Weiterentwicklung der Fallpauscha- len und Sonderentgelte: Die bisheri- ge Festlegung auf dem Verordnungs- wege entfällt, statt dessen sollen sich die Spitzenverbände der Kranken- kassen und die Deutsche Kranken- hausgesellschaft um den „zügigen“
Ausbau des leistungsbezogenen Ent- geltssystems kümmern. Beide Ver- tragspartner sollen zudem im Herbst eines jeden Jahres eine Obergrenze für den Zuwachs der Krankenhaus- budgets vereinbaren. Wie bei der ambulanten Versorgung ist die Gren- ze durch die Entwicklung der bei- tragspflichtigen Einnahmen der Ver- sicherten (Grundlohnsumme) vorge- geben. Ausnahmen sollen möglich sein, wenn eine Steigerung des
„Leistungsverlaufs“ medizinisch be- gründbar ist.
Zur Finanzierung der Instand- haltungskosten der Krankenhäuser –
eine Frage, die seit 1993 unbeantwor- tet ist – will Seehofer die Versicherten heranziehen. Von 1997 an bis 1999 soll es einen Zuschlag auf die Pflegesätze geben. Die Mehraufwendungen wer- den, dem Referenten-Entwurf zufol- ge, durch einen jährlichen Betrag von 20 DM, die die Versicherten zusätz- lich zu ihren Beiträgen zu leisten ha- ben, gedeckt.
Am 14. November soll der Ge- setzentwurf im Bundestag in erster Lesung beraten werden. Gut vier Wo- chen später wäre dann der Bundesrat an der Reihe. Bis zum Mai kommen- den Jahres – so der gegenwärtige Zeitplan – soll das Gesetz alle parla- mentarischen Hürden genommen ha- ben. Eine Zustimmungspflicht des Bundesrates besteht nicht, das GKV- Neuordnungsgesetz kann mit der Kanzlermehrheit im Bundestag durchgesetzt werden. Josef Maus
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P O L I T I K LEITARTIKEL/KOMMENTAR
(16) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 44, 1. November 1996
D
ie Leistungserbringer, Ärzte, Zahnärzte, Zahntechniker, Kran- kenhäuser und die übrige„Gesundheitsindustrie“ sollen rund 25 Milliarden DM abknapsen und Ra- tionalisierungs- und Sparreserven mo- bilisieren, so die Hoffnung von Bun- desgesundheitsminister Horst Seeho- fer. Krankenkassen-Spitzenverbände und Ärzteschaft stimmen bei ihrer Bewertung der Neuordnungsgesetze für die gesetzliche Krankenversi- cherung insoweit überein: Eine sol- che „Manövriermasse“ ist illusorisch.
Gesetzentwürfe, die aber von den falschen Voraussetzungen ausgehen, können, auch was die Sparvorgaben betrifft, nicht hinhauen. Die Probleme liegen nicht so sehr auf der Ausgaben- seite, wie die Koalition unterstellt, sondern vielmehr in den zu geringen Einnahmen. Von einer sektoralen und globalen Ausgabenbudgetierung auf eine zeitlich unbegrenzte Einnahmen-
budgetierung umzuschwenken ist nichts weiter als eine bürokratische Mangelverwaltung auf neugeschaffe- ner gesetzlicher Grundlage. Nicht ohne Grund bezweifeln sowohl die Krankenkassen als auch Bundesärz- tekammer und KBV, daß die neue Bei- tragsinterventionsvorschrift funktio- niert.
Kassenwechsel gar nicht so einfach Werden notwendige Beitragssatz- anhebungen an die Erhöhung von Zu- zahlungen gekoppelt (wie im 1. NOG vorgesehen), werden ausschließlich Kranke bestraft, und zwar in doppel- ter Weise, über die Kollektivbeiträge und die Zuzahlungen. Kranke und so- zial Schwache können doch nicht dazu eingespannt werden, Druck auf die Krankenkassen auszuüben, damit sie
sparsam wirtschaften und die Gelder nach einer Stop- and Go-Politik ver- teilen (und umverteilen). Krankheit läßt sich aber ebensowenig sozialisie- ren, wie die Gesundheit marktwirt- schaftlichen Gesetzen folgt. Wirklich- keitsfremd ist die Unterstellung von Seehofer, mündige Kranke und Versi- cherte würden die Krankenkassen ebenso fluchtartig wechseln wie eine zu teuer gewordene Kfz-Versicherung.
Gesundheitspolitiker wie -ökonomen müßten wissen, daß gerade Kranke und ältere Versicherte lange ihrer Krankenkasse die Treue halten. Die meisten älteren Kranken können den außerordentlichen Kassenwechsel meistens nicht ohne fremde Hilfe voll- ziehen – oder sie unterlassen dies und zahlen bei Erkrankung doppelt, oder sie werden nie krank, behandeln sich selbst oder verschleppen Krankhei- ten; dann wird es für die Krankenkas- sen doppelt teuer.
Sosehr die Ärzteschaft die Politik dabei unterstützt, die Kassenfinanzen langfristig zu konsolidieren, eine hochwertige medizinische Breitenver- sorgung muß auch künftig gewährlei- stet bleiben. Ganze Leistungsteile der Krankenkassen in den Bereich der Gestaltungs- und Satzungleistungen zu verlagern ist kein zielführender Lösungsansatz – wenn alles andere ziemlich beim alten bleibt. Zumindest von der Sparmasse sind die Satzungs- leistungen zu unergiebig, um die Kas- senfinanzen grundlegend zu sanieren.
Seehofer will die vor allem familien- politisch bedingten Fremdleistungen finanziell nicht ausgrenzen; dadurch ließen sich vier bis zehn Milliarden DM sparen. Wenn selbst die Kranken- kassen dafür plädieren, den gesamten Block der Krankengymnastik und Massagen voll über Kassen abzurech- nen, bewegt sich kaum etwas.
Die Beschränkung der Ausga- ben, etwa bei Fahrkosten oder im Rettungswesen, ist zwar erforderlich, spielt aber kaum etwas in die Kassen ein. Allein mehr Wettbewerb, ein fle- xibleres Vertragswesen, privatversi- cherungsähnliche Krankenkassentari- fe und drastische Selbstbeschrän- kungsmaßnahmen den Leistungser- bringern als Strukturkonzept zu ver- passen (und dabei noch rigoros zu sparen) – das ist eine Rechnung, die nicht aufgeht. Dr. Harald Clade