446 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 109|
Heft 25|
22. Juni 2012M E D I Z I N
Schlusswort
Wir danken den Autoren der Leserbriefe für ihre Hin- weise und Kritiken, die uns erlauben, die wichtigsten der angesprochenen Punkte ausführlicher zu erläutern.
Wir wurden um einen Übersichtsartikel gebeten, der dem praktischen Arzt die Grundzüge der Höhenmedi- zin vermittelt und nicht um einen systematischen Re- view, der bei dem zur Verfügung stehenden Platz nicht zu bewerkstelligen wäre. Unsere Empfehlungen beru- hen auf methodisch einwandfreien Studien und bei un- genügender Datenlage auf Expertenmeinungen, die re- ferenziert wurden.
Die Empfehlung einer fixen Grenze von drei Mona- ten nach akuten Ereignissen wie Myokardinfarkt, Schlaganfall, Thromboembolie oder nach ICD-Implan- tation ist kritisiert worden. Unsere Empfehlung wird von Kardiologen mit Expertise in Höhenmedizin geteilt (1). Diese Expertenmeinung halten wir für ein nicht- spezialisiertes Zielpublikum für sinnvoll. Man kann diskutieren, ob in ausgewählten Fällen die Latenzzeit kürzer sein kann, wenn die Bedingungen, welche für ei- nen Aufenthalt zwischen 2 000 und 3 000 m vorausge- setzt werden (Kasten), erfüllt sind. Selbstverständlich werden diese Voraussetzungen, wie die Leserbriefauto- ren hervorheben, durch Art und Schwere der Erkran- kung bestimmt.
Bei der Kritik am Migränevergleich haben Küpper et al. wohl übersehen, dass wir uns auf akute Bergkrank- heit (ABK) und nicht auf Kopfschmerzen beziehen. Bei ABK werden die Kopfschmerzen häufig durch Anstren- gung verstärkt, es bestehen oft Übelkeit und Erbrechen.
Dies wird bestätigt durch eine Untersuchung an 1 285 Bergsteigern mittels Kieler Kopfschmerzfragebogen.
Bei ausgeprägter ABK in 4 559 m waren in 65 % der Fälle die Diagnosekriterien für Migräne erfüllt (2).
Wir dürfen Küpper et al. darauf hinweisen, dass alle
„Protokollabweichungen“ in unserer Publikation (Re- ferenz 2 ihres Leserbriefs) ausführlich erwähnt werden – einen Einfluss auf das negative Ergebnis hatten sie nicht. Wir halten es für sehr unwahrscheinlich, dass durch wiederholte kurzzeitige Hypoxieexpositionen, wie sie heute von Fitnessstudios angeboten werden, ei- ne klinisch relevante ABK-Prävention bei raschem Aufstieg in Höhen > 4 000 m erreicht werden kann.
Die von Küpper et al. zitierte Studie (Referenz 3 ih- res Leserbriefs) zur ABK-Prophylaxe mit 2 × 125 mg Acetazolamid wurde in einem hoch selektionierten Kollektiv mit niedrigem ABK-Risiko während eines Trekkings in 4 200 bis 4 900 m durchgeführt. Eine Ge- neralisierung der Ergebnisse über dieses spezielle Set- ting hinaus ist unmöglich, zumal eine Metaanalyse (3) und eine Studie am Kilimandscharo (4) sogar die Wirk- samkeit von 2 × 250 mg in Frage stellen. Wir empfeh- len deshalb weiterhin 2 × 250 mg für nichtakklimati- sierte Tieflandbewohner, die rasch in Höhen > 4 000 m aufsteigen müssen oder wollen.
Abschließend dürfen wir darauf hinweisen, dass Ta- dalafil auch von den Experten, die Küpper et al. zitieren (Referenz 1 ihres Leserbriefes), zur Prävention des Hö- henlungenödems empfohlen wird und dass wir nicht der Meinung sind, dass Nifedipin und Dexamethason in den Rucksack jedes Bergsteigers gehören. Diese Medi- kamente sollen nur an Bergsteiger abgegeben werden, die auf Grund Ihrer Anamnese einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind, entsprechend geschult wurden und verantwortungsvoll damit umgehen können.
DOI: 10.3238/arztebl.2012.0446
LITERATUR
1. Rimoldi SF, Sartori C, Seiler C, et al.: High-altitude exposure in pa- tients with cardiovascular disease: risk assessment and practical recommendations . Prog Cardiovasc Dis 2010; 52: 512–24.
2. Schneider M, Bernasch D, Weymann J, Bärtsch P: Characteristics of high altitude headache. High Alt Med Biol 2002; 3: 100.
3. Dumont L, Mardirosoff C, Tramèr MR: Efficacy and harm of pharma- cological prevention of acute mountain sickness: quantitative systematic review. BMJ 2000; 321: 267–72.
4. Kayser B, Hulsebosch R, Bosch F: Low-dose acetylsalicylic acid analog and acetazolamide for prevention of acute mountain sickness.
High Alt Med Biol 2008; 9: 15–23.
5. Schommer K, Bärtsch P: Basic medical advice for travelers to high altitudes. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(49): 839–48.
Prof. Dr. med. Peter Bärtsch Dr. med. Kai Schommer
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg Innere Medizin VII: Sportmedizin kai.schommer@med.uni-heidelberg.de Interessenkonflikt
Dr. Schommer erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Prof. Bärtsch wurde für Vorträge von den Firmen Boehringer Ingelheim und MSD honoriert. Ferner bekam er Sachmittel und Geräte für Forschungsprojekte von den Firmen Geratherm, Actelion, Lilly, Boehringer Ingelheim und Viasys.
PD Dr. med. Thomas Küpper
Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der RWTH Aachen tkuepper@ukaachen.de
Medizinische Kommission der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA MedCom), Bern/Schweiz
Dr. med. U. Gieseler
Medizinische Kommission der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA MedCom), Bern/Schweiz
Abteilung für Innere Medizin, Diakonissenkrankenhaus Speyer Prof. Dr. med. Herbert Löllgen
Praxis für Innere Medizin, Kardiologie, Remscheid Interessenkonflikt
Prof. Löllgen erhielt Honorare für Beratertätigkeit von Actavis und ESA.
PD Küpper und Dr. Gieseler erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.