen Ansatz zu qualifizierter Ausbildung für internationale Einsät- ze bietet ein Master-Studiengang In- ternational Health am Institut für Tropenmedizin der Humboldt-Uni- versität Berlin, den Carsten Mantel, Mitarbeiter des Instituts, vorstellte.

Der neue Postgraduierten-Studien- gang kann in Voll- oder Teilzeit absol- viert werden. Ausbildung und Erfah- rung gehören zu den Voraussetzungen der Sicherheit am Einsatzort. „Uner- fahrenheit der Helfer führt zu ihrer Gefährdung“, sagte Ingo Marenbach, Auswärtiges Amt. Josef Kloppenborg

Humanitäre Hilfe

Mit Sicherheit helfen?

Thema des 3. Kongresses zu Theorie und Praxis der humanitären Hilfe, den die Ärztekammern Berlin und Wien zusammen mit der Bundesärztekammer veranstaltet haben, war die Sicherheit bei Hilfseinsätzen.

E

Die Helfer sind mit extremen Situationen konfrontiert. Beispiel Kosovo: In einer Kirche versorgt ein Mitarbeiter von „Ärzte ohne Grenzen“ eine Schussverletzung.

Foto: Myriam Gaume/Ärzte ohne Grenzen

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