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Archiv "Anästhesie in Malawi: Eine Krankengeschichte" (16.12.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 50

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16. Dezember 2011 A 2741 ANÄSTHESIE IN MALAWI

Eine Krankengeschichte

Der Autor vergleicht das Fach Anästhesie mit einem intensivpflichtigen Patienten.

D

ie frühen Jahre der Kranken- geschichte unseres Patienten – der Anästhesie in Malawi – waren aufgrund fehlender Aufzeichnun- gen anamnestisch nur bruchstück- haft zu erheben. Heute fristet der in- zwischen 47 Jahre alte Patient sein Dasein in einem Land, das zu den ärmsten der Welt gehört und an ei- nem ausgeprägten Mangel an medi- zinischen Fachkräften leidet. (1)

Das Rückgrat der malawischen Anästhesie bilden nach wie vor die Anaesthetic Clinical Officers (Acos), nichtärztliche Anästhesis- ten, die an der im Jahr 1988 gegrün- deten „Malawi School of Anaesthe- sia“ ausgebildet werden. Zurzeit versorgen etwa 85 Acos in 43 Kran- kenhäusern 14 Millionen Malawier.

Während der 90er Jahre des letz- ten Jahrhunderts hoffte der Patient, von der neu gegründeten medizini- schen Fakultät profitieren zu können.

Leider fand sich kein Student, der sich zum Facharzt für Anästhesie ausbilden ließ. Derzeit gibt es keinen malawischen Anästhesisten im staat- lichen Gesundheitssystem.

„Brain drain“ schreitet fort Aufgrund extremer Personalknapp- heit leidet der Patient bei der tägli- chen Arbeit unter progredienter Atemnot. Mit einer Müttersterblich- keit von fast einem Prozent, einer HIV-Prävalenz von 14 Prozent, ei- nem Bevölkerungswachstum von drei Prozent, einem weltweiten Spitzenplatz bei tödlichen Verkehrs- unfällen sowie einer hohen Zahl von Kinder- und Säuglingsnarkosen zurechtzukommen, ist mehr, als man von einem solch schwachen Patienten erwarten kann. Folglich leidet Malawi unter einer hohen Mortalität in der Anästhesie.

Ständiger Personalwechsel ver- hindert, dass irgendjemand irgendet- was richtig erlernen kann. Eine der zwei Intensivstationen des Landes

litt unter dem Wechsel von vier Sta- tionsschwestern in weniger als drei Jahren, was nicht einmal so schlecht war, da das Krankenhaus selbst da- mit beschäftigt war, während der gleichen Zeit zehn Direktoren zu überleben. Was kann man tun, wenn man sein Personal auf der Intensiv- station schlafend vorfindet, da es für den Zweit-(oder Dritt-) Job am nächsten Tag ausruhen muss? Etwa 20 Prozent der Mitarbeiter sind HIV- positiv; sie leiden unter Malaria und fehlenden Karrieremöglichkeiten.

Dazu kommt ein fortschreitender in- terner und externer „brain drain“.

Laboruntersuchungen der Infra- struktur kamen mit hochpathologi- schen Parametern für die Kommu- nikation zurück. Wir arbeiten in ei- ner Gesellschaft, die nicht an den offenen Austausch unterschiedli- cher Meinungen gewöhnt ist, jedes Problem wird als kultursensibel zu behandelnde Herausforderung ein- gestuft – anstatt als zu lösende Auf-

gabe. Die Kommunikation verein- fachende technischen Mittel wer- den nicht zur Verfügung gestellt, und die persönliche Kommunikati- on wird durch zu viele Meetings und Konferenzen behindert. Dies alles ist besonders schädlich in ei- nem Fach, das so sehr von offener, schneller und ehrlicher Kommuni- kation abhängt wie die Anästhesie.

Um alle Aufgaben einer Abtei- lung für Anästhesie und Intensiv- medizin erfüllen zu können – Anäs- thesie, Intensivmedizin, Notfallme- dizin, Schmerztherapie und Pallia- tivmedizin –, müssen wir lernen, mit den „Big Five M“ der Medizin in Afrika umzugehen: „Minimize Management Means More Money.“

Tropen sind kein Kindergarten

„Minimiert“ werden müssen die durch Diebstahl (Medikamente), Machtkämpfe (zwischen den Be- rufsgruppen und mit den zentralen Behörden) sowie Stammesdenken (Basis von Personalentscheidun- gen) und Zauberei (!) hervorgerufe- nen negativen Effekte auf die Ge- sundheit unseres Patienten. Letzt- lich gilt es auch zu beachten, dass die Tropen kein Kindergarten für junge Kollegen aus den Industrie- staaten sind, die ihren Ausbildungs- stand nicht hinterfragen oder aber nur ihre Karriere mit einem PhD fördern wollen.

Das „Management“ muss verbes- sert werden. Die Beschaffung not- wendiger Medikamente, die Anstel- lung der notwendigen Mitarbeiter, der pflegliche Umgang mit teurer Ausrüstung sowie grundsätzliche Veränderungen in der Verwaltung der Kliniken (mitsamt der Möglich- keit, Faulpelze zu feuern) bedeuten, den Grundstein für die Gesundung des Patienten zu legen: eine mala- wisch geleitete Anästhesie.

„Mittel“ werden benötigt, um die Motivation der Acos, Ärzte und Schwestern aufrechtzuerhalten. Vor allem anderen muss ihnen ein men- schenwürdiges Gehalt gezahlt wer- den, damit sie nicht im Dienst schlafen müssen, um sich von ihren Nebenjobs zu erholen. CME und ei- ne ordentliche Krankenversiche- rung für die Mitarbeiter müssen eingeführt werden. „Mehr“ Acos Überleben am

Rand der Dekom- pensation: Die Be- schaffung notwen- diger Medikamente scheitert häufig nicht nur am Geld.

Sie ist ein langer, beschwerlicher, bü- rokratischer Pro- zess.

Foto: privat

S T A T U S

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A 2742 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 50

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16. Dezember 2011 und Anästhesisten werden ge-

braucht. Eine sich selbst erhaltende Anästhesie in Malawi kann nur er- reicht werden mit einem Minimum an Anleitung, Überwachung, Pla- nung und (finanzieller, logistischer, fachlicher) Unterstützung, wie sie erfahrene Fachärzte in strategisch günstigen Positionen landesweit bieten können.

„Wir brauchen Geld“

„Money“: Wir brauchen Geld.

Mehr Patienten erreichen dank anti- retroviraler Therapie und ausgebau- ter geburtshilflicher beziehungs- weise pädiatrischer Versorgung un- sere OPs und Intensivstationen in schlechterem, aber behandelbarem Zustand als noch vor 15 Jahren. Die Behandlung dieser Patienten ist schwierig und aufwendig – zulasten der Ressourcen einer der ärmsten Fachabteilungen. Die Anästhesie erhält kein Geld von den großen Spendern wie dem Global Fund, der Gates-Stiftung oder der Weltge- sundheitsorganisation. Nicht nur, dass die Anästhesie dieses Geld an sich vorbei zu anderen Fächern strömen sieht – alle klinischen Fä- cher bluten aus, und immer mehr Geld fließt unkoordiniert in die Verwaltung, Managementversuche, epidemiologische Studien, Public Health um seiner selbst willen, in redundante Planungseinheiten und andere schwarze Löcher. Unser Pa-

tient muss sich ständig gegen viele unterschiedliche pathogene Prozes- se wehren. Dieser Kampf erschöpft seine Kräfte so sehr, dass er künst - liche Lebenserhaltungssysteme be- nötigt – und damit noch abhängiger von ausländischer Hilfe wird. Für diese zunehmende Abhängigkeit sind verschiedene Syndrome mit- verantwortlich, die in der (kleinen) malawischen Ärzteschaft ende- misch sind: das Syndrom der

„green pastures“ (Geld im Ausland verdienen zu wollen), das Syndrom, mit dem goldenen Löffel im Mund geboren zu sein, das Syndrom, zu glauben, einer wie auch immer definierten „Elite“ anzugehören, das „Keine-Nachtschicht-Syndrom“

und das Furcht einflößende „Fass den Schreibtisch, nicht den Patien- ten an-Syndrom“.

Fünf Therapieprinzipien Offensichtlich überlebt unser Pa- tient am Rand der Dekompensation.

Auf die überfüllte Intensivstation kann er aufgrund konkurrierender Gesundheitsprobleme des Landes (Aids, Malaria, Kindersterblichkeit, Unterernährung) nicht aufgenom- men werden. In dieser Situation gibt es keinen Goldstandard. Fünf Therapieprinzipien sind jedoch un- verzichtbar.

Hingabe: Sie muss von den Patienten selbst gefordert werden.

Dies bedeutet aber auch, dass die

Ärzte und Acos in die Lage versetzt werden, mit nur einem Arbeitsplatz ein anständiges Auskommen zu er- wirtschaften.

Möglichkeiten: Die Ärzte müssen die Arbeit leisten können, die von ihnen erwartet wird. Dazu gehört eine Grundausstattung an Medikamenten, Medizintechnik und Infrastruktur ebenso wie eine menschenwürdige Wohnung, eine Krankenversicherung und eine Schule für die Kinder.

Menge: Zurzeit werden in Malawi vier anästhesiologische As- sistenzärzte weitergebildet. Sie sol- len die Basis für das Fachgebiet im Land bilden. Darüber hinaus müs- sen die Ausbildungskapazitäten der

„Malawi School of Anaesthesia“ er- höht werden.

Wissen muss über Auffri- schungskurse, klinische Facharzt- programme, CME und echte Kar- riereperspektiven verbreitet wer- den.

Behandlung der Five Big M Yes – we can! Wir glauben da- ran, dass unser Patient nach vielen Rückfällen geheilt werden kann.

Auf Dauer kann dies nicht von wechselnden ausländischen Ärzten vollbracht werden. Malawi braucht unbedingt einheimische Anästhe-

sisten.

Dr. med. Gregor Pollach Head of Department Anaesthesia and Intensive Care, University of Malawi, gipi.bc62@yahoo.de

Die Festsetzung von Verwaltungskosten einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) auf geson- dert ausgewiesene Dialysesachkosten ist rechtmäßig. Dies hat das Bundessozialgericht entschieden. Rechtsgrundlage für die Festset- zung von Verwaltungskosten ist die Satzung ei- ner KV. Die Höhe der Beiträge beschließt die Vertreterversammlung. Diese Satzungsbestim- mungen beruhen auf der Ermächtigungsgrund- lage in § 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 SGB V. Der Ge- setzgeber macht keine näheren Vorgaben für die Ausgestaltung der Beitragserhebung. Er überlässt die Art und Weise der Einnahmener- hebung dem Gestaltungsspielraum der KV, wo- bei die allgemeinen Grundsätze des Beitrags-

rechts sowie der verfassungsrechtliche Gleich- heitsgrundsatz zu beachten sind. Der Beitrags- erhebung unter Heranziehung der abgerechne- ten Umsätze aus vertragsärztlicher Tätigkeit liegt die Annahme zugrunde, dass die Vorteile, die Vertragsärzten aus der KV-Mitgliedschaft und aus der Inanspruchnahme ihrer Verwal- tungstätigkeit erwachsen können, vielfältig sind. Sie bestehen nach Auffassung des Ge- richts darin, dass Ärzte auf die von der KV zur Verfügung gestellten organisatorischen Struk- turen und Einrichtungen zurückgreifen können, welche die ärztliche Tätigkeit wesentlich er- leichtern. Als praktisch bedeutsamste Erleichte- rung gehört auch die vom Risiko eines Forde- rungsausfalls befreite Abrechnung der ver- tragsärztlichen Leistungen im Rahmen des

Sachleistungssystems. Daher ist auch nicht zu beanstanden, dass eine KV als Bemessungs- grundlage für alle Mitglieder in gleicher Weise an den Umfang ihrer über die KV abgerechne- ten Honorarumsätze, einschließlich der darin enthaltenen Anteile zur Refinanzierung der bei den Vertragsärzten anfallenden Kosten an- knüpft. Ein derart generalisierender Maßstab führt dazu, dass auch die Einbeziehung geson- dert abgerechneter Sachkosten nicht zu bean- standen ist. Die Besonderheiten bei den Dialy- sesachkosten haben nach Auffassung des Ge- richts kein solches Ausmaß und Gewicht, dass eine vom Regelfall abweichende Behandlung geboten wäre. Derartige Kosten fallen in jeder Arztpraxis an. (BSG, Urteil vom 17. August 2011, Az.: B 6 KA 2/11 R) RAin Barbara Berner

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Verwaltungskosten bei Dialysen

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