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Archiv "Von der Unart zur Krankheit: Schlusswort" (16.04.2004)

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hingehend zusammenfassen, dass es sich bei den betreffenden Pressemel- dungen ganz eindeutig um einen

„Fehlalarm“ mit maßlosen Übertrei- bungen gehandelt hatte. Weder die be- fragten Schulleiter noch die befragten staatlichen Schulbehörden konnten derartige Pressemeldungen bestätigen.

Dagegen vertraten etliche Schulleiter, die ihre Rückmeldungen mit ergänzen- den Erläuterungen versehen hatten, den Standpunkt, dass nicht der behaup- tete Missbrauch von Methylphenidat an ihren Schulen ein Problem darstelle, sondern vielmehr Alkohol und illegale Drogen.

Auch die vom Autor zitierte Bundes- drogenbeauftragte war keinesfalls ge- gen derartige Behauptungen über an- geblich „schwunghaften Handel“ mit Methylphenidat auf deutschen Schul- höfen immun, wie sie auch von den deutschen Massenmedien gerne aufge- nommen und verbreitet werden. Nach- dem Frau Caspers-Merk mit ihrer Pres- semitteilung Nr. 17 am 24. Oktober 2001 ihre Besorgnis über angeblichen illegalen Handel mit Methylphenidat auf deutschen Schulhöfen veröffent- licht hatte, baten sowohl unsere El- terninitiative als auch andere ADHS- Selbsthilfeverbände Frau Caspers- Merk um nähere Informationen, insbe- sondere über Art und Ausmaß derarti- ger Vorkommnisse sowie Quellenanga- ben und Belege. Diese Auskünfte wur- den uns jedoch von Frau Caspers-Merk rundweg mit der Begründung verwei- gert, dass sich das Bundesgesundheits- ministerium uns gegenüber als nicht zur Rechenschaft verpflichtet sehe. Als die Drogenbeauftragte im Verlauf der weiteren Diskussion dann zumindest eingeräumt hatte, dass sie diese Mel- dungen von Schulleitern aus Bayern er- halten habe, wandten wir uns an das bayerische Innenministerium, dem ent- sprechende Verstöße gegen das BTM- Gesetz in Bayern gemeldet werden müssen. Vom dortigen zuständigen Ressort erhielten wir aber die Aus- kunft, dass keine Erkenntnisse über illegalen Methylphenidat-Handel an bayerischen Schulen vorlägen, sodass sich auch diese von Frau Caspers-Merk bis heute nicht belegte Behauptung „in Luft auflöste“. Dies wurde übrigens auch durch den Drogenbericht des

Bundeskriminalamtes unterstrichen, in dem es ausdrücklich hieß, dass ein ille- galer Handel mit Methylphenidat bei Drogendelikten derzeit in Deutschland keine Rolle spiele. Offensichtlich sind dem Autor diese Tatsachen bei der Ab- fassung seines Artikels entgangen.

Wer sich für die Geschichte von ADHS interessiert, sollte bereits exi- stierende Aufsätze von Fachleuten, die auf diesem Gebiet forschen und lehren – und auch über das bei dieser komple- xen Thematik erforderliche Hinter- grundwissen verfügen –, heranziehen.

So z. B. „Das hyperkinetische Syndrom in der jugendpsychiatrischen For- schung“ von Trott, Badura und Wirth, 1996, in „Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Ner- venheilkunde“, Band 1, K & N, ISSN 1430-8339.

Michael Townson

Elterninitiative zur Förderung von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit/ohne Hyperaktivität, Postfach 11 65, 73055 Ebersbach

Von der Unart zur Krankheit

Wir können heute sehr wohl unter- scheiden zwischen unartigen, nervösen, milieubelasteten Kindern und einer ge- netisch verankerten Aufmerksamkeits- störung mit und ohne Überaktivität.

Wir wissen auch, dass Methylphenidat keineswegs bei einer Vielzahl von störenden Verhaltensweisen wirkt, son- dern nur bei einer objektiv nachweisba- ren hirnphysiologischen Imbalance.

Dieser wissenschaftliche Fortschritt wird in der historischen Darstellung übersehen. Für den Fachmann ist Seid- lers interessanter Beitrag ein Anstoß zu Sorgfalt und Selbstkritik, man muss aber befürchten, dass diese Veröffent- lichung dazu verleitet, evaluierte Be- handlungsprogramme zu missachten und wirksame Hilfen für die Betroffe- nen zu verhindern.

Dr. Christoph Funk Jürges-Probst-Weg 12 88400 Biberach T H E M E N D E R Z E I T

A

A1082 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1616. April 2004

Schlusswort

Der Autor ist, auch für die Leser des DÄ, dankbar für die wichtigen und so ausführlich wiedergegebenen Leserzu- schriften. Von berufener Seite sind jene Entwicklungen angefügt worden, die zum gegenwärtigen „state of the art“

des Problems gehören, die aber nicht Gegenstand einer historischen Über- sicht sein konnten. Seit in den 70er-Jah- ren in Deutschland die frühen Diskus- sionen zum Thema – vornehmlich von Lempp, Remschmidt, Nissen, Steinhau- sen u. a. – in Gang gesetzt wurden, hat sich auch hierzulande eine so breite Forschung entwickelt, dass hierfür eine eigene Darstellung notwendig ist. Sinn der vorgelegten historischen Überle- gung war es dagegen, aufzuzeigen, wie sehr die Bemühungen um ein medizini- sches, gesellschaftliches oder erzieheri- sches Erklärungsmodell die Beschäfti- gung mit dem Phänomen des hyperakti- ven Kindes die gesamte Entwicklung durchziehen; sie sind nach wie vor Ele- mente des im Einzelfall zu entwirren- den „Ursachengeflechtes“ (Skrodzki/- Grosse).

Wie sehr dabei die „gegenwärtigen Auseinandersetzungen eher den Cha-

rakter eines Glaubenskrieges als den ei- nes echten wissenschaftlichen Dissen- ses“ (Townson) aufweisen, lässt sich an zahlreichen anderen, hier nicht abge- druckten und z. T. hochemotionalen Leserzuschriften ablesen. Fast alle ha- ben übersehen, dass der historische Bei- trag keinerlei wertende Stellung zu den aktuellen Therapiekonzepten bezogen hat. Die Frage allerdings, ob es die Ver- fügbarkeit eines für die Betroffenen und ihr Umfeld äußerst hilfreichen Me- dikamentes war, die aus dem vielfälti- gen Symptomenkomplex expansiver Verhaltensstörungen im Kindes- und Jugendalter eine leicht handhabbare Diagnose gemacht hat, musste jedoch aus den historischen Befunden heraus gestellt werden. Nach wie vor bleibt zu hoffen, dass alle, die Methylphenidat verschreiben, über die Fähigkeit zu der individuellen „richtigen und strengen Indikationsstellung“ (Schubert/Lehm- kuhl) und multimodalen therapeuti- schen Breite verfügen, wie sie z. B. in den verschiedenen Leitlinien und Stel- lungnahmen der Fachverbände gefor- dert wird. Die Kinder sind das schwäch- ste Glied der Gemeinschaft – „Sorgfalt und Selbstkritik“ (Funk) bleiben an- gesagt. Prof. Dr. Eduard Seidler

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