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Archiv "Diabetologie: Teilstationäre Konzepte - eine Alternative" (16.05.1997)

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ie Führung und Behandlung von Diabetes-Patienten stellt eine Herausforderung für die Ärzteschaft dar, die nur in ei- ner engen Kooperation insbesondere zwischen Hausarzt und Diabetologen möglich ist. Neben der vollständigen Schulung und Glukosestoffwechsel- einstellung bieten sich unter Berück- sichtigung der Gesundheitsstrukturge- setzgebung in der Diabetologie für ei- ne Vielzahl der Patienten teilstationä- re Konzepte an und sind oft sogar von Vorteil. Prinzipiell ist dabei zwischen Diabetes-Tagesklinik und Diabetes- Nachtklinik zu unterscheiden.

Tagesklinik

Die Diabetes-Tagesklinik ist eine teilstationäre Form der Diabetikerbe- treuung, in der die Teilnehmer mor- gens, meist vor dem Frühstück, zur Klinik kommen und im Laufe des Vor- und Nachmittags eine strukturierte Diabetikerschulung nach den Richtli- nien der Deutschen Diabetes-Gesell- schaft e.V. (DDG) bekommen. Um 16 Uhr ist der Schulungstag meist zu Ende, und die Teilnehmer gehen in ihren häuslichen Alltag. Dort können sie die im Schulungskurs erlernten und geübten theoretischen und prak- tischen Kenntnisse direkt anwenden.

Am nächsten Morgen treffen sich die Schulungsteilnehmer wieder in der Klinik, um von ihren Erfahrungen zu berichten und um die nächsten Schu- lungsblöcke zu absolvieren. Die Schu- lung findet über vier bis fünf Tage als Gruppenschulung statt.

Die Indikationen für einen Auf- enthalt in einer Diabetes-Tagesklinik

sind vielfältig (Tabelle 1). So bie- tet sich eine Diabetes-Tagesklinik zur strukturierten Diabetikerschu- lung und Nachschulung bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und bei Therapieumstellungen (zum Beispiel Einleitung einer Insulinierung, Ein- leitung einer Kombinationstherapie mit präprandialem Bolus und so weiter) an.

Wie auch beim Nachtklinikkon- zept liegt die Selbstverantwortung in hohem Maß vom ersten Tag an beim Betroffenen, aber in enger Absprache mit dem Diabetesteam. Diese soforti- ge Selbstverantwortung fördert die Motivation und die Sicherheit im Um- gang mit der Erkrankung.

Nachtklinik

Im Gegensatz zu einer Diabetes- Tagesklinik kommen die Teilnehmer in einer Nachtklinik erst am späten Nach- mittag in die Klinik. Die Schulung läuft

ebenso nach den Richtlinien und Vor- gaben der DDG wie die in einer Diabe- tes-Tagesklinik ab. Schulungsende ist gegen 22.30 Uhr. Die Teilnehmer blei- ben über Nacht in der Klinik, wo die nächtlichen Blutglukosebestimmungen von der Nachtschwester vorgenommen werden. Am nächsten Morgen verlas- sen die Diabetiker die Klinik, um ihrem Beruf oder ihrem häuslichen Alltag nachzugehen. Die Schulung findet als Gruppenschulung über fünf Abende statt. Neben den Indikationen für einen Nachtklinikaufenthalt, die auch eine Tagesklinik bietet, ist eine Domäne der Nachtklinik die Abklärung bezie- hungsweise Therapie nächtlicher Hy- poglykämien sowie von Morgenhyper- glykämien (Tabelle 2).Daneben bietet eine Nachtklinik eine Blutglukoseein- stellung unter den realistischen Bela- stungen des Tages.

Voraussetzungen

Teilstationäre Betreuungskon- zepte, insbesondere die Nachtklinik, bieten neben einer strukturierten Schulung eine antidiabetische Dosis- anpassung unter annähernden Alltags- bedingungen an. Neben den sozioöko- nomischen Vorteilen fordert ein teil- stationärer Aufenthalt aber auch vom Teilnehmer sofortige Selbstverantwor- tung im Diabetesmanagement. Des- halb sind Kooperationsmangel und Suchterkrankungen als Kontraindika- tion zu bewerten. Interkurrente Akut- erkrankungen, wie Komata und se- kundäre Glukosestoffwechseldekom- pensationen, die zu einem stationären Klinikaufenthalt zwingen, sind eben- falls hier einzuordnen. Physische und A-1340 (36) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 20, 16. Mai 1997

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Diabetologie

Teilstationäre Konzepte – eine Alternative

Tabelle 1

Indikationen für die Aufnahme in eine Diabetes-Tagesklinik

– Strukturierte Diabetikerschulung – Einleitung/Optimierung einer

oralen antidiabetischen Therapie – Einleitung einer Insulinierung bei

Typ-2-Diabetes

– Insulindosisanpassung bei vorbestehender Insulintherapie – Wechsel der Insulinstrategie (zum

Beispiel von einem konventionellen auf ein intensiviertes Insulin- therapieverfahren)

– Verkürzung eines vollstationären Aufenthaltes

Hans-Peter Filz und Wolf-Werner Huep

Der Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkran- kung, deren klinische Ausprägung und deren Verlauf der Be- troffene selbst in erheblichem Umfang beeinflussen kann.

Aus diesem Grund ist die strukturierte Diabetikerschulung mit

„ Training“ des Diabetesmanagements Bestandteil der Thera-

pie. Dabei sollte der Arzt nicht nur an die insulinbehandelten

Patienten denken, sondern auch an die Vielzahl der mit

Diät und/oder oralen Antidiabetika behandelten Diabetiker.

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psychische Gebrechen, die die An- und Abfahrt zur Klinik problematisch wer- den lassen, sind zumindest als relative Kontraindikationen zu sehen.

In einer von Hauner et al. veröf- fentlichten Analyse von 220 unaus- gewählten Typ-2-Diabetikern wurde die Erstdiagnose des Diabetes in rund 60 Prozent der Fälle vom betreuenden Hausarzt gestellt. Von den erstdiagno- stizierten Diabetikern wurden aber nur 6,4 Prozent einer strukturierten Schulung zugeführt. Es war somit nicht verwunderlich, daß circa 80 Pro- zent der befragten Diabetiker mit der Erstinformation unzufrieden waren.

Es ist aber nicht nur die häufige Unterbewertung des „harmlosen Al- tersdiabetes“ von Arzt- und Patien- tenseite her, die eine effektive Thera- pie verhindert, sondern es bestehen auf beiden Seiten zum Teil berechtig- te Vorbehalte gegenüber vollsta- tionären Krankenhausaufenthalten allein zu Schulungszwecken. So ist die antidiabetische Dosisfindung unter Krankenhausbedingungen in den meisten Fällen realitätsfern, sowohl in bezug auf körperliche Bewegung als auch in bezug auf die Ernährung. Ne- ben der Komponente der sozialen Desintegration mit Stigmatisierung ist die Eigenverantwortung im Diabe- tesmanagement bei einer vollsta- tionären Schulung im Krankenhaus im Regelfall eher gering.

Teilstationäre Schulungs- und Therapiekonzepte versuchen hinge- gen, die Behandlung und Blutgluko- seanpassung in den Tagesablauf unter weitgehender Wahrung der sozialen Kompetenz zu integrieren.

Wie bei der vollstationären Be- treuung ist klar, daß mit der Entlassung aus einer teilstationären Schulungs- und Behandlungseinheit die diabetolo- gische Behandlung nicht abgeschlos- sen ist. Die wirkliche Bewährungspro- be ist das „normale“ Alltags- und Be- rufsleben. Hier ist der Patient jetzt auf sein erworbenes Wissen, sein Verant- wortungsgefühl und auf die Hilfe des Hausarztes angewiesen. Diese liegt in der weiteren „lebensnahen“ Anpas- sung der antidiabetischen Therapie an die häuslichen Normalbedingungen und in der Durchführung und Veran- lassung der regelmäßigen Kontrollun- tersuchungen. Ständige Motivations- hilfen mit Diskussion der Befunde

gehören auch zur Weiterbehandlung.

Eine gute Kooperation und ein schnel- ler und vollständiger Informationsfluß zwischen Hausarzt und Diabetologe sind Grundvoraussetzung für das Ge- lingen einer suffizienten Therapie.

Der Schritt: Klinik – geringe Selbstverantwortung, Klinikentlas- sung – alleinige Selbstverantwortung ist oft für den Patienten mit großen bewußten und unbewußten Ängsten besetzt. Hier bieten teilstationäre Konzepte Hilfe. Durch „behütetes Training in Eigenverantwortung“

werden Ängste, vor allem bei einer Erstinsulinierung, abgebaut und Si- cherheit gewonnen. Die Gruppendy- namik in den Schulungsgruppen führt zu einem Motivationseffekt.

Besonders für berufstätige Dia- betiker bietet die Nachtklinik Vortei- le. Wirtschaftliche Verluste und Aus- bildungszeitverluste können vermie- den werden, und die Glukosestoff- wechseleinstellung und Insulindosis- anpassung werden unter weitgehen-

den Alltagsbedingungen durchge- führt. Da in einer Nachtklinik in der Phase der Insulindosisfindung immer auch nächtliche Blutglukosewerte er- hoben werden, ist es kein Zufall, daß sich unter den Schulungsteilnehmern einer Nachtklinik ein hoher Prozent- satz an Typ-1-Diabetikern befindet.

Die Schulungseffizienz ist inzwischen auch für Nachtkliniken hinreichend evaluiert. Es ist aber darauf zu achten, daß besonders für ältere Teilnehmer die abendlichen Unterrichtseinheiten keine Überforderung darstellen.

Für ältere Diabetiker bietet sich deshalb oft die Teilnahme in einer

Diabetes-Tagesklinik an, in der die Unterrichtseinheiten zu einem Zeit- punkt mit etwas besserem Aufnahme- vermögen stattfinden. Sozialökono- misch zeichnen sich teilstationäre Mo- delle durch die im Vergleich zu vollsta- tionären Diabetikerschulungen nied- rigeren Kosten aus. Dadurch bieten sie bei wenigstens gleicher medizini- scher Effektivität eine Alternative.

Teilstationäre Konzepte stellen in der Diabetologie, seien es Tages- oder Nachtkliniken, eine Ergänzung zur ambulanten und stationären Be- treuung dar. Sie ermöglichen dem Be- troffenen, den Umgang mit seinem Diabetes in Eigenverantwortung un- ter weitgehender Wahrung der sozia- len Integrität zu erlernen. Teilsta- tionäre Einrichtungen stellen ein zeit- gerechtes Kooperationsmodell in der Diabetologie dar und schließen die Lücke zwischen Hausarzt und Klinik.

Literatur

1. Austenat E, Williams G, Pickup JC: Diabe- tes-Nachtklinik: moderne teilstationäre Be- treuung. In: Praxisbuch Diabetes mellitus 1993; 190–194.

2. Filz HP, Bergmann K, Dirks E, Förster H:

Die Diabetes-Nachtklinik, eine effiziente Ergänzung im Betreuungsspektrum von Diabetikern. Diabetes und Stoffwechsel 1995; 4: 151.

3. Förster H, Mehnert H: Die Diabetes- Nachtklinik, ein neues Modell für die Dia- betikerbetreuung. Münch med Wschr 1994;

136: Nr. 32/33 32–37.

4. Frank M: Langzeitbetreuung des Diabeti- kers – was ist medizinisch sinnvoll und not- wendig? Med Welt 1995; 46: 69–73.

5. Hauner H, Beelte S, Haastert B: Diagnose- stellung und Ersttherapie bei Typ 2-Diabe- tes. Diabetes und Stoffwechsel 1995; 4:

449–453.

6. Mehnert H: Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Medizin am Beispiel der Diabetologie. Dtsch Med Wschr 1993; 118:

38–41.

7. Ruthe U: Ergebnisse des praktischen Ein- satzes moderner Behandlungsstrategien und Effizienz der Schulung bei Patienten mit Diabetes mellitus unter den Bedingun- gen einer Nachtklinik. Inaugural-Disserta- tion zur Erlangung der medizinischen Dok- torwürde an den Medizinischen Fachberei- chen der Freien Universität Berlin (1992).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-1340–1341 [Heft 20]

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Hans-Peter Filz

Oberarzt an der Medizinischen Klinik Luisenkrankenhaus

Schlierbacher Weg 64678 Lindenfels

A-1341 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 20, 16. Mai 1997 (37)

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Tabelle 2

Indikationen für die Aufnahme in eine Diabetes Nachtklinik

– Strukturierte Diabetikerschulung – Einleitung/Optimierung einer

oralen antidiabetischen Therapie – Einleitung einer Insulinierung bei

Typ-2-Diabetes

– Insulindosisanpassung bei vorbestehender Insulintherapie – Wechsel der Insulinstrategie – Abklärung/Therapie nächtlicher

Hypoglykämien und morgendlicher Hyperglykämien

– Verkürzung eines vollstationären Aufenthaltes

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