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Archiv "Poliomyelitis-Eradikation: Impfbemühungen dürfen noch nicht nachlassen" (11.02.2005)

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urch den konsequenten Einsatz des Polio-Lebendimpfstoffes („Schluck- impfung“) ist 17 Jahre nach Einlei- tung des weltweiten Polio-Eradikations- programms der Erfolg in greifbare Nähe gerückt: Die Erkrankungszahl von ge- schätzt 350 000 in 1988 ist auf 1 212 in 2004 zurückgegangen. Drei der sechs WHO-Regionen sind als „poliofrei“ zer- tifiziert (Amerika, West-Pazifik, Euro- pa). Lediglich in sechs Ländern – Nigeria, Indien, Pakistan, Niger, Afghanistan und Ägypten – tritt die Polio noch endemisch auf. Obwohl Deutschland zusammen mit 50 Mitgliedsstaaten der WHO-Re- gion Europa im Juni 2002 als

„poliofrei“ zertifiziert wurde und hier seit 15 Jahren keine – durch Polio- wildviren verursachte – Erkrankung mehr auf- getreten ist, muss sich die deutsche Ärzte- schaft auch heute noch mit dem Thema Polio- myelitis befassen. Nicht zu- letzt die SARS-Epidemie

hat deutlich gemacht, dass sich Viren nicht an Ländergrenzen halten.

Dies mussten auch zwölf west- und zentralafrikanische Staaten erfahren, die jahrelang als poliofrei galten – bis Ende 2003 und Anfang 2004 Poliowild- viren aus dem benachbarten Nigeria eingeschleppt worden waren. In vier dieser Länder (Elfenbeinküste, Burki- na Faso, Tschad, Sudan) muss nun da- von ausgegangen werden, dass sich die Poliomyelitis erneut etablieren konnte.

Die rasante Ausbreitung der Kinderläh- mung war die verheerende Folge einer nachlassenden Impfaktivität, die auf dem Gerücht beruhte, dass der orale Polioimpfstoff zu Infertilität oder HIV- Infektionen führe.

Verschleppungen von Polioviren aus den Endemiegebieten nach Europa können somit eine reale Bedrohung werden, wenn die Impfbemühungen nachlassen und sich dadurch Nischen in der Bevölkerung ergeben, bei denen kein ausreichender Schutz mehr gegen Polio besteht. Dies war 1992 in den Niederlanden der Fall: In einer Region südlich von Antwerpen, in der aus reli- giösen Gründen Impfungen abgelehnt werden, kam es zur Einschleppung von Polioviren aus dem Ausland. Da kein Impfschutz bestand, traten innerhalb kurzer Zeit mehr als 70 Erkran- kungen auf. Nur durch massi- ve Riegelungsimpfungen konnte eine weitere Ausbreitung in dieser Bevölkerungsgruppe verhindert werden.

Aufgrund dieser Erfahrungen ist auch in Deutschland bis zur erfolgreichen globalen Polioeradikation – und noch für einige Jahre darüber hinaus – die Mitwirkung der deutschen Ärzteschaft an den drei Säulen der Po- lioeradikation von größter Wichtigkeit:

In Deutschland wird seit 1998 nur noch der Totimpfstoff (IPV) empfoh- len, um das Risiko einer Impfpolio durch den Lebendimpfstoff zu eliminie- ren. Die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts (Berlin) hatte bereits im Jahr 2002 empfohlen, dass nach einer Grundimmunisierung im er- sten Lebensjahr noch einmal nach et- wa zehn Jahren eine weitere Auffrisch- impfung erfolgen muss. Weitere Polio- impfungen sind nur erforderlich, wenn ein Reisender sich in ein noch bestehen- des Polioendemie- beziehungsweise Ri- sikogebiet begibt.

Hierunter sind alle noch nicht als po- liofrei zertifizierten Regionen der Welt zu verstehen – also alle Länder Afrikas, des Nahen und Mittleren Ostens und Südostasiens. Sollte bei Reisenden in diese Regionen die letzte Polioimpfung länger als zehn Jahre zurückliegen, ist eine weitere Polioimpfung erforderlich.

Trotz der oben beschriebenen Erfolge bei der Ausrottung der Poliomyelitis muss auch in den kommenden Jahren noch konsequent weiter geimpft werden, bis verlässliche Hinweise gegeben sind, dass eine Einstellung der Vakzination vertretbar erscheint. Ein Rückgang im Durchimpfungsgrad der Bevölkerung in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt könnte im Falle einer Einschleppung von Polioviren fatale Folgen nach sich ziehen.

Fortgesetzte Überwachung

Als Überwachungssystem wurde nach internationalem Vorbild die „AFP-Sur- veillance“ (AFP = Acute Flaccid Para- lysis) aufgebaut, in der alle Kinder un- ter 15 Jahren mit akut auftretenden schlaffen Lähmungen der Extremitäten (unabhängig von der Verdachtsdiagno- se) zentral erfasst und mittels zweier Stuhlproben auf Entero-/Polioviren un- tersucht werden sollen. Damit können mögliche Polioinfektionen erkannt be- ziehungsweise ausgeschlossen werden.

Sinn und Zweck des Laborcontain- ments für Poliowildviren ist es sicherzu- stellen, dass keine versehentlichen La- borinfektionen mit Poliowildviren be- ziehungsweise Freisetzungen von Polio- wildviren stattfinden können. Nach er- folgreicher globaler Polioeradikation wird es erforderlich werden, dieses La- borcontainment auch auf Polioimpf- viren auszudehnen. Da der Kampf „Für eine Welt ohne Polio“ nur gemeinsam mit den anderen Ländern gewonnen werden kann, appelliert die Nationale Kommission für die Polioeradikation in der Bundesrepublik Deutschland an die Ärzteschaft, sich auch in den kom- menden Jahren noch tatkräftig für die letzte Phase der Polioeradikation zu engagieren. Dr. med. Konrad Beyrer

Prof. Dr. med. Adolf Windorfer M E D I Z I N R E P O R T

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 611. Februar 2005 AA329

Poliomyelitis-Eradikation

Impfbemühungen dürfen noch nicht nachlassen

Bis zur globalen Eradikation bedarf es auch in Deutschland einer ausreichenden Durchimpfungsrate der Bevölkerung.

Weitere Informationen zur AFP-Surveillance beim Verfas- ser oder unter www.nlga.niedersachsen.de/polio

Foto:Aventis P asteur MSD

Referenzen

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