Aktualitäten aus der internationalen Fleischforschung – Teil 1
55 th International Congress of Meat Science and Technology (ICoMST)
Vom 16. bis 21. August 2009 fand in Kopenhagen die 55. Ausgabe des im Jahresrhythmus durchgeführten International Congress of Meat Science and Technology (ICoMST) statt. Rund 480 Teilnehmende aus 45 Ländern kamen in den Genuss von 18 Haupt- und 63 Kurzvorträgen sowie knapp 360 Postern. Eine be- sondere Gewichtung wurde im dies- jährigen Programm seitens der Or- ganisatoren den Themen Automati- sation und Ernährung/Gesundheit/
Gastronomie beigemessen.
Wie in den Vorjahren war die Vielfalt der Themen auch am ICoMST 2009 sehr gross. Erschwerend kam hinzu, dass einzelne, z. T. in engem Zusam
menhang stehende Themengebiete in zeitlich parallel laufenden Sessions vorgestellt wurden, was sich für das Erhalten eines Überblicks als zusätz
liches Hindernis erwies. Im Folgenden kann daher nur auf einzelne, aus Sicht der Berichterstattenden interessante Themen eingegangen werden.
Wertschöpfungskette in der Fleischproduktion
In einem ersten Vortrag (H. Mac Fie) wurde die Bedeutung von Innovatio- nen im Lebensmittelsektor unter die Lupe genommen, die für das Überle
ben und die Weiterentwicklung eines Unternehmens von entscheidender Be
deutung sind. Dabei ist die Wahrneh
mung durch den Konsumenten ent
scheidend, sei dies beim Produktauf
tritt (Sortiment, Konkurrenz, Erlebnisse rund ums Produkt) oder bezüglich der sensorischen Eigenschaften eines Pro
duktes (Konsumentenpanel, Sprachentwicklung für sensorisches Panel). Diese beiden Aspekte sind für die Entwicklung neuer Innovationen miteinander über zwei Dimensionen im Sinne einer Matrix zu verbinden (sog. «Preference Mapping»), wobei Brand, Verpackung und Produkt die erste und funktionale, emotionale so
wie hedonische (d. h. nach Beliebtheit) Eigenschaften die zweite Dimension bilden. Ferner gilt es zu beachten, dass Massenprodukte, trotz oft gegentei
liger Absicht, aufgrund ihres Bekannt
heitsgrades und ihrer Verbreitung häu
figer gekauft werden als Nischenpro
dukte. Gerade wenn Märkte im Gleichgewicht sind, empfiehlt sich die Einführung von neuen Lebensmitteln (z. B. funktionelle Lebensmittel). Von
«unterbrechenden Innovationen»
spricht man, wenn bestehende Pro
dukte aus dem Markt gedrängt und durch neue Produkte ersetzt werden (z.
B. Digital vs. Analogfotografie). Viel
fach wird bei der Verbesserung von Kernprodukten nicht beachtet, dass gleichzeitig ein Raum für die Konkur
renz im bestehenden Bereich geschaf
fen wird; dieser könnte mit dem beste
henden Knowhow auch weiterhin sel
ber besetzt werden. Überdies wurde betont, dass die Konsumentenakzep
tanz aber nur dann gewährleistet bleibt, wenn die Produkte wirklich auch hal
ten, was sie versprechen!
Ein niederländischer Referent (N. Wognum) konzentrierte sich auf den Zusammenhang von Manage- mentsystemen und Qualitätssiche- rungssystemen (QS) in Schweine
fleischIntegrationen. Die QSStan
dards sind für ein Unternehmen von zentraler Bedeutung und müssen da
her entweder vom Eigentümer hori
zontal (d. h. auf derselben Produk
tionsstufe) oder vertikal (d. h. über die gesamte Produktionskette) definiert werden. Der Erfolg von QSSystemen ist nur dann von Erfolg gekrönt, wenn das (oberste) Management voll dahin
ter steht und die Umsetzung gut koor
diniert wird. QSSysteme sind umso hierarchischer ausgerichtet, je kleiner der Betrieb ist bzw. je spezifischer das QSSystem angelegt ist. Nebst den pri
vaten QSSystemen gibt es aber auch öffentliche, wie dies anhand des Bei
spiels der geografischen Herkunftsbe
zeichnungen aufgezeigt wurde. In Eu
ropa sind im Schweinebereich derzeit viele Konsolidierungen im Gange. Da
durch werden die verbleibenden Inte
grationen immer grösser, was wie
derum für die Ausgestaltung der jewei
ligen QSSysteme von Bedeutung ist.
Seitens der FAO (T. Vellinga) wur
den die Auswirkungen der tierischen Produktion auf die Umwelt themati
siert. Dabei wurden wichtige struktu
relle Veränderungen aufgezeigt, die sowohl auf der Nachfrage (globales Bevölkerungswachstum, steigende Einkommen, zunehmende Verstädte
rung) als auch auf der Angebotsseite (günstiges Getreide, billige Energie, verbesserte Technologie) zu verzeich
nen sind. Diese Veränderungen wur
den und werden durch die Marktlibe
ralisierung, die Vernachlässigung von Externalitäten sowie durch die globale Transport und Kommunikationsinfra
struktur gefördert. Weltweit sinken zu
dem die Weideflächen, während die
jenigen für den Soja und Getreidean
bau für die Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung ansteigen.
Laut Schätzungen der FAO trägt der Lebensmittelsektor mit jährlich rund 7,1 Mrd. Tonnen CO2Äquivalenten 18% zu den durch den Menschen be
dingten Emissionen bei. Die Land
wirtschaft produziert weltweit rund 30% der Treibhausgase, wobei CO2
(→ Abholzung von Wäldern), Stick
oxide (→ Freisetzen von Stickstoff aus Hofdüngern) und Methan (→ Gärpro
zesse im Pansen der Wiederkäuer) im Vordergrund stehen. Folgende Gegen
massnahmen wurden empfohlen (Liste nicht abschliessend):
– Richtige Preise, d. h. inkl. Einbezug von Externalitäten
– Umweltverschmutzer in Öffentlich
keit bekannt machen
– Ausgeglichene Ökosysteme schaf
– Stärkung bzw. Einführung von Umfen weltinstitutionen
– Einführen von Steuern, Umweltzer
tifikaten bzw. Fördern von Umwelt
massnahmen
– Umweltfragen in gute Herstellungs
praxis (GHP) einbauen
Automatisation bei der Schlach- tung, Zerlegung und Verpackung Ein isländischer Referent (P. Guðjóns- son) stellte in seinem Referat verschie
dene Arten der Automatisation im Verpackungsbereich vor, die sich auf
grund der öden Arbeit unter ungüns
tigen Bedingungen nahezu aufdrängt und das Einsparen vieler Arbeitskräfte erlaubt. Dabei stehen folgende An
wendungen im Vordergrund: Schnei
den ungleich geformter Fleischstücke auf einheitliche Gewichte, «Pick and Place» von Fleischstücken in Schalen, Trimmen von Lachsfilets über Bild
analyse und vertikal bzw. horizontal gestellte Rundmesser auf laufenden Förderbändern, «Sensing» (Herantas
ten, oft mit Bildanalysen, z. T. mit Ver
wiegen verbunden). Die Softwarekos
ten machen bei derartigen Systemen Weltweite Emissionen und Nahrungskette.
Umweltgase und ihre Ursachen.
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Fleisch und Feinkost | 14. Oktober 2009Fleischforschung international 13
rund 30 bis 50% der gesamten Ent
wicklungskosten aus. Die Automati
sation ist v. a. bei der Schlachtung von Schweinen aufgrund der relativ ein
heitlichen Schlachtkörper (Dänemark) sowie bei den Schafen in Australien und Neuseeland weit fortgeschritten;
bei Rindern sind noch zu wenige fi
nanzkräftige Interessenten vorhanden, so dass die Entwicklung voraussicht
lich erst mit einer Verzögerung von 10 bis 15 Jahren eintreten wird. Beiläufig erwähnte der Referent auch, dass Systeme des Unternehmens Marel exi
stieren, die eine OnlineErfassung des Protein und Fettgehaltes von unter
schiedlichen Sortierungsklassen von Frischfleisch erlauben.
In Dänemark wird v. a. am Danish Meat Research Institut (DMRI) die Erstellung von Robotern für die
Schweineschlachtung und -zerlegung vorangetrieben (L. Hindrichsen). Als Hauptgründe wurden die hohen Lohn
kosten, die harten Arbeitsbedingun
gen, eine bessere Standardisierung (→
höhere Ausbeute) sowie eine verbes
serte Hygiene (→ Messer werden Automatisation bei der Zerlegung und beim Entbeinen (grün: realisiert, rot: in Entwicklung).
Beispiele von Schlachtrobotern aus Dänemark (DMRI) und Deutschland (MRI Kulmbach).
Automatisation im Schlachtprozess: unreiner und reiner Teil (grün: realisiert, rot: in Entwicklung).
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nach jedem Tier automatisch sterili
siert) aufgeführt. Im Bereich der Schlachtung wurden folgende Bei
spiele für die bereits realisierte An
wendung von Robotern genannt: Rei
nigung der PKW, kontrolliertes Ent
bluten (pro Tier werden mind. 3 l Blut abgesogen, um Bewusstlosigkeit zu garantieren), Ausnehmen der Einge
weide (jedes Mal Messer gereinigt → bessere Hygiene), Kopf entfernen (nur Nacken anschneiden oder ganz entfer
nen), Trennen in Schlachthälften. Bei der Zerlegung wurden folgende An
wendungen auch anhand von Kurzfil
men demonstriert (siehe auch www.
dmri.com → «Knowledge about» →
«WebTV» → «Automation»): Grob
zerlegung in drei Teile, Feinzerlegung des Mittelstückes in Nierstück, Brust und Rippen, automatische Zerlegung der Schulter inkl. Entfernen der Kno
chen. Wichtig ist bei der Anwendung in der Praxis, dass die verbleibenden Mitarbeiter entsprechend weitergebil
det werden, so dass sie mit den jewei
ligen Robotern umgehen und diese unterhalten können.
In Deutschland (M. Moje) gelangen in SchweineSchlachtanlagen ver
mehrt auch 6-Achsen-Standard-Robo- ter, wie sie in der Autoindustrie ver
wendet werden, zum Einsatz. Auf
grund der individuellen Ausprägung
der Schlachtkörper sind zusätzlich grosse Rechenleistungen für die Ein
schätzung der Schlachtkörper wie auch die Bedingungen des Schlacht
prozesses (hohe Feuchtigkeit, hoher Durchsatz: bis 600 Schweine/h → Kettengeschwindigkeit von 17 cm/s) zu berücksichtigen. Als bereits reali
sierte Beispiele wurden folgende Anwendungen genannt: Rektum
schneider, Zehen/Klauenkneifer, Schlossöffner, Nackenkneifer und Spaltroboter (Sägen vs. Spalten). Die einzelnen Roboter sind in Schutzhül
len eingepackt, die es sorgfältig zu warten gilt (integriert in üblichen Rei
nigungsprozess, z. T. hinterlüftet).
In einem Kurzvortrag aus Frank
reich (G. Guire) wurde ein Roboter vorgestellt, der mittels Zählen der Rippen und des Anbringens eines
«ZSchnittes» (drei Schnitte: entlang der 13. Rippe, zwischen 5. und 13.
Rippe, Wirbelsäule bei 5. Rippe tren
nen) eine Grobzerlegung von Rinder- schlachtkörpern erlaubt. Die weiteren Entwicklungsschritte werden eine Ver
besserung der Genauigkeit sowie die Berücksichtigung der gesamten Varia
bilität von Rinderschlachtkörpern beinhalten.
R. Hadorn, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP
21.–25. November 2009 | Basel | www.mefa.ch Die Fachmesse für die Fleischwirtschaft
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