• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Multiple endokrine Neoplasie Typ 2" (09.12.1994)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Multiple endokrine Neoplasie Typ 2" (09.12.1994)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

MEDIZIN KURZBERICHT

Multiple

endokrine Neoplasie Typ 2

Friedhelm Rauet Karin Frank-Raue' Wolfgang Höppner 2

Andrea Frilling 3

D

ie multiple endokrine Neo- plasie (MEN) gehört zu den erblichen Krebserkrankun- gen mit einer Häufigkeit von etwa 1:30 000. Die MEN ist ge- kennzeichnet durch das zeitlich und kausal unabhängige Auftreten en- dokriner, zum Teil maligner Tumo- ren. Je nach Befallsmuster unter- scheidet man die MEN-1 (primärer Hyperparathyreoidismus, häufig maligne Pankreastumoren und Hy- pophysentumoren) von der MEN-2 (medulläres Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozytom, primärer Hy-

Klinik der MEN-2

Das medulläre Schilddrüsen- karzinom ist die häufigste Manife- station der MEN-2. Meist im zwei- ten Lebensjahrzehnt entwickelt sich aus einer diffusen C-Zell-Hyperpla- sie ein multifokal auftretendes C- Zell-Karzinom (6). Nur 70 Prozent der genetisch Betroffenen ent- wickeln im Laufe ihres Lebens ein klinisch manifestes medulläres Schilddrüsenkarzinom. Während bei der C-Zell-Hyperplasie die Serum- Kalzitoninspiegel noch im Normbe- reich liegen können, kommt es nach Stimulation des Kalzitonins durch Pentagastrin meist zu einem patho- logischen Anstieg. Der Pentaga- strintest diente bisher als Diagnosti- kum für die Frühdiagnose des me- dullären Schilddrüsenkarzinoms.

Klinisch faßbare Tumoren haben häufig schon lokale zervikale oder mediastinale Lymphknotenmetasta-

perparathyreoidismus). Der die MEN-2 bestimmende Tumor ist das medulläre Schilddrüsenkarzinom (C-Zell-Karzinom), das in einem Viertel der Fälle im Rahmen dieses autosomal-dominant vererbbaren Syndroms auftreten kann. Neben dem familiären medullären Schild- drüsenkarzinom können je nach Unterform bilaterale Phäochromo- zytome, ein primärer Hyperpara- thyreoidismus (MEN-2a) oder neu- rokutane Veränderungen wie eine Neurogangliomatose und ein mar- fanoider Habitus (MEN-2b) auftre- ten (6) (Tabelle 1). Nach zehnjähri- ger intensiver Suche konnten jetzt das Gen und die verantwortlichen Mutationen für die MEN-2 defi- niert werden, dadurch wird das dia- gnostische und therapeutische Vor- gehen verändert (5).

sen; erst im weiteren Verlauf ent- wickeln sich Fernmetastasen in Le- ber, Lunge und Knochen. In diesem Stadium sind therapierefraktäre Durchfälle häufig; als weitere Tu- mormarker neben dem Kalzitonin findet sich dann eine Erhöhung des karzinoembryonalen Antigens.

Etwa die Hälfte der Patienten mit MEN-2a entwickeln ein Phäo- chromozytom, das sich klinisch mit den typischen Zeichen wie Palpita- tionen, Hochdruck, Kopfschmerzen

1 Abteilung Innere Medizin I — Endokrinolo- gie und Stoffwechsel (Direktor: Prof. Dr.

med. Reinhard Ziegler) der Universität Hei- delberg.

2 Abteilung Molekulare Diagnostik, Institut für Hormone und Fortpflanzungsforschung (Direktoren: Prof. Dr. med. Freimut A. Leiden- berger, Prof. Dr. med. Heinrich M. Schulte)

3 Chirurgische Universitätsklinik und Polikli- nik (Direktor: Prof. Dr. med. Christoph E.

Broelsch) der Universität Hamburg

und Schwitzen manifestiert. Zum Zeitpunkt der Diagnose findet man in der Hälfte der Fälle bilaterale Nebennierenmarkstumoren, bei den übrigen entwickelt sich häufig im Laufe der nächsten 10 bis 15 Jah- re ein Phäochromozytom auf der Gegenseite. Es kommt nur selten zu einer malignen Entartung der Phäo- chromozytome. Durch systemati- sches Screening mit Bestimmung der Serum- und Urin-Katecholami- ne bei Genträgern können die Phäochromozytome schon im asym- ptomatischen Stadium sicher dia- gnostiziert werden.

Als dritter endokriner Tumor findet sich bei 15 bis 20 Prozent der MEN-2a-Patienten ein Epithelkör- perchenadenom oder eine Hyperpla- sie der Epithelkörperchen. Die Kli- nik unterscheidet sich prinzipiell nicht vom sporadischen primären Hyperparathyreoidismus (wie Nie- rensteine), die Erkrankung ist aber in den meisten Fällen asymptomatisch.

Ein erhöhter Serumkalziumspiegel in.

Verbindung mit einem erhöhten in- takt Parathormonspiegel sichert die Diagnose. Darüber hinaus ent- wickeln manche Patienten mit MEN- 2a eine juckende Hautläsion zwi- schen den Schulterblättern, die sich histologisch als Amyloidose darstellt.

Das seltenere MEN-2b-Syn- drom unterscheidet sich von der MEN-2a durch zusätzliches Auftre- ten von Schleimhautneuromen, ei- ner intestinalen Ganglioneuromato- se, einem marfanoiden Habitus und dem Fehlen eines primären Hyper- parathyreoidismus. Die Schleim- hautneurome an Zunge, Lippe, Wangenschleimhaut und Augenli- dern zusammen mit dem marfanoi- den Habitus geben den Patienten ein typisches Aussehen, das eine Blickdiagnose erlaubt. Durch die in- testinale Ganglioneuromatose kann A-3440 (56) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994

(2)

Tumor medulläres

Schilddrüsen- karzinom cYo Häufigkeit

Phäochromozytom

% Häufigkeit

Epithelkörperchen Hyperplasie/Adenom

`Y. Häufigkeit

intestinale Ganglioneuro- matose

% Häufigkeit Typ

familiäres medulläres

Schilddrüsenkarzinom 100

MEN-2a 70 (-100)* 50 20

MEN-2b 70 (-100)* 50 100

MEDIZIN

ein hirschsprungähnliches Krank- heitsbild mit schwerer Obstipation hervorgerufen werden, aber auch Diarrhoen wurden beobachtet. Das medulläre Schilddrüsenkarzinom bei MEN-2b scheint aggressiver als bei den anderen familiären Formen zu verlaufen, es tritt schon in früher Kindheit auf und metastasiert früh;

die Prognose ist dadurch insgesamt schlechter. Viele der MEN-2b-Pati- enten haben eine Neumutation und präsentieren sich als sporadischer Fall einer potentiell hereditären Er- krankung.

Ret-Protoonkogen

Die zehnjährige intensive Su- che nach der genetischen Ursache für die MEN-2a führten zum Nach- weis von Mutationen im Ret-Proto- onkogen auf Chromosom 10 (5).

Das Ret-Protein ist ein transmem- branöser Rezeptor mit einer zy- steinreichen extrazellulären, einer singulären transmembranösen und einer intrazellulären Tyrosin-Kina- se-Domäne (Abbildung 1). Der Li- gand für den Rezeptor ist unbe- kannt; die Identifizierung einer ca- dherinähnlichen Sequenz in der ex- trazellulären Region deutet auf eine mögliche Funktion als Zelladhäsi- onsmolekül. Cadherine sind trans- membranöse Proteine, die für den Ca2±-abhängigen Zell-zu-Zell-Kon- takt wichtig sind und damit Diffe- renzierung, Morphogenese und Tu- morsuppression regulieren. Auffal- lend ist auch eine gewisse Ähnlich-

KURZBERICHT

keit des Ret mit verschiedenen Wachstumsfaktoren (nerve-, fibro- blast-, epidermal growth factor), die nach Ligandenbindung mit einer Autophosphorylierung der zyto- plasmatisch gelegenen Tyrosin- Kinase reagieren (2).

Das Ret-Protoonkogen wird gewebsspezifisch in einer bestimm- ten Entwicklungsstufe der Embryo- genese exprimiert und ist für die Wanderung von neuroektoderma- len Zellen verantwortlich.

Interessanterweise wird ein ak- tiviertes und durch „Rearrange- ment" neuformiertes Ret-Protoon- kogen in 30 Prozent der papillären Schilddrüsenkarzinome als somati- sche Mutation beobachtet (ret/PTC Onkogen).

MEN-2-Gen-Mutation Das MEN-2-Syndrom wird au- tosomal-dominant vererbt, damit haben alle Verwandten ersten Gra- des von MEN-2-Patienten ein 50prozentiges Risiko, ebenfalls zu erkranken. Da die Mutation über die Keimbahn weitergegeben wird, weisen alle Körperzellen eines Be- troffenen die Mutation auf. Alle bisher bekannten Mutationen bei MEN-2a und dem familiären me- dullären Schilddrüsenkarzinom be- treffen den extrazellulären, zystein- reichen Anteil des Ret-Protoonko- gens (5) (Abbildung 1). Es handelt sich ausschließlich um Punktmuta- tionen mit Austausch eines einzel- nen Nukleotids. In allen bisher be-

kannten fünf Varianten in Exon 10 und 11 wird der genetische Code für Zystein geändert. Der Aminosäu- reaustausch führt zu einer Ände- rung der Aminosäuresequenz, folg- lich der Tertiärstruktur und damit möglicherweise der Funktion von Ret (Verhinderung der Liganden- bindung und Autophosphorylie- rung). Am häufigsten betroffen ist das Codon 634.

Beim MEN-2b-Syndrom wird eine Punktmutation in der intra- zellulären Tyrosin-Kinase-Domäne des Ret-Protoonkogens beobachtet (Codon 918) (3, 4). Durch die Mu- tation kommt es zur Substitution von Methionin durch Threonin. Es handelt sich um die substratbinden- de Region des katalytischen Zen- trums der Tyrosin-Kinase-Domäne;

als Folge wird wahrscheinlich die Spezifität des Enzyms geändert. Da das intrazelluläre Substrat der Tyro- sin-Kinase bisher nicht bekannt ist, steht der endgültige Nachweis die- ses Mechanismus noch aus. Alle bisher beobachteten MEN-2b-Pati- enten weisen diese Mutation auf, ei- ne Heterogenität wie bei MEN-2a findet sich nicht. Interessanterweise findet man bei 30 Prozent der Tu- moren des sporadischen medullären Schilddrüsenkarzinoms ebenfalls die für MEN-2b-Patienten typische Mutation im Tumor, nicht jedoch in den übrigen Körperzellen des Pati- enten (somatische Mutation).

Die Tatsache, daß das Ret-Pro- toonkogen im Laufe der Embryoge- nese auch in den enteralen Nerven- systemen temporär exprimiert wird,

Tabelle 1: Formen des hereditären medullüren Schilddrüsenkarzinoms

MEN = multiple endokrine Neoplasie, * Bei histologischer Untersuchung

A-3442 (58) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994

(3)

extrazellulär

cadherinähnlich

MEN-2a

cysteinreich

transmembranös

intrazellulär

Tyrosin-Kinase

Codon:

-4-- 609, 610, 618, 620, 634

MEN-2b Codon:

4-- 918

MEDIZIN

daß der Verlust der Ret-Tyrosin- Kinase-Aktivität in der Entwick- lungsphase zu einer schweren Aganglionose führt und daß be- stimmte Formen der Hirschsprung'- schen Erkrankung, bei der es zu ei- ner Aganglionose im Bereich des Kolon kommt, mit einer Deletion im Bereich des Ret-Protoonkogens verbunden sind, unterstützt die pa- thogenetische Bedeutung der MEN-2b-Mutation (2) für die Hy- perplasie der enteralen Ganglien- zellen. In keinem MEN-2a- und -2b-Tumor konnte bisher der Ver- lust des zweiten Allels des Ret-Pro- toonkogens nachgewiesen werden, so daß es sich nicht wie bei anderen erblichen Tumorerkrankungen (wie Retinoblastom) um den Verlust ei- nes Tumorsuppressorgens, sondern eher um ein aktiviertes Onkogen handelt.

Molekulargenetische Untersuchungen

Der Nachweis der Mutationen, die zur MEN-2a, zum familiären medullären Schilddrüsenkarzinom und zur MEN-2b führen, erfolgt aus der genomischen DNA, die aus pe- ripheren Lymphozyten gewonnen wird. Dazu sind zwei bis fünf Milli- liter antikoaguliertes Vollblut (EDTA) notwendig. Der Versand der Probe kann bei normalen Tem- peraturen erfolgen. Eine Kühlung ist in der Regel nicht erforderlich.

Aus der genomischen DNA werden durch eine Polymerasekettenreakti- on kleine DNA-Fragmente erzeugt, die den Exons entsprechen, in de- nen die Mutationen vermutet wer- den (Exon 10 und 11 bei MEN-2a und FMTC, Exon 16 bei MEN-2b).

Bereits der Austausch einer Base in den kleinen DNA-Fragmenten führt zu einer deutlichen Verände- rung der räumlichen Struktur und damit dem Laufverhalten in der Elektrophorese. Dieses wird ge- nutzt, um zu überprüfen, ob über- haupt Mutationen vorliegen. Deu- tet diese Technik auf eine geneti- sche Veränderung hin, so wird durch Sequenzierung die Basen- abfolge des DNA-Fragmentes er- mittelt und dadurch die Mutation

KURZBERICHT

eindeutig identifiziert. Im Falle der Mutation bei den MEN-2b- Patienten kann durch ein Restrikti- onsenzym (fokl) das Vorliegen der Mutation sehr einfach detektiert werden.

Zur Abklärung eines sporadi- schen C-Zell-Karzinoms muß exakt der Nachweis der Mutation im Exon 16 aus der DNA des Tumors erfolgen.

Dieses ist sowohl aus frischem oder tiefgefrorenem Gewebe (Trans- port auf Trockeneis) als auch aus Paraffinblöcken möglich.

Abbildung 1: Struktur des Ret mit bisher bekannten Mutationen für MEN-2 a, MEN-2 b und familiärem, medullärem Schilddrüsenkarzinom.

Praktische Konsequenz Vor einer molekulargeneti- schen Untersuchung sollte eine gründliche und umfassende geneti- sche Beratung und Aufklärung stattfinden, bei der auch die Mög- lichkeiten und Konsequenzen einer Genträgerschaft ausführlich be- sprochen werden sollten. Dies gilt besonders für die präsymptomati- sche Diagnostik bei Kindern von Genträgern. Die molekulargeneti- sche Untersuchung erlaubt zu- nächst die Definition der spezifi- schen Mutation bei bekannten MEN-2-Patienten. In seltenen Fäl- len stellt sich heraus, daß die auf- grund eines pathologischen Penta- gastrintestes operierten Patienten nicht Genträger sind (falsch positi- ver Pentagastrintest); hier muß die Diagnose revidiert werden. Ist die spezifische Mutation einer MEN-2-

Familie bekannt, sollte bei allen bis- her gesunden Blutsverwandten er- sten Grades gezielt danach gefahn- det werden.

Stellt sich heraus, daß ein Fami- lienmitglied nicht Genträger ist, kann es von weiteren bisher übli- chen Untersuchungen (jährlicher Pentagastrintest, Kalzium- und Ka- techolamin-Screening) ausgeschlos- sen werden (1, 3). Dagegen kann bei Genträgern gezielt durch ergän- zende biochemische und morpholo- gische Untersuchung nach Tumoren der MEN-2 gefahndet werden.

Zukünftig werden die genetischen Untersuchungen im Säuglingsalter durchgeführt werden, zu diesem Zeitpunkt sind biochemische und morphologische Parameter unauf- fällig. Es stellt sich bei Genträgern die Frage nach dem frühesten Zeit- punkt der totalen Thyreoidektomie.

Dieser Eingriff sollte sicher vor dem Zeitpunkt des Übergangs von der C-Zell-Hyperplasie zum C-Zell- Karzinom und damit sicher vor dem Auftreten lokaler Metastasen lie- gen. Der Übergang von der Hyper- plasie zum Karzinom wird meist durch das Auftreten eines eindeutig pathologischen Pentagastrintestes charakterisiert (4. bis 20. Lebens- jahr) (3). Wenn man sich nicht al- lein aufgrund des Mutationsnach- weises zu einer Operation im Alter von vier bis sechs Jahren ent- schließt, sollten jährliche Pentaga- strinteste durchgeführt werden und die Schilddrüsenoperation dann ge- plant werden, wenn der Pentaga- strintest einen pathologischen Kal- zitoninanstieg zeigt. Durch den Mu- tationsnachweis hat sich das Vorge- hen bei den anderen im Rahmen der MEN-2 vorkommenden Tumo- ren wie Phäochromozytom und Epithelkörperchenadenom (Hyper- plasie) nicht geändert, jährliche Urin- und Serumkatecholaminbe- stimmung sowie Serumkalziumkon- trollen sind notwendig (5).

Der Mutationsnachweis für MEN-2 kann auch dafür eingesetzt werden, die Diagnose „sporadi- sches" medulläres Schilddrüsenkar- zinom zu sichern, um unnötige Fa- milienuntersuchungen zu vermei- den. Dies ist sicherlich noch proble- matisch, da möglicherweise nicht al- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994 (59) A-3443

(4)

MEDIZIN

le MEN-2-Mutationen bekannt sind. Hier kann die Untersuchung des Tumors weiterhelfen: Findet man im Tumorgewebe die für MEN-2b typische Mutation am Codon 918 und läßt sich diese im peripheren Blut nicht nachweisen, liegt sicher eine somatische Mutati- on bei einem sporadischen me- dullären Schilddrüsenkarzinom vor.

Durch eine molekulargeneti- sche Untersuchung mit Nachweis der Mutation im Ret-Protoonkogen ist die Frühdiagnose bei allen Risi- kopatienten mit familiärem me- dullärem Schilddrüsenkarzinom möglich. Durch eine frühzeitige Thyreoidektomie können die be- troffenen Familienmitglieder vom medullären Schilddrüsenkarzinom geheilt werden. Das regelmäßige Screening nach Phäochromozytom und primärem Hyperparathyreoi- dismus ermöglicht auch bei diesen

KURZBERICHT / FÜR SIE REFERIERT

Erkrankungen eine Therapie im präsymptomatischen Stadium.

Der MEN-2-Mutationsnachweis ist mit Unterstützung der Deutschen Krebs- hilfe (Projekt-Nr. 70545) nun auch in Deutschland möglich. Informationen bei den Autoren.

Deutsches Ärzteblatt

91 (1994) A-3440-3444 [Heft 49]

Literatur

1. Calmettes C, Ponder BA, Fischer JA, Raue F and the members of European Community concerted action: Medullary thyroid carcinoma: Early diagnosis of the multiple endocrine neoplasia type 2 syn- drome: consensus statement. Europ J Clin Invest 1992; 22: 755-760

2. Carlson KM, Dou S, Chi D, Scavarda N, Toshima K, Jackson CE, Wells jr SA, Goodfellow PJ, Donis-Keller H: Single missense mutation in the tyrosine kinase catalytic domain of the RET protoonco- gene is associated with multiple endocrine neoplasia type 2B. Proc Natl Acad Sci 1994; 91: 1579-1583

3. Frilling A, Röher HD, Ponder BAJ, Go- retzki PE, Schlaghecke R, Reiners C: Er- fahrungen mit präsymptomatischem Scree- ning bei Patienten mit C-Zell-Carcinom der Schilddrüse. Chirurg 1993; 64: 28-35 4. Hofstra RMW, Landsvater RM, Ceccherini

I, Stulp RP, Stelwagen T, Luo Y, Pasini B, Höppener JWM, Ploos van Amstel HK, Romeo G, Lips CJM, Buys CHCM: A mu- tation in the Ret protooncogene associated with multiple endocrine neoplasia type 2B and sporadic medullary thyroid carcinoma.

Nature 1994; 367: 375-376

5. Mulligan LM, Kwok JBJ, Healey CS, Els- don MJ, Eng C, Gardner E, Love DR, Mo- le SE, Moore JK, Papi L, Ponder MA, Te- lenius H, Tunnacliffe A, Ponder BAJ:

Germ-line mutations of the RET proto-on- cogene in multiple endocrine neoplasia ty- pe 2A. Nature 1993; 363: 458-469 6. Raue F, Frank-Raue K, Grauer A: Multi-

ple endocrine neoplasia type 2, clinical fea- tures and screening. Endocrin Metabol Clin North Am 1994; 23: 137-156

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Friedhelm Raue Medizinische Universitätsklinik Bergheimer Straße 58

69115 Heidelberg

Bromismus

Bei dem geschilderten Fall han- delte es sich um einen älteren Pati- enten, der mit dem Symptombild ei- nes Korsakow-Syndroms, bei vorbe- kanntem Alkoholmißbrauch, sta- tionäre Aufnahme fand. Trotz diffe- renzierter diagnostischer Maßnah- men war es primär nicht möglich, ei- ne schlüssige Diagnose zu stellen.

Erst durch fremdanamnestische Angaben wurde bekannt, daß der Patient über einen längeren Zeit- raum ein nicht rezeptpflichtiges bromhaltiges Nerventonikum ein- genommen hatte, eine Information, die zur Stellung Diagnose „Brom- intoxikation" führte.

Das zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts entdeckte Brom fand um die Jahrhundertmitte Eingang in die Therapie und war dann jahr- zehntelang das Mittel der Wahl zur Behandlung von Epilepsien. Auf psychiatrischem Gebiet wurde seine sedierende und schlaffördernde Wirkung therapeutisch genutzt, wo- bei aber fallweise psychische Verän- derungen zu beobachten waren. In der Zeit bis 1978 kam es zu einer

starken Zunahme an Vergiftungen mit Bromharnstoffverbindungen, was zur Rezeptpflicht für diese Sub- stanzen führte, von der die bromid- haltigen Medikamente allerdings ausgenommen blieben.

Nach 1978 sind dann kaum noch Fälle von Bromintoxikation beschrieben worden, so daß das Krankheitsbild weitgehend in Ver- gessenheit geriet.

Die chronische Bromvergiftung stellt den Untersucher vor differen- tialdiagnostische Schwierigkeiten, denn die Symptomatik ist ausge- sprochen vielgestaltig und umfaßt neben neurologischen (Tremor, Fall- neigung, Dysarthrie, Ataxie, verwa- schene Sprache) auch psychiatrische (Verwirrtheit, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, intellek- tuelle Entdifferenzierung), ga- stroenterologische (Erbrechen, Ge- wichtsabnahme) und dermatologi- sche (Akne) Symptome. Aufgrund des Fehlens bromtypischer Verän- derungen (Pseudochlorämie, die da- durch zustande kommt, daß Brom in die Chlorbestimmung mit eingeht) im Labor ist die Diagnose häufig nur durch eine äußerst gründliche Fremdanamnese möglich.

Die Wirkung von Brom besteht in einer Herabsetzung der Erreg- barkeit zentralnervöser Strukturen.

Die körpereigenen Transportme- chanismen können Bromid nur be- dingt von Chlorid unterscheiden, was bedeutet, daß Bromide in Ab- hängigkeit von der Chloridkonzen- tration ausgeschieden werden. Ent- sprechend erfolgt die Therapie ent- weder durch eine medikamentös beschleunigte Diurese, wobei es aber zur Provokation von deliran- ten Zuständen kommen kann oder durch Zuwarten ohne Beschleuni- gung.

Der Autor verweist auf die Größe des Marktes für nicht rezept- pflichtige Medikamente und vermu- tet, daß es eine hohe Dunkelziffer an Bromvergiftungen gibt. Er gibt zu bedenken, daß bei Patienten, die eine verwaschene Sprache und eine Chlorämie aufweisen, nach wie vor an eine Intoxikation mit Brom ge- dacht werden sollte. eda

Erdmann, R, Ein später Fall von Bromis- mus. Sucht 1993; 39: 424-427.

Dr. med. Rüdiger Erdmann, Abt. klini- scher Psychiatrie, Medizinische Hoch- schule Hannover, Konstanty-Gutschow- Straße 8, 30625 Hannover

A-3444 (60) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 49, 9. Dezember 1994

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Zusam- menhang zwischen einer Ver- schlechterung der endokrinen Orbi- topathie oder der Entwicklung einer endokrinen Orbitopathie nach Ra- diojod-Therapie und einem anstei-

Da das Risiko dieser beiden Komplikationen mit Durchführung einer zentralen Lymphadenektomie steigt, andererseits eine zentrale Lymphadenektomie bei Vorliegen eines

Reichhaltige Software und Zubehör an Applikatoren er- lauben eine Fülle unter- schiedlicher Anwendungen in der Kinderchirurgie, Ortho- pädie, Neurochirurgie und

Die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN1) ist ein au- tosomal-dominant vererbtes Syndrom, das durch syn- oder metachrones Auftreten von Tumoren vorzugsweise der Ne-

Juni in Düsseldorf teilnehmen kann, sollte nach 49 Jahren erst recht die Arbeit der Landsmannschaft Ostpreußen durch den Erwerb einer oder mehrerer Teilnehmerplaketten

Es bestand eine positive Korrelation zwi- schen dem Vorhandensein von Ta l +-Zellen in der Rückenmark- flüssigkeit und dem Blut bei Pa- tienten mit anderen neurologi-

Die Schüler_innen ermitteln (unter der Annahme der Gleich- wahrscheinlichkeit der Ergebnisse des Würfelns mit einem Wür- fel) über die Kombinationsmöglichkeiten rational

Lesser hedgehog tenrec genome Lesser hedgehog tenrec individual Greater hedgehog tenrec Elephant Cape elephant shrew Manatee Cape golden mole Aardvark. B 4 bp insertion in RXFP2 exon