P O L I T I K LEITARTIKEL
D
ie „Ärzteinitiative gegen die neue GOÄ“ gibt an, inzwi- schen hätten sich direkt oder indirekt 57 000 Ärztinnen und Ärzte ihrem Protest angeschlossen.Davon hätten mehr als 9 000 das Pro- testschreiben unterzeichnet; ange- schlossen hätten sich der Berufsver- band Deutscher Internisten e.V.
(BDI, 26 000 Vereinsmitglieder), der Berufsverband Deutscher Allge- meinärzte e.V. (BDA, rund 20 000 Mitglieder), der Zentralverband für Ärzte für Naturheilverfahren e.V.
(9 000 Mitglieder), der Landesver- band Bayern des NAV-Virchowbun- des (1 500 Mitglieder) und die Grup- pe Frankfurt des Deutschen Ärztin- nenbundes e.V. (30 Mitglieder).
Die Ärzteinitiative gegen das
„Verbot privatärztlicher Laborge- meinschaften“ nimmt Anstoß daran, daß die Beziehbarkeit von Leistungen des Speziallabors seit Jahresbeginn 1996 eingeschränkt worden ist und höhere Anforderungen an die Erbrin- gung dieser Leistungen gestellt wer- den. Sie setzt diese allein vom Verord- nungsgeber vollzogene Umstellung mit einem „Willkürakt“ gleich.
Ein „Verbot privatärztlicher La- borgemeinschaften“ leitet die Initiati- ve fälschlicherweise aus der amtlichen Begründung zur Neufassung der GOÄ zum Passus IV ab. Darin heißt es: „Die Abrechnung delegierter La- borleistungen aus eigener Leistung (zum Beispiel bei Bezug aus einer La- borgemeinschaft) wird auf einen be- grenzten Katalog häufiger Routine- untersuchungen (Basislabor) be- schränkt. Sämtliche übrigen Leistun- gen (Speziallabor) können künftig nur noch von dem mit der Durch- führung beauftragten Arzt abgerech- net werden. Damit entfällt in einem weiten Bereich ein Vergütungsanreiz
für die sogenannte Selbstzuweisung von Laborleistungen, durch die eine Mengenausweitung begünstigt wur- de.“ Gleichzeitig unterstellt die Initia- tive, durch die Neubestimmung wür- den fachärztlich geleitete Laborge- meinschaften „ausgehungert“, weil die Erbringung von M-III-Leistungen in Laborgemeinschaften weitgehend auf einzelne Laborärzte verlagert werden soll. Außerdem würde durch
„laborärztefeindliche Formulierun- gen“ den Leitern von Laborgemein- schaften unterstellt, sie würden La- boruntersuchungen – also auch Blut- entnahmen – ohne medizinische Indi- kation vornehmen und abrechnen.
Geltendes Recht
Ob einzelne privatärztliche La- borleistungen künftig unentgeltlich oder unter Kostendeckung erbracht werden müssen, wäre zu prüfen. Mag sein, daß die Akzeptanz der Neurege- lung dadurch beeinträchtigt wird, daß einige Laborparameter (zum Beispiel:
Schilddrüsenparameter und Rheu- mafaktor) abweichend von der im übrigen vergleichbaren EBM-Rege- lung anstatt dem Basislabor M II dem Speziallabor M III zugeordnet sind.
Die Bundesärztekammer hat sich beim Bundesgesundheitsministerium dafür eingesetzt, daß dies korrigiert wird. Trotz dieser Mängel ist die Neu- strukturierung von Laborleistungen und deren Zuordnung geltendes Recht und damit für jeden Arzt verbindlich.
Initiativen, die das Rad zurückdrehen wollen, verkennen die Gefahr, daß beim nächsten Reformschritt das ge- samte Laborkapitel neu geregelt und damit noch weitergreifende Regelun- gen zum Nachteil privatärztlicher La- borgemeinschaften erlassen werden
könnten – mit der Folge, daß das La- borkapitel völlig aus der ärztlichen Vergütung „abdriftet“. Frühere Vor- stöße von SPD-regierten Ländern gin- gen so weit, Laborleistungen lediglich als erstattungsfähigen Kostenfaktor zu definieren oder diese aus der Ge- bührenordnung zu eliminieren.
Dagegen ist mit der jetzt vollzo- genen Neustrukturierung des Labor- abschnitts und der Differenzierung zwischen Akut-/Praxislabor (M I), ei- nem beziehbaren Basislabor (M II) und einem an qualifizierte Vorausset- zungen gebundenen Speziallabor (M III/IV) verhindert worden, daß die Laborleistungen insgesamt noch weiter abgewertet werden. Der Ver- ordnungsgeber hat dagegen die von der Ärzteschaft selbst aufgestellten Prinzipien zur Erbringung und Ab- rechnung von Laborleistungen über- nommen. Eine ähnliche Struktur gilt bereits im EBM für die vertragsärztli- chen Leistungen.
Die qualifizierte persönliche Mit- wirkung des Arztes an der Erbrin- gung von Leistungen des Spezialla- bors ist im übrigen auch Grundlage für eine entsprechend höhere Bewer- tung dieser Leistung in der novellier- ten GOÄ. Die klare Abgrenzung zwi- schen beziehbaren Laborleistungen einerseits und an besondere Qualifi- kationen gebundene Laborleistungen andererseits ist notwendig, um die ärztlichen Laborleistungen insgesamt zu erhalten. Es liegt mithin nicht zu- letzt im Interesse der Ärzte selbst, die höheren Anforderungen an die Er- bringung und Abrechnung von Spezi- allaborleistungen zu beachten. Es kann nicht darum gehen, mit Aktio- nismus Partikularinteressen zu si- chern, notwendig ist es vielmehr, ei- nen tragfähigen Kompromiß zu er- zielen. Dr. Harald Clade A-651 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 11, 15. März 1996 (15)