Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 109|
Heft 44|
2. November 2012 A 2161 PATIENTENRECHTEGESETZNachbesserungen empfohlen
Das neue Gesetz könnte tatsächlich im nächsten Jahr in Kraft treten.
Trotz der wenigen neuen Bestimmungen darin halten die Diskussionen an.
D
ass es in Deutschland ein Patientenrechtegesetz geben soll, haben zahlreiche Sachverstän- dige am 22. Oktober in einer ge- meinsamen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und des Rechtsausschusses des Bundestags gelobt. Allerdings reg- ten sie auch zahlreiche Veränderun- gen an. Das neue Gesetz soll grund- sätzlich dazu dienen, die bislang in verschiedenen Gesetzen und im Richterrecht verstreuten Patienten- rechte zusammenzufassen und im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie im Sozialgesetzbuch V zu regeln.„Wir sehen diesen Gesetzent- wurf positiv, was die Zielsetzung angeht“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Prof.
Dr. med. Frank Ulrich Montgome- ry. Trotz mancher Kritik an einzel- nen Punkten sei der Entwurf „nach vielen Jahren der frustranen De - batte ein guter Aufschlag, um das Thema zu realisieren“. Die Rechts- anwältin Anke Plener gab zu beden- ken, dass einzelne Bestimmungen Ärztinnen und Ärzten zu viel abver- langten. Sie bezog sich auf die Vor- gabe im Gesetzentwurf, wonach diese Patienten auf Nachfrage über erkennbare Behandlungsfehler in- formieren müssen. Selbstbezichti- gungen würden vom Gesetzgeber sonst nie verlangt, sagte Plener.
Außerdem sei nicht näher definiert, was ein Behandlungsfehler sei; dies könne einem Arzt im konkreten Fall Probleme bereiten.
Andere Experten verwiesen auf nach wie vor bestehende Lücken für Patienten. So erläuterte Maria Vavra, Vorsitzende des Ersten Zi - vilsenats beim Oberlandesgericht München, dass Patienten in einem vermuteten Schadensfall häufig gar nicht wüssten, wer ihr Vertragspart- ner sei und wen sie verklagen soll- ten. Als Beispiele nannte sie die
Verlegung eines ursprünglich be- legärztlich versorgten Patienten in eine andere Abteilung eines Kran- kenhauses oder den Abschluss von Wahlleistungen bei Klinikaufent- halten. Hier müsse für die Versi- cherten klarer ersichtlich sein, wer jeweils ihr Vertragspartner sei.
Diskussion um Haftpflicht Auch über individuelle Gesund- heitsleistungen (IGeL) wurde im Zusammenhang mit Patientenrech- ten diskutiert (siehe Beitrag „KBV kontrovers“ in diesem Heft). Als problematisch werteten es mehrere Experten zudem, dass Ärzte ohne ausreichende Haftpflichtversiche- rung praktizieren können. In Zu- kunft soll in solchen Fällen die Approbation ruhen. Rechtsanwältin Plener betonte allerdings, dass ärzt- liche Gremien einen ausreichenden
Versicherungsschutz nicht kontrol- lieren könnten, solange man keine Pflichtmitteilungen der Haftpflicht- versicherer vorsehe.
BÄK-Präsident Montgomery ver - wies auf Gespräche zwischen Ärz- tekammern und Landesaufsichten.
Demnach ist angestrebt, den Kam- mern über eine Änderung der Kammergesetze mehr Prüfbefug- nisse zu erteilen. „Im Kern halten wir das für den richtigen Weg. Wir sind auch bereit, mehr Verantwor- tung zu übernehmen“, stellte er klar. Es könne allerdings nicht Auf- gabe der Kammern sein zu prüfen, ob die jeweilige Haftpflichtversi- cherung eines Arztes hoch genug sei. Überlegt wird derzeit, ob Ärzte dies – ähnlich wie bei Rechtsanwäl- ten – verbindlich gegenüber ihrer Kammer erklären sollen.
▄
Sabine Rieser
Als das Bundesjustizministerium den Referenten- entwurf für ein Patientenrechtegesetz vorstellte (DÄ, Heft 4/2012), umfassten die Kernbestimmun- gen acht Seiten. Am 22. Oktober lagen den Exper- ten bei der gemeinsamen Anhörung von Rechts- und Gesundheitsausschuss neben dem inzwi- schen überarbeiteten Gesetzentwurf auch vier Anträge der Opposition vor.
Die SPD fordert, auch den Umgang mit indivi- duellen Gesundheitsleistungen (IGeL) per Gesetz zu regeln. So sollen Ärzte verpflichtet werden, ihren Patienten zu erklären, warum die empfohlene Leis- tung nicht von der Krankenkasse bezahlt wird.
Weiterhin will die SPD vorschreiben, dass Ärzte nicht an einem Tag Kassenleistungen und IGeL an einem Patienten erbringen dürfen.
In einem weiteren Antrag kritisiert sie wie auch Bündnis 90/Die Grünen und die Linke, dass das ge- plante Patientenrechtegesetz keinen Härtefall- oder Entschädigungsfonds vorsieht und Regelungen zur Sicherstellung einer ausreichenden ärztlichen
Haftpflichtversicherung fehlen. Für beides tre- ten die Sozialdemokraten ein, ebenso für mehr Sicherheit bei Medizinprodukten und Beweiser- leichterungen für geschädigte Patienten.
Bündnis 90/Die Grünen monieren, dass das geplante Gesetz zu wenig konkrete Verbesserun- gen bringen werde. Sie verlangen unter anderem, ergänzend zum ausführlichen Arzt-Patient-Ge- spräch verständliche Informationsblätter einzu- setzen, die Aufklärung von Patienten über mögli- che Fehler oder Komplikationen vorzusehen und Beweiserleichterungen vorzuschreiben. Darüber hinaus verlangen die Grünen, Verfahrensabläufe der Gutachterkommissionen und Schlich- tungsstellen bei den Ärztekammern nach ein- heitlichen Qualitätsstandards zu gestalten.
Die Linke fordert, dass Ärzte, die Patienten nicht zeitnah behandeln können, ihre Kassenärzt- liche Vereinigung (KV) um Vermittlung an einen Kollegen bitten. Gelinge dies nicht in angemesse- ner Zeit, sei die KV mit Sanktionen zu belegen.