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Archiv "Viertausend Quadratmeter Tropen" (08.11.1990)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Viertausend Quadratmeter Tropen

Das ist der geplante „Nordsee Tropen Parc" in Tossens auf der Halbin- sel Butjadingen (zwischen Wesermündung und Jadebusen), für den im Oktober 1990 Bundesliga-Trainer Otto Rehhagel (Werder Bremen) den Grundstein legte: 4000 m2 „tropisches Badeparadies" mit Wellenbad, Brandungsbecken, Riesenrutsche, Wasserfällen, „Saunalandschaft" für tausend Besucher gleichzeitig. Resultat einer Marketing-Überlegung:

Der seit 1970 bestehende Nordsee Wohnpark in Tossens ist im Jahres- durchschnitt zu etwas über 50 Prozent ausgelastet. Die 16 Centerparcs (mit „Südseelandschaft" und Bungalows) in den Benelux-Ländern brin- gen es dagegen auf bis zu 96 Prozent. Dazu die Erkenntnisse des Ham- burger Instituts für Freizeitforschung: Die Leute wollen heute drei bis vier

„Urlaubsintervalle" im Jahr, kurze Wege zum Urlaubsort und Wetter- unabhängigkeit — In Tossens werden jetzt 130 Millionen DM investiert, unter anderem für 457 Bungalows mit 2750 Betten, ein Vier-Sterne-Hotel, diverse Sportanlagen und die „Badelandschaft" — und das alles direkt hinter dem Deich. Foto: Nordsee Tropen Parc

Italien Tram und Wirklichkeit

Nach wie vor ist Italien ei- nes der drei Traum-Reiselän- der der Deutschen, wenn auch die Adria-Algen schon eine gewisse Dämpfung für die Konjunktur am „Teuto- nen-Grill" gebracht haben.

Aber das Grillen ist ja nicht alles.

Montecatini Terme ist ein Heilbad. Da soll es ruhig sein.

Vor sieben Jahren war ich das vorletzte Mal dort. Und ich bekam regelmäßig Schwierig- keiten mit der Stadtpolizei.

Denn die zentrale Kurzone, in der auch mein Hotel lag, war „beruhigt" worden. Das hieß: Wenn ich nach zehn Uhr nach Hause kam, konnte ich mein Hotel nicht mehr an- fahren — alles war für den Au- toverkehr gesperrt, und an den aufgestellten Schranken standen unerbittliche Polizi- sten.

Das hat offenbar doch nicht zur Beliebtheit von Montecatini Terme beigetra- gen, denn jetzt, 1990, ist es anders: Die ganze Stadt be- steht praktisch nur noch aus Einbahnstraßen — die aber kann man jederzeit befahren.

Ein Nebeneffekt: Die Zahl der Parkplätze hat sich fast verdoppelt, weil Einbahnstra- ßen nur noch eine Spur brau- chen!

Und dann entdeckte ich etwas vom Feinsten: Ver- schiedene Hoteliers haben sich zu Kooperativen zusam- mengetan und leere Flächen gepachtet, auf denen die Gä- ste ihre Autos bewacht (!) ab- stellen können. Mit dem Parkausweis auf dem Arma- turenbrett konnte ich zu der Parkanlage meines Hotels so- gar durch eine Straße fahren, die eigentlich vollständig für jeglichen Autoverkehr ge- sperrt ist.

Doch mit der Ruhe hat es so seine Tücken. Da hatte ir- gendein Fußballspiel stattge- funden, bei dem irgendeine Mannschaft von der dritten in die zweite Liga aufgestiegen war. Die Folge: Um zehn Uhr abends bildete sich ein Auto- korso, der laut hupend einen

der Einbahnstraßenkreise be- fuhr. Ich schätze: 200 Fahr- zeuge. Das ging so bis eine halbe Stunde nach Mitter- nacht. Im lärmfreien Kurort.

Also: Daß es selbst im Kur- ort gelegentlich Lärm gibt, das muß man hinnehmen.

Aber etwas anderes sollten wir uns nicht gefallen lassen, und deshalb rege ich ernst- haft an, mit Boykottmaßnah- men zu reagieren:

Von Montecatini fährt man mit dem öffentlichen Autobus knapp eine Stunde nach Florenz. Das ist viel empfehlenswerter, als das ei- gene Auto zu nehmen — mit dem kann man in Florenz so- wieso nichts anfangen. Und italienische Innenstädte sind klein — selbst Rom kann man zu Fuß „machen". Interes- sant: Die Provinz Florenz und

die Nachbarprovinzen sind fest in kommunistischer Hand. Aber der öffentliche Nahverkehr (außerhalb der Städte, also der „flächendek- kende" Verkehr) ist seit eini- ger Zeit privatisiert worden.

Und dieser private Verkehr der Firma Lazzi funktioniert:

wirklich flächendeckend, und mit einer Pünktlichkeit, von der sich unsere Bundesbahn eine Scheibe abschneiden könnte! Ich muß gestehen:

Privatisierende Kommunisten sind mir durchaus sympatisch.

Aber jetzt kommt das ei- gentliche Ärgernis. Ich hatte mir drei besondere Ziele in Florenz ausgesucht. Als er- stes wollte ich mir die Biblio- teca Laurenziana ansehen.

Michelangelo hat sie gebaut und mit einem hinreißenden Vorraum mit einer wie Lava herunterfließenden Treppe versehen. Luitpold Frommel hat das interpretiert: die

Treppe als Kommunikations- zentrum, sozusagen für Cock- tail-Parties der Renaissance.

Das wollte ich nachprüfen.

Aber davor war ein Schild:

Chiuso per mancanza di per- sonale. Also leicht verärgert auf zum zweiten Ziel: das ar- chäologische Museum. Denn da waren ein paar Sachen nachzusehen aus der etruski- schen Geschichte. Chiuso per mancanza di personale. Letz- ter Versuch: In der Mediceer- Kapelle — oder besser: unter- halb derselben — sind Vor- zeichnungen für Fresken von Michelangelo aufgetaucht. Es war sechzehn Uhr, eine Zeit, da die Siesta beendet ist und jede italienische Stadt wieder zum Leben erwacht. Bloß:

Die Wärter der Mediceer-Ka- pelle haben aber offensicht- lich eine andere Zeitrech- nung als gewöhnliche Italie- ner: Sie öffnen nur von neun bis vierzehn Uhr.

Ich möchte alle Studien- reise-Veranstalter bitten:

Boykottieren Sie Italien für ein, zwei, drei Jahre. Viel- leicht verhilft das dazu, daß der gewöhnliche, kulturinter- essierte Italientourist wieder sehen kann, was er sehen möchte.

Es sollte nicht verschwie- gen werden, daß das dritte Angebot Italiens — neben Meer und Kultur —: die Ga- stronomie noch immer un- übertroffen bleibt. „Gastro- nomie" heißt nicht nur Ver- pflegung — es heißt: Gastlich- keit.

Dies klingt wie eine kritik- lose Rühmung italienischer Gastronomie. Sie hat aller- dings eine Voraussetzung:

Man muß italienisch spre- chen können — und das muß aber sofort auf die Realität reduziert werden: Etwa fünf- undzwanzig Wörter genügen, und Sie bekommen sofort ein Kompliment über Ihre her- vorragenden Sprachkenntnis- se. Ernsthafter Hintergrund:

Ein bißchen Bemühen — wirk- lich: ein bißchen — wird in die- sem Lande honoriert.

Italien — ein Ferienland.

Italien: ein Gastgeber. Die- sen Unterschied zu finden, lohnt sich. bt A-3570 (98) Dt. Ärztebl. 87, Heft 45, 8. November 1990

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