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Archiv "Symposium am Forschungszentrum Borstel: Struktur und Funktion in der Molekularen Medizin" (07.11.1997)

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m geeignete Schutzstrategien gegen bakterielle Infektionen an intestinalen Schleimhäuten zu entwickeln, ist das Wissen über die Eindringmechanismen auf molekularer und zellulärer Ebene un- erläßlich. Prof. Philippe J. Sansonetti (Institut Pasteur, Paris) legte tierex- perimentelle Befunde am Beispiel von Shigella flexneri vor. Dieser Keim kann nach Überwindung der In- testinalschranke zum Krankheitsbild der Ruhr führen.

Kommt ein Shigella-Bakterium in Kontakt mit der Oberfläche einer Epithelzelle, so sezerniert es eine Rei- he von sogenannten Invasinen, die – über einen komplexen Prozeß – eine folgenreiche Umordnung des Zyto- skeletts bewirken. Dies erlaubt dem Bakterium durch Pinozytose die Auf- nahme in die Epithelzelle. Intrazel- lulär angekommen, lysiert das Bakte- rium die umgebende, von der Wirts- zelle gebildete Vakuolenschicht.

Invasion der Darmschleimhaut Nachdem es seine Hülle losge- worden ist, gelingt Shigella die effizi- ente Besiedlung des Wirtszell-Zyto- plasmas dann leicht: es bewegt sich im Zytoplasma und breitet sich dadurch aus. Auch dieser Schritt wird von ei- nem bakteriellen Protein, dem IcsA, gesteuert, das direkt in die Aktinfila- ment-Struktur der Epithelzelle ein- greifen kann.

Überraschend für die Forscher war der Befund, daß Shigellen offen- sichtlich Probleme bei der Durchdrin-

gung der äußersten Zellschicht ha- ben. Erst wenn diese überwunden ist, kann es in der oben beschriebenen Weise zur Invasion der Zellen in tiefe- ren Schichten der Darmschleimhaut

kommen. Ein möglicher Weg ist es, daß die anhaftenden Bakterien durch ein „Signalling“ basale polymorph- kernige Zellen zur Transmigration anregen und dabei die oberste zellulä- re Schicht durchlässiger wird. Eine Hauptrolle bei dieser transepithelia- len Signalübermittlung spielen Lipo- polysaccharide (Endotoxine).

Zum Ausbruch einer Erkran- kung kann es dadurch kommen, so Sansonetti, daß der bakteriellen Inva- sion intestinaler Mukosazellen der programmierte Zelltod (Apoptose) von Makrophagen folgt. Dies wieder- um setzt Interleukin IL-1b frei, das Entzündungsvorgänge induziert und eine Destabilisierung der Epithel- struktur zur Folge hat.

Im Immunsystem von Patienten mit verschiedensten Infektionskrank- heiten, Allergien und Autoimmuner- krankungen ist sehr häufig das T-Hel- fer-Zellsystem gestört. Nach den Worten des aus England stammenden Immunologen Prof. Avrion Mitchison (Deutsches Rheuma-Forschungszen- trum, Berlin) ist das für den gesunden Menschen charakteristische Gleich- gewicht zwischen den Th1- und Th2- Zellen in eine Richtung aus der Ba- lance geraten. Ein Ungleichgewicht im T-Zellsystem hat nicht nur weit- reichende Folgen für das Zytokin- Milieu in den Krankheitsherden, son- dern beeinflußt auch die humorale Abwehr, die über das B-Zellsystem gesteuert wird.

Ein potentieller medikamentöser Behandlungsansatz könnte sich nach Mitchisons Worten aufbauend auf tierexperimentellen Studien ent- wickeln lassen: Die Expression von MHC-II-Genen scheint in der Maus die Anfälligkeit gegen Autoimmun- krankheiten zu vermindern. Die Schutzfunktion steht in Verbindung mit Interferon-gamma (IFN-g) und IAS sowie dem Interleukin 4 (IL-4), das sonst in der frühen Phase der Th2- Antwort für den Krankheitsausbruch verantwortlich ist.

Denkbar ist die Anwendung von Pyrazol-Pyrimidin-2 (PP2): Dadurch kommt es zu einer Zunahme von IFN- g und zu einer Abnahme der IL-4- Produktion. PP2 reguliert auch die Ausbildung von speziellen Ober- flächenproteinen, den sogenannten CD-Komplexen, der T-Helferzellen.

Mögliches Resultat: eine Normalisie- rung der Th1-Th2-Balance.

Verändertes Zytokinmilieu

Der Allergologe Prof. Sergio Ro- magnani (Universität Florenz) ging auf weitere, durch ein Th1/Th2-Un- gleichgewicht verursachte Krankhei- ten ein. Mit einem Überwiegen der Th1-Antwort assoziiert sind zum Bei- spiel die Multiple Sklerose, reaktive Arthritiden und nach derzeitigen Be- funden auch die Helicobacter-pylori- Infektionen. In Gewebe von Patien- ten mit Morbus Crohn konnte eben- falls eine Akkumulation Th1-ähn- A-2972 (28) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 45, 7. November 1997

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Symposium am Forschungszentrum Borstel

Struktur und Funktion in der Molekularen Medizin

Fortschritte beim Verständnis von Infektionen, Allergien und Autoimmunerkrankungen wer- den vor allem auf dem Gebiet der Molekularen Medizin gemacht. Dabei spielt der enge Zu- sammenhang zwischen Struktur und Funktion eine entscheidende Rolle, wie auf dem Sympo- sium „From Molecules to Diseases“ im Forschungszentrum Borstel zu hören war. Es gilt als bun- desweit modellhafte Einrichtung bezüglich des interdisziplinären Konzepts, daß eine internisti- sche Klinik und zwei grundlagenwissenschaftliche Abteilungen unter einem Dach arbeiten.

Grundpfeiler des menschlichen Immunsystems: ein Makrophage (blau) und ein Lymphozyt in der Nähe einer Endothelzelle (weiß) Foto: Glaxo Wellcome

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licher Zellen festgestellt werden.

Durch die Veränderung des Zytokin- milieus, unter anderem einer Inter- leukin-12-Neutralisierung, könnte dies zu der Crohn-typischen Entzün- dung führen.

Für HIV-Infektionen wird der- zeit noch kontrovers ein Th2-Überge- wicht diskutiert. Die HIV-Replikati- on scheint durch die Blockierung der sogenannten CD30/CD30c-Komple- xe reduziert werden zu können. Für Allergien ist die Induktion vor allem von Th2-Zellen gesichert, die man dann in den Zielorganen (Lunge, Haut) finden kann. Bei neuartigen Strategien für Immuntherapien steht deshalb die Regulation der Th2-Zel- len im Mittelpunkt. Die genetisch de- terminierte Neigung zu überschießen- der Immunreaktion, vor allem durch Bildung von IgE bei Atopikern, könnte durch die Zytokinbildung in Th2-Zellen verursacht werden.

Über den derzeitigen Stand der Gentherapie in der Kardiologie refe- rierte Prof. Ron G. Crystal (Cornell Medical Center, New York). Ziel ist die Angioneogenese, der „Bio-By- pass“, zunächst an Patienten, die nicht mehr mit Angioplastie- oder konven- tionellen Bypass-Verfahren zu behan- deln sind. Das über ein Adenovirus eingeschleuste VEGF-Gen (Vaskulä- res endotheliales Wachstumsfaktor- Gen) regt die natürliche Erweiterung und Neubildung von Blutgefäßen an:

Nach einem anfänglichen Abbau der Basalmembran folgen Migration und Proliferation der Endothelzellen, da- nach die Neubildung des Endothels und letztlich der Wiederaufbau der neuen Basalmembran.

In tierexperimentellen Studien am Schwein fand sich dreißig Tage nach Gen-Transfer am Myokard eine ausgeprägte Mikro-Angioneogenese, meßbar sowohl histologisch als auch in nuklearmedizinischen Funk- tionsprüfungen. Die Expression des VEGF-Gens im Herzen soll nur für eine Woche erfolgen, um ein Über- schießen zu verhindern. Dies wird elegant dadurch realisiert, daß als Genträgervehikel ein Adeno-Virus genutzt wird, das sich nach sieben Ta- gen auflöst. Crystal dämpfte Erwar- tungen, daß Gentherapeutika der All- gemeinheit bald zur Verfügung stehen könnten. Katharina Knötzsch

Die Therapie von Schmerzsyn- dromen ist in Deutschland keines- wegs zufriedenstellend. Es hapert auf seiten der Ärzte an mangelnden Kenntnissen über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und der Abneigung gegenüber bürokrati- schen Vorschriften bei der Verord- nung von Betäubungsmitteln; bei den Patienten scheitert der Therapieer- folg häufig an mangelnder Compli- ance, da die Betroffenen zu wenig über die Ursachen des Schmerzes und die Notwendigkeit für bestimmte Therapiemaßnahmen informiert sind.

„Gemeinsame Sprache“

Um diesem Manko entgegenzu- wirken, haben die Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft und die Techniker Krankenkasse (TK) jetzt eine gemeinsame Strate- gie entwickelt. Flankierend zu den Therapieempfehlungen, die die Arz- neimittelkommission allen Ärzten anbietet, veröffentlicht die TK spezi- elle „Informationen für Patienten und Angehörige“. Mit diesem auf- einander abgestimmten Informati- onsangebot sollen Patient und Arzt zu einer „gemeinsamen Sprache“ fin- den, um sich über Risiken und Nutzen der Therapie zu verständi- gen, erklärte TK-Vorstand Dieter Korting auf einer Pressekonferenz in Königswinter.

Im Sinne dieser Strategie sei es sinnvoll, so Prof. Bruno Müller-Oer- linghausen als Vorsitzender der Arz- neimittelkommission, daß die Patien- teninformationen der TK auch über die Ärzte ausgegeben werden. Die er- sten drei Broschüren, die im Buch- handel erhältlich sind, behandeln die Themen Tumorschmerzen, Kopf- schmerzen und Rückenschmerzen.

Die vollständigen Therapieemp- fehlungen können laut Müller-Oer- linghausen mit dem Bulletin „Arznei-

verordnung in der Praxis“ als Abon- nement gegen eine Schutzgebühr (58 DM/Jahr) bezogen werden bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Aachener Straße 233–237, 50931 Köln.

Für eine patientengerechte Schmerztherapie bedarf es allerdings weiterer Schritte: Obwohl hinrei- chend belegt ist, daß mit der medika- mentösen Therapie nach dem WHO- Stufenschema etwa 90 Prozent aller Schmerzen ausreichend gelindert werden können, machen zu wenige Ärzte davon Gebrauch. Dies betrifft vor allem die Verordnung von Betäu- bungsmitteln. „Deutschland nimmt unter den Industrienationen hinsicht- lich der Verordnung von Morphinen einen der hintersten Plätze ein“, er- klärte Prof. Michael Zenz (Bochum).

In Dänemark werde Morphin vierzehnmal, in England siebenmal mehr eingesetzt, ohne daß in diesen Ländern ein ausgeprägtes Sucht- und Abhängigkeitsverhalten zu beobach- ten wäre. Doch das Vorurteil, Morphi- ne machten süchtig, halte sich – weni- ger bei den Ärzten als vielmehr bei den Patienten – immer noch hartnäckig.

Eine Befragung von Infratest bei nie- dergelassenen und Krankenhausärz- ten, Onkologen und Schmerzthera- peuten verstärkt diesen Eindruck.

In der Erhebung wurde insbe- sondere der Frage nachgegangen, in- wieweit die „Morphin-Mythen“ bei den untersuchten Arztgruppen nach- zuweisen sind. Die oft zitierte Angst der Behandler vor Sucht und Ab- hängigkeit wird deutlich seltener an- gegeben als gemeinhin angenom- men. Als positive Einschätzung adäquater Opioidtherapie werden Schmerzfreiheit und Zunahme an Lebensqualität genannt. Im Gegen- satz zu diesen eher positiven Ein- schätzungen werden bürokratische Hemmnisse erwartungsgemäß als Ursache restriktiver Verschreibungs-

praxis angegeben. zyl

A-2974

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(30) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 45, 7. November 1997

Arzneimittelkommission und Techniker Krankenkasse

Schmerztherapie:

Patienten mehr einbinden

Referenzen

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Für eine patientengerechte Schmerztherapie bedarf es allerdings weiterer Schritte: Obwohl hinrei- chend belegt ist, daß mit der medika- mentösen Therapie nach dem WHO- Stufenschema

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