Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 13|
1. April 2011 A 683 PATIENTENRECHTEGESETZ„Das Jahr der Patienten“
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung hat Eckpunkte für das geplante Gesetz vorgelegt. Neben viel Zustimmung bei Ärzten und Krankenkassen gibt es auch Kritik.
G
eht es nach dem Willen der Bundesregierung, wird das Patientenrechtegesetz noch in die- sem Jahr vom Bundestag verabschie- det. Mit dem Gesetz sollen die Rechte der Patienten im Umgang mit Ärzten, Krankenhäusern und Kran- kenkassen verbessert und die Versi- cherten bei Behandlungsfehlern stär- ker unterstützt werden. Dazu hat der Patientenbeauftragte der Bundesre- gierung, Wolfgang Zöller (CSU), jetzt ein mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesjus- tizministerium abgestimmtes Eck- punktepapier vorgelegt. 2011 werde das Jahr der Patienten, versprach Zöller. Mit dem Gesetz „sorgen wir dafür, dass das Gesundheitssystem wieder als gerecht empfunden“ und das vorhandene Informations- und Transparenzdefizit beseitigt werde.Das Artikelgesetz soll den Be- handlungsvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankern, die ärztliche Dokumentationspflicht kon- kretisieren und das Recht der Pati - enten auf Akteneinsicht festschrei- ben. Arztpraxen und Krankenhäuser sollen dabei unterstützt werden, Ri- sikomanagement- und Fehlermelde- systeme einzuführen, etwa durch fi- nanzielle Anreize im Rahmen von Qualitätszuschlägen. Zudem soll das Beschwerdemanagement in Kran- kenhäusern gefördert werden.
Keine andere Beweislast Ein Schwerpunkt des Grundlagen- papiers betrifft Behandlungsfehler.
Hier soll es Zöller zufolge bei dem bisherigen Verfahren bleiben: In ein- fachen Fällen wendet sich der Pa- tient an die Schlichtungsstelle der zuständigen Ärztekammer. Circa 70 Prozent der Streitfälle würden heute auf diese Weise außergerichtlich ge- klärt, meinte der Patientenbeauftrag- te. Kommt es zu einem Haftungs- prozess, gelten „die schon von der
Rechtsprechung entwickelten In - stumente zur Beweislastverteilung“, die in das BGB aufgenommen wer- den. Danach ist eine generelle Um- kehr der Beweislast zugunsten des Patienten nicht vorgesehen. Nur bei groben Behandlungsfehlern muss der Arzt nachweisen, dass der Scha- den nicht durch ihn verursacht wur- de. Damit Ärzte für etwaige Schäden aufkommen können, sollen Länder und Ärztekammern sicherstellen, dass Ärzte über eine entsprechen- de Berufshaftpflichtversicherung ver- fügen. Ein Entschädigungsfonds für Opfer von Behandlungsfehlern, den Zöller angekündigt hatte, ist hinge- gen nicht vorgesehen.
Darüber hinaus sollen die in jedem Bundesland bisher unterschiedlich geregelten Schlichtungsverfahren bei ärztlichen Behandlungsfehlern ver- einheitlicht werden. Kranken- und Pflegekassen sollen zudem ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, et- wa durch medizinische Gutachten, unterstützen und damit dazu beitra- gen, dass die oft jahrelang dauern- den gerichtlichen Auseinanderset- zungen beschleunigt werden.
Stärker in die Pflicht genommen werden die Kostenträger auch an anderer Stelle: So ist geplant, dass die Krankenkassen künftig inner- halb einer gesetzlichen Frist (ange- dacht sind vier Wochen) über Reha- und Hilfsmittelanträge entscheiden müssen – andernfalls gelten diese als genehmigt. Geprüft wird zudem, ob die Frist, nach der Patienten bei Sozialgerichten gegen ausstehende Entscheidungen der Sozialversiche- rung klagen können, von sechs auf zwei Monate verkürzt werden kann.
Beim Spitzenverband der gesetz- lichen Krankenkassen (GKV-Spit- zenverband) stießen die Eckpunkte auf Zustimmung. „Wir freuen uns darüber, dass die Patientenrechte
jetzt gestärkt und in einem eigenen Gesetz gebündelt werden sollen“, sagte Florian Lanz, der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, fügte je- doch hinzu: „Da, wo das Gesetz neue Aufgaben für die Krankenkas- sen vorsieht oder bestehende aus- weitet, müssen diese auch finanziert werden.“ Die Bundesärztekammer (BÄK), die das Gesetzesvorhaben in der Vergangenheit stets kritisch be- urteilt hatte, äußerte sich ebenfalls zustimmend. Nach erster Durchsicht der Regierungspläne zeichne sich eine vernünftige gesetzliche Rege- lung ab, die auch Ergebnis einer ver- trauensvollen Zusammenarbeit aller Beteiligten sei, lobte Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der BÄK. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht in dem Entwurf einen sinnvollen Vorstoß.
Informationsrechte fehlen Manchen gehen die Regelungen je- doch nicht weit genug: Nach Auffas- sung der AOK wäre es „sinnvoller und weitreichender“, die Grundrech- te der Patienten in einem Grundsät- zegesetz rechtsgebietsübergreifend und transparent festzulegen, sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzen- de des AOK-Bundesverbandes, Jür- gen Graalmann. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen bemän- gelt, dass die Informationsrechte der Verbraucher nicht berücksich- tigt seien. Als „unverbindlich und zahnlos“ bezeichnete die Bundes- tagsfraktion Bündnis 90/Die Grü- nen die Vorschläge Zöllers. Sie for- dert unter anderem die verpflich - tende Einführung von Fehler- und Risikomanagementsystemen sowie Beweiserleichterungen bei einfa- chen Behandlungsfehlern. ■ Heike E. Krüger-Brand
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Grundlagenpapier Patientenrechte:www.aerzteblatt.de/11683