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Archiv "So lassen, wie es ist" (07.01.2002)

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A

A22 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 1–2½½½½7. Januar 2002

R

ichtig tüchtig ist sie. Versonnen schaut der Ministerialdirigent sei- ner neuen Ministerin hinterher, die nun seit einiger Zeit das Bundes- gesundheitsministerium unter ihm lei- tet. Von ihrem Fahrer beschirmt, ent- schwindet sie im Regen.

Unwillkürlich denkt er an ihren Vor- Vorgänger. Wie ein begossener Pudel hatte er damals dagestanden, der Herr Seemann. Einfach abgewählt hatten sie seine Partei, nach so vielen Jahren. Da- bei hatte er bis zuletzt den Ärzten und ihren Funktionären so schön eingeheizt.

Nach ihm war dann endlich wieder eine Dame in das Gesundheitsministe- rium eingezogen, unter seinen wohl- wollenden ministeria-

len Augen. Ganz grün war sie damals noch, die Frau Schiffer. Noch toller als der Herr See- mann wollte sie sein.

Unter ihrer Führung sollten die Ärzte nicht nur für ihre eigenen

Rezepte haften; auch wenn der Kollege aus Niederdollendorf zu viel verordnet hatte, hätte der Kollege aus Oberdol- lendorf dies mitbezahlen sollen. Leider war sie nicht so lange im Amt, denn sie hatte die Sache mit der Seuche nicht mitbekommen. Dabei konnte man es im ganzen Land hören, das „Lachen der Kühe“. Wirklich: Sie hätte es hören müssen. Dabei hatte sie so eine sympa- thische, rauchige Stimme. Und das glucksende Lachen; aber vielleicht hat- te sie es deshalb nicht hören können, das Lachen. Ein ganz klein wenig fühlte er sich mitschuldig, hatte er doch den Bericht über das „Lachen der Kühe“

zwei Wochen in seiner Schublade lie- gen.

Die Neue ist wirklich sehr nett.

Richtig sparen will sie. Alles müsse auf den Prüfstand. Auch die Verwaltungs- kosten der Krankenkassen. Dabei fragt er sich, wie man denn hier sparen könnte. Schließlich müssten doch auch die Erfolgsprämien der Krankenkas- senleiter irgendwie bezahlt werden.

Selbst die Mehrwertsteuer auf Medi- kamente will sie in Zusammenarbeit mit Bundesfinanzminister Eichhorn senken.

Gestern hat sein Unterabteilungslei- ter ihm etwas von „Me too“-Präparaten

erzählt. Die seien nicht wirklich neu, nur die Moleküle hätten sie ein wenig verschoben. Dadurch sei das Präparat zwar nicht neu, aber das Patent. Nun ja, schließlich müssen die Pharmafirmen auch irgendwie Dividenden ausschüt- ten. Die Pharmafirmen, die Groß- händler, die Apotheken müssen schließ- lich leben. Allerdings könnte der Herr Eichhorn schon die Mehrwert- steuer bei Pillen senken und stattdes- sen bei den Erotik-Magazinen abkassie- ren, aber das wäre sicher viel zu um- ständlich.

Zufrieden lehnt er sich zurück in sei- nem Sessel und denkt an die Wissen- schaftssendung, die er gestern gesehen hat. Mit Robotern operieren sie jetzt, die Ärzte. Strahlend wie um ein neues Spiel- zeug haben die Pro- fessoren um ihren neuen Roboter ge- standen; billig sind die Dinger bestimmt nicht, aber das hat keiner gesagt. Und wenn die Ärzte täglich zehn Stunden operie- ren, brauchen sie eh nicht so viel Geld.

Wann wollen sie es denn ausgeben?

Das Tollste aber sind die neuen DRGs. Den Krankenhäusern wird nicht mehr der Aufenthalt der Patienten be- zahlt, demnächst gibt es für jede Krank- heit einen Pauschalbetrag. Man muss den Leuten einfach nur klar machen, dass sie schneller gesund werden müs- sen. Wenn sie nach dem Krankenhaus nicht so recht gesund sind, können sie immer noch zu ihren Hausärzten gehen und deren Budget belasten.

Als er seinen Diplomatenkoffer schließt, kommt ihm noch der Gedanke, dass es nicht ganz richtig ist, wenn ein Patient dreimal zum Kernspin geht, um schauen zu lassen, dass im Kopf nichts drin ist. Diesen flüchtigen Ge- danken (Versicherungsbetrug?) ver- wirft er schnell, denn hat er nicht die Rechnung für seinen Parkrempler dem Parkhaus und seiner Kaskoversiche- rung vorgelegt undzur Sicherheit auch noch von der Steuer abgesetzt?

So zieht er die Tür zu seinem Büro vollends ins Schloss mit dem Vorsatz, seiner Ministerin gleich am nächsten Morgen vorzuschlagen, alles so zu las- sen, wie es ist. Wolfgang J. Mehlen

GLOSSE

So lassen, wie es ist

P O L I T I K

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