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Archiv "Morphologische Diagnostik bei generalisierten Osteopathien: Beckenkamm-Biopsie" (27.06.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Morphologische Diagnostik

bei generalisierten Osteopathien

Beckenkamm-Biopsie

Rolf Burkhardt

D

Die Einführung der Beckenkammbiopsie in die klinische Routine bereichert die Beurteilung und die Behandlungskontrolle auch bei generalisierten Osteopathien. Sie trägt darüber hinaus zur Erwei- terung des noch unzulänglichen pathogenetischen Wissens bei ei- nigen dieser Störungen, insbesondere der so häufigen und folgen- schweren primären Osteoporose, bei. Diese geht mit einem Schwund venöser Kapillarabschnitte im Knochenmark einher, der auch bei der senilen Osteopenie auftritt. Metabolische und endo- krinologische Entstehungstheorien der Osteoporose bedürfen der Ergänzung durch die Aufklärung der strukturellen Pathogenese,

fiese Übersicht gilt den diagnostischen Fortschritten einer routinemäßigen An- wendung der Becken- kammbiopsie bei generalisierten Osteopathien. Wichtige morpholo- gische Aspekte dieser Krankheiten bieten natürlich auch die Methoden der modernen radiologischen und nuklearmedizinischen Diagnostik.

Die Indikationsbereiche ergänzen sich, denn die nicht-invasive Kno- chendiagnostik hat den großen Vor- zug, daß sie das ganze Skelettsystem erfaßt — allerdings mit einer so ho- hen Sensibilität, daß jede lokale Veränderung der Dürchblutung markiert wird. Daraus folgt der Nachteil der geringen diagnosti- schen Spezifität und einer relativ ho- hen Rate falsch-positiver Befunde — falsch natürlich nur in bezug auf die diagnostische Vermutung des Klini- kers.

Die Beckenkammbiopsie ande- rerseits zeigt uns charakteristische Zell- und Strukturveränderungen, die in vielen Fällen für sich allein die Diagnose stellen lassen. Dies natür- lich nur dann, wenn die krankhaften Veränderungen auch am Ort der Biopsie, dem Beckenkamm, ausge-

prägt sind. Glücklicherweise ist dies bei den generalisierten Osteopa- thien häufig der Fall. Das heißt, wir brauchen die radiologische und nu- klearmedizinische Diagnostik vor al- lem als Suchmethoden und die Biop- sie zur Diagnosesicherung. Bei herd- förmigen Knochenprozessen ent- nimmt man die Probe am Ort der klinischen und radiologischen Ver- änderungen, bei vermuteten genera- lisierten Prozessen in erster Linie, aus Gründen der Zweckmäßigkeit, am Beckenkamm Sehr häufig kann man dort auch dann einen spezifi- schen histologischen Befund antref- fen, wenn die nicht-invasiven Me- thoden noch keinen Krankheitshin- weis ergeben haben. Denn im histo- logischen Präparat erkennen wir ei- nen abnormen Knochenumbau auch dann, wenn die Strahlendichte oder Speicherung noch keine Störungsfel- der anzeigt. Veränderungen der

Aus der Abteilung für

Knochenmarksdiagnostik (Leiter:

Professor Dr. med. Rolf Burkhardt) der Medizinischen Klinik Innenstadt der Universität München sowie der Arbeitsgruppe für Hämatomorphologie der Gesellschaft für Strahlen-

und Umweltforschung mbH, München

Markgewebe werden dabei deutlich unabhängig davon, ob sie mit einer überwiegend durchblutungsabhängi- gen Markierung einhergehen.

Strukturelle Pathogenese

Alle generalisierten Osteopa- thien treten aus Gründen, die wir noch nicht ganz verstehen, überwie- gend im Stammskelett hervor. Sie haben aber sicher mit dem Umstand zu tun, daß die dort vorwiegende trabekuläre Bauform des Knochens auch dazu dient, Stoffwechsel- und Umbauvorgänge in engem Zusam- menhang mit den Markgeweben und ihrer Mikrozirkulation zu begünsti- gen. Trotzdem ist es bemerkens- wert, daß sich die Veränderungen im mikroskopischen Bereich auch bei typischen metabolischen Osteo- pathien, wie der Osteomalazie und dem Hyperparathyreoidismus, nicht gleichmäßig ausprägen, sondern in lockeren oder dichteren Vertei- lungsmustern. Dies spricht ebenso für die Wirksamkeit von lokalen Sti- mulations- oder Hemmfaktoren wie auch für eine unterschiedliche Mi- krozirkulation. Einige solcher Fak- toren sind bereits bekannt Für ihr A-1914 (46) Dt. Ärztebl. 85, Heft 25/26, 27. Juni 1988

(2)

1642

+++

Mal. Lymphom 3376 +++

Osteoporose

543 ++

+

+ Primärer HPT 259 +++ Osteomyelo-

sklerose

Verschiedene 161 Mastozytose 166

++

3863 6635

Tabelle 1: Generalisierte Osteopathien. Häufigkeit der Biopsie-Dia- gnosen (Biopsie-Inzidenz: ++++ = mehr als 90 Prozent, +++ = 40 bis 90 Prozent, ++ = 20 bis 40 Prozent, + = 10 bis 20 Prozent) Primär-

Osteogen

Biopsie- Inzidenz

Sekundär- Myelogen

Biopsie- Inzidenz

n= n=

Sekundärer HPT

++++

Plasmazytom ++++

1010 1456

Osteomalazie 477

++++

Ca-Metastase 842

M. Paget 251 +

+

M. Hodgkin 188

Osteosklerose 63 Sarkoidose 114

++

Abbildung 1: Über- sicht über normale Struktur von Kno- chenrinde, trabeku- lärem Knochen, Hä- matopoiese und Fettgewebe. Bek- kenkammbiopsie von 43jährigem Mann. 3pm dickes Schnittpräparat nach unentkalkter Einbet- tung in Methyl-Me- thacrylat; Färbung:

Versilberung nach Gomori; Originalver- größerung x 10

noch weitgehend unbekanntes Zu- sammenspiel wurden Begriffe wie

„bone forming unit" und „microen- vironment" eingeführt, die die Be- ziehungen von Markparenchym, Knochenzellen und ihrem gemeinsa- men Stroma einstweilen mit einem Namen belegen.

Das möglicherweise für neue Wege der Behandlung ausschlagge- bende Zusammenwirken dieser Ge- webe wird in erster Linie experimen- tell erforscht. Die Biopsie bietet aber die unersetzliche Möglichkeit, das experimentelle Modell mit krankhaften Veränderungen beim Menschen zu vergleichen. Oben- drein kann man, durch wiederholte Probeentnahmen, aus den struktu- rellen Veränderungen im Verlauf der Krankheit und Behandlung ein Bild der Krankheitsentstehung ge- winnen. Neben der Möglichkeit der Diagnosesicherung oder -feststel- lung ist dies einer der wichtigsten neueren Aspekte der morphologi- schen Diagnostik.

Beurteilung von Mark- und Knochengeweben

Die Übersicht über das Schnitt- bild einer in Methacrylat eingebette- ten Beckenkammbiopsie zeigt die Gleichmäßigkeit der normalen Grobstrukturen, die mit dem Alter typische Veränderungen durchlau- fen (Abbildung 1). Die für diagno- stische Zwecke erforderliche Pro- bengröße beträgt mindestens 3:20 oder 4:15 mm. Andernfalls werden nicht genügend Strukturelemente erfaßt und die Beurteilung des Ver- teilungsmusters von abnormen Ver- änderungen erschwert. Außerdem wird sonst der Umstand, daß rinden- nahe und weiter zentral gelegene Probenabschnitte eine unterschied- liche Zusammensetzung aufweisen können, nicht ausreichend berück- sichtigt. Leider wird dies, zum Scha- den unserer Patienten, nicht immer beachtet. Die Ausschußquoten in unserem Material (rund 44 000 Biopsien) betragen bei den Myeloto- mien

17 Prozent und bei den Stanz-

biopsien 35 Prozent (mangelhafte Beurteilbarkeit aus technischen Gründen, Fehlbiopsien oder unge- Dt. Ärztebl. 85, Heft 25/26, 27. Juni 1988 (49) A-1917

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Osteoporose 58 0,6 : 1 49

Sekundärer HPT 0,8 : 1

Osteomalazie 56 0,4 : 1

Primärer HPT 55 0,6 : 1

67 1,1 : 1

Morbus Paget

Verschiedene 47 0,8 : 1

50

Osteosklerose 1,3 : 1

Tabelle 2: Beckenkamm-Biopsien bei primären generalisierten Osteo- pathien mit Alter und Geschlechtsverteilung

Durchschnittsalter (Jahre)

Geschlechtsverhältnis

a

.

9

Abbildung 2: Kno- chenbälkchen mit Osteoidsaum (heller grau), bedeckt mit Osteoblasten; an- grenzend „Bälk- chensinus". Pfeile:

Markwärtiges Sinus- endothel; Kreuze:

Sinuslumen. Präpa- ration wie Abbil- dung 1; Originalver- größerung x 250 eignete Fixation). Die Stanzbiopsien

sind zur Diagnose von Osteopathien besonders schlecht geeignet.

Der trabekuläre Knochen ent- steht in engem Zusammenhang mit der Ausbildung spezieller, nur im Knochenmark vorhandener venöser Kapillaren. Diese Bälkchensinus sind die Endstrecken der markzen- tralen Sinus, die die extrakapillär reifenden Blutzellen in die Zirkula- tion entlassen (Abbildung 2). Nur die Endothelzellen der Bälkchensi- nus enthalten, wie die Osteoblasten, PAS-positives Sekret. Der anatomi- sche Zusammenhang von knochen- wärtigem Sinusendothel und Osteo- blasten wird mit der Kunststofftech- nik besonders deutlich (Abbildung 3). Dasselbe gilt von den Osteo- klasten, die im Funktionszusammen- hang mit den Osteoblasten für die Anpassung des fortlaufend neu mo- dellierten Knochengerüstes und die Nutzung des mineralisierten Kno- chens als Kalziumreservoir sorgen (Abbildung 4).

Die knochenbildenden Zellen werden nach einem regelmäßigen Baumuster in die Knochenlamellen eingebaut. Sie bleiben auch inner- halb des reifen Knochens aktiv und zur osteozytären Osteolyse befähigt.

Die Osteoklasten rekrutieren sich nach experimentellen Ergebnissen aus Zellen des Monozyten-Makro- phagensystems. Im Kunststoff- schnitt sind sie schon in der Giemsa- Färbung gut darstellbar, ebenso wie ihre Vorläufer, die Präosteoklasten.

Es zeigt sich, daß bei abnormer Sti- mulation die ortsständigen Zellen des aktivierten Mesenchyms, Fibro- blasten und Endothelzellen, eben- falls als direkte Vorläufer der Osteo- klasten in Frage kommen (Abbil- dung 5).

Bedeutung

der Biopsie-Diagnose

Natürlich ist die vergleichende Aufstellung von Biopsieergebnissen bei primären (osteogenen) und se- kundären (myelogenen) generali- sierten Osteopathien (Tabelle 1) kein Maßstab für die Häufigkeit die- ser Krankheiten. Sie gibt nur einen ungefähren Anhalt darüber, wie oft

eine bioptische Sicherung dem Klini- ker im Verdachtsfall wichtig war oder wie oft, in unklaren Fällen, ei- ne Überraschungsdiagnose durch die Biopsie gestellt wurde. Ohne Zweifel ist das zahlenmäßige Über- gewicht auf der Seite der sekundä- ren Osteopathien mehr darauf zu-

rückzuführen, daß die Becken- kammbiopsie in diesen Fällen weit- gehend zur Routine geworden ist.

Die Zahlen in Tabelle 1 entsprechen den positiven Biopsien, die Kreuze sollen anzeigen, wie hoch ihre Quo- te unter allen Biopsien bei den ein- zelnen Gruppen war. Primäre gene- A-1918 (50) Dt. Ärztebl. 85, Heft 25/26, 27. Juni 1988

(4)

Abbildung 3: Bezie- hung von Endost, Sinus- endothel und Osteo- blasten. a) Knochen- oberfläche bedeckt mit doppelter Schicht fla- cher Reticulumzellen

= Endost = inaktiver Zustand. b) Andere Re- gion mit aktiven Osteo- blasten, die die bälk- chennahe Begrenzung einer Sinuskapillare bilden. Präparation wie Abb. 1; Färbung: Giem- sa; Originalvergröße- rung x 800

Abbildung 4: Bezie- hung von Endost, Sinus- endothel und Osteokla- sten. a) Typischer mehrkerniger Osteo- klast in Resorptions- mulde (Howshipsche Lakune) gelegen. b) Präosteoklast und fla- cher Osteoklast im Ver- band von Sinusendo- hel, vor Resorptionstä- tigkeit. Präparation wie Abb. 1; Färbung Giem- sa; Originalvergröße- rung x 400

30 41 13

Osteopathie 2 37

M. Paget 0,7 0,3 2 2

0 0

Tabelle 3: Primäre generalisierte Osteopathien, Biopsie-Diagnose und -Indikation Biopsie-Diagnose

Osteo- sekund. Osteo- prim. Morbus Ver- porose HPT malazie HPT Paget schiedene

Indikation (%) Osteo-

sklerose

Osteoporose 3 12 5 0,4 6

Osteomalazie 7 1 4

13 3

HPT

Osteosklerose 0 0

Internistische 5 3 2 0

Krankheit

0 4 3

Osteolyse-Syndrom 8 4 8 0 3 2

Metastase 7 2 5 4 3 8 5

Hämatologisches 19,3 17,7 18

Syndrom/Krankheit

3,6 35 46

6

Dt. Ärztebl. 85, Heft 25/26, 27. Juni 1988 (53) A-1921

(5)

Tabelle 4: Histobioptische Differentialdiagnose von primären und se- kundären generalisierten Osteopathien

Osteomalazie — HPT — Plasmazytom — Mal. Lymphom — Mastozytose — Sarkoi- dose — diffuse Metastasierung

Osteoporose:

Osteomyelosklerose — metastasierendes Karzinom — Morbus Hodgkin

Morbus Paget:

Hyperpara- thyreoidismus:

Plasmazytom — paraneoplastischer Kno- chenumbau — metastasierendes Karzinom Abbildung 5: Me- senchymale Aktivie- rung und abnormer Knochenumbau in der knochennahen Markregion bei pri- märem Hyperpara- thyreoidismus. Dicke Pfeile: Osteoklasti- sche Resorption;

dünne Pfeile: Neu- bildung von primiti- vem Knochen. Im Markbereich zahl- reiche Kapillaren und zeltreiches Reti- culum mit Vorstufen von Osteoblasten und -klasten. Präpa- ration wie Abbil- dung 1; Färbung:

Giemsa; Originalver- größerung x 200

den histologischen Gruppen der Osteoporose, der Osteomalazie und des sekundären Hyperparathyreo- idismus, die sich in der Inkongruenz der Diagnosen und der relativen Häufigkeit einer unbestimmten Biopsie-Indikation ausdrückt. Nicht selten wird auch ein metastasierendes Karzinom anstelle der histologisch verifizierten primären Osteopathie vermutet. Die praktisch bedeutungs- vollsten Verwechslungsmöglichkei- ten nennt die Tabelle 4. Dabei kom- men Täuschungen in jeder beliebigen Reihenfolge innerhalb der aufgeführ- ten drei Gruppen vor.

Natürlich gibt es außer der Biopsie jeweils eine ganze Reihe an- derer, insbesondere biochemischer, Möglichkeiten der Diagnosesiche- rung. Trotzdem finden sich in unse- rem Material zahlreiche, zumindest vorläufige, Fehldiagnosen in diesen Bereichen. Besonders drohen solche in oligosymptomatischen Fällen von Osteomalazie, Knochensarkoidose, systemischer Mastozytose, aber auch bei einzelnen Lymphomen, wie Immunozytom, Plasmazytom, Haar- zell-Leukämie , oder Metastasen bei okkultem Primärtumor.

ralisierte Osteopathien sind häufiger in der zweiten Lebenshälfte. Sie sind, mit Ausnahme von Morbus Pa- get und Osteosklerosen, bei Frauen häufiger als bei Männern (Tabelle 2). Dieser Umstand sollte bei der Diskussion der Pathogenese der pri- mären Osteoporose nicht übersehen werden. Auch andere, sicher nicht östrogenabhängige, generalisierte Osteopathien bevorzugen das weib- liche Geschlecht.

Die diagnostische Bedeutung der Biopsie läßt sich aus dem Ver- hältnis unserer Biopsiediagnose zu

der Verdachtsdiagnose ablesen, die die Biopsie veranlaßt hat. Beide Diagnosen stimmen nur ungefähr überein — am besten beim primären Hyperparathyreoidismus und beim Morbus Paget (Tabelle 3). Mit Aus- nahme dieser beiden Leiden ist die Häufigkeit von hämatologischen Symptomen oder Krankheiten in al- len Gruppen besonders bemerkens- wert, was als Hinweis auf die engen Beziehungen von Hämatopoiese und Osteogenese verstanden werden kann. Auffallend ist auch die klini- sche diagnostische Unsicherheit bei

Veränderungen der Mikrozirkulation bei Osteopenie

Der Vergleich von Biopsien und klinischen sowie radiologischen Be- funden bei Osteoporose zeigt, daß das Ausmaß der histologischen Osteopenie am Biopsieort mit dem Schweregrad der klinischen Osteo- porose korreliert. Dasselbe läßt sich für die Beziehungen von Markatro- phie im Beckenkamm und apla- stischer Anämie zeigen. Wir dürfen daher davon ausgehen, daß unsere Beckenkammbefunde im statisti- schen Vergleich repräsentativ für die genannten Krankheiten sind. Ver- gleicht man bei jeweils einigen hun- dert Fällen von Osteoporose und aplastischer Anämie das Verhältnis des trabekulären Knochenvolumens und des Volumens von Markfettge- webe, das dem Schwund des blutbil- denden Markes entspricht, so zeigt sich bei beiden Krankheiten eine si- gnifikante Korrelation zwischen der A-1924 (56) Dt. Ärztebl. 85, Heft 25/26, 27. Juni 1988

(6)

78 12 42

34 45

1:5,0 1:7,9

1:4,5 1:5,1

1:1,5 Durchschnittsalter (Jahre)

Verhältnis von art.

Kapillaren/Sinus Fallzahlen

Aplastische Anämie

30

Primäre Osteoporose

30

Normalfälle

24 30 7

Alters-Stufen (Jahre) 18-60 27-52 10-20 30-52 70

Bälkchensinus/100 mm *) 10,4 ±6,5 5,2 ±3,0 15,2 ±7,8 8,4 ± 3,9 6,1 ± 1,9 S

0,02

S— ,0001--> S

S 0,0006

0,0005 S<

S S 0,001 S**)E0,003

Tabelle 5: Zahlenverhältnisse von arteriellen Kapillaren und (venösen) Sinus-Kapillaren sowie von Bälkchensi- nus zur spezifischen Bälkchenoberfläche

*) Zahl der Sinusquerschnitte/100 mm spezifischer Knochenoberfläche mm 2/mm3 **) S = signifikant (t-Test)

Atrophie des Knochens und des Knochenmarkes. Dasselbe gilt für die senile Osteopenie. Nicht nur der trabekuläre Knochen, sondern auch der Volumenanteil der blutbilden- den Markgewebe schwindet allmäh- lich jenseits des 30. Lebensjahres.

Diese Relation gilt für alle Skelett- abschnitte, wie unsere Untersuchun- gen an Unfalltoten gezeigt haben.

Da eine gemeinsame Ätiologie für so verschiedene Störungen wie pri- märe Osteoporose, senile Osteo- penie und aplastische Anämie schwer vorstellbar ist, haben wir nach weiteren strukturellen Ge- meinsamkeiten gesucht. Solche fin- den sich, wenn man die Gefäßquer- schnitte in unseren Präparaten aus- zählt und zur ausgewerteten Mark- fläche in Beziehung setzt: Die Zahl der Marksinus, also der venösen Ka- pillaren, geht zusammen mit dem Verlust an blutbildendem Mark und Knochenbälkchen zurück. Ver- gleicht man nun die Beckenkamm- biopsien von zwei etwa altersglei- chen Patientengruppen, die an pri- märer Osteoporose und aplastischer Anämie leiden, mit Normalfällen verschiedener Altersstufen, so zeigt

sich, daß bei primärer Osteoporose und seniler Osteopenie die Zahl der Marksinus im Vergleich zur Norm des mittleren Lebensalters signifi- kant vermindert ist. Bei der aplasti- schen Anämie ist diese Verminde- rung noch deutlicher. Jedoch ist hier die Zahl der arteriellen Kapillaren signifikant vermehrt.

Diese Verhältnisse werden deutlicher, wenn man das Zahlen- verhältnis zwischen arteriellen und venösen (Sinus-)Kapillaren betrach- tet und die Zahl der Marksinus, die den Knochenbälkchen unmittelbar anliegen (Bälkchensinus), zur spezi- fischen Knochenoberfläche in Bezie- hung setzt (Tabelle 5): Das Verhält- nis von arteriellen und venösen Ka- pillaren ist im mittleren Lebensalter am deutlichsten von der Menge der Sinus geprägt. Dabei sind die Ver- hältniszahlen bei primärer und seni- lar Osteopenie fast gleich. Bei apla- stischer Anämie dagegen ist die Mi- krozirkulation eindeutig stärker ar- teriell bestimmt. Wenn man nur die Zahl der Bälkchensinus im Verhält- nis zur spezifischen Bälkchenober- fläche betrachtet, so ist wiederum die Verminderung bei den Osteope-

nie-Gruppen am stärksten und ihre Zahl bei den normalen Jugendlichen am höchsten. Die Unterschiede sind statistisch signifikant

Primäre Osteoporose und senile Osteopenie haben somit einen Schwund von Sinuskapillaren und besonders ihrer die Bälkchen beglei- tenden Abschnitte gemeinsam Bei der aplastischen Anämie dagegen sind die bälkchennahen Sinus nicht betroffen, obgleich die Mikrozirku- lation sich weitgehend zur arteriel- len Seite hin verschoben hat. Im Jugendalter wiederum ist sowohl die Zahl der arteriellen als auch aller ve- nösen Kapillaren gleichmäßig höher als im späteren Leben. Wir schlie- ßen daraus, daß ein gleichmäßiges Verhältnis von arteriellen zu venö- sen Kapillaren für die Erhaltung von Mark- und Knochengeweben nötig ist, wobei verstärkte venöse Kapilla- risierung vor allem eine Steigerung der Hämatopoiese und vermehrte arterielle Kapillarisierung besonders einen gesteigerten Knochenumbau begleitet. Die Gemeinsamkeit der Sinusverminderung nicht nur in den markzentralen sondern auch den bälkchenbezogenen Markabschnit- A-1926 (58) Dt. Ärztebl. 85, Heft 25/26, 27. Juni 1988

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Östrogen/Gestagen-

Substitution während und nach den Wechseljahren

ten bei der primären Osteoporose und der senilen Osteopenie er- scheint bemerkenswert. Welche Rolle sie in der Pathogenese dieser Störungen spielt und an welcher Stelle der Pathogenese dieser Kapil- larschwund steht, ist damit natürlich noch nicht gesagt. Man könnte an ei- ne direkte nutritive Abhängigkeit denken; nachdem wir aus experi- mentellen Untersuchungen aber im- mer mehr über örtliche Gewebsfak- toren erfahren, die die Knochenbil- dung beeinflussen, muß natürlich auch an die Möglichkeit gedacht werden, daß solche Faktoren Kapil- laren, Mark- und Knochengewebe gemeinsam beeinflussen oder auch, daß humorale Wirkungen auf die ge- nannten Gewebe von Kapillarendo- thelzellen selbst ausgehen.

Die Veränderungen der aplasti- schen Anämie bestätigen, daß für die Erhaltung der Hämatopoiese vor allem die zentralen Marksinus ver- antwortlich sind. Was die überwie- gende Arterialisierung der gesamten Markräume bei dieser Störung mit dem auch hier gegebenen Bälkchen- schwund zu tun hat, ist noch unbe- kannt Vielleicht wird dieses Rätsel durch die nähere Kenntnis der eben angesprochenen Regulatoren lös- bar. Vielleicht gilt dies auch für noch ungelöste Probleme der Osteoporo- se, die bisher noch kaum von dieser Seite angegangen worden sind.

(Literatur beim Verfasser)

Der Aufsatz entstand nach einem Vortrag anläßlich des gemeinsamen Kolloquiums der Medizinischen Klinik II und der Ortho- pädischen Klinik des Klinikums Großha- dem der Universität München

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Rolf Burkhardt Abteilung für

Knochenmarksdiagnostik Medizinische Klinik Innenstadt der Universität München Ziemssenstraße 1

8000 München 2

r Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie*)

Präambel

Die Sexualhormone dienen nicht ausschließlich der Fortpflan- zung, sondern tragen auch zum Er- halt des allgemeinen Wohlbefindens bei. Im Gegensatz zur Situation beim Manne geht die gonadale Se- kretion von Sexualhormonen bei der Frau im mittleren Lebensalter dra- stisch zurück. Dies führt zu Klimak- terium und Menopause. Zur Frage der Substitution mit Sexualhormo- nen von Frauen im Klimakterium und danach haben sich in den ver- gangenen Jahren neue Erkenntnisse ergeben. Die vorliegende Stellung- nahme soll den aktuellen Stand des Wissens zusammenfassen und dem in der Praxis tätigen Arzt als Grund- lage für die Beratung von Patientin- nen dienlich sein.

Definition

Klimakterium: Der über viele Jahre sich erstreckende Zeitraum, während dessen es zu Östrogenman- gel-bedingten Zyklusstörungen so- wie subjektiven Beschwerden kom- men kann. In diesen Zeitraum fällt die Menopause als letzte vom Ovar gesteuerte Regelblutung. Das Kli- makterium unterteilt sich demnach in einen prä- und postmenopausalen Anteil. Letzterer geht fließend in das Senium über.

*) Die Liste der an der Erarbeitung dieser Stellungnahme beteiligten Experten befindet sich am Schluß des Beitrags

Mögliche Symptome des Klimakteriums

Psychische Symptome:

Antriebsarmut, Konzentrations- schwäche, Erinnerungsschwäche

■ Depressive Verstimmung, Schlaf- störungen

■ Zunehmende Nervosität Vegetative Störungen:

■ Hitzewallungen, Schweißausbrü- che, Kreislaufinstabilität

Allgemeinerscheinungen:

■ Mißempfindungen mit allgemei- nen Beschwerden im Bewegungsap- parat (Gelenkbeschwerden, Muskel- schmerzen)

Somatische Störungen:

■ Lokale Atrophie im Bereich des Urogenitaltraktes (Vulva, Vagina, Urethra, Blasenepithel) mit atrophi- scher Kolpitis und Urethritis sowie Belastungsinkontinenz, Drangin- kontinenz-, Fluor sowie (durch Aus- trocknung des Genitale) Kohabita- tionsbeschwerden als Folge

■ Generalisierte Atrophie der Haut mit Austrocknung und Faltenbil- dung

■ Veränderung der Körperbehaa- rung• Haarausfall (Kopf- Achsel- Schamhaar), Hirsutismus (beson- ders auffällig im Gesicht)

Metabolische Störungen:

■ Fettstoffwechsel: Abfall des HDL-Cholesterins und Anstieg des LDL-Cholesterins, hierdurch Förde- rung der Arteriosklerose-Ausbil- dung mit gesteigertem Herzinfarkt- und Apoplexrisiko

■ Vorübergehende Steigerung des Knochenumsatzes (high-turnover) mit gesteigertem Verlust an trabeku- lärem Knochen. Hierdurch drohen- de Instabilität der Wirbelkörper mit gesteigertem Bruchrisiko (Typ-I- Osteoporose).

Dt. Ärztebl. 85, Heft 25/26, 27. Juni 1988 (59) A-1927

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