Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 14⏐⏐3. April 2009 A639
P O L I T I K
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er Versandhandel mit Medi- kamenten steht fünf Jahre, nachdem der Gesetzgeber hierfür die rechtlichen Grundlagen geschaf- fen hat, wieder zur Disposition. Im Bundestag und im Bundesrat wer- den derzeit verschiedene Ände- rungsanträge beraten, die ein Verbot beziehungsweise eine Einschrän- kung des Versandhandels vorsehen.Zu einer kontroversen Ausspra- che zwischen Befürwortern und Gegnern des Versandhandels kam es Ende März bei einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsaus- schusses des Bundestages. Grundla- ge der Beratung waren zwei Anträge der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke, die empfindliche Ein- schnitte beim elektronischen Han- del mit Medikamenten vorsehen.
Die FDP will die Abgabe von Arz- neimitteln über Abholstellen unter- binden. Nach der geltenden Rechts- lage könne anstelle des Apothekers künftig auch ein Kioskbetreiber be- stellte Arzneimittel ausgeben. Für eine Begrenzung des Versandhandels spricht sich die Linksfraktion aus.
Die hohe Zahl medikamentenabhän-
giger Menschen verlange nicht nach einer Erleichterung des Zugangs zu Medikamenten, sondern nach einem Ausbau einer unabhängigen und um- fassenden Beratung, so die Linken.
Immer mehr Fälschungen
Der Bundesverband Deutscher Apo- theker forderte bei der Anhörung eindeutige Regelungen für den elek- tronischen Handel mit Arzneimit- teln. Das Geschäft mit Fälschungen floriere immer stärker. Betrüger hät- ten es seit der Freigabe des Internet- handels relativ leicht.Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände beton- te, das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arz- neimitteln sei juristisch unbedenk- lich, da es im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehe. ABDA-Ge- schäftsführer Lutz Tisch, zustän- dig für den Bereich „Arzneimittel- recht“, erklärte, die Arzneimittel- sicherheit und der Gesundheitsschutz seien zudem von höherem Verfas- sungsrang als ein Interesse an der Wahrung möglicher Besitzstände.
Dagegen sagte Katrin Kollex vom Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA), ihre Organisation halte ein Versandver- bot für verschreibungspflichtige Arz- neien für verfassungs- und europa- rechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein von dem Verband in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten des Bonner Verwaltungs- rechtlers Prof. Dr. Christian König.
Seiner Meinung nach ist ein gene- relles Verbot in Form einer „Berufs- ausübungsregel“ für alle Apotheker eine unverhältnismäßige Beein- trächtigung der Berufsfreiheit.
Länder gegen Versandhandel
Trotz möglicher Gefahren beziehen rund ein Viertel aller Deutschen ge- legentlich Medikamente über Ver- sandapotheken. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine repräsenta- tive Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag des BVDVA. Demnach wünscht sich die Hälfte der Befragten mehr Wett- bewerb zwischen den Apotheken vor Ort und den Versandapotheken.Ein Verbot von Versandapotheken lehnten mehr als 50 Prozent der Be- fragten ab, jeder zehnte hat hierzu keine Meinung.
Während sich im Bundestag le- diglich die Opposition für eine Einschränkung des Versandhandels starkmacht, hat der Gesundheitsaus- schuss des Bundesrats Mitte März mit einer Mehrheit von elf zu vier Stimmen bei einer Enthaltung für ein Verbot des Versandhandels mit ver- schreibungspflichtigen Arzneimit- teln votiert. Die Länder Bayern und Sachsen hatten zuvor im Zuge der Beratungen zur Novellierung des Arz- neimittelgesetzes (AMG-Novelle) entsprechende Änderungsanträge in den Bundesrat eingebracht.
Das Plenum der Länderkammer berät am 3. April über die AMG- Novelle. Allerdings bedarf das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrats. Dass der Bundestag der Initiative der Bundesländer folgen könnte, ist relativ unwahrschein- lich. So lehnt Bundesgesundheits- ministerin Ulla Schmidt (SPD) Än- derungen bei den Regelungen zum Arzneimittelversandhandel ab. I Samir Rabbata
ARZNEIMITTEL
Kritik an Versandhandel
Nach dem Willen der Opposition im Bund und zahlreicher Länder soll der Arzneimittelversandhandel eingeschränkt werden. Der Grund sind Sicherheitsbedenken.
Möglicher Gefahren zum Trotz lässt sich jeder Vierte Medikamente gelegentlich bequem nach Hause schicken.
Foto:dpa