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BITTE BEACHTEN SIE: SENDESPERRFRIST: 1. Mai 2011, 11:30 Uhr Es gilt das gesprochene Wort!

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DGB-Kundgebung 1. Mai 2011 in Berlin

Rede

Annelie Buntenbach DGB-Vorstandsmitglied

DAS IST DAS MINDESTE!

Faire Löhne Gute Arbeit

Soziale Sicherheit

BITTE BEACHTEN SIE:

SENDESPERRFRIST: 1. Mai 2011, 11:30 Uhr

Es gilt das gesprochene Wort!

(2)

Anrede,

der 1. Mai ist in diesem Jahr kein gewöhnlicher 1. Mai.

Es fällt schwer, in Feierlaune zu kommen.

Die qualmende Ruine der Reaktoren von Fukushima ist zum Symbol geworden für das katastrophale Scheitern der Atomkraft.

Unsere Solidarität gilt den Kolleginnen und Kollegen, den Menschen in Japan, die ihre Familien verloren haben, ihre Freunde, ihr Zuhause, ihr ganzes Hab und Gut, und die nicht wissen, wie es weitergehen soll.

Schon einmal waren wir so fassungslos. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl haben wir alle gewusst, dass es wieder passieren kann.

Ich erinnere mich wie heute an den Schock damals, an die Maikundgebung mit unwirklich strahlendem Wetter, die Unsicherheit und Panik wegen der Nachrichten über die Kernschmelze, über die Wolke, verstrahlte Milch, Spinat, was man überhaupt noch essen kann… Seitdem sind viele Tausend Menschen verstrahlt, todkrank, gestorben.

Fast auf den Tag 25 Jahre ist das her, und Deutschland ist immer noch nicht raus aus der Atomenergie.

Im letzten Herbst hat Schwarz-Gelb sogar die Laufzeiten verlängert. Eine Bundesregierung, die sich von den großen Energiekonzernen wieder einmal am Nasenring durch die politische Arena hat führen lassen.

Anrede,

damit muss ein für alle Mal Schluss sein. Atomkraftwerke sind nicht sicher. Auch mit dem strahlenden Atommüll werden sich noch viele Generationen herumschlagen müssen.

Das ist absolut unverantwortlich und muss endlich ein Ende haben!

(3)

Anrede,

Ja, es ist richtig, Deutschland ist ein Industriestandort und muss es bleiben. Der Energieumstieg darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten stattfinden. Dafür stehen wir als Gewerkschaften, aber auch alle Anderen in der Verantwortung.

Aber Bangemachen gilt hier nicht: Die Lichter werden nicht ausgehen, wenn wir aus der Atomkraft aussteigen und auch nicht, wenn wir rasch aussteigen.

Es gibt eine ganze Reihe von gut fundierten Umstiegsszenarien, und wir müssen jede Brücke in das Zeitalter der erneuerbaren Energien sorgfältig prüfen.

Aber wir brauchen Brücken. Und nach Fukushima ist hoffentlich ein für alle Mal klar: Atomkraft ist keine Brückentechnologie. Atomkraft ist ein Sprengsatz.

Anrede,

die Bundesregierung hat nach Fukushima – oder vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg, ganz wie Ihr wollt - versprochen umzusteuern. Den praktischen Beweis für ihre neue Politik ist sie allerdings bislang noch schuldig.

Wir erwarten, dass Nägel mit Köpfen gemacht werden – und zwar schnell.

Für eine Energiewende – für Investition in erneuerbare Energien, die Schwarz-Gelb ja eben noch zusammengekürzt hatte, für den Ausbau der Netze, mehr kommunale Stromerzeugung,

Energieeinsparung einschließlich energetischer Gebäudesanierung.

Wir erwarten, dass der schnelle Ausstieg aus der Atomkraft rechtssicher und entschädigungsfrei gemacht wird.

Jetzt denjenigen, die jahrzehntelang immense Profite aus ihren strahlenden Gelddruckmaschinen eingefahren haben, auch noch Geld hinterherzuwerfen, das in den öffentlichen Kassen sowieso fehlt, dafür habe ich kein Verständnis, und zwar Null!

(4)

Anrede,

ich bin sehr froh, dass in den letzten Wochen so viele Menschen für den Atomausstieg auf die Straße gegangen sind, aus der Anti-AKW-Bewegung, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, engagierte Menschen aus Kirchen und Parteien.

Wir dürfen die Politiker mit ihren neuen Erkenntnissen jetzt nicht allein lassen. Nur wenn wir ihnen zeigen, dass wir hinter ihnen stehen, können sie nicht umfallen.

Wir werden und wir müssen dranbleiben, bis das letzte AKW vom Netz ist!

Anrede

Wutbürger, das haben die letzten Wochen gezeigt, gibt es nicht nur in Stuttgart.

Und wir haben allen Grund dazu.

Wenn wir uns z.B. anschauen, was in Europa, was in Deutschland aus der Finanzkrise geworden ist.

Unsere Bundeskanzlerin hat gesagt, wir würden über unsere Verhältnisse leben.

Wen kann sie damit meinen? Die Hartz-IV-Bezieherin? Den Leiharbeiter? Die Erzieherin?

Über unsere Verhältnisse und vor allem auf unsere Kosten gelebt haben die Herren Ackermann und andere Banker, die heute schon wieder mit ihren Spekulationsgeschäften das dicke Geld verdienen. Hier muss die Politik endlich einen Riegel vorschieben!

Aber stattdessen reißt die Bundesregierung den tiefen Graben zwischen Arm und Reich noch weiter auf.

Anrede,

die belgischen Gewerkschaften haben T-Shirts drucken lassen, da steht:

„Das Modell Deutschland: Heinrich verdient 4,81 Euro die Stunde.“

Die belgische Presse konnte gar nicht glauben, dass es in dem vielgepriesenen Wirtschaftswunderland Deutschland solche Hungerlöhne gibt.

Und das ist ja nicht nur unglaublich, sondern das ist und bleibt ein handfester Skandal!

(5)

Der scheint unsere Bundeskanzlerin aber nicht zu stören. Sie spielt sich lieber als Schulmeisterin für ganz Europa auf und will allen Anderen die falschen deutschen Rezepte aufzwingen - wie Lohndruck und Lohndumping, Schuldenbremse oder Rente 67.

Frau Merkel hat ihre Lektionen von Europa ganz offensichtlich noch nicht gelernt.

Und eine der Lektionen heißt: Es gibt eine echte Erfolgsgeschichte in Europa, und das ist der Mindestlohn – allerdings nicht in ganz Europa, denn in Deutschland gibt es ihn noch immer nicht.

Aber wir brauchen ihn dringend, den gesetzlichen Mindestlohn. Damit mit Hungerlöhnen endlich Schluss ist. Und zwar nicht unter 8,50 Euro – das ist das Mindeste!

Anrede,

wir brauchen ihn auch, damit nicht das ganze Lohngefüge im freien Fall nach unten gedrückt wird. Wir haben ein Anrecht auf unseren gerechten Anteil an dem Reichtum, den wir erwirtschaften, wir wollen gutes Geld für gute Arbeit!

Anrede,

davon sind wir noch weit entfernt.

Die Arbeitslosigkeit geht zurück, doch wie sieht der Arbeitsmarkt aus?

Die Hartz-Reformen haben ihre deutlich sichtbaren Spuren hinterlassen.

Armut trotz Arbeit – das ist ein trauriges Ergebnis. Massenhaft befristete Jobs, mehr als 7 Mio.

Minijobs. Perspektivlose Jobs haben sichere Arbeitsplätze verdrängt.

Leiharbeit boomt nach der Krise wie keine zweite Branche.

Im Alltag heißt das: in demselben Betrieb wird die rechte Autotür für 16 Euro Stundenlohn montiert und die linke für 10 Euro.

Jeder achte Leiharbeiter braucht ergänzend Hartz IV, weil der Lohn zum Leben nicht reicht.

Die Arbeitgeber bedienen sich massenhaft aus den Hartz-IV-Kassen und lassen sich die Hungerlöhne, die sie zahlen, aus Steuermitteln subventionieren. Das ist der eigentliche Missbrauch von Hartz-IV, dem muss die Politik endlich einen Riegel vorschieben!

(6)

Anrede,

nichts gegen einen Mindestlohn in der Leiharbeit, aber das schafft den eigentlichen Skandal der Leiharbeit nicht aus der Welt, nämlich systematische Lohndrückerei.

Damit muss endlich Schluß sein!

Wir wollen keine Arbeitsverhältnisse zweiter Klasse – wir fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit!

Das,

Anrede,

ist das Mindeste!

Wir brauchen klare Sicherungsanker gegen Lohndumping, einen Schutz vor Schmutzkonkurrenz in In- und Ausland, vor der Zunahme von Scheinselbständigkeit, Werkverträgen, Minijobs und all den anderen Formen von prekärer Beschäftigung.

Dafür brauchen wir,

Anrede,

keine warmen Worte, sondern klare gesetzliche Regelungen.

Was die Bundesregierung hier seit Jahren betreibt, ist glatte Arbeitsverweigerung – dafür hat sie Sanktionen verdient!

Anrede,

Ab heute gilt in Deutschland die volle Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit auch für die

Osteuropäischen Länder Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn und die baltischen Staaten.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein Grundrecht in Europa, und das ist gut so!

Aber: Mobilität braucht faire und soziale Grundlagen. Dazu gehört als allererstes Schutz vor

Lohndumping und ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnissen. Und zwar für die, die kommen, und die, die hier sind.

(7)

Das Problem sind ja nicht diejenigen, die kommen – das sind unsere Kolleginnen und Kollegen, auf die gehen wir mit offenen Armen zu.

Sie brauchen Informationen, Beratung, Unterstützung, damit sie nicht um ihren Lohn betrogen werden.

Und wir wollen und brauchen sie in unseren gewerkschaftlichen Reihen.

Lassen wir uns nicht gegeneinander ausspielen!

Das Problem,

Anrede,

ist die ganze Horde von schwarzen Schafen unter den Arbeitgebern, die sich keine Gelegenheit entgehen lassen, Löhne zu drücken, um Rechte zu betrügen, Regeln zu umgehen und Standards zu unterlaufen.

Ein Beispiel von vielen: Da werden osteuropäische Bauarbeiter angeworben, aber statt dem

Arbeitsvertrag wird ihnen der Antrag auf einen Gewerbeschein untergeschoben. Sie hatten den Text auf dem deutschen Formular nämlich gar nicht lesen können. Das Ergebnis: Sie finden sich in Deutschlang plötzlich als Scheinselbständige wieder, ohne jede Absicherung.

Solche Praktiken, solche Geschäftsmodelle, die auf Betrug und Hungerlohn gründen, darf es in einem sozialen Europa nicht geben!

Deshalb fordern wir von der Politik klare und eindeutige Regeln gegen Lohn- und Sozialdumping – und die muss sie auch durchsetzen, in Europa und in Deutschland!

Anrede,

ein Europa, das den Unternehmen alle Freiheiten gibt, gleichzeitig Arbeitnehmerrechte mit Füßen tritt und grenzübergreifend Lohnunterbietung organisiert, das werden die Menschen nicht akzeptieren, und zwar zu Recht!

Eine solche Politik ist außerdem Wasser auf die Mühlen des wachsenden Nationalismus und Rassismus in Europa. Und dem treten wir klar und eindeutig entgegen:

(8)

Wir kämpfen gemeinsam mit den europäischen Gewerkschaften für ein anderes Europa, für ein demokratisches und soziales Europa ohne Lohndumping, für gleichen Lohn, für gleiche Arbeit am gleichen Ort!

Anrede,

es ist gut, dass die Arbeitslosigkeit sinkt, keine Frage.

Doch – auch wenn ich es nicht beschwören will - die nächste Krise kommt bestimmt.

Deshalb müssen wir jetzt, im Aufschwung, dafür sorgen, dass der Arbeitsmarkt in Ordnung kommt und die sozialen Sicherungssysteme krisenfest gemacht werden.

Die Bundesregierung tut das Gegenteil, offensichtlich hat sie sich mit ihren eigenen Jubelmeldungen die Sicht vernebelt.

Das fängt an bei der Arbeitslosenversicherung.

Jeder Dritte rutscht inzwischen, wenn er seinen Job verliert, direkt in Hartz IV.

Wer ernsthaft will, dass Hartz IV nicht weiter ausufert, muss dafür sorgen, dass die Beschäftigten – die dafür übrigens Beiträge zahlen – wieder besser abgesichert werden.

Und zwar auch deshalb, weil die Angst vor dem Absturz, die Verunsicherung bis tief in die Mitte der Gesellschaft hineinwirkt.

Viele trauen sich gar nicht mehr, im Betrieb noch offen für ihre Interessen einzutreten, weil sie Angst haben, ihren Job zu verlieren oder abzustürzen.

Aber wenn der aufrechte Gang zur Mutprobe wird, nimmt die Demokratie Schaden. Im Betrieb und in der ganzen Gesellschaft!

Anrede,

aber statt den Schutz bei Arbeitslosigkeit zu verbessern, treibt die Bundesregierung die Arbeitslosenversicherung in die Schuldenfalle.

Das Geld, das sie in ihrem jämmerlichen Hartz IV-Kompromiss den Kommunen versprochen hat, will sie sich aus der Kasse der Beitragszahler holen: 4 Mrd. Euro.

(9)

Die Folge: in der Arbeitslosenversicherung fehlt dann das Geld für Qualifizierung und aktive Arbeitsmarktpolitik, und am Ende drohen Leistungskürzungen für die Arbeitslosen.

Anrede,

wer die Leistungen für Arbeitslose noch weiter zusammenkürzen will, kann sich auf unseren entschiedenen Widerstand verlassen!

Die Regierung, die Arbeitgeber, alle reden über Fachkräftebedarf – und dann kürzen sie im Hartz IV- System, in der Arbeitslosenversicherung genau die Mittel, die dringend gebraucht werden, um Arbeitslose zu qualifizieren und Un- und Angelernte im Betrieb. Schilda lässt grüßen!

Anrede,

wir wollen, dass die Jugend endlich bessere Perspektiven bekommt – und zwar auch die, die kein blaues Blut in den Adern haben oder deren Eltern aus der Türkei oder aus Griechenland stammen.

Statt sich über Jahre hinweg von einem prekären Job zum nächsten hangeln zu müssen, brauchen junge Leute vor allem mehr anständige Ausbildungsplätze und ein Ende von unbezahlten Praktika, befristeten Jobs und Studiengebühren.

Wir fordern die Teilhabe an Bildung für alle und nicht nur für die, die sich ihre Doktorarbeiten ohnehin schreiben lassen!

Das muss auch für Kinder gelten, die mit Hartz IV aufwachsen müssen.

Hier in Berlin ist jedes dritte Kind arm und auf Hartz IV – ohne die nötigen Hilfen für Teilhabe, Bildung und Entwicklung.

An diesem Skandal ändert auch der Hartz IV-Kompromiss nichts, mit einem bürokratischen Monster als Bildungspaket.

Auch die acht Euro Erhöhung reichen nicht aus.

Ich finde, dafür muss sich die Bundesregierung eigentlich schämen, denn armutsfest ist Hartz IV damit noch lange nicht.

(10)

Anrede,

bei der Rente ist das nicht anders.

Am ersten Juli werden die Renten um 1 Prozent erhöht.

Hier steht eigentlich im Drehbuch der Regierung: Jubel über diese große Wohltat.

Aber ich höre gar nichts!

1 Prozent, das ist fast so wie bei Hartz-IV, nicht einmal ein Inflationsausgleich.

3 Prozent Rentenerhöhung hätten es sein können, wenn die Regierung endlich aufhören würde, die Renten noch weiter zu kürzen.

Bis zu 25% Rentenkürzung sind in den letzten Jahren beschlossen worden – das wird zusammen mit der Ausweitung des Niedriglohnsektors Millionen Menschen in die Altersarmut treiben, wenn die Politik nicht endlich umsteuert.

Das trifft besonders Frauen, die immer noch erheblich weniger verdienen als Männer.

Vor ein paar Wochen hat mir eine Kollegin, die gerade in Rente gegangen ist, ihren Rentenbescheid gezeigt. Nach 40 Jahren Vollzeit als Floristin hat sie jetzt 632 Euro. Nach 40 Jahren Vollzeit.

Auch das ist doch ein Skandal!

Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss auch im Alter von seiner Rente in Würde leben können! Auch das ist das Mindeste!

Anrede,

wenn wir nicht in Zukunft ein Hartz IV für Alte bekommen wollen, das alle Grenzen sprengt, brauchen wir eine Rentenreform – und zwar eine echte, sozial gerechte Rentenreform.

Wir haben hier als DGB eine ganze Reihe von Vorschlägen auf den Tisch gelegt.

Erwerbstätigenversicherung, Rente nach Mindesteinkommen, abgesicherte Übergänge, um nur einige der Stichworte zu nennen.

Anrede,

und dazu gehört als erstes der Stopp der Rente erst ab 67.

(11)

Wer soll denn außer den Professoren und Politikern, die sich das ausgedacht haben, die 67 schaffen?

Vielleicht die Altenpflegerin, der Maurer, der Schichtarbeiter, der Busfahrer, die Verkäuferin, der Stahlarbeiter, die heute schon nicht bis zur 65 kommen?

Rente mit 67 bedeutet: hohe Abschläge, mehr Altersarmut und mehr Hartz IV.

Frau Merkel, Frau von der Leyen,

wenn Sie es tatsächlich ernst meinen sollten mit dem Kampf gegen Altersarmut, dann stoppen Sie als allererstes die Rente mit 67. Alles andere ist unglaubwürdig.

Anrede,

ja, es gibt in Zukunft mehr Ältere und weniger Junge.

Aber das heißt doch nicht, dass die Jungen dann mehr bekommen würden, wenn man den Älteren etwas wegnimmt.

Der Verteilungskampf findet doch nicht zwischen den Generationen statt, sondern zwischen Arm und Reich.

Und die neoliberalen Ideologen, die schon seit Jahren behaupten, die Jungen würden von niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen profitieren und deshalb sollten die Lohnnebenkosten sinken, versuchen doch nur das durchsichtige Manöver, die Jungen vor den Karren der Arbeitgeber zu spannen.

Die Arbeitgeber sind nämlich die einzigen, die von der ganzen Lohnnebenkostendebatte profitiert haben. Der Teil der sozialen Sicherung, der noch paritätisch finanziert wird, schmilzt zusammen. Das heißt: Wir müssen aus eigener Tasche immer mehr draufzahlen – privat ansparen heißt das

schönfärberisch -, um noch halbwegs dasselbe Sicherungsniveau zu erreichen wie früher zu erreichen.

Die Arbeitgeber zahlen immer weniger.

Es geht den Neoliberalen um Umverteilung von Unten nach Oben.

Sie wollen an unser Geld – so auch bei der Pflegereform.

Es geht in diesem Jahr um die Entscheidung: Will die Bundesregierung wieder einmal steigende Kosten allein bei den Versicherten abladen oder gibt es einen gerechte Verteilung der Lasten?

Unsere Antwort ist klar: Bürgerversicherung, auch in der Pflege.

Wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger – nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – ihren solidarischen Beitrag leisten:

(12)

für eine bessere Pflege und auch für die Gesundheit.

Dafür wollen wir auch alle hohen Kapitaleinkünfte heranziehen.

Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Dann tragen alle gemeinsam die Belastungen, die Arbeitgeber sind mit im Boot – und wir können, die Leistungen in der Pflege verbessern, ohne dass die Beiträge explodieren.

Wir wollen auch einen Solidarbeitrag der Privaten Pflegeversicherung.

Die haben nämlich viel weniger Pflegefälle, nehmen aber viel mehr ein, weil ihre Klientel gesünder und finanzkräftiger ist.

Und ich sehe überhaupt nicht ein, warum die Soziale Pflegeversicherung ins Minus laufen sollte, während die privaten Kassen Gewinne machen.

Anrede,

diese Zweiteilung des Kranken- und Pflegekassensystems, in gesetzliche Versicherungen und Vollversicherung durch Private, wie wir es in Deutschland haben, ist nicht nur einzigartig in Europa, sondern auch einzigartig unsinnig!

Und wir wollen diesen Unsinn schnellstmöglich beenden.

Anrede,

die Koalition hält sich bei der Finanzierung der Pflege noch vornehm zurück.

Aber die schwarz-gelbe Gesundheitsreform lässt nichts Gutes hoffen.

Für die gesetzliche Krankenversicherung hat die schwarz-gelbe Koalition im vergangenen Jahr beschlossen, dass die 70 Millionen Versicherten in Zukunft alle Kostensteigerungen allein bezahlen sollen, und das auch noch in Form von Kopfpauschalen.

Anrede,

de Kopfpauschale ist Politik gegen das eigene Volk.

Nur soll das möglichst erst einmal noch Keiner mitbekommen.

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Deshalb hat die Koalition auch erst einmal den Krankenkassenbeitrag kräftig erhöht, damit die Kassen zumindest in diesem Jahr keine Kopfpauschalen eintreiben müssen.

Das heißt, wir sollen die Kopfpauschale noch nicht spüren. Noch nicht. Sonst könnte sich das ja in breiten Unmut umsetzen oder bei Wahlen auswirken.

Aber da ist sie trotzdem, die Kopfpauschale ist Gesetz – und sie wird zu einer massiven Umverteilung, zu einer massiven Belastung für Beschäftigte und Rentnerinnen und Rentner führen.

Denn es wird nicht lange dauern, und wir haben Kopfpauschalen von fast 100 Euro – und zwar im Monat, und das zusätzlich zu Kassenbeitrag, Praxisgebühren, Zuzahlungen.

Das trifft vor allem Geringverdienende und Rentnerinnen und Rentner hart, denn das Prinzip der Kopfpauschale ist:

Wer am wenigsten hat, wird am meisten belastet.

Anrede,

ungerechter geht es kaum.

Anrede,

immerhin haben wir erreicht, dass Minister Rösler mit seinem ursprünglichen Plan, den Versicherten ab sofort eine Einheitspauschale zu verpassen, gescheitert ist.

Nun soll sie durch die Hintertür kommen – aber wir werden diese Zeit nutzen.

Zusammen mit Frauen- und Jugendverbänden, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, Migranten- und Ärzteverbänden haben wir das Bündnis „Köpfe gegen Kopfpauschale“ gegründet.

Und das Bündnis lebt.

Rund 150.000 haben bislang unsere Petition gegen die Kopfpauschale unterstützt – ich kann Euch nur alle herzlich auffordern, mitzumachen.

Wir wollen die Kopfpauschale stoppen – bevor sie uns trifft.

Und wir werden dafür sorgen, dass diese zentrale Frage beim nächsten Bundestagswahlkampf nicht überhört werden kann, da setze ich auf eure Unterstützung!

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Anrede,

unsere solidarische Alternative heißt Bürgerversicherung.

Als allererstes wollen wir die Parität zurück.

Kennt Ihr nur ein stichhaltiges Argument dafür, dass die Versicherten 8,2 %, die Arbeitgeber aber nur 7,3 % Krankenkassenbeitrag zahlen? Ich nicht. Und es gibt auch keines.

Wir wollen, dass die Arbeitgeber wieder mit gleichen Beiträgen in der Verantwortung genommen werden!

Auch das ist das Mindeste – dann könnten die Beiträge für die Versicherten übrigens gesenkt werden.

Anrede,

wir wollen die Bürgerversicherung, das heißt auch: Schluss mit der Zweiklassenmedizin!

Der Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein, er muss Allen offenstehen!

Die großen Lebensrisiken – Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Pflege – kann niemand allein schultern, höchstens mit einem Konto auf den Caymanninseln. Das kann man nur gemeinsam tragen in der Solidarität der Sozialversicherungen – deshalb ist es so wichtig, dass ihr Schutz nicht weiter durchlöchert wird, sondern dass wir hier Solidarität neu organisieren.

Anrede,

erlaubt mir an dieser Stelle einen Hinweis auf die Sozialwahlen, die dieses Jahr stattfinden.

Auch wenn die Medien gern darauf rumhacken: Die Selbstverwaltung gehört zum mitbestimmten Sozialstaat wie das Betriebsverfassungsgesetz zum Betrieb.

Wir können auch hier Einiges bewegen – wenn es z.B. um Reha geht, um Prävention, um bessere Versorgung, Nähe zu den Versicherten.

Deshalb meine herzliche Bitte: Wenn ihr diese roten Umschläge in der Hand habt, bitte ausfüllen und einwerfen!

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Mit dem Kreuz beim DGB oder einer DGB-Gewerkschaft versteht sich.

Und bitte werbt bei Freunden und Bekannten, bei Euren Kolleginnen und Kollegen im Betrieb dafür.

Sozialwahlen sind ein Stück gelebte Mitbestimmung!

Anrede,

in Deutschland und Europa werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer.

Die Folgen des Finanzmarktcrashs verschärfen die Spaltung weiter und weiter.

Was jetzt vor unseren Augen abläuft, ist ein irrsinniges Umverteilungsprogramm zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die Spekulationen laufen wieder auf Hochtouren, ganze Staaten werden zum Spielball von

Ratingagenturen und Finanzspekulanten, und die Banken bekommen dafür billiges Spielgeld – und zwar aus unseren Steuern.

Die EZB nimmt zwei Prozent Zinsen, wenn sie den Banken Geld gibt. Und 25% Zinsen wollen die Banken inzwischen vom griechischen Staat für ein Darlehen. Von dieser fetten Profitspanne zwischen 2 und 25% könnte man wahrscheinlich locker die Verdopplung der portugiesischen Löhne bezahlen.

Anrede,

das ist doch absurd.

Wir müssen doch nicht den Banken helfen, sondern den Staaten, die ins Trudeln kommen, und zwar direkt – an den Spekulationen des Finanzmarkts vorbei!

Um den Spekulanten das Handwerk zu legen, gibt es ganz praktische Instrumente, die sofort wirken:

Als erstes die Finanztransaktionssteuer, damit so eine Krise nie wieder passiert, dann einen

verbindlichen Mindestsatz für Unternehmenssteuern in Europa und die Trockenlegung der Steueroasen, damit nicht die öffentlichen Kassen im Unterbietungswettbewerb der Staaten weiter ausbluten.

Aber statt hier endlich ranzugehen, machen IWF und Europäischer Rat, macht die Bundesregierung das, was sie immer machen:

Sie laden die ganzen Lasten der Bankenrettung bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab.

(16)

Lohnsenkungen, Einschnitte in die Sozialsysteme, Kaputtsparen der öffentlichen Daseinsvorsorge, Export der Rente mit 67 und der deutschen Schuldenbremse nach ganz Europa – das ist die grundfalsche Antwort von Merkel auf die Krise.

Aber wir wollen diese Rechnung für Spekulation und Profitgier nicht zahlen!

Anrede,

die erste Adresse für die Kosten der Krise sind und bleiben die Profiteure und Verursacher der Krise.

Und die, die wirklich was haben, sollen zahlen – über Vermögens- und Reichensteuer, Erbschaftssteuer und einen höheren Spitzensteuersatz.

Instrumente gibt es genug.

Man muss nur wollen. Und tun!

Unsere Aufgabe, und das geht nur gemeinsam, mit Euch allen zusammen, wird es sein, die Idee, dass es oben was zu holen gibt, dass Umverteilung von oben nach unten geht und nötig ist, in den

Blickpunkt der öffentlichen Diskussion und der Politik zu holen.

Da hat der Patient doch langjährige Genickstarre!

Wir stehen für eine Gesellschaft, in der die Menschen von ihrer Arbeit auch leben können, die die Menschen nicht in Armut abdrängt, sondern sie vor Absturz schützt, an der alle auf Augenhöhe teilhaben.

Mischen wir uns also weiter ein: Mit erneuerbarer Energie für mehr Gerechtigkeit, gute Arbeit und Solidarität.

Das ist nichts von Gestern, sondern wichtiger denn je!

In diesem Sinne.

Vielen Dank.

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