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Bericht und Meinung
BRIEFE AN DIE REDAKTION
MORELL
Zu der Buchbesprechung von Paul Lüth „Leibarzt Morell — kein Rasputin, ein überlebens- großer Spießer" in Heft 15/
1983:
Tolerierte Außenseiter
.. In jedem Fall sollte man behutsamer und ab- wägender mit einem ver- storbenen Kollegen — auch im Falle Morell — umgehen.
Ganz besonders aber dann, wenn man Morells Aus- spruch, er habe sich „nie etwas zuschulden kommen lassen", nicht widerspricht.
Übrigens ist dies inzwi- schen auch Allgemeingut der Hitlerforschung gewor- den. Weiter ist es eine völli- ge Verkennung der Tatsa- chen, wenn man so tut, als wenn sich Morell den Füh- rer hörig und abhängig ge- macht habe, mit Drogen, verbotenen Geheimmedi- kamenten und Wundermit- teln. Morell hat Medika- mente benutzt, die größ- tenteils heute noch im Han- del sind und im allgemei- nen nicht als sonderlich schädlich gelten. Hitler schenkte Morell allein auf Grund seiner Erfolge bei Behandlung der Verdau- ungsstörungen, der Unter- schenkelekzeme etc. nach 1936 sein unbedingtes Ver- trauen, zumal die Behand- lung durch Prof. Dr. Berg- mann von der Berliner Cha- ritö erfolglos geblieben war. Was lag da nicht nä- her, als so einen Arzt zum Leibarzt zu machen, und zwar neben dem Chirurgen Dr. Brandt? Und gegen das Vertrauen, das ein Patient, der in unserem Falle zufäl- lig ein Diktator ist, seinem erfolgreichen Arzt schenkt, läßt sich wohl schwerlich etwas sagen? Bevor Morell diese Stellung bei Hitler an- trat, war er ein sehr erfolg- reicher Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankhei- ten in Berlin, ein sogenann- ter Prominenten- und Mo- dearzt. Ein Faktum, was
nicht unbedingt für eine besondere ärztliche Quali- fikation zu sprechen braucht, aber bestimmt we- gen der erforderlichen Ge- wandtheit, Alertheit und psychischem Einfühlungs- vermögen keinen Ansatz zu
„überlebensgroßer Spie- ßerhaftigkeit" erkennen läßt.
Wir tolerieren auch heute noch in unseren Reihen solche Kollegen mit Außen- seitermethoden, deren wis- senschaftliche Unhaltbar- keit mindestens jedes Jahr mehr als einmal nachge- wiesen wird. Ja, wir sind auf diese Toleranz und Plu- ralität sogar noch stolz.
Morell dagegen behandelte nach dem Stand der dama- ligen Wissenschaft und medizinischen Erkenntnis durchaus korrekt.. . Die vielleicht anfangs als lukrativ geltende Sonder- und Vertrauensstellung im 3. Reich mußte sich im Ver- laufe des Krieges, dem un- unterbrochenen Aufenthalt im Führerhauptquartier mit seinem menschenfeindli- chen Milieu (feuchte Bun- ker, wenig Sonne, unge- sunde morastige Land- schaft, besonders karge Verpflegung) physisch und psychisch nachteilig aus- wirken und zu irreparablen Schädigungen führen.
Für Morell stand ständig viel, ja, alles auf dem Spiel, nicht nur die berufliche Karriere, sondern stets die physische Existenz. Das al- les scheint mir so gar kein Spiel für Spießer zu sein:
Morell wurde jedenfalls bei diesem Leben am 22. 4.
1945 als verbrauchter, kranker Mann aus seiner Verantwortung entlassen, sein Kollege Brandt war schon Mitte April auf Be- fehl Hitlers verhaftet und von einem Sondergericht zum Tode verurteilt wor- den. Nur weil er seine Frau aus Berlin evakuiert hatte!
Von den Amerikanern be- freit, wurde er später doch hingerichtet.
Wir Ärzte müßten es am be- sten nachvollziehen kön- nen, welchen Aufwand an Kraft der tägliche Umgang mit so einem explosiven Psychopathen wie Hitler er- forderte. Und das alles im ständigen Miterleben einer sich seit Jahren abzeich- nenden, ausweglosen Ka- tastrophe. Und wie kann man da bei einer eindeuti- gen Zerebralsklerose-Sym- ptomatik bei Morell von ei- nem „senilen Schwäch- ling" und einem depressi- ven Trottel etc. mit solcher unärztlichen Häme spre- chen? Wo doch jeder wirk- liche Verbrecher von uns Verständnis erwarten darf.
Schon der Vorspann zu dieser Buchbesprechung ist recht tendenziös, so ver- einfachend falsch wie nur möglich. Wenn festgehal- ten wird, „daß es nämlich der Aufstand des vereinig- ten Spießertums war, was sich da in schwarzen und braunen Uniformen mit Or- den behängte und die Welt ins Unglück stürzte", so muß man fragen dürfen:
Was muß das für eine ver- kommene, abgewirtschaf-
LABOR
Zu dem Kommentar von Dr.
Ernst-Eberhard Weinhold „So- lidarität und Kollegialität auf dem Prüfstand" (Heft 17/1983):
Selber machen
Kollege Weinhold mahnt sehr ausgewogen, unser
„Laborproblem" zu lösen;
dies werde auch die zu- künftige Struktur des Ge- sundheitswesens entschei- dend bestimmen. Tatsäch- lich hat die Automatisie- rung von 20-40 Reaktionen (teils aussagefähig nur für seltenste „Syndrome") die ambulante Praxis proble- matisiert. Man kann jedem praktizierenden Kollegen nur empfehlen, die für eine Praxis wichtigsten Labor- aktivitäten wieder eigen-
tete
und geschwächte Welt gewesen sein, die dies mit sich geschehen ließ? Mit so groben pauschalen Übertreibungen bewältigt man keine Vergangenheit.Dr. med. Gerhard Keil Maybachstraße 1 2280 Westerland/Sylt
So einfach?
Im Vorspann für „Morell"
steht der Halbsatz: „daß es nämlich der Aufstand des vereinigten Spießertums war, was sich da in schwar- zen und braunen Unifor- men mit Orden behängte und die Welt ins Unglück stürzte." So einfach war es also 1933: ein Aufstand des vereinigten Spießertums.
Im übrigen hatten wir da- mals über 6 Mill. Arbeitslo- se lt. Propyläen Weltge- schichte, 9. Band, 1960, auf Seite 652. Ich meine, der Vorspann über Morell ent- spricht nicht dem Niveau des DÄ.
Dr. med. Martin Goes Backoffenstraße 3 8750 Aschaffenburg
händig und -äugig zu trai- nieren. Aus dem Rahmen Fallendes läßt sich dann binnen kurzem wiederho- len, Ergänzungsbedürfti- ges von einem qualifizier- ten Laborspezialisten, des- sen Möglichkeiten sich ja seit 20 Jahren enorm ver- tieft haben, erfragen. So läßt sich rationell mit (im Mittel etwa fünf) selbst er- brachten Labor- und Mi- kroskopaussagen der Ein- zelfall klären (oder zum Spezialisten leiten); von der Entlastung einer alle paar Jahre zu modernisie- renden Installation, von der teuren Reparatur und MTA- Bedienung sowie dem Raumbedarf zu schweigen.
Dr. med. habil.
Werner Kaufmann Wallrafplatz 1 5000 Köln 1
8 Heft 33 vom 19. August 1983 80. Jahrgang