Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 38|
21. September 2012 A 1881 Glaskörperbeteiligung, 50 % für diesubretinale Ausstreuung und 54 % für Patienten mit beiden Arten der Tumorausbreitung. 43 % der Augen erhielten ein Chemotherapeutikum, 43 % bekamen eine Kombination aus zwei und 14 % eine Kombinati- on aus drei Wirkstoffen.
Bei knapp einem Drittel war die- ser Therapieerfolg ausschließlich mit der superselektiven intraarte- riellen Chemotherapie erzielt wor- den; bei den übrigen Patienten, de- ren Auge erhalten werden konnte, war unterstützend eine Laser- oder eine Kryokoagulation erfolgt. Diese Ergebnisse sind deutlich besser als die früherer Studien, in denen die fortgeschrittenen Befunde syste-
misch chemotherapiert wurden – auch wenn die Autoren darauf hin- weisen, dass Vergleiche in der Lite- ratur zum Retinoblastom schwierig sind, da sich dieses Krankheitsbild in den letzten Jahren wiederholter und manchmal verwirrender Klas- sifikationsbemühungen durch die Experten erfreut hat. Vor allem die Erfolgsrate von 76 % bzw. 64 % bei Glaskörperaussaat spricht für eine deutliche Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Therapiestrategien.
Fazit: Den hohen Anteil der Augen, die bei Patienten mit Retinoblastom durch intraarterielle Chemotherapie vor einer Enukleation bewahrt wer- den konnten, bezeichnen die Studi-
enautoren als ermutigend, da diese fortgeschrittenen Befunde oft we- nig auf eine primäre intravenöse Chemotherapie oder eine perkutane Strahlentherapie ansprechen. In na- her Zukunft dürfte der Vergleich der superselektiven, intraarteriellen Chemotherapie mit einer anderen verhältnismäßig neuen Behandlung von Interesse werden, die Patienten ebenfalls systemische Komplikatio- nen weitgehend erspart: die Injekti- on des Wirkstoffs direkt in den Glaskörper. Dr. med. Ronald D. Gerste
Abramson DH, Marr BP, Dunkel IJ, et al.: Intra- arterial chemotherapy for retinoblastoma in eyes with vitreous and/or subretinal seeding:
2-year results. Br J Ophthalmol 2012; 96:
499–502.
Beim muskelinvasiven Harnblasen- karzinom ist die Zystektomie der Standard, aber die Strahlentherapie im Interesse der Organerhaltung eine Alternative. Weil ein inkom- plettes Ansprechen oder lokale Re- zidive häufig sind und eine Sal - vage-Zystektomie nach sich ziehen, untersuchten britische Urologen und Radiologen die Kombination von Radio- und Chemotherapie, vor allem in der Absicht, damit eine Ra- diosensibilisierung des lokoregio- nären Tumors zu erreichen: In einer Phase-III-Studie wurden 360 Pa- tienten mit muskelinvasiven Tumo- ren randomisiert, entweder nur eine
Beckenbestrahlung oder zusätzlich 5-Fluorouracil (500 mg/m2 an den Bestrahlungstagen 1–5 und 16–20) und Mitomycin (12 mg/m2 an Tag 1) zu erhalten.
Beim primären Endpunkt loko - regionäres krankheitsfreies Überle- ben war die Radiochemotherapie nach zwei Jahren mit 67 % vs. 54 % überlegen; nach median 69,9 Mo- naten war das Risiko für ein lokore- gionäres Rezidiv um 32 % reduziert (Hazard Ratio 0,68; 95-%-KI 0,48–0,96; p = 0,03). Auch das Ge- samtüberleben lag nach 5 Jahren für die bimodale Therapie mit 48 % vs.
35 % höher, aber dieser Unter- schied war nicht signifikant (HR 0,82; 95-%-KI 0,63–1,09; p = 0,16). Die Toxizität der Kombina - tionstherapie war nicht signifikant höher: Während der Behandlung traten bei 36 % bzw. 27,5 % der Pa- tienten Grad 3/4-Nebenwirkungen auf (p = 0,07), im längerfristigen Verlauf lag die Rate bei 8,3 % vs.
15,7 % (p = 0,07).
Fazit: Eine integrierte Radiochemo- therapie ist beim invasiven Urothel- karzinom der Harnblase einer allei- nigen Strahlentherapie signifikant überlegen – zumindest in Bezug auf die Rate lokoregionärer Rezidive.
Dies bestätigt nach Meinung von Prof. Dr. med. Jürgen Gschwend, München, die aktuelle Studie. Ein signifikanter Überlebensvorteil war nach median mehr als 5 Jahren nicht zu sehen, vermutlich auch, weil in der alleinigen Radiotherapie- gruppe mehr Patienten (31 vs. 20) zystektomiert wurden.
Tendenziell ähnliche Erfahrun- gen mit einer integrierten Cisplatin- basierten Radiochemotherapie ha- ben in der Vergangenheit auch Prof.
Dr. med. Rolf Sauer und Kollegen in Erlangen gemacht. Die Gabe von Cisplatin ist jedoch bei diesen Pa- tienten oft durch eine eingeschränk- te Nierenfunktion begrenzt.
Kritisch zu bewerten sei nach Meinung von Gschwend, dass lang- fristig bei immerhin circa 15 % der Patienten in der Radiotherapie- gruppe höhergradige Nebenwirkun- gen auftraten und dass letztlich doch 51 von 360 Patienten eine Salvage-Zystektomie benötigten.
Gleichwohl sei für Patienten, die für eine Zystektomie nicht geeignet seien oder die diese nicht wünsch- ten, die Radiochemotherapie eine wirksame Behandlungsalternative in den Händen eines mit der Me - thode erfahrenen Radiotherapeuten, kommentiert Gschwend.
Josef Gulden
James ND, et al.: Radiotherapy with or without chemotherapy in muscle-invasive bladder cancer. NEJM 2012; 366: 1477–88.
INVASIVES BLASENKARZINOM
Bei Radiochemotherapie gibt es weniger Rezidive
GRAFIK
Überleben der Patienten ohne lokoregionäre Erkrankung
Monate nach Randomisierung
Lokoregionär krankheitsfreie Patienten (in %) Radiochemotherapie
Radiotherapie
Hazard Ratio 0,68; (95-%-Konfidenzintervall:
0,48–0,96; p = 0,03)
modifiziert nach: NEJM 2012; 366: 1477–88