• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Endovaskuläre Behandlung intrakranieller Aneurysmen" (30.01.2004)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Endovaskuläre Behandlung intrakranieller Aneurysmen" (30.01.2004)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

ie Behandlung rupturierter intra- kranieller Aneurysmen ist für das klinische Management der da- bei typischerweise auftretenden Sub- arachnoidalblutung (SAB) besonders bedeutsam, um die oft tödlich verlau- fende Rezidivblutung zu verhindern (14). Neben dieser sekundären Blu- tungsprophylaxe erfolgt häufig auch eine vorsorgliche Therapie asympto- matischer, nicht rupturierter Aneurys- men (15), da die Komplikationen der

SAB, insbesondere durch Vasospas- men bedingte neurologische Defizite, auch nach erfolgreicher Aneurysma- ausschaltung nur zum Teil beherrsch- bar sind (6, 14, 20).

Die neurochirurgische Operation mit Verschluss des Aneurysmahalses durch einen von außen eingebrachten Metallclip war lange Zeit die Stan- dardtherapie. Bei schlecht zugängli-

chen Aneurysmalokalisationen, zum Beispiel im hinteren Hirnkreislauf, bei Patienten mit ungünstigen Stadien ei- ner Subarachnoidalblutung oder in ho- hem Alter steigen jedoch die Risiken einer Operation, sodass nach weniger invasiven, kathetergestützten Behand- lungsalternativen gesucht wurde.

Nachdem Versuche der Aneurysmaok- klusion mit ablösbaren Ballons oder frei durch einen Mikrokatheter ein- führbaren Embolisationsspiralen nur

in Ausnahmefällen erfolgreich waren, gelang ein Durchbruch in der endovas- kulären Aneurysmabehandlung mit der Einführung elektrolytisch ablösba- rer, repositionierbarer Platinspiralen durch Guglielmi 1991 (5). Mehr als zehn Jahre nach ihrer Einführung wur- den die Vorteile der interventionell neuroradiologischen Therapie bei Pa- tienten mit Subarachnoidalblutung durch die Ergebnisse der randomisier- ten ISAT-Studie (International Suba- rachnoid Aneurysm Trial) bestätigt (10). Der Status des so genannten

Endovaskuläre

Behandlung intrakranieller Aneurysmen

Zusammenfassung

Intrakranielle Aneurysmen können mit fort- schreitender Entwicklung der endovaskulären Therapie in etwa zwei Drittel der Fälle mit ab- lösbaren Platinspiralen embolisiert werden. Da- ten aus offenen Fallserien und aus der randomi- sierten ISAT-Studie (International Subarachnoid Aneurysm Trial) belegen die Zuverlässigkeit des so genannten Coilings in der Blutungsprophyla- xe bei im Vergleich zur neurochirurgischen Ope- ration niedrigeren Komplikationsraten. Die ISAT-Studie liefert für rupturierte Aneurysmen erstmals Daten mit einem hohen Niveau wis- senschaftlicher Evidenz, die für die primäre en- dovaskuläre Therapie auch in Fällen sprechen, die bisher meist neurochirurgisch behandelt wurden. Dies verlangt eine Anpassung der Indi- kationsstellung und eine Neuordnung der Ver- sorgungsstrukturen in der Kooperation zwi- schen interventionellen Neuroradiologen und vaskulären Neurochirurgen, deren wissen- schaftliche Basis im Folgenden diskutiert wird.

Schlüsselwörter: Aneurysma, endovaskuläre Therapie, Neurochirurgie, Subarachnoidalblu- tung

Summary

Endovascular Therapy of Intracranial Aneurysms

Progress in endovascular therapy allows for endovascular embolization with detachable platinum coils in about two third of cases with intracranial aneurysms. Data from open case series and the randomized ISAT-trial (Interna- tional Subarachnoid Aneurysm Trial) proved the reliability of the so-called aneurysm coiling in the prevention of hemorrhage, frequently with lower complication rates compared to surgery. ISAT is the first trial for ruptured aneurysms providing data on a high level of scientific evidence that primary endovascular treatment is recommended even in cases tradi- tionally treated by neurosurgery. This review discusses the scientific basis of necessary chang- es in the indication for aneurysm coiling and concomitant reorganization of medical services in the cooperation between interventional neuroradiologists and vascular neurosurgeons.

Key words: intracranial aneurysm, endovascu- lar therapy, neurosurgery, subarachnoidal hem- orrage

Institut für Neuroradiologie (Leiter: Prof. Dr. med. Fried- helm E. Zanella), Klinikum der Johann Wolfgang Goethe- Universität, Frankfurt/Main

Joachim Berkefeld Richard du Mesnil de Rochemont Friedhelm E. Zanella

Abbildung 1: Schematische Darstellung des so genannten Aneurysma-Coiling. Links: Elektro- lytisch ablösbare Guglielmi-Embolisationsspirale, deren Ablösestelle (Pfeil) durch Anlegen ei- nes schwachen Gleichstroms gezielt aufgelöst wird

a) Vorsichtige Platzierung eines koaxial durch einen Führungskatheter eingebrachten Mikrokatheter im Aneurysmalumen. b) Einbringen einer ersten ablösbaren Platinspirale mit dem Ziel, ein stabiles Körbchen für die Verankerung weiterer Spiralen zu bilden. c) Ausfüllen des Körbchens durch Platzierung weiterer Spiralen von innen her, bis eine dichte Packung des Aneurysmalumens erreicht ist.

(2)

Aneurysma-Coiling ändert sich damit von einem nicht vollständig etablierten Verfahren für neurochirurgisch nur mit hohem Risiko angehbare Fälle zu einer, zumindest für die in der ISAT- Studie überprüften Indikationen, evi- denzbasierten Therapie. Nach Veröf- fentlichung der Studie wurden daher zahlreiche Debatten über eine Neube- wertung der interdisziplinären Zusam- menarbeit zwischen vaskulären Neu- rochirurgen und interventionellen Neuroradiologen in der Aneurysmabe- handlung geführt. Im Folgenden sollen der technische Entwicklungsstand und die klinischen Ergebnisse der endovas- kulären Therapie dargestellt und da- von ausgehend der Diskussionsstand für eine rationale Indikationsstellung, Intervention versus Operation, reflek- tiert werden.

Technische Möglichkeiten der endovaskulären Aneurysmabehandlung

Die aus einem gewendelten Platin- draht mit zusätzlichem helikalen oder dreidimensionalem Formgedächtnis be- stehende Guglielmi-Spirale ist durch eine spezielle Lötstelle fest mit dem Trägerdraht verbunden, die sich nach Anlegen eines schwachen Gleich- stroms elektrolytisch auflöst und so die Spirale gezielt freisetzt. Neben den elektrolytisch ablösbaren Spiralen gibt es heute auch mechanisch, hydraulisch oder thermisch ablösbare Varianten, denen gemeinsam ist, dass sie bei Fehl- platzierungen zurückgezogen und re- positioniert werden können, solange der Ablösemechanismus noch nicht betätigt wurde. Die ablösbaren Spira- len werden unter Durchleuchtungs- kontrolle an einer hochauflösenden Angiographieanlage durch einen im Aneurysmalumen platzierten Mikro- katheter eingebracht. Zur Vermeidung von Störungen durch Patientenbe- wegungen wird der Eingriff in Vollnar- kose durchgeführt (Abbildung 1). Bei der Embolisation entsteht zunächst ei- ne Art Körbchen, das dann durch wei- tere Spiralen ausgefüllt wird bis die Gefäßaussackung dicht gepackt ist und sich bei angiographischen Kon- trollen nicht mehr füllt (Abbildung 2).

Die Spiralen wirken dabei wie ein Wel- lenbrecher, der den Blutstrom vom Aneurysmahals ablenkt und so den Einstrom in das Aneurysma verhin- dert.

Voraussetzung für das Coiling ist ei- ne zumindest angedeutete Taillierung des Aneurysmahalses, die einen siche- ren Rückhalt des Embolisationsmate- rials ermöglicht. Bei breitem Hals be- steht die Gefahr der Spiraldislokation in das Trägergefäß. Ein Teil der Fälle kann unter Zuhilfenahme eines zusätz-

lich über dem Hals des Aneurysmas im Trägergefäß platzierten und kurzzeitig während des Vorschiebens der Spira- len inflatierten Mikroballonkatheters embolisiert werden. Die so im Aneu- rysma zurückgehaltenen weichen Pla- tindrähte sind so modellierfähig, dass um den Ballon herum eine Rekon- struktion des Trägergefäßlumens mög- lich ist (11) (Abbildung 3).

Bei aus einer fusiformen Gefäßer- weiterung hervorgehenden Aneurys-

men oder fehlendem Hals ist in einigen Lokalisationen die Rekonstruktion des Trägergefäßes mit einem Stent mög- lich, durch dessen Maschen dann die Spiralen eingebracht und im Aneurys- ma zurückgehalten werden. In einem frühen klinischen Erprobungsstadium befindet sich die Aneurysmaembolisa- tion mit zähflüssigen, bei Kontakt mit Blut präzipitierenden Substanzen (Onyx), die unter temporärer Ballon- okklusion des Trägergefäßes am Hals des Aneurysmas injiziert werden (9).

Trotz der in den letzten Jah- ren erzielten Fortschritte der Coil- und Kathetertechnolo- gie sind nach wie vor nicht al- le Aneurysmen für eine en- dovaskuläre Behandlung ge- eignet. Primär von der in- terventionellen Therapie aus- geschlossen werden bis zu ein Drittel der Fälle, meist komplexe Aneurysmen mit un- zureichend definiertem Hals oder Gefäßabgängen aus dem Aneurysmasack. Darüber hin- aus liegt die Rate an tech- nischen Fehlschlägen bei von Neuroradiologen für das Coi- ling akzeptierten Aneurys- men zwischen vier und zehn Prozent (2).

Angiographische Ergebnisse

Auch mit den heute für das Coiling zur Verfügung stehen- den Materialien und Techni- ken ist die Rate an kompletten Aneurysmaausschaltungen li- mitiert (Tabelle). Nach den Er- gebnissen neuerer Fallserien und Studien liegt sie im Mittel nur bei 50 bis 60 Prozent. Weitere 20 bis 30 Prozent der Aneurysmen kön- nen allerdings subtotal so embolisiert werden, dass nur ein kleines Halsresi- duum zurückbleibt. Eine Restperfusi- on des Aneurysmadoms ist postinter- ventionell in 5 bis 10 Prozent der Fälle nachweisbar (3, 4, 13, 17).

Auch bei einer unter Durchleuch- tung hohen Packungsdichte ist nur cir- ca 20 bis 30 Prozent des Aneurysma- volumens mit Metallspiralen ausge- A

A262 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004

Abbildung 2: Klinisches Beispiel einer Patientin nach Subarachnoidalblutung durch Ruptur eines Aneurysmas an der intrakraniellen Karotisteilungsstelle

a) Konventionelle intraarterielle digitale Subtraktionsangio- graphie der rechten Arteria carotis interna mit einer „Arbeits- projektion“, die die Beziehung zwischen Aneurysmahals und Trägergefäß zeigt. An der Aneurysmabasis nach lateral ge- richtetes Tochteraneurysma. b) 3-D-Rotationsangiographie zur plastischen Darstellung der Gefäßmorphologie mit exakt kali- brierter Messung des Aneurysmadurchmessers (Pfeile). c) Körb- chenbildung mit der ersten eingebrachten Spirale. d) Dichte Füllung des Aneurysmas mit minimalem Halsresiduum, keine Kontrastmittelfüllung des eigentlichen Aneurysmasacks

(3)

füllt (15). Zwischen den Spiralschlin- gen bilden sich Thromben, und im wei- teren Verlauf kann dort ein dichtes Bindegewebe entstehen, das zur Stabi- lität der Aneurysmaauschaltung bei- trägt. Heilungsreaktionen in Form von Bindegewebsproliferation oder einer Neointimaschicht über dem Hals wer- den bei dem biologisch weitgehend inerten Platinmaterial allerdings nicht immer beobachtet.

Es besteht auch die Möglichkeit ei- ner Stauchung der Spiralen mit nach- folgender Rekanalisation des Aneu- rysmas, insbesondere bei breitem, di- rekt in der Hauptströmungsrichtung gelegenem Aneurysmahals und bei großen Aneurysmen mit mehr als 15 mm Durchmesser (Abbildung 3). Par- tielle Rekanalisationen treten auch bei kleinen Aneurysmen bis 10 mm Durchmesser mit einer Häufigkeit um 15 Prozent auf, insbesondere wenn es nicht gelingt, die Halsregion dicht zu verschließen (3, 5). Unvollständi- ges Coiling oder Rekanalisation des

Aneurysmadoms sind wesentliche Fak- toren, die in etwa einem Prozent der Fälle trotz endovaskulärer Behand- lung eine erneute Ruptur begünstigen (3, 10). Die meisten Blutungen emboli- sierter Aneurysmen wurden dabei in- nerhalb der ersten sechs Monate beob- achtet, späte Rezidive sind in Einzel- fällen bis zum dritten Jahr nach dem Eingriff beschrieben worden (3, 10).

Neuerdings befinden sich mit Poly- meren oder Hydrogelen beschichte- te Embolisationsspiralen in der klini- schen Erprobung, die die Bindegewebs- proliferation in der Umgebung der Coils fördern und so die Langzeitstabi- lität endovaskulär behandelter Aneu- rysmen verbessern sollen. Aussage- kräftige klinische Studienergebnisse sind diesbezüglich derzeit noch nicht publiziert.

Trotz der bildmorphologisch teil- weise suboptimalen initialen Ausschal- tung bleibt die Mehrzahl der endovas- kulär mit Standardcoils behandelten Aneurysmen im Verlauf stabil, und es

treten keine erneuten Blutungen auf.

Kleine Residuen können sich spon- tan verschließen, progrediente oder über die Halsregion hinausgehende Rekanalisationen lassen sich häufig mit einem Zweiteingriff beherrschen (2, 3, 4, 16).

Die Möglichkeit einer instabilen Aneurysmaokklusion erfordert in je- dem Fall angiographische Verlaufs- kontrollen, die nach sechs Monaten und, um Spätrezidive nicht zu überse- hen, nach circa zwei Jahren durchge- führt werden sollten. In den meisten Fällen können diese Kontrolluntersu- chungen auch mit einer kontrastmittel- unterstützten MR-Angiographie erfol- gen, wenn die Geräte- und Software- ausstattung eine qualitativ hochwerti- ge, hochauflösende Gefäßdarstellung erlaubt (7).

Indikationen und klinische Behandlungsergebnisse

In den ersten Jahren nach Entwicklung der elektrolytisch ablösbaren Spiralen wurden nur von einem Neurochirur- gen für nicht operabel erklärte Aneu- rysmen endovaskulär behandelt (5). So ergaben sich beispielsweise Indikatio- nen für das Coiling operativ schlecht oder nur mit hohem Operationsrisiko zugänglicher Aneurysmen an der Arte- ria basilaris und an der para- und in- fraklinoidalen Arteria carotis interna.

Insbesondere für die Basilarisaneurys- men konnte in größeren Fallserien ge- zeigt werden, dass die interventionel- le Behandlung unabhängig von der Aneurysmalokalisation mit einer we- sentlich niedrigeren periinterventio- nellen Komplikationsrate durchführ- bar war als das neurochirurgische Clip- ping (8, 16).

Auch zeigten sich im Vergleich zur Operation tendenziell bessere Behand- lungsergebnisse bei Patienten mit rup- turierten Aneurysmen mit ungünstigen Stadien einer Subarachnoidalblutung (Hunt und Hess oder WFNS-Stadium IV + V; WFNS, World Federation of Neurosurgical Societies) (1, 20), in ho- hem Alter oder beim Vorhandensein von Vasospasmen (1, 6).

Mit diesen Indikationen wurden in interdisziplinärer Absprache zwischen Abbildung 3: Ballonassistierte Embolisation eines breitbasigen Aneurysmas der Arteria basilaris

a) 1,5 cm großes Basilarisspitzenaneurysma mit Abgängen der Arteria cerebri posterior beidseitig aus der Aneurysmabasis. b) Coiling des Aneurysmas unter Assistenz eines im Trägergefäß über dem Aneurysmahals platzierten weichen Ballons (Marker durch Pfeil gekennzeichnet), der temporär während des Vorschiebens der Spiralen inflatiert wird. c) Endergebnis mit dichter Packung des Aneurysmas und kleinem, für die Offen- heit der Arteria cerebri posterior notwendigem Residuum. d) Nach sechs Monaten ausgedehnte Rekanalisa- tion des Aneurysmasacks mit Stauchung der Spiralen in der Einstromzone. e, f) Ergebnis (2-Ebenen-DSA) nach erneutem ballonassistiertem Coiling

(4)

Neurochirurgen und interventionellen Neuroradiologen bis zu einem Drittel der Aneurysmen endovaskulär behan- delt. Die chirurgisch gut zugänglichen Aneurysmen des vorderen Hirnkreis- laufs, Patienten mit klinisch leicht ver- laufender SAB (WFNS-Stadium I + II), blieben zunächst eine Domäne der vaskulären Neurochirurgie, deren Vorherrschaft bei diesen Indikationen jetzt durch die Ergebnisse der gerade für diese Gruppe relevanten ISAT- Studie infrage gestellt wird. Die ran- domisierte Vergleichsstudie Coiling versus Clipping (10) wurde bei Patien- ten mit Subarachnoidalblutung durch- geführt, deren rupturiertes Aneurys- ma für beide Behandlungsmodalitäten geeignet war.

Nach der Randomisierung von 2 143 Patienten wurde die Rekrutierung wei- terer Fälle vom Aufsichtsgremium ab- gebrochen, nachdem das klinische Be- handlungsergebnis, gemessen an der

„modified rankin scale“ nach zwei Mo- naten und einem Jahr für die endovas- kulär behandelte Gruppe signifikant besser war (Grafik). Der klinische Zu- stand des Patienten ist jedoch nicht der einzige, für die Beurteilung der Behandlungseffektivität wichtige Pa- rameter. Die zweite, im Sinne der Blu- tungsprävention wichtige Größe ist die Rerupturrate, die nach den ISAT- Daten nach Coiling circa 1,3-mal hö- her war als nach Clipping. Reruptu- ren traten in beiden Fällen vorwie- gend bei unvollständig behandelten Aneurysmen auf. Die Nachbeobach- tung der Patienten wird noch fortge- setzt, um bezüglich der Blutungs- prävention valide Langzeitergebnisse zu gewinnen.

Die ISAT-Daten können so inter- pretiert werden, dass der wesentliche Unterschied zwischen Operation und Coiling in der niedrigeren periinter-

ventionellen Komplikationsrate der endovaskulären Behandlung liegt.

Fallserien endovaskulär behandelter nicht rupturierter Aneurysmen ohne Überlagerungen durch Komplikatio- nen der SAB bestätigen ebenfalls eine relativ niedrige periprozedurale Mor- bidität und Mortalität um fünf Prozent (12, 19).

Im Vordergrund stehen dabei zere- brale Ischämien durch thrombemboli- sche Komplikationen mit Gerinnsel- bildung an der Kontaktfläche zwi- schen Coils und Trägergefäß, deren Häufigkeit mit einer antithromboti- schen Therapie mit Heparin oder Thrombozytenaggregationshemmern gesenkt werden kann (4).

Perforationen des Aneurysmasacks können fatale Blutungen verursachen, verlaufen jedoch bei kleineren Lecka- gen in vielen Fällen auch klinisch blan- de. Bei postinterventionell auftreten- den Infarkten ist in machen Fällen unklar, ob sie als Komplikation des Eingriffs oder als Folge einer Suba- rachnoidalblutung, bedingt durch Va- sospasmen, zu werten sind. Tendenzi- ell fanden sich in offenen Fallserien und in einer kleinen randomisierten

Studie nach Coiling weniger Vasospas- men und Infarkte als nach Clipping.

Ein statistisch signifikanter Einfluss auf das klinische Behandlungsergeb- nis konnte dabei jedoch nicht nachge- wiesen werden (6). Der Haupteinfluss- faktor bezüglich des Auftretens von Vasospasmen war auch nach endovas- kulärer Behandlung der Schweregrad der SAB.

Eine Sondergruppe umfasst die nicht- rupturierten Aneurysmen, die ent- weder als inzidentielle Befunde zufäl- lig mit einer aus anderer Indikation heraus durchgeführten bildgebenden Diagnostik entdeckt, oder zusammen mit einem rupturierten Aneurysma nachgewiesen wurden.

Die Behandlungsindikation wurde ausführlich in einem vorangegange- nen Artikel im Deutschen Ärzteblatt diskutiert (14). Mehrere offene Fall- serien belegten die relative Sicherheit und die bei strenger Indikationsstel- lung akzeptablen angiographischen Ergebnisse der endovaskulären The- rapie nicht rupturierter Aneurysmen (12, 19). Daten aus randomisierten Studien sind diesbezüglich derzeit nicht verfügbar.

A

A266 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004

Klinische Behandlungsergebnisse der Patienten der randomisierten ISAT-Studie, Coiling verus OP anhand der modified rankin scale (m RS).

Grafik Bezeichnung symptomfreier bis leicht be-

hinderter Patienten, die weitgehend ein unabhängiges Leben führen können durch die Grade 0 bis 2, Kennzeichnung deutlich bis schwer behinderter oder verstorbener Patienten durch die Grade 3 bis 6. Prozen- tuale Verteilung der Grade 0 bis 2 zwei Mo- nate (n = 1906, oben) und ein Jahr (n = 1594, unten) nach Coiling oder Clipping.

Zu beiden Nachuntersuchungszeitpunkten Überwiegen von Patienten mit einem gu- ten klinischen Behandlungsergebnis in der endovaskulär behandelten Gruppe. (Modi- fiziert nach [10])

´Tabelle ´

Okklusions-, Rekanalisations- und Rezidivblutungsraten nach Coiling intrakranieller Aneurysmen

Autor Jahr n Total- und Subtotal-Okklusion Rekanalisation Rezidivblutung

(Prozent) (Prozent) (Prozent)

Byrne et al. (3) 1999 317 86,4 14,7 2,8

Cognard et al. (4) 1999 203 81,7 14 0

Ng et al. (13) 2002 160 62 28 1,5

Thornton et al. (17) 2002 141 85 28 0,7

(5)

Resümee

Die bisherigen publizierten Ergeb- nisse und insbesondere die Veröffent- lichung der ISAT-Studie werden die Indikationsstellung zur endovaskulä- ren Aneurysmabehandlung beeinflus- sen. Während das neurochirurgische Clipping lange Zeit den Goldstandard repräsentierte und das Coiling einver- nehmlich mit vielen Neurochirurgen nur bei operativen Hochrisikofällen vorgesehen wurde, ist die endovas- kuläre Therapie mittlerweile für zahl- reiche Aneurysmen Methode der er- sten Wahl. Aufgrund der geringeren Invasivität ist dem Coiling dann der Vorzug zu geben, wenn eine zuverläs- sige Ausschaltung des Aneurysmas technisch machbar und im Langzeit- verlauf Erfolg versprechend erscheint.

Dies gilt auch für die bislang meist operativ behandelten Aneurysmen im vorderen Hirnkreislauf. Es ist nach der Publikation der ISAT-Studie nicht mehr vertretbar, Patienten mit ruptu- rierten Aneurysmen ohne Stellung- nahme eines interventionellen Neu- roradiologen über die Möglichkeiten einer endovaskulären Therapie aus- schließlich chirurgisch zu versorgen.

Auch bei der prophylaktischen Be- handlung unrupturierter Aneurysmen spricht die geringere periinterventio- nelle Komplikationsrate für die endo- vaskuläre Therapie. Die Indikation ist jedoch angesichts des beim unruptu- rierten Aneurysma in der Regel nied- rigeren Operationsrisikos strenger zu stellen und muss ein prospektiv gutes Langzeitergebnis beinhalten. Bei unsi- cherer Studienlage müssen hier inter- disziplinäre Einzelfallentscheidungen gemeinsam mit dem Patienten getrof- fen werden.

Die durch die ISAT-Studie belegten Indikationen zum Aneurysmacoiling machen eine Anpassung von Versor- gungsstrukturen erforderlich, die ne- ben einer flächendeckenden Versor- gung mit interventionell neuroradio- logischen Leistungen auch für eine adäquate Refinanzierung seitens der Kostenträger sorgen muss.

Die Fortschritte der endovaskulä- ren Therapie stellen die bewährte, die Fächergrenzen von Neuroradiologie, Neurochirurgie und Neurologie über-

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

MEDIZINGESCHICHTE(N) )

Immunologie Serumtherapie

Zitat:„Führen wir [...] mit dem Dipht- herieheilserum dem Blute das Gegen- gift zu, indem wir es unter die Haut einspritzen, dann gelangt dieses Ge- gengift nach allen Körperstellen, zu welchen die Blutflüssigkeit Zugang findet. Geschah die Heilserumsprit- zung zu einer Zeit, wo die Diphtherie- bazillen noch nicht ihre verderbliche Tätigkeit begonnen hatten, so wird es zu den entzündlichen Folgeerschei- nungen der Diphtherievergiftung gar nicht kommen können. Wir sprechen dann von Immunisierung oder von verhütender oder prophylaktischer Serumtherapie. War dagegen der Ver- giftungsprozeß schon im Gange, dann werden die schon bestehenden ent- zündlichen Vorgänge ihren natürli- chen Ablauf nehmen; denn auf die Substrate der Entzündung, auf die Zellen und Organe, übt das Heilserum

keinen Einfluß aus, weder einen nütz- lichen noch einen schädlichen. Was in diesem Falle der schon bestehenden Erkrankung noch geschehen kann, das betrifft erstens die Unschädlich- machung des in den Körperflüssigkei- ten noch gelösten Giftes und zweitens die Verhinderung des Eintretens neu- er aktiver Giftmassen in die Blut- bahn. Man versteht leicht, daß das Diphtherieserum eine coupierende Wirkung hat; aber nicht die Krank- heit wird abgeschnitten, sondern die Entstehung neuer krankmachender Stoffe.“

Emil von Behring: Über das Prinzip der Serumthera- pie in seinem Vortrag, gehalten anlässlich der Nobel- preisverleihung am 12. Dezember 1901. In: Nobel- preis für Medizin. Zürich, 1980 (Band 1); S. 18. Die beiden Mitarbeiter Robert Kochs, der Deutsche Beh- ring (1854–1917) und der Japaner Schibasaburo Ki- tasato (1856–1931), veröffentlichten 1890 gemein- sam den Artikel „Ueber das Zustandekommen der Diphtherie-Immunität und der Tetanus-Immunität bei Thieren“. Sie schufen damit die Grundlage der Se- rumtherapie und Immunologie.

schreitende interdisziplinäre Zusam- menarbeit bei der Versorgung von Pati- enten mit intrakraniellen Aneurysmen nicht infrage. Die Aneurysmaokklusion ist insbesondere bei Patienten mit SAB nur ein Teilaspekt der klinischen Be- handlung, die meist in den Händen von Neurochirurgen oder Neurologen liegt.

Therapieentscheidungen müssen im klinischen Kontext erfolgen; die Diffe- renzialindikation Clipping oder Coiling muss auch nach ISAT dem jeweiligen Erfahrungsstand des Operateurs oder Interventionalisten angepasst sein und sollte gemeinsam getroffen und verant- wortet werden. Trotz Zunahme der en- dovaskulären Behandlungsmöglichkei- ten ist weiterhin eine qualifizierte neu- rochirurgische Versorgung der für die Operation verbleibenden, häufig kom- plexen Aneurysmen erforderlich. Die Notwendigkeit eines die Fächergren-

zen überschreitenden Managements legt daher die Zusammenarbeit in neu- rovaskulären Zentren nahe, in denen eine ausreichend hohe Fallzahl hohe Qualitätsstandards für die beteiligten Disziplinen ermöglicht.

Manuskript eingereicht: 2. 6. 2003; revidierte Fassung an- genommen: 16. 9. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 260–267 [Heft 5]

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Joachim Berkefeld Interventionelle Neuroradiologie Institut für Neuroradiologie

Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main E-Mail: Berkefeld@em.uni-frankfurt.de

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0504 abrufbar ist.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Je nach Größe und Form des Aneurysmas wird dann eine speziell ausgewählte Platinspirale durch den Mikrokatheter in das Aneurysma vor- geschoben.. Bahnbrechend an diesem GDC-System

Beim langfristigen Vergleich von spontan auftretenden Komplikatio- nen bei intrakraniellen Aneurysmen wie Rissen und Subarachnoidalblu- tungen und den Risiken einer operati-

Auch die klinische Beobachtung, dass sich bei einer Vielzahl von Patienten mit einem Aneurysma der Arteria communicans anterior (AcomA) ein hypoplastisches

Es darf an dieser Stelle auch nicht vernachlässigt werden, dass auch ein nicht unbedeutender Anteil kleiner Aneurysmen ruptiert (Bender et al., 2017), sodass es weiterhin von

Patientenalter, arterielle Hypertonie, Zustand nach aneurysmatischer Blutung, Aneurysmengröße, Lokalisation und geographische Lage. Die Anfangsbuchstaben der

Selbst in Bezug auf die bei klassischen Antipsychotika besonders gefürchteten extrapyramidalmotorischen Nebenwir- kungen war Perphenazin den teureren Vergleichssubstanzen

Hier wird beispielsweise in einem Ab- satz behauptet, die Ausschaltung von Aneurysmen im hinteren Kreislauf sei sowohl chirurgisch als auch endovas- kulär problematisch – im

In die- ser Studie betrug das Rupturrisiko bei Patienten ohne vorherige SAB aus ei- nem anderen, zusätzlichen Aneurysma für eine Aneurysmagröße < 10 mm we- niger als 0,05 Prozent