Zur Fortbildung Aktuelle Medizin DEFINITION
Dosimeter
Methoden und Geräte zur Messung
der Strahlenbelastung
Dosimeter sind Geräte zur Messung der Strahlendosis. Als Dosis ist in der Radiologie die von einer ionisie- renden Strahlung in der Massenein- heit abgegebene und wirksam wer- dende Energie definiert. Entspre- chend ergibt sich ihre Dimension in dem neuen internationalen System der SI-Einheiten aus der Energieein- heit Joule und der Masseneinheit Ki- logramm zu Joule/kg, wobei 1 Jou- le/kg als 1 Gray (Gy) bezeichnet wird. Gebräuchlich und zugelassen war bis 1977 die spezielle Einheit
„rad", die durch die Energieabsorp- tion von 100 erg in 1 Gramm Materie definiert war, so daß 1 Gray = 100 rad entspricht.
Direkte Messung schwierig Die direkte Messung dieser Energie- dosis ist außerordentlich schwierig, da die im medizinischen Bereich vorkommenden Energiebeträge trotz ihrer biologisch schwerwie- genden Wirkungen physikalisch ge- sehen sehr klein sind. Deshalb ge- schieht die Messung der Energiedo- sis im allgemeinen über die durch die Strahlung hervorgerufenen Ioni- sationen und die anschließende Be- rechnung der Energiedosis aus der direkt meßbaren Ionendosis durch Multiplikation mit einem speziellen Umrechnungsfaktor.
Methoden der Messung
Zur Messung der Dosis beziehungs- weise der Dosisleistung, der auf die Zeiteinheit bezogenen Dosis, dienen auf verschiedenen physikalischen Phänomenen beruhende Verfahren.
Prinzipiell nutzen Dosimeter die durch die Ionisation in der Materie absorbierte Energie aus. Die Ener- gieabsorption kann sich bemerkbar
machen durch Ladungsträger, die zu einem Strom führen können, durch photographische Wirkungen, durch Licht, durch Wärme und durch chemische Wirkungen. Ent- sprechend beruhen Dosimeter in den meisten Fällen auf den folgen- den Effekten:
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Ionisation in Gasen,© Fotografische Wirkung, Szintillation,
® Thermolumineszenz,
® Radiofotolumineszenz
Von geringerer Bedeutung für die Konstruktion von Dosimetern sind kalorimetrische und chemische Ver- fahren.
Jonisationsdosimeter
(I)
Auf der Ionisation in Gasen be- ruht das am häufigsten in der Strah- lendosimetrie eingesetzte Meßin- strument, das in der Röntgentechnik weit verbreitete Gerät zur Messung der Dosisleistung, die lonisations- kammer (Darstellung). Bei ihr er- zeugt die einfallende Strahlung in einem luftgefüllten Raum zwischen zwei Elektroden durch lonisierung der Luftmoleküle Ionen. Diese La- dungsträger werden durch die an den Platten liegende Spannung ge- sammelt und führen in dem äußeren Stromkreis zu einem Strom, derdurch ein Meßinstrument nachge- wiesen werden kann. Der Strom ist der Dosisleistung proportional. Ge- langen alle Ladungsträger zu den Platten, kann das Gerät direkt in Ein- heiten der Dosisleistung, also in Cb/
kg • min bzw. in der früher gebräuch- lichen speziellen Einheit Röntgen/
Minute geeicht werden. Auf demsel- ben Effekt beruht ein bei Strahlen- schutzmessungen weit verbreitetes Gerät zur Messung der Personendo- sis, das Taschen- oder Füllhalterdo- simeter. Bei ihm entladen die durch Ionisation erzeugten Ladungsträger ein vorher aufgeladenes System. Ein Spannungsmeßinstrument zeigt den jeweiligen Ladungszustand an; auf diese Weise kann das Instrument zur Dosismessung direkt in Röntgen oder Milliröntgen geeicht werden.
Filmdosimeter
Filmdosimeter beruhen auf der Schwärzung bestrahlter und entwik- kelter Filmemulsionen. Die Schwär- zung einer fotographischen Schicht ist ein sehr empfindliches chemi- sches Verfahren zum Nachweis und zur Messung der Dosis. Die Schwär- zung wird fotometrisch gemessen.
Die Zuordnung von Filmschwärzung zur Energiedosis geschieht über ei- nen Vergleich mit einem absoluten Verfahren. Filmdosimeter werden im Strahlenschutz zur Messung der Ionisierende
Strahlung
Strom -Meßinstrument
1 Blende Spannungs-
quelle
Darstellung: Schema einer lonisationskammer
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 14. September 1978 2059
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Dosimeter
Personendosis in großem Umfange eingesetzt und sind wegen ihrer Empfindlichkeit hierfür besonders geeignet (Abbildung).
Szintillationszähler
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Dosen und Dosisleistungen kön- nen auch mit Geräten gemessen werden, die als Detektoren Zählroh- re und Szintillationszähler enthal- ten, insbesondere zur Messung sehr kleiner Werte sind sie geeignet (Ab- bildung). Zählrohre sind wesentlich empfindlicher als Ionisationskam- mern, da bei ihnen durch Gasver- stärkung eine Vermehrung der pri- mär erzeugten, relativ wenigen La- dungsträger erfolgt. Zur Messung von Ortsdosisleistungen werden auch heute noch Zählrohre als billi- ge und preiswerte Dosimeter einge- setzt. Szintillationszähler dagegen werden weniger als Dosimeter, son- dern überwiegend zum empfindli- chen Nachweis von Photonenstrah- lung in der Nuklearmedizin benutzt.Um Dosis- und Dosisleistungsmes- sungen mit einem Szintillationszäh- ler ausführen zu können. muß der Zähler vorher kalibriert werden.
Thermoluminiszenzdosimeter
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Thermolumineszenzdosimeter speichern die absorbierte Strah- lungsenergie und geben sie bei Er- wärmung in Form von sichtbarem Licht wieder ab. Die bei der Erhit- zung bestrahlter Kristalle emittierte Lichtmenge wird photometrisch ge- messen. Als speichernde Kristalle können zum Beispiel Lithiumfluorid und Kalziumfluorid verwandt wer- den. Der Nachweis des emittierten Lichtes geschieht über einen Photomultiplier. Der Meßbareich der Thermolumineszenzdosimeter reicht von wenigen mrad bis 105 rad. Sie können nach Erwärmung wieder verwandt werden.Ihr Einsatz erfolgt vielfach zur Dosis- überwachung an den Händen, in- dem Fingerringe getragen werden, in denen sich Stäbchen aus Lithium- fluorid befinden (Abbildung).
Phosphatglasdosimeter
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Auf der Radiophotolumineszenz beruhen die Phosphatglasdosime- ter. Sie nutzen die Eigenschaft be- stimmter Gläser aus, im sichtbarenAbbildung: Dosimeter: hinten links ein Gerät mit einem Zählrohr, rechts eines.
das mit einer Szintillationsmeßsonde als Detektor arbeitet; davor von links nach rechts: Filmdosimeter. Füllhalterdosimeter und Fingerring mit Lithium- fluorid als Thermoluminiszenzdosimeter
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Bereich zu leuchten, wenn sie nach Bestrahlung mit ionisierender Strah- lung ultraviolettem Licht ausgesetzt werden. Die auftretende Fluores- zenz ist der eingestrahlten Dosis proportional. Das emittierte Licht wird photometrisch gemessen.
Durch die Auswertung wird die Do- sis nicht gelöscht, weitere Dosen werden aufaddiert.
Chemische Dosimeter
Chemische Dosimetrie beruht auf der strahleninduzierten Oxidation von Eisen-li- zu Eisen-111-lonen in ei- ner wäßrigen Schwefelsäurelösung.
Diese Reaktion ändert die optischen Eigenschaften der Lösung, die wie- der photometrisch ermittelt werden können.
Dosimeter werden in der klinischen Dosimetrie und in der Strahlen- schutzdosimetrie benötigt. Die klini- sche Dosimetrie mißt bei der Rönt- gendiagnostik die Strahlenbela- stung des Patienten bei Aufnahmen, Durchleuchtungen und Untersu- chungsreihen, in der Strahlenthera- pie Dosisleistungen zur Sieherstel- lung der Dosiswerte am Tumor und zur Beurteilung der Strahlenbela- stung des gesunden Gewebes. Die Strahlenschutzdosimetrie führt Per- sonendosis- und Ortsdosismessun- gen durch,
..,.. um die in den Strahlenschutzver- ordnungen ·vorgeschriebenen Berei- che abgrenzen zu können,
..,.. die vorgeschriebenen Strahlen- schutzüberwachungender Beschäf- tigten durchzuführen
..,.. und die Strahlenbelastung mit den zulässigen Werten zu verglei-
chen. A. Habermehl
Literatur
Glocker, R., und Macherauch, E.: Röntgen- und Kernphysik, Georg-Thieme Verlag, Stutt- gart.