© Heribert Cypionka WS2003/2004
Einführung in die Marinen Umweltwissenschaften
www.icbm.de/pmbio
ICBM und Studiengang Marine Umweltwissenschaften
• Geschichte und Struktur des ICBM Terramare e.V.
Fakultäten, Institute,
Anbindung der Lehre, Berufungen...
• Profil des ICBM
- Vergleich mit anderen Instituten für Meeresforschung - Analytik
- Drittmittel, Forschergruppe
© Heribert Cypionka WS2003/2004
• Studiengang MUWI
- grundständiger Studiengang - Schwerpunktbildung
- marin?
- Vergleich mit Fachhochschul-Ausbildung - Interdisziplinarität, Spezialistentum - Berufsperspektiven
- Auslandsstudium - Promotion
• Biologische Angebote
- die meisten Lehrenden aus der Biologie
- Austauschbarkeit, Gemeinsame Kurse mit Bio- Studierenden u.a.
- Angebote im Internet...
- Physiologisches Grundpraktikum Mikrobiologie - Vordiploms-Vorbereitung (4. Sem.)
- Vertiefungskurse, Intensivpraktikum
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Mikrobiologische Grundlagen
- Rolle der Mikroorganismen in der Natur - Baustoffwechsel, Energiestoffwechsel - Stoffwechsel der ersten Lebewesen - Stammbaum der Lebewesen
- Biogeochemie, Mikrobielle Ökologie, Umweltmikrobiologie
- Dogma der biologischen Unfehlbarkeit
•
www.grundlagen-der-mikrobiologie.de•
Brock. Biology of Microorganisms© Heribert Cypionka WS2003/2004
•
www. mikrobiologischer-garten.de•• Krankheitserreger, Fäulniserreger?
•• Prokaryoten (Bakterien und Archaeen) sind erfolgreichste Gruppe
von Lebewesen bezüglich - Anzahl
- Biomasse
- Evolutionserprobung - Biogeochemische Aktivität
Rolle der Mikroorganismen in der Natur
Die meisten chemischen Reaktionen auf der Erde werden von Mikroorganismen katalysiert.
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Nahrungskette
Lineares Denken...
Wie kann es dazu kommen, das der Anteil der Bakterien an der Produktion und Biomasse bei sinkender Produktion zunimmt?
Microbial Loop: Die Bakterien stehen nicht am Ende der
Nahrungskette sondern sind aktiv als Konkurrenten um Nährstoffe (N, P, Fe) und Verwerter gelöster organischer Substanzen.
Nahrungsnetz
Mafia oder die
heimlichen Chefs
© Heribert Cypionka WS2003/2004 Wachstum
• Leben beinhaltet Wachstum als wesentliches Merkmal
• Wachstum erfordert Zunahme der Biomasse und
• Zellteilung nach Replikation des Genoms
• Zunahme der Biomasse (Assimilation) benötigt Baustoffe
• Verarbeitung der Baustoffe benötigt Energie
Wachstum
Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten. Lebensarbeit ist überwiegend Biosynthese und Transport.
• Als wichtigste Baustoffe werden Kohlendioxid (CO2) oder organische Verbindungen <CH2O> genutzt
• Organismen sind entweder autotroph (= nutzen CO2 als Haupt-Kohlenstoffquelle) oder
• heterotroph (= verwenden vorgefertigte organische Baustoffe)
• CO2 ist und war meist reichlich verfügbar, erlaubt Isotopenfraktionierung (leichteres 12C bevorzugt gegenüber 13C umgesetzt)
• Autotrophie erfordert jedoch aufwendige assimila- torische Stoffwechselwege (z.B. Calvin-Cyclus)
Baustoffe
Baustoffe
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Baustoffwechsel
Assimilation, Anabolismus CO2 + H2O →→ <CH2O> + O2 oder
<CH2O> →→ <CH2O>
•
<CH2O> als vereinfachende Formel für eine‘Biomasse-Einheit‘ oder totes organisches Material
•
Neben Wasser können auch andere reduzierte Verbindungen als Elektronendonatoren für die CO2-Fixierung dienen (z.B. H2, H2S. Fe2+ etc.)• Als Energiequellen werden nur Licht und chemische Energie genutzt (phototrophe oder chemotrophe Lebensweise)
• Chemische Energie kann aus organischen oder anorganischen Verbindungen gewonnen werden (organotrophe oder lithotrophe Lebensweise)
• Wärme ist Voraussetzung und Produkt von Leben, wird aber nicht als Triebkraft verwertet.
• Lebewesen sind Energiewandlungsmaschinen und erzeugen verschiedene Energieformen: elektrische, mechanische, magnetische, akustische, chemische, Licht und chemiosmotische Gradienten ...
Energie
Energiequellen
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Energiestoffwechsel
•
Dissimilation, Katabolismus•
Ein Teil des Futters wird zurEnergiekonservierung "verbrannt".
•
Je weniger Energie gewonnen wird, desto mehr muss pro Verdopplung einer Zelle geopfert werden (50 - 99 % des Futters).•
Prokaryoten sind die Weltmeister in der Ausnutzung verschiedenster EnergiequellenHeterotropher Aerobier
Stoffwechsel eines
heterotrophen Aerobiers (z.B.
Mensch)
z.B. Glucose
© Heribert Cypionka WS2003/2004 Lebensweisen
Lebens- weisen
7 6 5 4
3
2 1
1: grüne Pflanze 2: Schwefel- Purpurbakterium 3: Schwefelfreies Purpurbakterium 4: Mensch, Pilz 5:Sulfatreduzie- rendes Bakterium 6: Darmbakterium 7: Desulfovibrio sulfodismutans
Endocytobionten
Pflanzen und Tiere entwickelten sich unter wesentlicher Mithilfe von Prokaryoten.
Evolution der Eukaryoten
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Endocytobionten
18 % der Gene stammen von Cyanobakterien
Evolutionszeiten Zeit und Abundanz
Die Prokaryoten sind die am höchsten entwickelten Lebewesen.
• Erdalter 4 600 000 000 Jahre
• Bakterien 3 800 000 000 Jahre
• Homo sapiens 270 000 Jahre
Generationszeiten
• Mensch 10 000 Tage
• Bakterien 1 Tag (10 min - 1000 Jahre)
Abundanzen
• Menschen 1010
• Bakterien 1030 (1014 in jedem Menschen)
Im Darm jedes Menschen gibt es so viele Bakteriengenerationen wie die Menschheit selbst hatte, mit 10 000-facher Individuenzahl.
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Die erfolgreichsten Organismen
Gewinner
Mitochondrien, die es schaffen, sogenannte 'höhere Organismen' zum Zwecke ihrer Vermehrung einzusetzen
Chloroplasten, denen es gelingt, Bäume zu ihrer Vermehrung in den Himmel wachsen zu lassen
Stammbaum aller Lebewesen
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Möglicher Stoffwechsel der ersten Lebewesen
• Anaerob (= keinen Sauerstoff verbrauchend, anoxisch = keinen Sauerstoff enthaltend)
• Autotrophe CO2-Fixierung wahrscheinlich
(→ Isotopendiskriminierung leichtes 12C bevorzugt)
• Lithotrophie (Energiekonservierung aus anorganischen Reaktionen), nur wenig organische Substanz vorhanden
• ? Gärung verbraucht viel org. Substanz, baut wenig auf
• ? Photosynthese: anoxygene Photosynthese
(1 Photosystem) vor der oxygenen, von Bakterien erfunden, oxygene Photosynthese (Photosystem II bewirkt Wasserspaltung) zuerst bei Cyanobakterien
Biogeochemie
• Prokaryoten haben lange (> 2 Ga) alle Kreisläufe allein getragen, nicht nur als Müllabfuhr
• Die biogeochemischen Kreisläufe von N und S sind auch heute noch nur durch bakterielle Aktivitäten möglich.
• Lithotrophie gibt es nur bei Prokaryoten.
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Mikrobielle Ökologie
• Die meisten chemischen Reaktionen auf der Erde werden durch Mikroorganismen katalysiert.
• Wieviele von welchen Mikroorganismen sind wo?
• Welche Wechselwirkungen gibt es, untereinander, mit anderen Arten und mit unbelebten Faktoren?
• Was leisten die Organismen an ihrem Standort?
Umweltmikrobiologie
• Einsatz von Mikroben zur Lösung von anthropogenen Umweltproblemen
- Boden: Abbau von Problemstoffen (oft Xenobiotika) - Gewässer-Sanierung, Abwasserreinigung
- Luftfilter (Deponien, Ställe)...
• Prinzip
- Ausnutzung der natürlichen Fähigkeiten,
- Förderung in Bezug auf die limitierenden Faktoren
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Forschung in der mikrobiellen Ökologie
Wie kann man zählen, identifizieren, isolieren, Aktivität messen ...?
(weniger routinemäßige Anwendung von
Standardmethoden an verschiedenen Standorten)
© Heribert Cypionka WS2003/2004
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Bakterienzählung durch Epifluoreszenz-Mikroskopie nach Anfärbung mit DAPI
Vergleich von amplifizierten 16 S rRNA-Banden von Reinkulturen und Sediment (0 - 10 mm) aus Schiermonnikoog durch Denaturierende Gradienten-Gel-
Elektrophorese (DGGE) Elze Wieringa
Mit molekularbiologischen Methoden lassen sich lassen sich verschiedene Bakterien einer eng verwandten Gruppe nachweisen.
Populationen sulfatreduzierender Bakterien Watt
im obersten Zentimeter eines Sediments
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Wachstum von Bakterien in einer Eisensulfid-Flocke
Mikrokolonie
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Messung von Aktivitäten
• schwierig, kaum Konzentrationsänderungen (dc/dt ≈ 0 Fließgleichgewicht (Steady state) => Tracer, Isotope (stabil oder radioaktiv), Fluoreszenz-Techniken
• Konzentrationen der wichtigen Stoffe sind sehr klein. => empfindliche Analyse und Turnover bestimmen
• Messung von Gradienten
Gradienten: (dc/dx ≠ 0) erlaubt Rückschlüsse auf Stoff-Flüsse und Aktivitäten
0
10
20
30
40
50
0 10 20 30
Depth [cm]
0
10
20
30
40
50
0 50 100 150 200
Depth [cm]
Bacterial cell numbers and
activities of extracellular enzymes
Bacterial cells [x108/cm3] Emzyme activity [µM/h]
ββ-Glucosidase Protease Phosphatase
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Sauerstoff- gradient an der
Sediment- Wasser- Grenze
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Dogma der biologischen Unfehlbarkeit
Was auf biologischem Wege gebildet wurde, kann auch biologisch (mikrobiell) wieder abgebaut werden.
Prozesse
in einem
Sediment
© Heribert Cypionka WS2003/2004
Wie gut sind die biogeochemischen Kreisläufe?
CO2-Umsatz global (in 109 t/a) Photosynthese CO2-Fix. (<CH2O>) Land 129
marin 146 Reservoirs (in 109 t CO2)
Luft 2 600
(=0.034 Vol.%, steigend)
Ozeane 130 000
Cred
Kohle, Öl, Gas 10 000
Sedimente, Methanhydrat 27 500 Lebende Biomasse (50 % Bakterien) 2 000
• Produktion aus >100 Jahren, die noch nicht recyclisiert ist
Aber
• Leben seit 3.5 * 109 Jahren
Entwicklung höherer Org. an Land ≈0.5 * 109 a
> 99 % ist wieder abgebaut
• Der Luftsauerstoff (und noch mehr Oxidationkraft) stammt aus der
verbleibenden Spur der nicht mineralisierten Biomasse
• Fossile Energievorräte ebenso
© Heribert Cypionka WS2003/2004