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Stoffel, L. (2001). Künstliche Lawinenauslösung. Praxishilfe. Mitteilungen des Eidg. Institutes für Schnee- und Lawinenforschung: Vol. 53 (2nd ed.). Davos: Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung.

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Academic year: 2022

Aktie "Stoffel, L. (2001). Künstliche Lawinenauslösung. Praxishilfe. Mitteilungen des Eidg. Institutes für Schnee- und Lawinenforschung: Vol. 53 (2nd ed.). Davos: Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung."

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Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung, Davos

Mitteilungen Nr. 53, 2001

2. überarbeitete Auflage

Künstliche Lawinenauslösung

Praxishilfe Lukas Stoffel

Herausgeber

Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung, Davos

ISSN 0415-0759

Das Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung gehört zur Eidg. Forschungsanstalt WSL, 8903 Birmensdorf

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Review Extern:

Clo Gregori (Bergbahnen Brämabüel und Jakobshom AG Davos, Leiter Lawinensprengkurs SBS)

Intern:

Barbara Enderli Hans-Jürg Etter Dr. Paul Föhn Stefan Margreth Roland Meister

Zitierung

Stoffel, L., 2001: Künstliche Lawinenauslösung. Praxishilfe. 2. überarbeitete Auflage. Mitt. Eidgenöss. Inst. Schnee- Lawinenforsch. 53: 66 Seiten.

ISSN 0415-0759 ISBN 3-905620-94-4 1. Auflage 1996 2. Auflage 2001

Bezugsadresse

Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung Bibliothek

Flüelastrasse 11 CH-7260 Davos Preis: Fr. 26.-

© Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung, 2001

Umschlag

Schneebrettlawine am Piz Grialetsch, Kanton Graubünden, Schweiz (Photo SLF)

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Inhaltsverzeichnis

Vorw-ort ... 3

Einleitung ... 4

1. Allgemeines zur künstlichen Lawinenauslösung ... 5

1.1 Ziele, Vor- und Nachteile, Problematik ... 5

1.2 Auslösewahrscheinlichkeit einer Lawine ... 6

1.3 Wirkung von Explosivstoffen ... 7

1.4 Sprengwirkung und Wirkungszone ... 9

1.4.1 Einflussfaktoren auf die Sprengwirkung ... 9

1.4.2 Grösse von Wirkungszonen ... 13

1 .5 Berechtigung zum Lawinensprengen ... 14

2. Methoden der künstlichen Auslösung ... 15

2.1 Übersicht und Allgemeines ... 15

2.2 Handsprengungen ... 16

2.3 Helikoptersprengungen ... 17

2.4 Armeewaffen: Raketenrohr und Minenwerfer 8.1 cm oder 12 cm ... 18

2.5 Sprengseilbahn ... 19

2.6 Gasex ... 20

2.7 Lawinensprenganlage Doppelmayr (Lawinenorgel) ... 21

2.8 Lawinen-Sprengmast Wyssen ... 22

2.9 Avalancheur ... 23

2.1 0 Weitere Methoden ... 23

3. Statistik „Künstliche Lawinenauslösung Schweiz" ... 24

3.1 Zahlen zur künstlichen Lawinenauslösung ... 24

3.1.1 Art der Dienste und Einsatzgebiete ... 24

3.1.2 Angewandte Methoden und Sprengstoffverbrauch ... 24

3.1.3 Erfolgsquoten der Methoden ... 27

3.1.4 Aufwand künstliche Lawinenauslösung Schweiz pro Jahr ... 28

3.1.5 Nutzen ... 29

3.2 Künstliche Lawinenauslösung im Lawinenwinter 1998/99 ... 29

3.2.1 Einsätze während der Grossschneefälle 1999 ... 29

3.2.2 Bewährung ... 32

4. Restrisiko ... 34

4.1 Allgemeines zum Risiko ... 34

4.2 Restrisiko bei Sprengeinsätzen ... 34

4.3 Restrisiko nach Sicherungsaktionen ... 39

4.4 Übriges Restrisiko bei der Sicherung eines Gebietes ... 40

5. Sicherungskonzept ... 41

5.1 Sicherungskonzepte für temporäre Massnahmen ... 41

5.2 Sicherungskonzept: Künstliche Auslösung im Lawinenzug X ... 42

(4)

6.2 Wann und wo? ... 44

6.2.1 Beurteilung der aktuellen Lawinensituation, Entscheid Sprengeinsatz ... 44

6.2.2 Sprengzeitpunkt und Anrissgebiete ... 47

6.3 Wie? ...... 50

6.3.1 Methode ... 50

6.3.2 Ort der Sprengpunkte ... 50

6.3.3 Anzahl Sprengpunkte ... 51

6.4 Ablauf? ... 52

6.4.1 Sicherungsaktion ... 52

6.4.2 Sicherheitsmassnahmen ... 52

6.5 Wie weiter? ... 53

6.5.1 Überprüfung des Sprengresultates ... 53

6.5.2 Positive Sprengungen ... 53

6.5.3 Negative Sprengungen ... 53

6.5.4 Folgerungen aus Sprengungen, Auswirkungen auf den Sprengeinsatz ... 54

6.5.5 Weitere Massnahmen ... 55

6.6 Protokolle, inkl. Sprengprotokoll ... 55

7. Merkpunkte Künstliche Lawinenauslösung bei Grossschneefällen ... 56

Begriffe ... 59

Literatur ... 61

Anhang ... 63

Anhang 1: Beurteilung der Lawinensituation (Neuschneesituation) ... 63

Anhang 2: Checkliste Sprengeinsatz ... 64

Anhang 3: Beispiel eines Sprengprotokolls ... 65

Anhang 4: Tabelle „Vor- und Nachteile der Methoden" ... 66

(5)

3

Vorwort

Zum Lawinenwinter 1999 und zur aussergewöhnlichen Lawinensituation im Februar desselben Jahres hat das Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Da- vos einen Grundlagenbericht zuhanden des Eidg. Departements für Umwelt, Ver- kehr, Energie und Kommunikation UVEK verfasst (SLF 2000). Dieser Bericht analy- siert unter anderem, wie verschiedene Lawinenschutzmassnahmen eingesetzt wur- den und wie sie sich bewährt haben. Während der Ereignisse im Februar 1999 war bereits deutlich geworden, dass den sogenannten organisatorischen oder temporä- ren Massnahmen inskünftig eine noch grössere Bedeutung beigemessen werden muss. In diese Massnahmenkategorie fällt neben der eigentlichen Lawinenwarnung auch die Evakuierung von Siedlungsteilen, das Sperren von Verkehrswegen und die künstliche Lawinenauslösung.

Das künstliche Auslösen von Lawinen hat sich auch während der drei starken Schneefallperioden im Februar 1999 grundsätzlich bewährt. Vielerorts konnten mög- liche Grosslawinen durch ein zeitlich gestaffeltes und gezielt beeinflusstes Auslösen verhindert werden. Allerdings kam es dabei auch zu bedeutenden Sachschäden und in einigen Fällen konnten Personenschäden nur mit grossem Glück vermieden wer- den. Diese Schadenfälle und Beinahe-Katastrophen haben zu intensiven Diskussio- nen in der Öffentlichkeit geführt und den Einsatz der künstlichen Lawinenauslösung auch in Frage gestellt.

Das SLF hat sich deshalb entschlossen, die aus dem Jahr 1996 stammende SLF- Mitteilung Nr. 53 „Künstliche Lawinenauslösung - Hinweise für den Praktiker'' von Lukas Stoffel unter Einbezug der seither gemachten Erfahrungen zu überarbeiten und in Form der vorliegenden Praxishilfe neu herauszugeben. Die SLF-Mitteilung wendet sich in erster Linie an Sicherheits-Verantwortliche und an Pisten-Patrouil- leure, die mit der Methode der künstlichen Auslösung Sicherungsmassnahmen er- greifen.

Bei der Ausarbeitung der vorliegenden Praxishilfe haben über hundert Lawinen- Sicherheitsverantwortliche aus verschiedenen Wintersportgebieten ihre Erfahrungen eingebracht. Ihnen sei herzlich dafür gedankt. Ein besonderer Dank gilt Herrn Clo Gregori, Leiter des Lawinensprengkurses der Seilbahnen Schweiz SBS, für die wert- vollen Anregungen. Danken möchte ich auch dem Review-Team des SLF unter der Leitung von Dr. Paul Föhn für die kritische Durchsicht des Manuskriptes.

Davos, im August 2001 Dr. Walter J. Ammann Institutsleiter

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Einleitung

Für die Sicherung eines Gebietes sind die ständige Beurteilung der Lawinensituation und das rechtzeitige Treffen und Durchführen von Massnahmen entscheidend. Kennt- nisse zur Sprengwirkung sind wichtig, um Sprengeinsätze planen und durchführen zu können. Die Aussagen zur Sprengwirkung beziehen sich auf bestehende Erkenntnisse.

Die wichtigsten Erkenntnisse sind auch aus den Unterlagen des Lawinensprengkurses der Seilbahnen Schweiz ersichtlich. Die Praxishilfe stellt eine Vorversion einer mögli- chen Richtlinie „Künstliche Lawinenauslösung" dar.

Dem Praktiker wird empfohlen, mit den Kapiteln 1 „Allgemeines zur künstlichen La- winenauslösung", dem Kapitel 6 „Empfehlungen für Sprengeinsätze" und dem Kapi- tel 7 „Merkpunkte Künstliche Lawinenauslösung bei Grossschneefällen" zu beginnen.

In den Kapiteln 1.1-1.4 wird die Theorie behandelt, während die Kapitel 6 und 7 praktische Empfehlungen geben.

Zahlen zur künstlichen Lawinenauslösung in der Schweiz und Informationen zu Sprengeinsätzen im Lawinenwinter 1998/99 sind in Kapitel 3 zu finden. In Kapitel 4 wird auf das Restrisiko eingegangen.

Für die Planung von Sprengeinsätzen sind in Kapitel 2 die Methoden der künstlichen Auslösung beschrieben, während in Kapitel 5 wesentliche Aspekte von Sicherungs- konzepten ersichtlich sind.

Die wichtigsten Erkenntnisse sind jeweils in Stichworten am Ende der Abschnitte eingerahmt dargestellt.

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Abb. 1: Künstlich ausgelöste Lawine zur Sicherung der Flüelapassstrasse, 26.2.1999. Foto:

SLF.

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Al/gemeines zur künstlichen Lawinenauslösung 5

1. Allgemeines zur künstlichen Lawinenauslösung

Die künstliche Lawinenauslösung ist bei Lawinengefahr die Standardmethode zur temporären Sicherung von Skigebieten. Sie wird auch zur Sicherung von Verkehrs- wegen und in Einzelfällen von Siedlungsbereichen verwendet. Die Einsatzorte unter- scheiden sich dadurch, dass in Skigebieten in der Regel eher kleine Lawinen mit ei- ner kleinen Wiederkehrdauer zu sichern sind, während es sich bei Siedlungen und Verkehrswegen im Tal meist um Grosslawinen (Tallawinen) mit einer mittleren bis grossen natürlichen Wiederkehrdauer handelt.

Für die künstliche Lawinenauslösung sind die Wahl des Sprengzeitpunktes und der Anrissgebiete, die erzeugte Sprengwirkung und der Ablauf der Sicherungsaktion ent- scheidend. Personen dürfen durch künstlich ausgelöste Lawinen nicht gefährdet werden und das mögliche Schadenpotenzial ist zu berücksichtigen. Sprengungen sind auf ihre Wirksamkeit zu beurteilen, bevor weitere Massnahmen beschlossen werden. Eine wesentliche Änderung der Lawinensituation macht eine Neubeurteilung der Gesamtsituation notwendig.

1.1 Ziele, Vor- und Nachteile, Problematik

Die künstliche Lawinenauslösung hat zum Ziel, bei Lawinengefahr mögliche Anrissge- biete, Sturzbahnen und Ablagerungsgebiete temporär zu sichern und längere Sperrzei- ten zu vermeiden. Temporäre Sicherung bedeutet, dass nach durchgeführten Spren- gungen die Wahrscheinlichkeit, dass Lawinen als gesichert geltende Zonen erreichen, für eine begrenzte Zeit klein ist. Durch die Auslösung mehrerer kleiner Lawinen mit kei- ner, allenfalls geringer Schadenwirkung können unter Umständen spontane Grosslawi- nen mit einem bedeutenden Schadenausmass vermieden werden.

Vorteile

- Sprengungen sind Tests der Schneedeckenstabilität im Anrissgebiet; sie ergeben Anhaltspunkte über die Anbruchwahrscheinlichkeit von Lawinen

- Lawinenabgang wird zu einem bestimmten Zeitpunkt angestrebt

- kleinere Lawinen bei regelmässigen, der Situation angepassten Sprengeinsätzen und entsprechenden Auslösungen

Nachteile

- gewisser, unter Umständen grosser Personalaufwand, Kosten durch Sicherungs- aktion und durch mögliche Schäden, Versicherungsproblematik, mögliche Rechtsfolge bei Schadenereignis

- durch Lawinenabgänge wird die Sturzbahn ausgestrichen; zu einem späteren Zeitpunkt abgehende Lawinen können dank besseren Abflussbedingungen grös- sere Auslaufstrecken erreichen

- durch vorhandene Lawinenablagerungen können Lawinen abgelenkt werden und in nicht erwartete Auslaufbereiche vorstossen

Problematik

- schwierige Beurteilung der aktuellen Lawinensituation im Einzelhang Abschätzung der möglichen Auslaufstrecke und des Schadenpotenzials Überwachung des abgesperrten Gebietes

Überprüfung des Sprengresultats, Beurteilung der Wirksamkeit und weitere Massnahmen nach der Sprengung

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Restrisiko

- die ausgelöste Lawine hat ein grösseres Ausmass als erwartet

- Sekundär- oder Fernauslösungen von weiteren Lawinen sind möglich - Sicherheit der Sprengpatrouille bei Arbeiten im Gelände

- spontane Abgänge nach negativen Sprengungen

Ziele der künstlichen Lawinenauslösung

- temporäre Sicherung eines lawinengefährdeten Gebietes, geringeres Verschüt- tungsrisiko von Personen

- Verkürzung von Sperrzeiten

- Vermeidung von möglichen spontanen Grosslawinen durch die Auslösung mehre- rer kleiner Lawinen

Abb. 2: Anriss einer künstlich ausgelösten Lawine auf Pischa, Davos, 27.2.1999. Anriss in einer Kammlage, Anrissmächtigkeit ca. 2-2.5 m. Foto SLF.

1.2 Auslösewahrscheinlichkeit einer Lawine

Bei einer Schneebrettlawine bricht eine ganze Schneetafel ab. Dazu muss eine min- destens leicht verfestigte Schneeschicht, die Kräfte über grössere Distanzen übertra- gen kann, auf einer schwachen, meist sehr dünnen, Schicht liegen. Typische Schwach- schichten sind eingeschneite Oberflächenreifschichten, dünne und stark aufgebaute, ehemals an der Oberfläche gelegene Altschneeschichten, Schwimmschnee sowie schwache Verbindungen mit Harschschichten. Es muss sich um ausgedehnte Sehwachschichten handeln. Falls vom Alt- zum Neuschnee eine schwache Verbindung besteht, ist die Auslösewahrscheinlichkeit ebenfalls erhöht (Schichtgrenze Alt- zu Neu- schnee).

Falls sich unter Triebschneeablagerungen wenig verfestigte Schneeschichten befin- den, kann es auch zur Bildung einer Schneebrettlawine kommen. Bei Triebschneeab-

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Al/gemeines zur künstlichen Lawinenauslösung 7 lagerungen lagert sich durch Wind transportierter Schnee an windgeschützten Stellen ab. Dies geschieht meist während oder unmittelbar nach Niederschlägen, ist aber bei starkem Wind auch in niederschlagsfreier Zeit möglich. Schneetransport beginnt bei lockerem Neuschnee etwa ab Windgeschwindigkeiten von 20 km/h, umfangreichere Schneeverfrachtungen treten ab ca. 50 km/h auf (Salm 1982). Etwas festerer Schnee wird ab Windgeschwindigkeiten von ca. 40 km/h verfrachtet. Triebschneeablagerungen sind meist kompakt, dicht und spröd.

Nach einem Lawinenabgang ist eine Gleitfläche vorhanden. Bei nachfolgenden Schneefällen ist die Auslösewahrscheinlichkeit von Lawinen auf der alten Gleitfläche generell eher erhöht. Es können aber auch Sehwachschichten mitgerissen werden, was bei erneuten Schneefällen die Auslösewahrscheinlichkeit von Oberlawinen re- duzieren kann.

Ein Grossteil der Schneebrettlawinen tritt bei Hangneigungen von 3Q-45 ° auf. Bei Neigungen über 50 ° sind grosse Schneebrettlawinen infolge häufiger Entladung wäh- rend der Schneefälle selten. Während Grossschneefällen kann es aber auch in sehr steilen Anrissgebieten um 50 ° zu Schneeakkumulationen und zu Abgängen kommen.

Im Neigungsbereich von ca. 27-30 ° kann sehr viel Schnee abgelagert werden, bevor es zur Lawinenbildung kommt. Unter Umständen können Grosslawinen oder gar Ka- tastrophenlawinen entstehen.

Eine Zusatzbelastung (u. a. Sprengungen), wie auch eine Abnahme der Festigkeit (z.B. infolge Temperaturanstieg) bewirken eine Abnahme der Schneedeckenstabilität, was einen Bruch ergeben kann. In einer Sehwachschicht muss es nach lnitialbrüchen (Scherbrüchen) zu einer Bruchfortpflanzung kommen, was den Zugriss an der Anriss- stelle erzeugt. lnitialbrüche können irgendwo im Anrissgebiet entstehen. Entscheidend ist auch die Schnelligkeit einer Einwirkung. Schnelle Einwirkungen wie Sprengungen führen eher zu einem Bruch. In den nächsten Kapiteln wird die Zusatzbelastung durch Sprengungen detailliert erläutert.

Zu beachten ist, dass ein Anrissgebiet nur auf die durch die Sprengungen erzeugte Zusatzbelastung getestet ist. Im Einsatz stehende Pistenfahrzeuge belasten die Schneedecke stark, resp. können auch nach der Überprüfung der Schneedecke mit- tels Sprengungen zum Bruch eines schwachen Schneedeckenfundamentes und zu einer Lawinenauslösung führen. Im Hangfussbereich können Pistenfahrzeuge oder Schneesportler beim Vorhandensein einer ausgedehnten Sehwachschicht im Hang ebenfalls eine Auslösung bewirken (Fernauslösung).

Bezüglich der Auslösewahrscheinlichkeit einer Schneebrettlawine sind folgende Faktoren wichtig:

- leicht verfestigte Schneeschicht auf einer Sehwachschicht oder Schichtgrenze - Hangneigung ca. 28-45 °

- Zusatzbelastung durch Neuschnee, Sprengung, Schneesportler, Pistenfahrzeug oder Abnahme der Festigkeit

Das künstliche Auslösen von Nassschneelawinen ist schwierig (vgl. Kap. 6.2.2).

1.3 Wirkung von Explosivstoffen

Während einer Detonation wird Sprengstoff unter Wärmeentwicklung schlagartig in Gas umgewandelt. Die sich ausbreitende Druckwelle bewirkt eine bedeutende Zu- satzbelastung auf die Schneedecke. Die Zusatzbelastung stellt einen Test der

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Schneedeckenstabilität dar (Abb. 3, 4), was zur Lawinenauslösung, das heisst einer positiven Sprengung, führen kann. Falls keine Lawine ausgelöst wird, wird von einer negativen Sprengung gesprochen (vgl. Kap. 6.5).

Es ist zwischen Sprengungen über der Schneedecke (Überschneesprengungen), Sprengungen auf der Schneeoberfläche (Oberflächensprengungen) und Sprengun- gen in der Schneedecke zu unterscheiden. Überschnee- und Oberflächensprengun- gen erzeugen eine Druckwelle, die aus der Luft grossflächig auf die Schneedecke wirkt.

Wirkung von Explosivstoffen:

Stabilitätstest der Schneedecke

Positive Sprengung: Negative Sprengung:

Lawinenauslösung Keine Auslösung

Abb. 3: Wirkung von Explosivstoffen.

Überschnee- und Oberflächensprengungen weisen eine relativ kleine Tiefenwirkung in die Schneedecke auf. Bei trockenem Neuschnee muss mit einer starken Ab- schwächung der Zusatzbelastung im obersten halben Meter gerechnet werden (Johnson 1982), was nicht heisst, dass bei einem Anriss keine grösseren Anrisshö- hen entstehen können. Grosse Ladungen führen vor allem lokal zu einer grösseren Tiefenwirkung als kleinere Ladungen. Sprengungen in der Schneedecke sind in ihrer Wirkung grösstenteils auf den Kraterbereich beschränkt.

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Abb. 4: Sprengung mittels Sprengseilbahn am Schaf/äger, Skigebiet Parsenn, Davos. Foto:

SLF.

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Al/gemeines zur künstlichen Lawinenauslösung 9

1.4 Sprengwirkung und Wirkungszone

Unter der Sprengwirkung versteht man die Grösse der künstlich erzeugten Zusatzbe- lastung, die bei Stabilitätsbetrachtungen zum Eigengewicht der Schneedecke zu addie- ren ist (Salm 1982). Die Sprengwirkung nimmt mit zunehmendem Abstand vom Sprengpunkt ab (Abb. 5). Der Sprengpunkt bezieht sich auf den Ort im Gelände, an dem gesprengt wird.

Die Wirkungszone einer Sprengung ist diejenige Kreisfläche um den Sprengpunkt, innerhalb welcher die erzeugte Zusatzbelastung eine bestimmte Mindestgrösse auf- weist. Wirkungszonen werden für die Beurteilung negativer Sprengungen sowie für die Erarbeitung von Sicherungskonzepten gebraucht.

Sprengwirkung

Abnehmende Wirkung

?/1~ Sprengpunkt

Wirkungszone einer Sprengung

Abb. 5: Sprengwirkung und Wirkungszone.

1.4.1 Einflussfaktoren auf die Sprengwirkung

z.B. 40 m

Distanz vom Sprengpunkt

Die vier wichtigsten Einflussfaktoren auf die Sprengwirkung sind der Sprengpunkt, die Sprengpunkthöhe, die Ladungsgrösse und der Sprengstofftyp.

Für einen günstigen Sprengpunkt ist der Einfluss des Geländes zu beachten. Berei- che, die von der Sprengladung aus nicht eingesehen werden können, befinden sich im Druckschatten der Luftdruckwelle (Abb. 6). Eine direkte Zusatzbelastung auf die Schneedecke wird dort nicht erzeugt, der Bereich liegt ausserhalb der Wirkungszone.

Lawinenauslösungen sind dort infolge Bruchfortpflanzung allenfalls trotzdem möglich, ebenso Setzungserscheinungen, sogenannte „Setzungsbrüche".

Die Sprengpunkthöhe (Überschnee- oder Oberflächensprengung, Sprengung im Schnee) hat einen sehr grossen Einfluss auf die Sprengwirkung. Bei trockenem Neu- schnee werden die grössten Wirkungszonen mit Überschneesprengun9.en erreicht.

Im Vergleich zur Oberflächensprengung wird der Wirkungsradius mit Uberschnee- sprengungen deutlich vergrössert (bis ca. Faktor 2-2.5), wobei die Wirkung im Sprengpunktbereich (Radius bis 5-10 m) kleiner ist als bei Oberflächensprengungen.

Sprengungen in der Schneedecke erzeugen kleine Wirkungszonen.

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Die Sprengpunkthöhe bezieht sich auf die Lage der Sprengladung in Bezug zur Schneeoberfläche. Die kleinste Distanz zur Schneeoberfläche ist massgebend. Bei Überschneesprengungen soll der Sprengpunkt ca. 0.5 m bis max. 3-4 m über der Schneeoberfläche liegen, dies je nach Ladungsgrösse, Schneesituation und Gelände.

Die Ladungsgrösse hat einen grossen Einfluss auf die Sprengwirkung. Grosse La- dungen führen zu einer grösseren Sprengwirkung und ergeben grössere Wirkungs- zonen.

Eine Verdoppelung der Ladungsgrösse beispielsweise von 2.5 kg auf 5 kg ergibt eine Zunahme des Wirkungsradius um 3Q-40 %, während die Sprengwirkung ungefähr um den Faktor 1.5 grösser wird.

In der Schweiz werden gegenwärtig die Lawinensprengstoffe Alpinit (Slurry-Spreng- stoff), Gamsit, Gelamon (Gelatinesprengstoffe) und Tovex Avalanche (Wassergel- Sprengstoff) verwendet. Bezüglich der Sprengwirkung bestehen bei den erwähnten Sprengstofftypen keine grossen Unterschiede. Die Wirkung von Lawinenspreng- stoffen wird primär durch die gemessene Explosionswärme bestimmt, wobei die De- tonationsgeschwindigkeit unter Einschluss über ca. 4'000 m/s liegen soll (Erkenntnis- stand Oktober 2000). Neben der Leistungsfähigkeit sind vor allem auch die Handha- bungssicherheit und die Funktionstüchtigkeit, beispielsweise der Einfluss tiefer Tem- peraturen, zu beachten.

Die Sprengwirkung ist von folgenden Einflussfaktoren abhängig:

- Sprengpunkt

- Sprengpunkthöhe (Überschnee-, Oberflächensprengung, Sprengung im Schnee) - Ladungsgrösse in kg

- Sprengstofftyp

Tab. 1: Einflüsse der Ladungsgrösse und der Sprengpunkthöhe auf den Wirkungsradius.

Kriterien Wirkungsradius bei

trockenem Neuschnee

Ladungsgrösse Ausgangsgrösse 100%

Eineinhalbfach (1.5x) 120%

Verdoppelung (2x) 130-140 %

Verdreifachung (3x) 150-170 %

Sprengpunkthöhe Oberflächensprengung 100%

Überschneesprengung, + 2-3.5 m 200-250 % (ca. + 2-2.5 m für 1.5-2.5 kg,

ca. + 3-3.5 m für 4-5 kg)

Überschneesprengung, + 1 m 150%

Sprengung im Schnee, ca. - 0.7 m 25%

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Al/gemeines zur künstlichen Lawinenauslösung

Druck- schatten

Wirkungszone Druckschatten hinter Rippen (Hangquerschnitt)

Druck- schatten

Wirkungszone Druckschatten Wirkungszone Druckschatten bei konvexen Geländeformen (Geländekanten)

Einfluss Sprengpunkthöhe (Längsschnitt)

Abb. 6: Druckschattenwirkung hinter Rippen und in konvexen Geländeformen.

Abb. 7: Helikoptersprengung zur Sicherung der Flüelapassstrasse, 26.2.1999. Foto: SLF.

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Besonderheiten der Sprengwirkung von Rak-Rohr- und Minenwerfergranaten Granaten dieser Waffen erreichen dann eine genügende Wirkung, wenn sie leicht über, auf oder bei einem Eindringen in den Schnee sehr nahe an der Oberfläche detonieren.

Neben der Zünderempfindlichkeit ist dies vor allem von der Zielwahl abhängig, die je- doch durch die Treffgenauigkeit beeinträchtigt ist. Die Rak-Rohr-Granate weist mit einer flachen Flugbahn eine bessere Treffgenauigkeit auf als die Granaten der Minenwerfer.

Die Zünderempfindlichkeit gibt an, welcher Widerstand einer Granate entgegenge- setzt werden muss, bis sie detoniert. Die Hohlpanzergranaten HPz 89 des Rak-Rohrs haben eine wesentlich höhere Zünderempfindlichkeit als die Wurfgranaten der Minen- werfer. Insbesondere beim 12 cm Minenwerfer geschieht die Auslösung des Zünders möglicherweise erst beim Erreichen des Bodens, was einer schlechten Sprengpunkt- höhe entspricht. Rak-Rohr-Granaten dringen bei trockenem Neuschnee vor der Deto- nation ebenfalls beträchtlich in die Schneedecke ein.

„Harte" Ziele sowie Ziele mit einer geringen Gesamtschneehöhe und oft auch einer kleineren Neuschneehöhe führen zu einer besseren Sprengwirkung. Als harte Ziele können Felsen im und unmittelbar oberhalb des Anrissgebietes sowie Stellen mit wind- gepresstem Schnee bezeichnet werden.

Abb. 8: Beispiel zu unterschiedlichen Sprengwirkungen und deren Resultaten: Sicherungs- aktion Weissf/uh-Ostflanke, Parsenn, Davos. Foto: SLF.

1) Beschuss der beiden Rak-Ziele (R), Resultat: negative Sprengungen.

2) Absenken einer 2 kg-Ladung aus Luftseilbahn (LWW), Überschneesprengung (Sp), Re- sultat: Auslösung der Lawine L 1 und der Sekundärlawinen L2 bis L5.

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Al/gemeines zur künstlichen Lawinenauslösung 13

1.4.2 Grösse von Wirkungszonen

Bezüglich der Grösse der Wirkungszonen sind die Zone der Anbruchsicherheit und die Zone der Begehungssicherheit zu unterscheiden:

- anbruchsicher bezieht sich für einen begrenzten Zeitraum auf die Sicherheit ge- genüber einer natür~ichen Auslösung. Infolge einer kleineren Neuschneemenge oder einem kleineren Temperaturanstieg muss in der Regel nicht mit einer Auslö- sung gerechnet werden (Zusatzbelastung am Rand der Wirkungszone ca. 400 Pa).

- begehungssicher bedeutet, dass durch eine Skifahrerbelastung für eine be- grenzte Zeit im Allgemeinen keine Auslösung zu erwarten ist; begehungssicher gilt für eine einzelne Person (Zusatzbelastung am Rand ca. 1 '500 Pa).

Für die Begehungssicherheit ergeben sich somit kleinere Radien als für die Anbruchsi- cherheit. Falls die Anrissgebiete oberhalb dem zu sichernden Gebiet von Variantenfah- rern befahren werden können, ist auf die Begehungssicherheit zu sichern.

Aufgrund von SLF-Messungen (Gubler 1983) sowie von am SLF durchgeführten Be- rechnungen können für trockenen Neuschnee die Wirkungsradien gemäss Tab. 2 an- genommen werden. Der Wirkungsradius einer Oberflächensprengung von 1.5-2.5 kg beträgt für die Anbruchsicherheit ca. 35-40 m, für die Begehungssicherheit 20-25 m.

Bei den üblichen Ladungsgrössen von 1.5-5 kg erreichen Überschneesprengungen von 4-5 kg mit Sprengpunkthöhen von 3-3.5 m die grössten Wirkungszonen: Der Wir- kungsradius der Anbruchsicherheit misst ca. 120-130 m, bei Begehungssicherheit wird ca. 70 m erreicht. Sprengungen im Schnee weisen mit zunehmender Einsinktiefe sehr kleine Wirkungszonen auf (Radius ca. 1 O m). Mit Sprengungen aus dem Helikopter mit 5 kg Ladungen wird ein Gebiet von rund 50 m Durchmesser auf die Begehungssicher- heit getestet. Gasex Detonationen mit einem Volumen von 1.5 m3 erreichen ungefähr den Wirkungsbereich einer 7 kg Sprengladung mit einer Sprengpunkthöhe von ca. 3 m.

Tab. 2: Ungefähre Radien der Wirkungszonen bei trockenem Neuschnee, Durchschnittswerte für gleichförmige Hänge.

Sprengpunkthöhe Ladungs- Radius Radius

grösse Anbruchsicherheit Begehungssicherheit Überschneesprengung (+ 3-3.5 m) 4-5kg 120--130 m 70m

Überschneesprengung(+ 2-2.5 m) 1.5-2.5 kg 80--90 m 50m Überschneesprengung (ca. + 1 m) 4-5 kg 80--90 m 50m Überschneesprengung (ca. + 1 m) 1.5-2.5 kg 60--70 m 35-40 m

Oberflächensprengung 4-5kg 50--60 m 30-35 m

Oberflächensprengung 1.5-2.5 kg 35-40 m 20-25 m

Sprengung im Schnee (ca. - 0.2 m) 4-5 kg 40m 25m

Sprengung im Schnee (ca. - 0.2 m) 1.5-2.5 kg 25m 15m

Sprengung im Schnee (- 0.7 m) 1.5-5 kg 10m 5-10m

Minenwerfer 12 cm (0 m) 3 kg 40m -

Rak-Rohr 8.3 cm (0 m) 0.7kg 20--25 m 10-15 m

Minenwerfer 8.1 cm (0 m) 0.6 kg 15-20 m 10m

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Die Grösse der erreichten Wirkungszonen darf je nach Situation nicht überschätzt werden:

- Druckschatten: Bereiche, die von der Sprengladung aus nicht eingesehen werden können, befinden sich im Druckschatten der Luftdruckwelle und daher ausserhalb der Wirkungszone.

- Effektive Sprengpunkthöhe: Falls sie kleiner ist als geplant, ist die Wirkungszone kleiner, z. B. Sprengung im Schnee statt an der Oberfläche. Bei Überschneespren- gungen ist zu beachten, dass die Wirkung auf den Sprengpunktbereich mit zuneh- mendem Abstand von der Schneeoberfläche abnimmt.

Mit den folgenden einfachen Regeln kann die Grösse der erreichten Wirkungszone grob abgeschätzt werden:

- Je heller der Knall, umso grösser die Wirkungszone und je dumpfer der Knall, umso kleiner die Wirkungszone. Ein dumpfer Knall deutet auf eine Sprengung im Schnee hin.

- Ein flacher, oberflächlicher Krater deutet auf eine grosse Wirkungszone, während eine grosse Schneefontäne auf einen tiefliegenden Krater und eine kleine Wir- kungszone schliessen lässt.

Wirkungszonen

- die Wirkungszone der Anbruchsicherheit ist grösser als die Wirkungszone der Be- 9.ehungssicherheit

- Uberschneesprengungen erzeugen grosse Wirkungszonen

- Grösse von Wirkungszonen nicht überschätzen: Druckschattenproblematik, Abwei- chung von geplanter Sprengpunkthöhe

1.5 Berechtigung zum Lawinensprengen

Zur Lawinensprengung ist berechtigt, wer den Sprengausweis Lawinen besitzt, den das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT, früher BIGA) an Absolventen des Lawinensprengkurses der Seilbahnen Schweiz (SBS) nach bestandener Prüfung abgibt. Der Ausweis ist unbefristet gültig. Um für Sprengarbeiten berechtigt zu sein, muss seit 2001 alle 5 Jahre zusätzlich eine ergänzende Schulung besucht werden.

Jede Lawinensprengung muss von einem Sprengberechtigten geleitet werden. Ob eine Sprengarbeit ein erhöhtes Schadenrisiko beinhaltet, muss vom Sprengberechtigten selbst beurteilt werden. Der Sprengberechtigte trägt die Verantwortung für die Vorberei- tung und Ausführung von Sprengarbeiten (vgl. Sprengstoffverordnung, Art. 93, Abs. 1 ).

Bei erhöhtem Schadenrisiko ist ein ausgewiesener Fachmann beizuziehen. Ausgewie- sene Fachleute im Sinne des Gesetzes sind solche, welche sich in der Praxis an schwierigen, dem Auftrag entsprechenden Aufgaben mehrfach bewährt haben. Mit dem Lawinensprengausweis sind Sprengungen von Schneemassen mit Ladungen bis zu 15 kg gestattet; die Anzahl der Ladungen kann dabei frei gewählt werden.

Der Umgang mit Sprengstoffen ist im Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stof- fe geregelt (Sprengstoffgesetz, 25.3.1977; Sprengstoffverordnung, revidierte Fas- sung 1.2.2001). Im weiteren sind die BBT-Unterlagen Wegleitung Lawinensprengen, der Planungsbehelf Beurteilung des Schadenrisikos bei Sprengarbeiten und der Leit- faden „Vom Sprengkurs zur Sprengarbeit" zu beachten. Bezüglich dem Transport (SDR-Vorschriften) und der Lagerung von Sprengstoffen bestehen ebenfalls Vorschriften.

(17)

Al/gemeines zur künstlichen Lawinenauslösung 15

Zum Lawinensprengkurs ist zugelassen, wer mit Erfolg die Zentralkurse A „Patrouilleur- Grundausbildung" und B „Ausbildung Lawinenkunde und -Rettung" der SBS abge- schlossen hat. Mitglieder von Gemeindelawinendiensten und Tiefbauämtern können direkt den B-Kurs der SBS absolvieren, falls die Eintrittsprüfung bestanden wird und eine Samariterausbildung vorhanden ist.

Für die Bedienung von Rak-Rohren und Minenwerfern ist eine durch die Armee ausgestellte Berechtigung notwendig. Zivile Kurse finden im Infanterie-Ausbildungs- zentrum Walenstadt statt. Der Einsatz mit dem Rak-Rohr oder dem Minenwerfer muss von einer Person mit dem Lawinensprengausweis SBS geleitet werden.

Wer Lawinensprengungen mit Geräten und Anlagen wie Sprengseilbahnen, Spreng- masten usw. durchführen will, muss für die Bedienung der Geräte ausgebildet sein. Für die Erstausbildung ist die Lieferfirma des Gerätes verantwortlich. Sie darf nur Personen ausbilden, die für das Lawinensprengen berechtigt sind (BBT 2001, gilt auch für das Gasex-System).

Berechtigung zum Lawinensprengen nach folgenden, erfolgreichen Kursteilnahmen:

Lawinensprengungen

- für Patrouilleure: Absolvierung Zentralkurse A und B der Seilbahnen Schweiz (SBS);

für Personen von Gemeindelawinendiensten und Tiefbauämtern: Zentralkurs B - zusätzlich für alle: Lawinensprengkurs SBS, inkl. Prüfung - Sprengausweis Lawi-

nen; um sprengberechtigt zu bleiben, muss alle 5 Jahre eine ergänzende Schulung besucht werden

Lawinensprengungen mit Armeewaffen

- Rak-Rohr- oder Minenwerferkurs - Ausweis Benützung von Armeewaffen zusätzlich eine Person mit dem Sprengausweis Lawinen

2. Methoden der künstlichen Auslösung

2.1 Übersicht und Allgemeines

Folgende Methoden werden zur Zeit in der Schweiz verwendet:

Handsprengungen Helikoptersprengungen

Armeewaffen: Rak-Rohr, Minenwerfer 8.1 cm oder 12 cm Sprengseilbahn

Gasex (franz. Gaz. Ex)

Lawinensprenganlage Doppelmayr (Lawinenorgel) Lawinen-Sprengmast Wyssen

Avalancheur

Weitere Methoden z. B. Gratausleger

Zur Beurteilung der Methoden sind folgende Kriterien wichtig:

Sicherheit der Patrouille, Sprengwirkung, Reichweite, Einsetzbarkeit in Abhängigkeit der Sicht- und Wetterverhältnisse, Ausführungszeit (Vorbereitungszeit und Einsatz), Kosten.

Für den Vergleich der Methoden siehe auch Kap. 5.2 und Anhang 4.

(18)

2.2 Handsprengungen

Handsprengungen umfassen das Werfen von Einzelladungen von einem sicheren Standort aus (Handwurfladungen). Der gesicherte Wurf ist vom ungesicherten zu un- terscheiden. Ladungsgrössen von 1.5-2 kg sind weit verbreitet.

Beim „Wurf gesichert'' ist die Ladung an einer Schnur befestigt (Abb. 9). Die geworfene Ladung kann an die Schneeoberfläche zurückgezogen oder günstiger positioniert wer- den. Das Abgleiten von Ladungen auf einer harten Schneeoberfläche wird ebenfalls vermieden. Falls ein Versager, das heisst eine nicht detonierte Ladung auftritt, kann diese zurückgezogen werden.

Beim „Wurf ungesichert" wird die Ladung ins Anrissgebiet geworfen. Die Ladung ist mit einer Doppelzündung, das heisst mit zwei Sprengkapseln und zwei Sicherheitsanzünd- schnüren (neuer Begriff für Zeitzündschnur) zu versehen.

Eine Ladung zu 2 kg kostet ca. Fr. 15-20.-.

Tab. 3: Vor- und Nachteile von Handsprengungen.

Vorteil Nachteil

- unabhängig vom Wetter, Sprengpatrouilleu- - je nach Gelände Probleme mit der Sicher- re müssen aber in vielen Fällen Betriebs- heit der Sprengpatrouilleure

fahrten mit Bahnen machen können - kleine Sprengwirkung, falls die Ladung im - Sprengpunkte können der Situation ange- Neuschnee einsinkt

passt gewählt werden - mögliches Abrutschen von Ladungen - geringe Kosten, keine Installationen - kleine Wurfweiten von ca. 20-30 m

- qrosser Personal- und Zeitaufwand

Falls Wächten zu sprengen sind, wird oft die Grabensprengung in Kombination mit über die Wächte heruntergehängten Ladungen angewendet. Die Ladungen sind dabei mittels Sicherheitsanzündschnur und Sprengschnur (neuer Begriff für Knallzündschnur) gleichzeitig zu zünden.

Für die Grabenspren~ung (auf und entlang der Wächte) beträgt die Ladungsgrösse W grob W [kg]

=

(hs/2) , (hs

=

Schneemächtigkeit der Wächte in Metern). Typische La- dungsgrössen betragen 1.5-5 kg. Der Abstand der Ladungen entlang der Wächte soll bei ca. h5 , die Tiefe in der Wächte bei hs/2 liegen, wobei auch die Lage an der Oberflä- che möglich ist. Die Arbeiten sind mit Vorteil angeseilt durchzuführen.

Zu beachten ist, dass Wächtensprengungen im darunterliegenden Hang Lawinen aus- lösen können.

Beispiel: h5 = 3 m - W = (hs/2)3 = 1.5 x 1.5 x 1.5 = 3.3 kg

(19)

Methoden der künstlichen Auslösung 17

Abb. 9: Handsprengung, Wurf gesichert. Foto: SLF.

2.3 Helikoptersprengungen

Aus einer offenen Türe des Helikopters werden Ladungen von meist 4-5 kg aus mög- lichst geringer Flughöhe von ca. 2-5 m von Hand ins Anrissgebiet abgeworfen. Bezüg- lich der Flughöhe sind ein möglicher „White Out''-Effekt, d. h. keine Sicht durch aufge- wirbelten Schnee oder allgemein schlechte Sichtverhältnisse zu berücksichtigen. Um Versager zu vermeiden, müssen die Ladungen mit einer Doppelzündung versehen werden (zwei Sprengkapseln, zwei Sicherheitsanzündschnüre). Als Anzündmittel sind nur Reiss- oder Schlagzünder gestattet, die erst im Helikopter angebracht werden.

Das genaue Vorgehen muss zwischen dem Piloten, dem Sprengbefugten und der Ab- sperrmannschaft abgesprochen sein. Es sollen Vorlagen wie Flugrouten, Pläne mit Sprengpunkten und Absperrpläne benutzt werden, die bei einer aussergewöhnlichen Situation angepasst werden können. Es ist von Vorteil, wenn immer die gleichen Per- sonen zusammen arbeiten.

Während Grossschneefällen ist zu beachten, dass infolge schlechter Sichtverhältnisse keine Helisprengeinsätze durchgeführt werden können. Je nach Situation ist deshalb die Verwendung einer sieht- und witterungsunabhängigen Methode sehr zu empfehlen, was eine vorgängige Planung und Installation der Methoden erfordert.

Tab. 4: Vor- und Nachteile von Helikoptersprengungen.

Vorteil Nachteil

- schnelle, sichere und kostengünstige Me- - Einsatz vom Flugwetter abhängig

thode - Sprengwirkung vermindert, falls die Ladung

- Sprengpunkte können der Situation ange- im Neuschnee einsinkt

passt gewählt werden - mögliches Abrutschen von Ladungen

- gute Sprengwirkung - beschränkte Verfügbarkeit der Helikopter,

- orosse Reichweite insbesondere in einer Krisensituation

(20)

2.4 Armeewaffen: Raketenrohr und Minenwerfer 8.1 cm oder 12 cm

In der Schweiz werden für Sprengeinsätze auch die Armeewaffen Raketenrohr (8.3 cm Rak-Rohr 1980, Munition: Hohlpanzergranate HPz 89) und Minenwerfer (Mw 8.1 cm bzw. Mw 12 cm, Munition: Wurfgranate WG 66 bzw. WG 68) eingesetzt (Abb. 10). Die Ladungsgrössen betragen. 0.7 kg Oktastit für die Rak-Rohr-Granate, 0.6 kg TNT für die 8.1 cm Mw-Granate und 3 kg TNT für die 12 cm Mw-Granate.

Die Einsatzdistanzen für das Rak-Rohr betragen 0.3-1.2 km, für den Minenwerfer 8.1 cm 0.5-3 km bei max. Scheitelhöhe von 2.2 km und für den Minenwerfer 12 cm 0.7-6 km bei max. Scheitelhöhe von 4.2 km. Die Flugbahn wird beim Einschiessen festgelegt und darf nur durch Verantwortliche des Infanterie-Ausbildungszentrums Walenstadt geändert werden. Die Treffgenauigkeit wird durch die Streuung und durch Witterungseinflüsse eingeschränkt. Falls starker Wind herrscht, treten grössere Abwei- chungen von der mittleren Treffpunktlage auf. Beim Mw 12 cm ist bei einer Einsatzdis- tanz von 4 km und einem Längswind von ca. 10-15 m/s in der Fluglinie mit einer Ver- längerung der Flugbahn um ca. 100 m zu rechnen. Deutlich kältere Lufttemperaturen gegenüber den Einschiessbedingungen ergeben eine kleinere Abschussgeschwindig- keit. Dies führt zu einer kürzeren Flugbahn, was durch Gegenwind noch verstärkt wird.

Ausserhalb der Zielbereiche besteht eine Sicherheitszone, in der sich während der Sprengeinsätze keine Personen im Freien aufhalten dürfen.

Pro Rak- und Minenwerferstellung sind zwei Personen notwendig.

Die Kosten betragen Fr. 130.-für Rak-Rohr- und Mw 8.1 cm Granaten, sowie Fr. 630.- pro Mw 12 cm Granate (Stand Oktober 2000).

Um Armeewaffen einsetzen zu können, ist ein Gutachten des Eidg. Institutes für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos notwendig (Bundesamt für Betriebe des Heeres 2000).

Aufgrund der Erkenntnisse des Lawinenwinters 1998/99 wurden die Einsatzkonzepte von Armeewaffen an einigen Orten überprüft und zusätzliche Ziele eingeschossen.

Tab. 5: Vor- und Nachteile von Armeewaffen.

Vorteil Nachteil

- unabhängig von Sicht und Witterung (gilt - für Rak-Rohr-Einsätze ab Lafette)

Treffgenauigkeit bei grosser Distanz und unter Windeinfluss abnehmend

- mit lawinensicherer Stellung und sicherem - Zugang hohe Sicherheit der Abschussequi- pe

kleine Sprengwirkung mit dem Rak-Rohr und dem 8.1 cm Mw aufgrund der kleinen Ladungsgrösse

- grosse Reichweite

- relativ kurze Ausführungszeit bei guter Er- reichbarkeit der Stellung

- tiefe Installationskosten

- im Vergleich zu anderen Methoden kleinerer Prozentsatz positiver Sprengungen

- schwierige Interpretation des Sprengresulta- tes, vor allem bei fehlender Sicht ins Anriss- gebiet

- grosser Personalaufwand bei mehreren Rak- und MW-Stellungen

- hohe Kosten pro 12 cm Mw-Granate

- evtl. Vegetationsnarben durch Detonation, vor allem beim Minenwerfer 12 cm

- Überschiessproblematik

(21)

Methoden der künstlichen Auslösung 19

Abb. 10: 12 cm Minenwerfer (links) und Rak-Rohr Einsatz ab Lafette (rechts). Fotos: SLF.

2.5 Sprengseilbahn

Mit einer Sprengseilbahn werden Sprengladungen von einer Station aus in ein An- rissgebiet transportiert und über der Schneedecke gezündet. Falls ein Absenkgerät installiert ist, wird die Sprengladung vom Tragseil aus bis zur Schneeoberfläche ab- gesenkt und wieder zurückgezogen, was die gewünschte Sprengpunkthöhe gewähr- leistet. Sprengseilbahnen mit Längen über ca. 400 m werden in der Regel mit einem Motor betrieben. Der Gefahr der Vereisung kann dabei mit langsamem Dauerbetrieb (Kriechmodul) entgegengewirkt werden. Die Seilführung bei den Stützen muss derart ausgebildet sein, dass auch bei starkem Wind ein Herausspringen des Seiles von den Rollen nicht möglich ist.

Für eine Sprengseilbahn mit Motor und einer Länge von ca. 2 km ist mit Installations- kosten von ca. Fr. 100'000.- zu rechnen. Für eine ca. 100 m lange Sprengbahn ohne Zwischenstütze und ohne Motor fallen Kosten von rund Fr. 10'000.- an.

Hersteller: Doppelmayr (Thun), Garaventa (Goldau), Wyssen (Reichenbach).

Tab. 6: Vor- und Nachteile von Sprengseilbahnen.

Vorteil Nachteil

- unabhängig von Sicht und Witterung bei - Sprengpunkte an Linienführung gebunden sicherem Zugang zur Antriebsstation - Vereisungsgefahr

- mit lawinensicherem Zugang hohe Sicher- - schwierige Interpretation des Sprengresulta- heit des Bedienungspersonals tes, vor allem bei fehlender Sicht ins Anriss-

- sehr gute Sprengwirkung gebiet und bei langen Bahnen

- relativ kurze Ausführungszeit bei guter Er- - erheblicher Zeitaufwand bei langem Weg reichbarkeit der Antriebsstation zur Antriebsstation und bei langen Bahnen

- geringe Betriebskosten - hohe Installationskosten für lange Bahnen

(22)

2.6 Gasex

Beim Gasex-System wird im Anrissgebiet ein Propan-Sauerstoffgemisch in einem Zündrohr mittels Funkauslösung zur Detonation gebracht (Abb. 11, 12). Die Installa- tion besteht im wesentlichen aus der Gaszentrale (Gebäude zur Lagerung der Gase), der Gasleitung zum Zündrohr, dem Zündrohr, der Energieversorgung (Solarpaneel) und dem Auslösemechanismus. Die ersten Gasex-Stationen wurden 1988 in der Schweiz und in Frankreich erstellt. Weltweit sind über 1000 Zündrohre in den Grös- sen 1.5 m3, 3 m3 und 4.5 m3 installiert. Seit dem Jahr 2000 können für kleinere Cou- loirs Zündrohre von 0.8 m3 eingesetzt werden. Die Sauerstoff- und Propanvorräte werden Anfang Winter aufgefüllt, wobei der Transport der Gasbehälter per Helikopter erfolgt. Die Gasvorräte reichen für die ganze Wintersaison. Pro Zündrohr wird eine doppelte Zündung verwendet, was eine hohe Funktionstüchtigkeit garantiert. Unter- haltsarbeiten an den Anlagen sind notwendig, unter Umständen auch an den Funda- tionen, resp. der Verankerung infolge einer Zerrüttung durch den Rückstoss.

Die Installationskosten für zwei Zündrohre zu 3 m3 betragen Fr. 200'000-250'000.-.

Vertrieb: MTM (Martigny).

Tab. 7: Vor- und Nachteile des Gasex.

Vorteil Nachteil

- unabhängig von Sicht und Witterung - ortsfester Sprengpunkt

- hohe Sicherheit des Bedienungspersonals - Anfälligkeit der Gasleitung zum Zündrohr - bei gutem Standort sehr gute Sprengwir- z.B. bei Steinschlag

kung - hohe Installationskosten

- kurze Ausführungszeit durch Ausführung - Beeinträchtigung des Landschaftsbilds vom Tal

- geringer Personalaufwand

- Hinweis auf Lawinenabgang durch Erfas- sung der Detonation mit Geophonen

- tiefe Betriebskosten

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S01arpaneel ✓-, Funkantenne

Sauer stotltank (mit Hubschrauber transportierbarl

, ; Kabelbedienung

Ankerstangen

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Abb. 11: Schema des Gasex-Systems.

(23)

Methoden der künstlichen Auslösung

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Abb. 12: Gasex Zündrohr (links, Foto: Gasex); Lawinensprenganlage Doppelmayr (rechts, Foto: Doppelmayr).

2. 7 Lawinensprenganlage Doppelmayr (Lawinenorgel)

Von einem fest installierten Kasten auf einem Steher (Stahlmast) werden Sprengla- dungen zu 2.5 kg mit einem Treibsatz bis ca. 150 m ins Anrissgebiet geworfen (Abb. 12, Energie über Solarpaneel). Die Zündung der Treibsätze geschieht über Funk oder Kabel. Beim Verlassen der Werferrohre werden an der Ladung ange- brachte Reisszünder gezündet. Der Kasten ist im Herbst mit zehn Ladungen vorzu- bereiten und muss je nach Bedarf während des Winters mit Ladungen nachgefüllt werden. Mit zwei Kästen pro Steher können zwei Sprengpunkte abgedeckt werden.

In Österreich kamen erste Anlagen im Winter 1996/97 zum Einsatz. 1998/99 waren dort 58 Anlagen in Betrieb. In der Schweiz erfolgte die Zulassung im Herbst 2000.

Die Installationskosten für drei Steher mit je zwei Kästen betragen ca. Fr. 150'000- 200'000.-.

Tab. 8: Vor- und Nachteile der Lawinensprenganlage.

Vorteil Nachteil

- unabhängig von Sicht und Witterung - reduzierte Sprengwirkung, falls die Ladung - hohe Sicherheit des Bedienungspersonals im Neuschnee einsinkt

- allgemein gute Sprengwirkung - mögliches Abrutschen von Ladungen

- kurze Ausführungszeit durch Auslösung - aufwendiges Auffüllen der Kasten mit

vom Tal Sprengladungen

- kleiner Personalaufwand - hohe Installationskosten

- evtl. Hinweis auf Lawinenabgang durch - Beeinträchtigung des Landschaftsbilds Erfassung der Detonation mit Geophonen

- tiefe Betriebskosten

(24)

„Lawinenpfeife": Ladungen werden von einem Einzelrohr auf einem Stativ mit einem Treibsatz bis 150 m ins Anrissgebiet geworfen. Das Personal muss beim Stativ sein.

Vertrieb: Doppelmayr (Thun).

2.8 Lawinen-Sprengmast Wyssen

Von einem Kasten auf einem Mast werden Sprengladungen von 2-5 kg an einer Schnur abgeworfen (Abb. 13, Energie über Solarpaneel). Die Ladungen werden im Kasten per Funk in die Abwurfposition gebracht. Die Zündung geschieht beim Abwurf mittels Reisszünder. Die Ladung detoniert über der Schneedecke. Der Mast ist im An- rissgebiet zu positionieren und muss je nach Standort auf Lawinenkräfte dimensioniert werden. Im Kasten sind zwölf Ladungen enthalten. Zur Nachladung muss der Kasten weggeflogen, nachgeladen und wieder am Masten eingehängt werden. Die Zulassung erfolgte im Herbst 2000. Pro Mast ist mit Kosten von ca. Fr. 75'000.- zu rechnen.

Hersteller und Vertrieb: Wyssen Seilbahnen AG (Reichenbach).

Tab. 9: Vor- und Nachteile des Lawinen-Sprengmastes.

Vorteil Nachteil

- unabhängig von Sicht und Witterung - ortsfester Sprengpunkt

- hohe Sicherheit des Bedienungspersonals - zum Auffüllen des Kastens mit Sprengla- - bei gutem Standort sehr gute Sprengwir- dungen muss der Kasten mit dem Helikop-

kung ter weggeflogen werden

- kurze Ausführungszeit durch Auslösung - hohe Installationskosten vom Tal

- kleiner Personalaufwand

- Hinweis auf Lawinenabgang durch Erfas- sung der Detonation mit Geophonen - tiefe Betriebskosten

Abb. 13: Lawinen-Sprengmast Wyssen (links, Foto: S. Wyssen) und A valancheur (rechts, Foto: SLF).

(25)

Methoden der künstlichen Auslösung 23 2.9 Avalancheur

Sprengstoff wird in einem 1.80 m langen Pfeil (0 40 mm) von einem Abschussgerät, einer Luftdruckkanone mit 5-30 bar, ins potentielle Anrissgebiet geschossen (Abb. 13).

Der Avalancheur besteht aus einem Rahmen, dem Lauf (0 8.3 cm), der Druckkammer und der Druckflasche. Bevor der Pfeil in den Lauf geschoben wird, werden die beiden getrennten Flüssigkomponenten zu einem explosionsfähigen Sprengstoff gemischt. Die Detonation geschieht beim Aufprall der Pfeilspitze durch Aktivierung der Sprengkapsel.

Der Pfeil wiegt 3.2 kg und enthält 2.2 kg Sprengstoff.

Falls von einer fest installierten Plattform aus geschossen wird, kann der Avalancheur bei eingeschossenen Zielen auch bei schlechten Sichtverhältnissen eingesetzt werden.

Nachteile ergeben sich bezüglich der Treffgenauigkeit unter Windeinfluss. Steckt der Pfeil im Schnee, wird eine günstige Sprengpunktlage über der Schneedecke erreicht.

Der Abschuss des Pfeils kann nur ferngesteuert erfolgen, was eine hohe Bedienungs- sicherheit garantiert. Falls der Sprengstoff durch den Aufprall nicht detonieren sollte, verliert er innerhalb von ca. 48 Stunden seine Gefährlichkeit.

Für einen Lauf von 4 m Länge beträgt die Reichweite ca. 900 m (inkl. 500 m Höhendif- ferenz), ohne Überhöhung 1600 m. Mit 6 m Lauflänge können die obigen Werte um ca.

20 % erhöht werden.

Das System wird vor allem in Amerika und in Frankreich eingesetzt. Der Avalancheur ist in der Schweiz seit 1999 zugelassen.

Ein Abschussgerät kostet ca. Fr. 40'000.-. Kosten pro Pfeil Fr. 300.-.

Vertrieb: Meteorisk (Sion), Heimgartner (Jenins).

Tab. 10: Vor- und Nachteile des Avalancheurs.

Vorteil Nachteil

- unabhängig von Sicht und Witterung - Treffgenauigkeit unter Windeinfluss ab-

- mit lawinensicherer Stellung und sicherem nehmend

Zugang hohe Sicherheit der Abschuss- - möglicherweise keine Detonation infolge

equipe flachem Auftreffwinkel

- gute Sprengwirkung: Sprengpunkt auf und - schwierige Interpretation des Sprengresulta- leicht über der Schneedecke tes, vor allem bei fehlender Sicht ins Anriss-

- grosse Reichweite gebiet

- relativ kurze Ausführungszeit bei guter Er- - relativ hohe Kosten pro Pfeil reichbarkeit der Stellung

2.10 Weitere Methoden

Mit drehbaren Gratauslegern werden in Anrisszonen Sprengladungen in Gratnähe über der Schneedecke in Position gebracht. Die Reichweite liegt bei ca. 3-15 m.

Das Absenken oder Abwerfen von Ladungen aus Bahnen kann eingesetzt wer- den, falls eine Bahn ein potentielles Anrissgebiet traversiert und die Distanz zwi- schen der Bahn und dem Sprengpunkt genügend gross ist. Mit dem Absenken von Ladungen an einem Seil können wirkungsvolle Überschneesprengungen erzielt wer- den.

In längeren Couloirs mit nach unten zunehmender Hangneigung ist der Einsatz von Handsprengungen nicht optimal. In Einzelfällen werden deshalb angeseilte Spreng- schlitten eingesetzt. Die Sprengladung kann so günstig plaziert werden. Es existie- ren auch Schlitten aus Karton „Ecol'uge" (Frankreich).

(26)

Mit dem Avalhex wird ein Gasgemisch im Anrissgebiet in einem Ballon ferngesteuert gezündet. Der Ballon wird vor der Detonation über einem Mast aufgeblasen. Es han- delt sich um ein im Jahr 2000 entwickeltes System aus Frankreich. Das System ist im Sept. 2001 in der Schweiz noch nicht zugelassen.

3. Statistik „Künstliche Lawinenauslösung Schweiz"

3.1 Zahlen zur künstlichen Lawinenauslösung 3.1.1 Art der Dienste und Einsatzgebiete

Es wird zwischen Sicherungsdiensten von Bergbahnunternehmungen sowie Gemeindelawinendiensten und Diensten der Tiefbauämter unterschieden.

Die meisten Dienste sichern verschiedene Einsatzgebiete. Von 86 Bergbahndiensten sind 21 auch für den Öffentlichen Verkehr und 9 für Siedlungsbereiche zuständig. 16 Dienste sichern Gemeinde- oder Kantonsstrassen, vier Bahnstrecken und ein Dienst Strasse und Bahn.

Der Einsatz der Bergbahndienste wurde in einer Umfrage 1991/92 differenzierter erho- ben. Sie ergab, dass einzelne Dienste neben den markierten, gesicherten Skiabfahrten auch Variantenfahrergebiete sichern. Festzuhalten ist, dass Sicherungsdienste für La- winen, die offene Pisten erreichen verantwortlich sind. Schwierigkeiten können sich ergeben, falls nur in aussergewöhnlichen Fällen mit einem solchen Ereignis gerechnet werden muss. In den Richtlinien für die „Anlage und Unterhalt von Skiabfahrten" der schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Skiabfahrten und Loipen (SKUS 1995) steht in Abs. 2 und 4, dass sich Skifahrer ausserhalb der markierten und gesicherten Skiabfahrten ausschliesslich auf eigenes Risiko bewegen. Im weiteren ist in Abs. 6 festgehalten, dass das Gelände abseits der Skiabfahrten freies Skigelände ist, das weder markiert noch vor alpinen Gefahren gesichert wird. Falls trotzdem Siche- rungsaktionen in freiem Skigelände durchgeführt werden, geschieht dies wohl prophy- laktisch, da einerseits ein Ausrücken der Rettungsmannschaft bei einem Alarm einen grossen Mehraufwand mit sich bringt, andererseits Lawinenunfälle mit Negativwerbung verbunden sind. Zu beachten ist, dass das Risikobewusstsein der Variantenfahrer ab- nimmt, je häufiger auch freies Skigelände gesichert wird. Rechtliche Probleme können entstehen, falls auf einer von einem Sicherungsdienst regelmässig oder unregelmässig gesicherten Variante ein Lawinenunfall geschieht.

3.1.2 Angewandte Methoden und Sprengstoffverbrauch

Jeden Winter werden in der Schweiz von ca. 130 Diensten um die 70-75 t Sprengstoff für die künstliche Lawinenauslösung verwendet (Stoffel 1996). Zur Sicherung von Ski- gebieten kommen hauptsächlich Handsprengungen, Helikoptersprengungen und das Rak-Rohr zum Einsatz. Helisprengungen werden seit 1980 vermehrt eingesetzt. Beina- he jedes vierte Gebiet hat eine oder mehrere Sprengseilbahnen installiert. Die Gemein- delawinendienste und Tiefbauämter verwenden neben Armeewaffen (vor allem 12 cm Minenwerfer) oft Helikoptersprengungen.

Für den Winter 1991/92 wurde der Sprengstoffverbrauch detailliert erfasst (Stoffel 1996). Der Verbrauch im Winter 1991/92 lag im Bereich des langjährigen Mittels (Tab. 11).

(27)

Statistik „Künstliche Lawinenauslösung Schweiz" 25

Tab. 11: Zahlen zum Sprengstoff- und Munitionsverbrauch.

Sprengstoffverbrauch Winter [ kg] Winter [kg]

Violettes-Plaine Morte 1980181-93/94 5'950 1991/92 5'090 Lenzerheide, Rothorn 1986/87-93/94 1'800 1991/92 2'150

Tele-Aminona 1989/90-93/94 1'800 1991/92 2'015

Violettes-Plaine Morte 1993/94-94/95 9'170 1991/92 5'090 Bergbahnen Flims 1993/94-94/95 4'350 1991/92 3'200 Luftseilbahnen Samnaun 1993/94-94/95 4'280 1991/92 2'290

Davos, Parsenndienst [ Anzahl] [Anzahl]

Handsprengungen 197 4/75-88/89 542 1991/92 526

Rak-Rohr 197 4/75-88/89 138 1991/92 150

Armeewaffen Schweiz [ Anzahl] [Anzahl]

Rak-Rohr-Granaten 1985/86-94/95 860 1991/92 1'002 Mw 8.1 cm Granaten 1985/86-94/95 520 1991/92 450 Mw 12 cm Granaten 1985/86-94/95 315 1991/92 504

Das jährliche Total der Sprengungen und Schüsse beträgt ca. 30'000 (davon 2'000 Granaten). Einzelne Dienste verbrauchen pro Jahr gegen 10'000 kg Sprengstoff (Violet- tes-Plaine Mortes, Tele Verbier).

Helikoptersprengungen weisen den grössten Anteil am Gesamtverbrauch auf (Tab. 12).

Es werden weniger Heliladungen als Handsprengungen verwendet, das Gewicht der Heliladungen ist jedoch meist grösser. Bei der Hälfte der Handsprengungen handelt es sich um den „Wurf gesichert". Der Anteil der Hand- und Helikoptersprengungen macht 85 % des Gesamtverbrauches aus. Rund 15 % der Sprengungen sind Überschnee- sprengungen. 17 grosse Unternehmungen (Sprengstoffverbrauch 1991/92 > 1'000 kg) verbrauchen über 65 % des eingesetzten Sprengstoffes.

Tab. 12: Sprengstoffverbrauch der Methoden pro Jahr (100 Sicherungsdienste 1991/92).

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Tab. 13: Verwendete Ladungsgrössen (Ladungsgrössen über 5 kg werden selten verwendet).

Methode Durchschnitt fkol Min. - max. Grösse fkol

Handsprengung 1.7 1.5-5.0

Galgensprengung 2.0 1.5-5.0

Stangensprengung 2.0 1.5-5.0

Absenken / Abwerten aus Bahn 2.4 1.5-5.0

Sprengseilbahn 3.3 1.5-5.0

Heliladunq 4.0 1.5-5.0

Ergänzende Angaben zu einzelnen Methoden

Helikoptersprengungen: Um dem Einsinken der Ladungen entgegenzuwirken, wird von einem Grossteil der Dienste ein Abwurf aus geringer Höhe gewählt. Das Absenken von Ladungen wird sehr selten gemacht, hat jedoch, falls die Ladung an einer Stange über der Schneedecke positioniert werden kann, eine gute Wirkung (Absenken der Stange an einem Seil). Das Abrutschen auf einer härteren Schneeoberfläche wird vor allem mit Ladungen im Netz (weitere Möglichkeit: Ladung mit Holzstäben spicken, Bremsstern) und durch das günstige Plazieren der Ladungen verhindert.

Sprengseilbahnen: Die angegebenen Sprengpunkthöhen sind sehr unterschiedlich (<1 m: 2 Dienste, 1-2 m: 10 Dienste, 2-3 m: 10 Dienste, >3 m: 3 Dienste). Neben der Seilführung sind sie stark von der Topographie abhängig. Bei Sprengpunkthöhen über 2 m werden im Allgemeinen grössere Ladungen verwendet. 22 Bahnen weisen folgen- de Längen auf: 9x 80-200 m, 3x 200-500 m, 6x 500-1000 m und 4x über 1 '000 m (1.5, 2.4, 3.5 und 7.5 km). Gesamtschweizerisch dürften über 30 Sprengseilbahnen in Be- trieb sein. Die mit 7.5 km längste Sprengseilbahn befindet sich im Gebiet der Bergbah- nen Klosters-Madrisa und ist gegenwärtig ohne nennenswerte Probleme in Betrieb. Die Funktionstüchtigkeit von langen Sprengbahnen kann problematisch sein. Zehn Spreng- seilbahnen können die Ladungen mittels Absenkgerät absenken (Stand 1996).

Gasex: In der Schweiz waren bis Ende 2000 in 13 Gebieten total 48 Zündrohre instal- liert: Crans-Montana, Anzere, Ovronnaz, Les Diablerets, Les Crosets, Salvon/Les Ma- recottes, Verbier, Grimentz, Leukerbad, Wiler, Bettmeralp, Bosco Gurin, Lenzerheide.

Es werden vor allem Anrissgebiete in Skigebieten gesichert, wobei es bei Les Marecot- tes und Wiler auch um die Sicherung von bewohntem Gebiet geht. In Leukerbad wird die Ende 2000 erstellte Gasex-Anlage für die Sicherung eines Dorfteils eingesetzt.

Gratausleger: Die Umfrage 1995/96 zeigte, dass Gratausleger vereinzelt auch heute noch gebaut werden (0 von ca. 2-3 Diensten pro 5 Jahren). Die Maximalzahl erstellter Galgen pro Sicherungsgebiet dürfte bei zwölf liegen.

Armeewaffen: Von Bergbahnen werden rund 50-70 % der Rakrohrschüsse per Lafette abgegeben, bei den Gemeindediensten sind es ca. 50 %.

Es ist eine Tendenz zu mehr Helikoptersprengungen festzustellen. Längere Spreng- seilbahnen werden seltener gebaut. In den 90er Jahren wurden vor allem in der West- schweiz 48 Gasex-Zündrohre installiert. Es stellt sich die Frage, wie die Entwicklung weitergeht, da weitere sieht- und witterungsunabhängige Methoden hinzugekommen sind (Lawinensprenganlage Doppelmayr, Lawinen-Sprengmast Wyssen). Die Verwen- dung des Rakrohrs und des Minenwerfers 12 cm ist seit 1985 sehr konstant, während beim 8.1 cm Minenwerfer ein starker Rückgang zu verzeichnen ist (Tab. 14).

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