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Archiv "Die Beckenkamm-Nadelbiopsie — Wertvolle Methode in der Diagnostik von Knochen- und Knochenmarkerkrankungen" (23.09.1983)

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(1)

Einleitung

Obwohl Knochen und Knochen- mark bioptisch relativ leicht zu- gänglich sind, werden sie ver- gleichsweise selten untersucht.

Während der Anteil der Leber- und Magenschleimhautbiopsate am Untersuchungsmaterial großer Pa- thologischer Institute etwa 10 Pro- zent beträgt, liegt der Anteil der Knochen- und Knochenmarkbiop- sien unter 1 Prozent.

Diese Tatsache überrascht, da das Knochengewebe neben seiner Stützfunktion eine wichtige Aufga- be in der Regulation der Calcium- homöostase besitzt und damit Zielorgan zahlreicher endokriner, neoplastischer, renaler, hepati- scher und enteraler Störungen sein kann.

Als Sitz der Myelopoese werden Knochen und Knochenmark bei hämatologischen und infektiösen Krankheiten in gleicher Weise in Mitleidenschaft gezogen.

Gründe für die Zurückhaltung ge- genüber einer bioptischen Knochenmarkuntersuchung se- hen wir in einer unzureichend be- kannten Indikationsstellung sowie in vermeintlichen technischen Schwierigkeiten.

In der Tat standen in der Vergan- genheit zur Gewinnung von Kno- chen und Knochenmark nur auf- wendige chirurgische und aus- schließlich stationär durchführba- re Biopsieverfahren zur Verfü- gung.

Darüber hinaus wurde die diagno- stische Aussagekraft des biop- tisch gewonnenen Materials durch eine unergiebige und destruktive technische Aufarbeitung deutlich eingeschränkt.

Eine bessere Kenntnis des Kno- chenstoffwechsels, der Hämato- poese und der Osteo- und Myelo- pathien erweitern die Indikation zur diagnostischen Untersuchung von Knochen und Knochenmark.

Neue Biopsieverfahren und eine verbesserte histologische Technik haben den bioptischen Eingriff wesentlich vereinfacht und die diagnostische Aussage beträcht- lich gesteigert.

Zweck dieser Arbeit ist es daher, die Indikationsstellung zur Kno- chen- und Knochenmarkbiopsie zu beschreiben, eine einfache und gefahrlose Biopsiemethode auf- zuzeigen und die diagnostische Aussagekraft einer nach moder-

nen histologischen Verfahren auf- gearbeiteten Biopsie darzustellen.

Die hier beschriebene Metho- de und Technik der Knochen- und Knochenmark-Nadelbiop- sie gewinnt bei einer Reihe von internistischen Erkran- kungen zunehmend an Be- deutung. Sie ist einfach durchzuführen und wenig in- vasiv. Das so gewonnene Un- tersuchungsmaterial läßt ins- besondere diagnostisch ergie- bigere histologische Präpara- tionen zu als nach dem bishe- rigen Aspirationsverfahren.

Die noch zu wenig bekannten Indikationen für diese neue Technik werden aufgezeigt.

Indikation zur Knochen- und Knochenmarkbiopsie

Die Knochenmarkbiopsie bringt im Gegensatz zur Knochenmark- aspiration die intakte Struktur des Knochenmarks in seiner natürli- chen Umgebung zur Darstellung.

Sie gestattet Einblicke in die kom- plexen Wechselwirkungen von Knochenmark und Knochengewe- be, die vor allem unter pathologi- schen Bedingungen bedeutsam sind. Durch die histologische Un- tersuchung können Art und Aus- maß blastomatöser und granulo- matöser Knochenmarkinfiltrate, die Knochenmarkreserve sowie das Ausmaß einer fibrösen Kno- chenmarkumwandlung nachge- wiesen werden. Die Knochenbiop- sie erlaubt eine Beurteilung der Knochenstruktur, der metaboli- schen Aktivität des Knochengewe- bes sowie des Mineralisations- grades.

Zum Nachweis von krankhaften Knochenmarkveränderungen ist die Knochenmarkbiopsie der Aspi- ration überlegen (3)"). Als Biop- sieverfahren der Wahl gilt die Beckenkamm-Nadelbiopsie. Offe-

") Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Die Beckenkamm-Nadelbiopsie — Wertvolle Methode in der

Diagnostik von Knochen- und Knochenmarkerkrankungen

Christian Manegold und Burkhard Krempien

Aus der Medizinischen Klinik

(Direktor: Professor Dr. med. Dr. h. c. Gotthard Schettler) und dem Pathologischen Institut

(Direktor: Professor Dr. med. Dr. h. c. Wilhelm Doerr) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 38 vom 23. September 1983 45

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Beckenkamm-Nadelbiopsie

ne chirurgische Methoden der Knochenmarkgewinnung bleiben dem Einzelfall vorbehalten. Durch die Gewinnung mehrerer Kno- chenmarkbiopsien kann eine foka- le Infiltration signifikant häufiger nachgewiesen werden (1 ).

Die Knochenmarkuntersuchung ist zur Abklärung hämatologischer Erkrankungen unerläßlich. ln der Regel ermöglicht ein Aspirations- präparat, welches überwiegend Knochenmark enthält und dessen Marksinus-Blutanteil die Beurtei- lung nicht sonderlich beeinträch- tigt, eine hinreichend gute Dia- gnostik. Dies gilt für diffuse neo- plastische Knochenmarkinfiltrate, nicht aber für fokale Prozesse, wie sie z. B. beim Plasmozytom vor- kommen können.

Die Knochenmark-Nadelbiopsie ist der Aspiration von Knochen- mark überlegen, da sie die Bezie- hung von Knochen und Knochen- mark nicht zerstört und Gewebe des Knochenmarks auch dann in ausreichender Menge zur Darstel- lung bringt, wenn eine Aspiration von Knochenmark infolge Punctio sicca erfolglos blieb.

Klinisch bedeutsam ist die Kno- chenmarkbiopsie beispielsweise bei zellreichen Leukämien, die mit einer massiven zellulären Okkupa- tion des Markraumes einherge- hen. ln diesen Fällen ist es gele- gentlich außerordentlich schwie- rig, das kompakte Zellmaterial durch eine Sternalpunktion zu ge- winnen. Auch für die Osteomye- losklerose ist die punctio sicca ty- pisch und die Biopsie zur Diagno- senstellung erforderlich, da es die fibrosklerotischen Knochenmar- kanteile und die verbliebene Mye- lopoese zu erfassen gilt.

~ Von besonderer differentialdia- gnostischer Bedeutung bei der Abklärung einer Punctio sicca sind fibrosierende Knochenmark- karzinosen, bei denen Tumorzel- len gegenüber dem Fasergewebe gelegentlich gänzlich in den Hin- tergrund treten können. Die Kenntnis dieser Knochenmarkver-

änderungen ist bei der Diagnostik myeloproliferativer Erkrankungen des Knochenmarks mit Übergang in Knochenmarkfibrose wichtig.

Für die malignen Lymphome ist der Nachweis eines Knochen- markbefalls von prognostischer und therapeutischer Bedeutung.

So ist beispielsweise in behand- lungsbedürftigen Fällen im Sta- dium der Dissemination ins Kno- chenmark der systemischen The- rapie der Vorzug zu geben. Ein positiver Knochenmarkbefund er- spart darüber hinaus dem Patien- ten invasive und risikoreiche dia- gnostische Maßnahmen, wie z. B.

die diagnostische Laparotomie und Splenektomie (1-4).

Bei der Lymphogranulomatose (Morbus Hodgkin) ist ein Kno- chenmarkbefall in ca. 5 Prozent aller u nbehandelten Patienten zu erwarten. Er findet sich häufiger in den bereits initial fortgeschritte- nen Stadien 111 und IV, beim histo- logischen Mischtyp und der lym- phozytenarmen Form, bei Män- nern und bei älteren Patienten.

Auch bei den Non-Hodgkin-Lym- phomen variieren die Häufigkeit eines Knochenmarkbefalls und seine klinische Bedeutung in Ab- hängigkeit von der Lymphomhi- stologie (4).

Lymphome vom niederen Maligni- tätsgrad infiltrieren das Knochen- mark weitaus häufiger (40 bis 100 Prozent) als Lymphome vom ho- hen Malignitätsgrad (5 bis 15 Pro- zent). Klinisch außerordentlich be- deutsam ist die Sicherung einer Knochenmarkinfiltration im Falle des diffusen histiozytischen Lym- phomes, da diese Patienten später häufig an einem ZNS-Befall er- kranken (5).

Für die chronisch-lymphatische Leukämie ist die exakte histologi- sche Darstellung einer Knochen- markinfiltration wichtig, da Art und Ausmaß der Knochenmark- lymphozytose als prognostische Faktoren angesehen werden dür- fen (6).

Zahlreiche Karzinome, wie z. B.

das Mammakarzinom, das Bron- chialkarzinom und das Prosta- takarzinom metastasieren in das Skelett. Die frühzeitige Entdek- kung von Knochenmetastasen bzw. von einer neoplastischen Knochenmarkinfiltration ist von erheblicher klinischer, therapeuti- scher und prognostischer Bedeu- tung, da die Knochenmarkinfiltra- tion das disseminierte Stadium ei- nes Tumorleidens anzeigt. Die dia- gnostische Aussagekraft röntge- nologischer und szintigraphischer Untersuchungen des Skelettes hängt wegen der indirekten Nach- weisführung von der Größe der Metastasen (7) sowie von deren osteoblastischer und osteolyti- scher Aktivität ab. Knochenmeta- stasen, die nur eine geringe Reak- tion des angrenzenden Knochen- gewebes auslösen, sind röntgeno- logisch oft nur schwer aufzuspü- ren. Rein osteolytische Knochen- metastasen entziehen sich dem Szintigraphischen Nachweis. Die diagnostische Verläßlichkeit des Knochenszintigramms steht in ei- nem direkten Verhältnis zur An- zahl der metastatischen Herde. Er- hebliche diagnostische Schwierig- keiten entstehen bei der Beurtei- lung solitärer szintigraphischer Veränderungen und bei der Ab- grenzung gegenüber unspazifi- schen Umbauprozessen im Ske- lett. Nach eigener Erfahrung füh- ren degenerative Gelenkverände- rungen und lmmobilisationsschä- den des Skelettes mit reaktiven Umbauvorgängen besonders häu- fig zu falsch-positiven Szintigra- phischen Befunden. Eine Kno- chenmarkkarzinose ohne jede Osteoblastische oder osteolyti- sche Skelettalteration entzieht sich dem röntgenologischen und Szintigraphischen Nachweis ganz.

Ein negativer Röntgenbefund oder ein negatives Knochenszinti- gramm schließen daher eine Dis- semination der Tumorkrankheit nicht aus. Obwohl die Knochen- markbiopsie eine Blindpunktion darstellt, hat sie eine hohe Treffer- quote (20, 22) und besitzt im posi- tiven Fall absolute Aussagekraft

(3)

Die morphologische, röntgenolo- gische und auch szintigraphische Vielfalt der Skelettveränderungen entsteht durch die Einwirkung ver- schiedener humoraler Faktoren, die von den Tumorzellen gebildet werden können. Zu nennen sind Parathormon, Osteoklasten-stimu- lierender Faktor, Prostaglandine, Kalzitonin und ACTH. In der Regel handelt es sich dabei um fokale parametastatische Skelettverän- derungen, die ausgeprägte Tumorosteopathien hervorrufen können (21).

Bei Tumorpatienten kann sich aber auch eine paraneoplastische generalisierte Osteopathie infolge einer ektopischen Hormonbildung durch den Tumor entwickeln, oh- ne daß eine Metastasierung in das Skelett eingetreten wäre. Eine ge- neralisierte metabolische Osteo- pathie vom Typus eines Hyper- parathyreoidismus (ektopischer

Pseudohyperparathyreoidismus) kann daher ein wichtiger diagno- stischer Hinweis auf ein bislang okkultes Neoplasma sein. Die Kenntnis derartiger Osteopathien ist besonders wichtig, da eine le- bensbedrohliche Hyperkalzämie bei einem Tumorleiden auf dem Boden dieser Osteopathie auch ohne eine Skelettmetastasierung auftreten kann.

Die bioptische Abklärung prolon- gierter myelodepressiver Reaktio- nen ist für den Chemotherapeuten von Bedeutung, da diese sowohl durch eine zytostatische Therapie selbst als auch durch eine Verdrängung des Knochenmarks durch Tumorgewebe hervorgeru- fen sein kann.

Die Treffsicherheit einer Knochen- biopsie zum Nachweis von Ske- lettmetastasen wurde vor allem für das metastasierende Mammakar- zinom an einzelnen Patientenkol- lektiven untersucht (8, 9). Diese Untersuchungen haben ergeben, daß bei Patienten mit röntgenolo- gischem und szintigraphischem Verdacht auf Knochenmetastasen in etwa 50 Prozent der Fälle Tu- morgewebe bioptisch nachgewie-

sen werden konnte. Bemerkens- wert ist hierbei, daß die Biopsie am hinteren Beckenkamm bei mehr als der Hälfte der Patienten positiv ausfiel, obgleich in der überwiegenden Zahl der Fälle die zugehörigen Beckenübersichts- aufnahmen im Punktionsbereich keinen pathologischen Befund aufgedeckt hatten. Bei Patienten ohne einen röntgenologischen oder szintigraphischen Verdacht auf Skelettmetastasen liegt die Zahl der positiven Biopsien aller- dings deutlich unter 10 Prozent (10).

Eine Beteiligung des Knochen- marks bei granulomatösen Er- krankungen ist häufig (11). Neben der Histoplasmose, der infektiö- sen Mononukleose, der Sarkoido- se und der Bruzellose ist vor allem die Tuberkulose von Bedeutung.

Im Stadium der miliaren Tuberku- lose ist ein positiver Knochen- markbefund in 14 bis 45 Prozent der Fälle zu erwarten. Die Treffsi- cherheit der Knochenbiopsie bei der diagnostischen Abklärung ei- ner Tuberkulose ist dabei der Treffsicherheit einer Leberblind- punktion vergleichbar. Der Kno- chenbiopsie wird wegen der ge- ringeren Morbidität von manchen Autoren der Vorzug gegeben. Wir möchten darauf hinweisen, daß die Abklärung eines Krankheitsbil- des mit unklarem Fieber bei unver- dächtigem Röntgen-Thoraxbe- fund gelegentlich durch eine Knochenmarkuntersuchung den Nachweis einer miliaren Tuberku- lose erbringt.

Die histologische Untersuchung von Knochen und Knochenmark liefert in Verbindung mit klini- schen, laborchemischen und rönt- genologischen Befunden einen wichtigen Beitrag zur Diagnose und Differentialdiagnose metabo- lischer Osteopathien. Serum-Kal- zium-Spiegel und Skelettmasse sind duch ein komplexes Wechsel- spiel zahlreicher Hormone gesi- chert (Parathormon, Vitamin-D- Hormone, Kalzitonin, Thyroxin, Wachstumshormon, Kortikostero- ide, Sexualhormone). Daneben

spielen Ernährung, Durchblutung und funktionelle Belastung für die Regulation der Skeletthomöosta- se eine wichtige Rolle.

Zwischen Kalzium- und Skelettho- möostase bestehen enge Wech- selwirkungen, da eine akute Inak- tivitätsatrophie des Skelettes zur Hyperkalzämie führen und auf der anderen Seite eine primäre Stö- rung der Skeletthomöostase beim sekundären Hyperparathyreoidis- mus eine Skelettdestruktion zur Folge haben kann.

Störungen der Regelmechanis- men, wie sie z. B. bei primärem oder sekundärem Hyperparathy- reoidismus, Hyper- oder Hypothy- reose, Morbus Cushing, Akrome- galie, Postmenopause oder Se- nium auftreten, führen daher zu unterschiedlich starken Knochen- veränderungen, die an einer Kno- chenstanze analysiert werden können (23, 24).

Die histomorphometrische Analy- se der Knochenmorphologie ge- stattet es, das Ausmaß patholo- gischer Knochenveränderungen und die Wirkung einer durchge- führten Therapie quantitativ zu er- fassen. Der Einsatz von Tetra- zyklin-Mehrfachmarkierungen er- laubt darüber hinaus eine Beurtei- lung der Dynamik der Umbauvor- gänge im Skelett.

Die Osteoporose als weitaus häu- figste Skeletterkrankung ist durch eine lokale oder generalisierte Rarefikation des Knochengewe- bes in den knöchernen Organen gekennzeichnet. Ihre Ätiologie ist vielfältig. Die Knochenbiopsie kann wertvolle Aufschlüsse über ihre Pathogenese liefern. Osteo- sklerotische Veränderungen und Störungen der Knochenarchitek- tur bestimmen beim Morbus Paget das histologische Bild. Ihre diffe- rentialdiagnostische Abgrenzung gegenüber osteoblastischen Ske- lettmetastasen ist gelegentlich schwierig. Die histologische Un- tersuchung unentkalkter Kno- chenschnitte, wie sie nach Einbet- tung in Methylmetakrylat möglich Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 38 vom 23. September 1983 49

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Beckenkamm-Nadelbiopsie

geworden ist, erlaubt eine Bestim- mung der unverkalkten Knochen- anteile im Skelett und eine Dia- gnose der Osteomalazie.

Von aktuellem Interesse ist der Nachweis von Aluminium bei Dia- lysepatienten in bioptisch gewon- nenem Knochengewebe. Alumi- nium wird durch Langzeithämo- dialyse und durch Therapie mit aluminiumhaltigen Phosphatver- bindungen vermehrt im Organis- mus abgelagert. Es kann eine aus- geprägte Osteapathie mit Verkal- kungsstörungen hervorrufen. Ne- ben der Osteoporose spielen Ske- lettveränderungen vor allem bei Patienten mit chronischer Nieren- insuffizienz eine wichtige diagno- stische und therapeutische Rolle, da die Osteapathie des chronisch nierenkranken Patienten auch un- ter Dialyse persistiert oder weiter fortschreiten kann.

Osteomalazische Knochenverän- derungen treten gehäuft bei Pa- tienten mit Störungen im Vitamin- D-Stoffwechsel, mit chronischen Lebererkrankungen oder entera- len Resorptionsstörungen in Er- scheinung. Sie gehen mit Verän- derungen des Knochenmarks ein- her, wenn die Hämatopoese bei chronischen Leber-, Magen-, Darm- und Nierenkrankheiten in Mitleidenschaft gezogen ist. Die Knochenbiopsie hat in letzter Zeit auch bei Patienten mit chroni- schen Anfallsleiden eine Indika- tion erhalten, da sich bei den unter Hydantoin-Medikation stehenden Patienten aufgrund der gestörten Hydroxylierung des Vitamin D in der Leber eine ausgeprägte Osteo- malazie entwickeln kann.

Zur Methodik der Knochen- und

Knochenmarkbiopsie

Die zur Untersuchung von Kno- chen und Knochenmark einge- setzten Verfahren unterscheiden sich durch ihre lnvasivität. Bevor man sich zur Anwendung eines bioptischen · Verfahrens ent- schließt, sollte man den diagnosti- schen Aussagewert, seine Prakti-

kabilität, den zeitlichen und perso- nellen Aufwand sowie Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen in Erfahrung bringen.

Knochenmarkaspiration und Kno- chenmarkbiopsie müssen zu- nächst als sich ergänzende Unter- suchungsmetheden zur Beurtei- lung des Knochenmarks angese- hen werden. Im allgemeinen wird die Aspiration für die zytologische, die Biopsie für die histologische Knochenmarkdiagnostik verwen- det. Eine histologische Aufarbei- tung eines Aspirates (clot section) ist möglich, die daran ausgeführte histologische Untersuchung ist in- dessen mit erheblichen qualitati- ven Einschränkungen behaftet.

Die Biopsie besitzt gegenüber der Aspiration den Vorteil einer voll- ständigen Beurteilung der Kno- chen- und Knochenmarkarchitek- tur sowie der Zellpopulation und der Vaskularisation. Eine erhebli- che Verbesserung der diagnosti- schen Aussagekraft einer Kno- chenmarkbiopsie ist zu erreichen, wenn das Knochengewebe unent- kalkt präpariert wird. Unentkalkte Knochenschnitte lassen sich nach einer Plastikeinbettung (z. B. in Methylmetakrylat) auf Hartschnitt- mikrotarnen herstellen.

..,.. Die Vorteile dieser histologi- schen Präparation liegen in der geringeren Schrumpfung und De- formation der Gewebe, in derbes- seren Erhaltung zellulärer Details, die während der Entkalkung verlo- rengehen, sowie in der Möglich- keit, dünnere Gewebeschnitte her- zustellen.

Am Plastik eingebetteten Material sind alle wichtigen histologischen und histochemischen Färbungen möglich (13). Auch elektronenmi- kroskopische Untersuchungen können angeschlossen werden.

Ein Nachteil der Plastikeinbettung ist ein größerer zeitlicher, perso- neller und apparativer Aufwand.

Die Einbettung dauert im Ver- gleich zum herkömmlichen Ver- fahren eine Woche länger.

Mit dem von Burkhardt 1966 erstmals beschriebenen Becken-

kamm-Biopsieinstrumentarium lassen sich unter chirurgischen Bedingungen Proben entnehmen, die aufgrund ihrer Größe umfang- reichere Untersuchungen, wie z. B. die Bestimmung der Kno-

chengewebezusammensetzung oder der vaskulären und nervalen Versorgung des Knochenmarks erlauben. Trotz ihres hohen dia- gnostischen W\3rtes ist diese

"Drill-Bohrer-Methode" personal- und zeitaufwendig und mit erheb- lichen Belastungen für den Patien- ten verbunden. Sie ist nur statio- när durchführbar und verlangt in der Regel eine mehrtägige Hospi- talisation des Untersuchten. Ihre Nebenwirkungshäufigkeit (Weich- teil- und Knochenschäden, Blu- tungen, Infektionen) liegt deutlich höher als bei weniger invasiven Biopsieverfahren.

Wesentlich praktikabler für den klinischen Alltag sind Knochen- mark-Nadelbiopsiemethoden, z. B.

unter Verwendung der Vim-Silver- man- (14), der Westermann-Jesen- (15) oder der Jamsh idi-Swaim-Na- del (16). Qualität und Größe der hiermit gewonnenen Knochenzy- linder gestatten ebenso wie invasi- vere Untersuchungen eine hoch- wertige Diagnostik des Knochen- marks und des Knochengewebes (Licht- und Elektronenmikrosko- pie, histochemische Färbungen).

Die Beckenkamm-Nadelbiopsien können außerdem einfach, kam- plikationsarm und mit minimaler Belastung für den Patienten auch wiederholt und bilateral am Bek- kenkamm vorgenommen werden.

Es stellt sich die Frage, inwieweit die Beckenkamm-Biopsiezylinder (ca. 1/1000 der Knochenmarkge- samtmenge) Veränderungen am Knochenmark und Knochengewe- be ausreichend repräsentieren. Es gibt Hinweise, daß das Knochen- mark an den üblichen Biopsiestel- len des Beckenkammes die Kno- chenmarkverhältnisse insgesamt gut widerspiegelt. Vergleichende Untersuchungen an verschiede- nen Stellen des Skelettes (Ster- num, Becken, Wirbelsäule, Rip-

(5)

pen, Extremitäten, Knochen) bei Knochenmarkgesunden und bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen ergaben keine si- gnifikanten Befundunterschiede (17-18). Histologische und radio- isotopische Studien konnten dar- über hinaus belegen, daß eine Ak- tivierung oder Atrophie des Kno- chenmarks zentral in der Wirbel- säule und im Becken beginnen und nach peripher in die Extre- mitätenknochen fortschreiten (19). Metabolische Knochener- krankungen erreichen im Bek- kenskelett ihre stärkste Intensität (23). Unser technisches Vorgehen orientiert sich an der von Jamshidi und Swaim 1971 beschriebenen

Becken kamm-Nadelbiopsieme- thode. Als punktionswürdige Stel- len gelten in der Regel die Spina iliaca posterior superior und der leicht zugängige Teil des vorderen Beckenkammes.

Im Falle der Punktion des hinteren Beckenkammes wird der Patient bei leicht angewinkelten Unter- schenkeln in eine Links- oder Rechtslage gebracht. Nach manu- eller Bestimmung des Punktions- ortes an der Spina iliaca posterior superior wird eine großzügige Hautdesinfektion vorgenommen.

Es erfolgt eine intensive Lokalan- ästhesie der Haut und des Peri- ostes im vorgesehenen Punktions- bereich unter Verwendung von üblichen Lokalanästhetika. Für das weitere Vorgehen werden peinlich sterile Arbeitsbedingun- gen und die Bereitstellung von sterilem Loch-Abdecktuch, chirur- gischen Handschuhen, Tupfer, Einmal-Messer, Spritzen und Biopsiekanülen empfohlen. Nach einer 5minütigen Einwirkung der Lokalanästhesie wird mit dem Ein- mal-Skalpell eine 3 mm lange Hautinzision über der Punktions- stelle gesetzt. Die Punktionskanü- le wird mit einem verriegelten Mandrin durch die Inzisionsstelle auf die Spina iliaca posterior supe- rior aufgesetzt und in Richtung auf die anteriore Spina iliaca, also nach außen und oben im 45-Grad- Winkel, unter drehender Bewe- gung auf die Kortikalis gedrückt.

Nach Fixierung der Nadel am Bek- kenkamm entfernt man den Man- drin, und die Kanüle wird ohne Lagerungsänderung wiederum langsam drehend 15-20 mm wei- ter vorgeschoben. Durch Einfüh- rung des stumpfen Ausstoß-Man- drins in den Hohlzylinder vom Kopfende der Nadel aus kann die annähernde Länge der Biopsie in vivo geprüft werden. Bei ausrei- chender Zylinderlänge wird die Nadel in drehender Bewegung langsam aus dem Beckenkamm herausgenommen. Mit dem stumpfen Ausstoßmandrin läßt sich sodann der in der Kanüle be- findliche Knochenzylinder, am be- sten retrograd, ausstoßen. Die kleine Hautinzision wird mit einem sterilen Abdeckverband verschlos- sen. Der Patient kann in der Regel nach 10minütiger Rückenlage aus der ärztlichen Beobachtung ent- lassen werden. Besteht vor der Biopsie bei dem Patienten eine Blutungsneigung, so ist eine län- gere ärztliche, unter Umständen auch stationäre, Überwachung er- forderlich.

Durch vergleichende Untersu- chungen an Knochenbiopsien, die durch eine Punktionsnadel oder durch eine Beckenfräse gewon- nen worden waren, ließ sich zei- gen, daß weniger der Durchmes- ser als vielmehr ihre Länge dia- gnostisch entscheidend ist (20).

Die Nadelbiopsie sollte eine Länge von 1,5 *cm nicht unterschreiten.

Da mit der Nadelbiopsie Stanzen von einer Länge von 2 bis 3 cm ohne weiteres möglich sind, ist der diagnostische Aussagewert ei- ner durch Punktion gewonnenen Nadelbiopsie einer Beckenfräse mit Sicherheit gleichwertig. Dies gilt für hämatologische und osteo- logische Krankheitsprozesse.

Literatur beim Sonderdruck (über Verfasser)

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Christian Manegold Medizinische Klinik der Ruprecht-Karls-Universität Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg 1

Herzrhythmusstörungen durch Koffein

Der Herzrhythmus verfügt physio- logischerweise über eine hohe Stabilität gegenüber neurogenen, chemischen, alimentären oder to- xischen Substanzen mit einem ar- rhythmogenen Effekt.

Daß Koffein diese Schwelle über- schreiten und Herzrhythmusstö- rungen provozieren kann, ist aus Tierversuchen bekannt.

An 7 Normalpersonen und 12 Pa- tienten mit koronarer Herzkrank- heit wurden die elektrophysiologi- schen Effekte und das arrhyth- mieerzeugende Potential des Kof- feins mittels His-Bündel-EKG und programmierter Stimulation nach oralem Kaffeegenuß und intrave- nöser Koffeingabe getestet.

Koffein beeinflußte nicht die Inter- valle der sinuatrialen, inter- und intraatrialen, atrioventrikulären und His-Purkinje-Reizleitung so- wie die Sinusknotenerholungszeit.

Dagegen verkürzte sich die Re- fraktärzeit des rechten Vorhofs, des rechten Ventrikels und des AV-Knotens nach Schrittmacher- Pacing.

Zwei der Herzkranken entwickel- ten ventrikuläre Tachykardien.

Supraventrikuläre Tachykardien traten bei drei Gesunden und sechs KHK-Patienten, die bereits anamnestisch Herzrhythmusstö- rungen angegeben hatten, auf.

Nach Meinung der Autoren sollen Patienten, die zu spontanen ven- trikulären oder supraventrikulären Arrhythmien neigen, den Genuß koffeinhaltigen Kaffees meiden.

müb

Dobmeyer, D. J., et al.: The arrhythmogenic effects of caffeine in human beings, New Engl.

J. Med. 14 (1983) 814-816, Reprints: Dr.

Schaal, Dept. Cardiol., Ohio State University Hosp., Rm. 669, Means Hall, 1655 Upham Dr., Columbus, OH 43210, U.S.A.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 38 vom 23. September 1983 53

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