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Archiv "Pflegereform: Mehr Geld für Demenzkranke" (03.02.2012)

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A 180 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 5

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3. Februar 2012

P O L I T I K

PFLEGEREFORM

Mehr Geld für Demenzkranke

Nach langem Ringen in der Koalition liegt nun ein erster Entwurf der Pflegereform vor.

Vor allem Demenzkranke sollen bessergestellt werden, aber auch Heimärzte.

B

is zu sechs Pflegeheime be- sucht Franziska Ebert-Mati- jevic im Monat. Auf der Grundlage zweier Verträge betreut die Fach- ärztin für Allgemeinmedizin insge- samt etwa 150 Bewohner. Der erste Vertrag heißt „Die Pflege mit dem Plus“, ein Berliner Modellprojekt der Kassenärztlichen Vereinigung, mehrerer Landeskassen und der be- teiligten Pflegeheime. Er sieht eine wöchentliche Visite sowie eine 24-Stunden-Notbereitschaft vor. Der zweite ist ein Vertrag zur inte - grierten Versorgung, „careplus“, abgeschlossen zwischen Kassen und Pflegeheimen. Ebert-Matijevics Resümee: „Die ärztliche Versor- gung der Heime hat sich durch die Verträge stark verbessert.“

Kooperationsverträge dieser Art will das Bundesgesundheitsminis- terium (BMG) stärken. Künftig sol- len Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) auf Antrag eines Pflegeheimes verpflichtet werden, Kooperations- verträge „mit geeigneten Ärzten“

zu vermitteln, heißt es im Referen- tenentwurf des Pflege-Neuausrich- tungsgesetzes (PNG). Bislang war

dies eine Kann-Regelung. Darüber hinaus können KVen und Pflege- kassen auf Landesebene Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen oder Leistungserbringer vereinbaren, um Hausbesuche in stationären Pflegeeinrichtungen ins- besondere durch Fachärzte zu för- dern. Vollstationäre Pflegeeinrich- tungen sollen zudem verpflichtet werden, die Landesverbände der Pflegekassen darüber zu informie- ren, wie sie die ärztliche Versor- gung sowie die Versorgung mit Arzneimitteln in ihren Heimen sicherstellen wollen – zum Beispiel durch Kooperationsverträge mit Ärzten oder durch die Einbindung des Heimes in Ärztenetze.

Förderung von Heimärzten längst überfällig

Die Bundesärztekammer (BÄK) hält eine solche Förderung von Heimärzten für längst überfällig.

Zwar gebe es keine generelle ärztli- che Unterversorgung von Heimpa- tienten, sagte BÄK-Präsident Dr.

med. Frank Ulrich Montgomery.

Nicht zuletzt wegen der enormen

Arbeitsbelastung der niedergelasse- nen Ärzte gebe es aber erheblichen Verbesserungsbedarf. „Wir begrü- ßen außerordentlich, dass die Bun- desregierung mit der Förderung der heimärztlichen Versorgung nun ei- ner Forderung des letztjährigen Deutschen Ärztetages nachkom- men will“, so Montgomery.

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs- gesetz will das BMG insbesondere mehr Geld für die Pflege von Men- schen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz, zum Beispiel De- menzkranker, zur Verfügung stellen – laut BMG bundesweit etwa 500 000 Menschen. Diese sollen ab 2013 zwischen 120 Euro Pflegegeld oder Pflegesachleistungen in Höhe von bis zu 225 Euro wählen können, wenn sie keine Pflegestufe haben.

Haben sie Pflegestufe 1, können sie zwischen 305 Euro Pflegegeld (70 Euro mehr als bislang) oder Pflege- sachleistungen von bis zu 665 Euro (215 Euro mehr als bisher) wählen.

In der Pflegestufe 2 wird das Pflege- geld um 85 Euro auf 525 Euro erhöht und die Pflegesachleistungen um 150 Euro auf 1 250 Euro.

Hausbesuche in Pflegeheimen

sollen künftig besser vergütet werden.

Foto: Your Photo Today

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3. Februar 2012 A 181 Darüber hinaus will das BMG

neue Wohn- und Betreuungsformen stärken. Für die altersgerechte Um- gestaltung der Wohnung können Pflegebedürftige, die an der Grün- dung einer ambulanten Wohngrup- pe beteiligt sind, daher einmalig ei- nen Betrag von 2 500 Euro erhalten – maximal 10 000 Euro pro Wohn- gruppe. Zudem erhalten Pflegebe- dürftige in ambulanten Wohngrup- pen zusätzlich 200 Euro im Monat für die eigenverantwortliche Orga- nisation und Sicherstellung der Pflege in der Wohngemeinschaft.

Das „Netzwerk: Soziales neu ge- stalten“ (SONG) begrüßt diese Plä- ne. Die in dem Netzwerk zusam- mengeschlossenen Partner organi- sieren in der ganzen Republik ge- meinschaftliche Wohnprojekte für Jung und Alt, in denen Sozialarbeiter die Nachbarschaftshilfe organisie- ren. Für SONG-Sprecher Alexander Künzel ein Projekt mit Zukunft: „In unseren Wohnprojekten helfen sich die Mieter gegenseitig. Wenn eine alte Dame zum Arzt muss, es aber nicht mehr alleine kann, wird sie zum Beispiel von ihrer Nachbarin begleitet. So sparen wir professio- nelle Pflegekräfte ein.“ Dies sei die einzig seriöse Antwort auf den de- mografischen Wandel. „Alles, was die Branche liefert, ist ein Pflege- wachstumsmodell“, kritisiert Kün- zel. Ein Blick auf den Arbeitsmarkt zeige jedoch, dass in den nächsten Jahren dramatisch weniger Pflege- kräfte zur Verfügung ständen. „Wir brauchen kein Pflegewachstum, sondern Pflegevermeidung als Ziel- punkt“, so der 55-jährige Vorstands- vorsitzende der Bremer Heimstif- tung. „Wir müssen unsere alternde Gesellschaft dafür qualifizieren, gut mit dem Älterwerden umgehen zu können.“ Künzel fordert daher nicht mehr Geld im System, sondern eine neue Schwerpunktsetzung: „Zwei bis drei Prozent der Einnahmen aus der Pflegeversicherung sollten für den Aufbau von Quartiersmanage- ment zur Pflegevermeidung ausge- geben werden statt für direkte Pfle- geleistungen.“ Auf diese Weise kön- ne auch der Wunsch vieler Men- schen erfüllt werden, aus der Ano- nymität herauszukommen. „Und Menschen, die in gemeinschaftli-

chen Wohnprojekten leben, nehmen länger am gesellschaftlichen Leben teil, sie bleiben länger aktiv und ge- sund“, sagt Künzel mit Bezug auf SONG-Studien, die von der Bertels- mann-Stiftung durchgeführt wur- den. Im Hintergrund müsse es na- türlich einen professionellen Pfle- gedienst geben, der zum Einsatz komme, wenn die Nachbarschafts- hilfe an ihre Grenzen stoße. Aber erst dann.

Zu viel Bürokratie – weniger Qualität

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs- gesetz will das BMG auch entbüro- kratisieren, setzt dabei jedoch nur bei den Pflegekassen und Pflege- einrichtungen an – nicht bei Ärzten und Pflegekräften. „Zu viel Büro- kratie führt zu weniger Qualität“, sagt Ebert-Matijevic. „Manchmal haben Pflegekräfte keine Zeit mehr, einen Heimbewohner zu waschen, weil sie noch die Papiere darüber ausfüllen müssen, welchen Bewoh- ner sie zuvor gewaschen haben.

Das ist doch Wahnsinn.“ Wenn die Politik die Qualität der Pflege ver- bessern wolle, müsse sie die Doku- mentation der Qualität reduzieren.

Ein weiteres Problem, das die Allgemeinärztin sieht, wird in dem Gesetzentwurf gar nicht aufgegrif- fen: „Wenn Verträge auch die ärztli- che Versorgung in Pflegeheimen verbessern, so helfen sie nicht bei der Unterversorgung mit qualifi- zierten Pflegekräften.“ Viele Heime suchten heute händeringend nach guten Pflegekräften, bezahlten aber für die körperlich und emotional sehr belastende Arbeit einen viel zu geringen Lohn. So seien viele Pfle- geheime chronisch unterbesetzt, zu- mal auch der Personalschlüssel zu knapp bemessen sei. Auch daher stellten die Heime zu wenig quali - fizierte Pflegefachkräfte ein. „In manchen Schichten arbeitet nur ei- ne voll ausgebildete Pflegefach- kraft. Die muss sich dann alleine um alle Arzneimittel und Verbände kümmern“, kritisiert Ebert-Matije- vic. „Bei der Grundpflege behelfen sich die Heime dann mit angelern- ten ABM-Kräften. Das ist aber kei- ne qualifizierte Pflege mehr.“

Falk Osterloh

Ein vom Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), und dem früheren Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, Klaus-Dieter Voß, geleiteter Beirat soll einen neuen Pflegebedürftig- keitsbegriff vorbereiten. Dieser soll sich am „Grad der Selbstständigkeit bei der Durchführung von Aktivitäten oder der Gestaltung von Lebens - bereichen“ orientieren.

Die Neuerungen des Pflege-Neu- ausrichtungsgesetzes (PNG) sollen durch eine Anhebung des Beitrags zur Pflegeversicherung um 0,1 Pro- zentpunkte refinanziert werden. Laut BMG ergibt sich dadurch für 2013 ein Betrag von 1,1 Milliarden, für die Fol- gejahre von 1,2 Milliarden Euro. Ob- wohl die Mehrausgaben durch das PNG bis 2015 auf 1,45 Milliarden Euro stiegen, müsse der Beitrags- satz bis 2015 nicht erhöht werden.

Pflegebedürftige sollen künftig statt der verrichtungsbezogenen Leistungskomplexe auch Zeitkon- tingente mit den Pflegediensten vereinbaren und frei entscheiden können, welche Leistungen in dieser Zeit erbracht werden sollen.

Pflegesachleistungen sollen neben der Grundpflege und der hauswirt- schaftlichen Versorgung künftig auch häusliche Betreuungsleistungen umfassen. Die Pflegekassen sollen verpflichtet werden, auch qualifi- zierte Ärzte zur Erbringung von Sachleistungen zuzulassen.

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) wird ver- pflichtet, Servicegrundsätze und ein Beschwerdemanagementsystem einzurichten. Künftig sollen die Pfle- gekassen neben dem MDK auch andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung der Pflegebedürftigkeit beauftragen können.

Die Pflegekassen sollen dazu verpflichtet werden, künftig einen Beratungstermin innerhalb von zwei Wochen, auf Wunsch in der häus - lichen Umgebung des Antragstellers, anzubieten.

Selbsthilfegruppen sollen mit jährlich 10 Cent pro Versichertem gefördert werden.

NEUREGELUNGEN

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Referenzen

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