Schweizerische Ärztezeitung
Bollettino dei medici svizzeri Bulletin des médecins suisses
Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services
Editores Medicorum Helveticorum
Editorial 1059
Zulassungsstopp – akzeptabler Kompromiss nach hartem Ringen
FMH 1061
Aussergerichtliche FMH-Gutachterstelle – Jahresbericht 2012
SAMW 1072
Erleichterter Zugang zu wissenschaftlicher Literatur: Die SAMW erweitert das Angebot
Tribüne 1091
Finanzielle Fehlanreize verhindern Kosten- senkungen und Qualitätsverbesserungen
Horizonte 1100
Bücher, die Grenzen ausloten
«Zu guter Letzt» von Jean Martin 1102
Privat-öffentliche Partnerschaft
27 28
3.7. 2013I N H A LT
FMH
Editorial
1059 Zulassungsstopp – akzeptabler Kompromiss nach hartem Ringen Jürg Schlup
Recht
1061 Aussergerichtliche FMH-Gutachterstelle – Jahresbericht 2012
Valérie Rothhardt
Wenn ein Patient Diagnose- und/oder Behandlungsfehler vermutet und eine Einigung zwischen Patient und Haft- pflichtversicherer nicht möglich war, dann gibt diese Stelle ein Gutachten in Auftrag.
1066 Swiss Quality Award 2013 – DDQ die Gewinner (Teil 2)
Jocelyne Bonnet; Michael T. Hirschmann, Adrian Bernard, Helmut Rasch, Johann Henckel
Vorgestellt werden die Gewinner der Kategorie «Manage- ment» und der «Kategorie Technologie». Die einen ha- ben sich beschäftigt mit einem neuen Modell für perina- tale Betreuung, die anderen mit Software zur Beurteilung der Prothesenposition nach Knie- und Hüftgelenksersatz.
Nachrufe
1069 In memoriam Andres Giedion Georg Eich
1070 Personalien
Organisationen der Ärzteschaft
1071 Fundierte Weiterbildung für Ärzte: SGIM zentraler Baustein für Qualitätssicherung und Patientensicherheit
Jean-Michel Gaspoz, François Héritier
Weitere Organisationen und Institutionen
1072 Erleichterter Zugang zu SAMW wissenschaftlicher Literatur: Die SAMW erweitert das Angebot Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissen- schaften
Für niedergelassene Ärzte ist es oft umständlich und kost- spielig, an Fachliteratur heranzukommen. Neben ihren be- reits bestehenden Angeboten bietet die SAMW jetzt auch ein vergünstigtes Online-Abonnement der EbM-Guidelines.
Weitere Organisationen und Institutionen SEVHep
1073 Der Kampf gegen Hepatitis B und C:
ein Notfall für die öffentliche Gesundheit in der Schweiz
Francesco Negro
Die Schweizer Expertengruppe für virale Hepatitis schlägt im Einvernehmen mit dem BAG die verstärkte Sensibilisierung der Ärzte vor: Eine systematische Früher- kennung soll alle Personen identifizieren, die bestimm- ten Risikogruppen angehören.
Briefe / Mitteilungen
1075 Briefe an die SÄZ
1078 Facharztprüfungen / Mitteilungen
FMH Services
1079 Assurance responsabilité civile professionnelle
FMH Insurance Services 1081 Stellen und Praxen
Tribüne
Standpunkt
1091 Finanzielle Fehlanreize verhindern Kostensenkungen und Qualitäts- verbesserungen
Michael Stamm
Der Autor beklagt, dass erhebliche Einsparpotentiale durch ambulante Operationen nicht genutzt würden.
Die aktuellen Abgeltungsmodalitäten verhinderten eine Nutzung dieser Potentiale. Anhand konkreter Beispiele und Zahlen zeigt er Einsparmöglichkeiten auf.
Management
1094 Das Unwahrscheinliche managen Matthias Mitterlechner, Johannes Rüegg- Stürm, Harald Tuckermann
In der letzten SÄZ-Ausgabe haben die Autoren analy- siert, weshalb die integrierte Versorgung eine recht un- wahrscheinliche Errungenschaft ist. Dieser zweite Bei- trag skizziert nun Ansatzpunkte, die integrierte Versor- gung wahrscheinlicher machen könnten. Genannt wird u. a. die Reflexion und Neupositionierung des eigenen Wertschöpfungsprozesses.
1098 Spectrum
I N H A LT
Horizonte
Buchbesprechungen 1099 Le «Indignez-vous» d’un
honnête homme engagé Jean Martin
«Nus parmi les chacals», so lautet der Titel des Buchs von Raymond Durous, einem 77-jährigen Autor, dessen Le- ben durch den Kampf gegen Ungleichheit und Unge- rechtigkeit geprägt ist. Thema seines Buches sind die Kin- der, das Leben ausgebeuteter und missbrauchter Kinder und das Leben, wie es für Kinder eigentlich sein sollte.
Horizonte
1100 Bücher, die Grenzen ausloten Erhard Taverna
Sexualität bei Jugendlichen mit chronischer Krankheit oder Behinderung, Leben mit einer lebensbedrohlichen Krankheit, Halluzinationen und andere unheimliche neu- rologische Phänomene, das sind die Grenzbereiche, um die es hier geht.
Zu guter Letzt
1102 Privat-öffentliche Partnerschaft Jean Martin
Jean Martin findet es gut, wenn dem Staat starke private Partner gegenüberstehen – auch in der Medizin. Er berichtet, wie im Kanton Waadt die Gesundheitsbe- hörde und die Société vaudoise de médecine in mehre- ren Bereichen zusammenarbeiten. Es sind nicht immer einfache, aber fruchtbare Initiativen, die Absprachen und Loyalität erfordern.
Anna
Redaktion
Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli (Chefredaktor)
Dr. med. Werner Bauer Prof. Dr. med. Samia Hurst Dr. med. Jean Martin Anna Sax, lic. oec. publ., MHA Dr. med. Jürg Schlup (FMH) Prof. Dr. med. Hans Stalder Dr. med. Erhard Taverna
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I M P R E S S U M
E d i t o r i a l
F M H
Editores Medicorum Helveticorum Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2013;94: 27/28
1059
Am längsten Tag des Jahres haben die eidgenössischen Räte erneut einen – Zulas
sungsstopp für Ärztinnen und Ärzte beschlossen. Er ist auf dem Dringlichkeitsweg einge
führt worden, gilt ab dem 1.
Juli 2013 und soll maximal drei Jahre in Kraft bleiben.
Das «vorübergehend für drei Jahre» hören wir nun schon zum vierten Mal inner
halb von elf Jahren. Statt einer Lösung zur Steuerung der Ärz
tedichte präsentierte der Bundesrat bereits in den Jahren 2002, 2005 und 2008 je einen auf drei Jahre befristeten Zu
lassungsstopp als «vorübergehende» Massnahme. Ist die aller
neueste Neuauflage des Ärztestopps wirklich vorübergehend, wie Bundesrat Alain Berset verschiedentlich äusserte? Für die Ärzteschaft muss der nun Beschlossene der Letzte sein!
Die FMH und der VSAO haben sich hinter den Kulissen monatelang gegen die Neuauflage des Zulassungsstopps engagiert, denn dieser ist ein schlechtes Signal an den ärzt
lichen Nachwuchs, den die Schweiz dringend benötigt. Wäh
rend der Frühjahrs und Sommersession pendelte die Vorlage mehrmals zwischen den beiden Parlamentskammern hin und her. Nicht möglich war es, den Zulassungsstopp gänzlich
zu verhindern. Aber in diesen fünf Monaten konnten wir Wesentliches dazu beitragen, dass die Legislative unseren For
derungen Gehör schenkte. Die nun vom Parlament beschlos
sene Fassung zeugt davon und stellt einen auch für die FMH und den VSAO akzeptablen Kompromiss dar.
Ohne Bedürfnisnachweis zugelassen sind diejenigen Ärz
tinnen und Ärzte aller Fachrichtungen, die mindestens drei Jahre an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungs
stätte gearbeitet haben. Und zwar unabhängig davon, ob diese Ärztinnen und Ärzte während dieser drei Jahre in Wei
terbildung standen oder als Facharzt tätig waren.
Nach diesen drei Jahren am Spital verstehen Ärztinnen und Ärzte das Schweizer Gesundheits und Sozialsystem und die Sprache der Patienten. Dies sind notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzungen, um eine – für die FMH zentrale – qualitativ hochstehende medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Zudem ermöglicht die Drei
JahresRegelung jungen, gutausgebildeten Ärztinnen und Ärzten eine sinnvolle Berufsplanung.
Wie andere Branchen brauchen das Gesundheitswesen und die Ärzteschaft Planungssicherheit. Dringliche Zulas
sungsbeschränkungen als vermeintlich vorübergehende Massnahmen im DreiJahresRhythmus sind das genaue Ge
genteil. Immerhin belässt die nun beschlossene Kompromiss
regelung unseren jungen Ärztinnen und Ärzten eine beruf
liche Perspektive und lässt ihnen die Wahl zwischen einer Tätigkeit im Spital oder in einer Praxis. Diese Wahlmöglich
keit trägt auch dem Wunsch junger Berufskolleginnen und
kollegen Rechnung, Teilzeit arbeiten zu können. Der nun gefundene Kompromiss ist somit ein wichtiges Signal für unsere Nachwuchsärzte, die wir dringend brauchen und auf die wir uns freuen!
Dr. med. Jürg Schlup, Präsident der FMH
Zulassungsstopp – akzeptabler Kompromiss nach hartem Ringen
Ein Zulassungsstopp ist kein taugliches Mittel, die Ärztedichte zu steuern.
Der gefundene Kompromiss gibt jungen
Kolleginnen und Kollegen zumindest
eine berufliche Perspektive.
Editores Medicorum Helveticorum
1061
R e c h t
F M H
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2013;94: 27/28
Aussergerichtliche FMH-Gutachterstelle – Jahresbericht 2012
Die aussergerichtliche FMH-Gutachterstelle hat die Aufgabe, im Auftrag eines in der Schweiz behan- delten Patienten einen oder mehrere Gutachter1 zu beauftragen, um festzustellen, ob der Arzt in der Pri- vatpraxis oder im Spital einen Diagnose- oder Behand- lungsfehler begangen hat. Die Gutachter werden von der betreffenden medizinischen Fachgesell- schaft vorgeschlagen, sodass unabhängige und kom- petente Gutachter gefunden werden können. Das Honorar der Gutachterin wird von den Haftpflicht- versicherern der Ärzte oder Spitäler übernommen.
Der Patient muss lediglich eine Verwaltungsgebühr von 600 Franken zuzüglich MWST entrichten.
Die Gutachterstelle ist ein nützliches und effi- zientes Instrument für Patienten und Ärzte. Sie ermög- licht einerseits der Patientin die kostengünstige Klä- rung der Frage, ob sie Opfer eines ärztlichen Fehlers ge- worden ist. Andererseits gibt sie dem Arzt bzw. seinem Haftpflichtversicherer und dem Patienten eine zuver- lässige Grundlage, um den Fall sinnvoll zu erledigen.
Die aussergerichtliche FMH-Gutachterstelle hat im Jahr 2012 insgesamt 64 Gutachten erstellt. In 30 Fällen wurden ein oder mehrere Diagnose- oder Behandlungsfehler bejaht; in 32 Fällen konnte kein Fehler festgestellt werden.
Die FMH-Gutachterstelle ist nicht für alle Strei- tigkeiten zuständig. Sie gibt ein Gutachten nur dann in Auftrag, wenn der Patient einen erheblichen Ge- sundheitsschaden erlitten hat, und zwischen Patient und Haftpflichtversicherer bis anhin keine Einigung erzielt werden konnte. Vorausgesetzt ist zudem, dass der Fall nicht bereits vor einem Gericht hängig ist oder ein Gericht darüber entschieden hat.
Der Antrag, den der Patient ausführlich zu be- gründen hat, ermöglicht eine rasche Entscheidung darüber, welche Fachgesellschaft betroffen und wie komplex ein Fall ist. Oft ist es notwendig, ein inter- disziplinäres Gutachterteam zu beauftragen.
Statistik 2012
Statistische Zuordnung zu den Fachgebieten Bei den multidisziplinären Gutachten erfolgt die
Zuordnung zum so weit erkennbar am stärksten be- troffenen Fachgebiet. Beispiel: Ist ein Gutachter- team primär für die Gynäkologie und sekundär für die Anästhesiologie eingesetzt worden, und wird ein Fehler nur in der Gynäkologie bejaht, so wird das Gutachten der Kategorie «Gynäkologie, Fehler be- jaht» zugeordnet. Wird im selben Fall in der Anäs- thesiologie ein Fehler bejaht, nicht aber in der Gynäkologie, so erfolgt die Zuordnung ausschliess- lich unter «Anästhesiologie, Fehler bejaht». Wird bezüglich beider Fächer ein Fehler festgestellt, so erscheint der Fall statistisch unter «Gynäkologie, Fehler bejaht».
Die Statistik spiegelt folglich nicht das gesamte Ausmass der gutachterlichen Tätigkeit wider.
Interpretation der Statistik
2012 wurden 64 Gutachten abgeschlossen, gegen- über 77 Gutachten im Vorjahr. In etwas über einem Drittel (37 %) der beurteilten Fälle ging es aus-
schliesslich um Behandlungen durch Ärzte in der Privatpraxis. Bei knapp zwei Drittel der Fälle ging es entweder ausschliesslich um die Begutachtung von Spitalbehandlungen oder von Behandlungen in beiden Institutionen. Für die im Jahr 2012 erstatte- ten Gutachten waren 21 fachübergreifende Gutach- terteams im Einsatz.
Die Fehleranerkennungsquote ist gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen und beträgt für das Jahr 2012 46,9 % (gegenüber 44,2% im Jahr 2011).
In den Jahren 2003 bis 2012 lag die Fehleran- erkennungsquote zwischen 34,9 % (2004) und 50,6 % (2010). Die Fehlerverneinungsquote bewegte sich entsprechend zwischen 45,7 % und 65,1 %.
In den Jahren 2008 bis 2012 bewegte sich die Feh- leranerkennungsquote zwischen 44,2 % und 50,6 %.
Im gleichen Zeitraum betrug die Fehlerverneinungs- quote dementsprechend zwischen 45,7 % und 55,8 %.
Daraus lässt sich einerseits erkennen, dass sich die Fehleranerkennungsquote in den letzten Jahren stabilisiert, und andererseits, dass sich die Differenz zwischen der Zahl der anerkannten und der vernein- ten Fehler verringert hat.
Valérie Rothhardt Rechtsanwältin, Rechtsdienst FMH
1 Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Dokument die männliche Form von Personen verwendet, gemeint sind aber stets beide Geschlechter.
Korrespondenz:
Valérie Rothhardt Aussergerichtliche Gutachterstelle der FMH Postfach 6159
CH-3001 Bern Tel. 031 359 12 10 Fax 031 359 12 12
«Die Gutachter werden von der betreffenden medizinischen
Fachgesellschaft vorgeschlagen, sodass unabhängige und kompetente
Gutachter gefunden werden können.»
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1062
Editores Medicorum Helveticorum
Tabelle 1
Übersicht 1982–2012.
Zeitraum erstellte
Gutachten Behandlungs-/
Diagnosefehler bejaht
Behandlungs-/
Diagnosefehler verneint
Behandlungs-/
Diagnosefehler unbestimmt
Ganze Schweiz 1982–2011 3391 1140 2155 96
Deutschschweiz und Tessin 2012 36 18 17 1
Romandie 2012 28 12 15 1
Ganze Schweiz 2012 64 30 32 2
100 % 46,9 % 50,0 % 3,1 %
Ganze Schweiz 1982–2012 3455 1170 2187 98
100 % 33,9 % 63,3 % 2,8 %
Ganze Schweiz (letzte 10 Jahre) 2002–2012 804 357 432 15
100 % 44,4 % 53,7 % 1,9 %
Tabelle 2
Ergebnisse nach Fachgebieten 1982–2012.
erstellte Gutachten Behandlungs-/
Diagnosefehler bejaht Behandlungs-/
Diagnosefehler verneint
Behandlungs-/
Diagnosefehler unbestimmt
Allgemeinmedizin 239 88 141 10
Anästhesiologie 118 38 77 3
Chirurgie 830 293 510 27
Dermatologie 30 9 19 2
Gastroenterologie 14 2 12 0
Gynäkologie und Geburtshilfe 438 166 264 8
Handchirurgie 52 19 31 2
Herz und thorakale
Gefässchirurgie 25 8 16 1
Innere Medizin 233 78 151 4
Kardiologie 22 12 9 1
Kieferchirurgie 23 3 20 0
Kinderchirurgie 14 4 10 0
Kinderpsychiatrie 1 0 1 0
Nephrologie 2 0 2 0
Neurochirurgie 92 25 65 2
Neurologie 25 7 17 1
Onkologie 9 4 5 0
Ophthalmologie 133 40 87 6
Orthopädische Chirurgie 657 243 399 15
OtoRhinoLaryngologie ORL 120 27 89 4
Pädiatrie 68 28 37 3
Pathologie 6 4 2 0
Pharmakologie 2 2 0 0
Physikalische Medizin
u. Rehabilitation 13 3 9 1
Plast. und Wiederherstellungs
chirurgie 128 27 99 2
Pneumologie 2 1 1 0
Psychiatrie 15 7 8 0
Radiologie 51 14 34 3
RadioOnkologie 1 1 0 0
Rheumatologie 16 5 11 0
Urologie 76 12 61 3
Total 1982–2012 3455 1170 2187 98
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1063
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Die Zahlen sind vorsichtig zu interpretieren. Die gegenüber den Jahren 2011 und 2010 tiefere Anzahl der erstellen Gutachten lässt nicht ohne weiteres auf eine nachlassende Nachfrage schliessen. Aufgrund der geringen Fallzahlen können einige wenige Fälle, deren Begutachtung am Ende des vorangehenden oder am Anfang des folgenden Jahres abgeschlossen wird, die Statistik deutlich beeinflussen.
Die 64 Begutachtungen, welche im Jahr 2012 abgeschlossen wurden, spiegeln lediglich die Tätig- keit der FMH-Gutachterstelle wider. Deshalb sind sie nicht repräsentativ für die Spital- und Arzthaft- pflichtsituation in der Schweiz. Es ist bekannt, dass anderweitig zahlreiche private Gutachten in Auftrag gegeben werden, und ein grosses, nicht universitäres Kantonsspital jährlich mit rund 20 bis 30 Haft- pflichtfällen konfrontiert wird.
Die vorliegende Statistik zeigt auf, wie viele Gutachten aus welchen Fachgebieten über die FMH- Gutachterstelle abgewickelt, und wie viele Diagno se- bzw. Behandlungsfehler bejaht wurden. Andere Schlussfolgerungen können – wie bereits erwähnt – aufgrund der geringen Datenbasis und der fehlen- den Vergleichswerte nicht gezogen werden. Ins- besondere wäre es nicht zulässig, hieraus Hoch- rechnungen betreffend die Fehlerhäufigkeit in den verschiedenen Fachgebieten oder allgemein in der Medizin für die Schweiz anzustellen.
Was die Statistik nicht zeigt, ist der grosse Auf- wand an Zeit und Ressourcen für Anfragen, die dann doch nicht zu einem Gutachten führen – entweder, weil die Anfrage nicht vollständig bei uns eingeht, oder weil die betreffende medizinische Fachgesell- schaft der Ansicht ist, dass kein Anhaltspunkt für ei- nen Behandlungsfehler vorliegt, weshalb sie eine Be- gutachtung ablehnt. Patienten, vermehrt auch An- wältinnen, Ärztinnen, Versicherungen und andere Institutionen, wenden sich mit den unterschied- lichsten Fragen an die aussergerichtliche Gutachter- stelle. Diese versucht, im Rahmen des Mög lichen nützliche Hinweise für das weitere Vorgehen zu ge- ben, selbst dann, wenn eine Fragestellung nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Es erweist sich oft als schwierig, den Patientinnen zu vermitteln, dass das Verfahren reglementiert ist, und dass nicht jede Komplikation oder enttäuschte Heilungserwartung zu einem Gutachten führen kann.
Kausalität zwischen Fehler und Gesundheitsschaden
Die Feststellung, dass ein Diagnose- oder Behand- lungsfehler vorliegt, führt zur Abklärung, ob der fest- gestellte Fehler die Ursache für den geltend gemach- ten Gesundheitsschaden ist. Die Haftung kann nur dann bejaht werden, wenn ein Fehler vorliegt, also die Sorgfaltspflicht verletzt wurde, ein Schaden ein- getreten ist, und der Fehler für den Schaden ursäch- lich war. Der Gutachter hat für die Beurteilung, ob ein Kausalzusammenhang vorliegt, festzustellen,
wie sich der Gesundheitszustand des Patienten darstellen würde, wenn der Fehler nicht gemacht worden wäre. Wäre derselbe Schaden eingetreten, war der Fehler nicht kausal.
In zahlreichen Fällen, in denen ein Fehler bejaht wurde, lag kein oder nur ein unwahrscheinlicher Kausalzusammenhang vor. Auch in der Medizin haben also glücklicherweise nicht alle Fehler nega- tive oder gar gravierende Konsequenzen.
Bis anhin wurde dieser Aspekt in der Statistik nicht aufgeführt. Für das Jahr 2012 wurde bei weniger als einem Viertel (21,8 %) der Fälle, in denen ein Feh- ler bejaht wurde, die Kausalität eher oder klar bejaht.
In den übrigen Fällen wurde die Kausalität verneint oder lediglich als möglicherweise gegeben erachtet.
Dies lässt sich dadurch erklären, dass es oft schwierig ist, den Einfluss einer einzigen Ursache – hier eines Diagnose- oder Behandlungsfehlers – auf das unbe- friedigende Gesamtergebnis zu bestimmen. Häufig wird ein Gesundheitsschaden noch durch andere Ur- sachen herbeigeführt, wie etwa eine ungünstige Pro- gnose für die Heilung oder Vorerkrankungen.
Aufklärung und Kommunikation zwischen Ärztin und Patient
Die Frage nach der genügenden Aufklärung allein kann nicht Gegenstand eines FMH-Gutachtens sein.
Sie kann aber zusätzlich zum vermuteten Diagnose- und/oder Behandlungsfehler thematisiert werden, falls der Patient einen Aufklärungsmangel geltend macht.
Weil der Arzt beweisen muss, dass und wenn ja, wie er aufgeklärt hat, möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, wie wichtig es ist, die Aufklä- rung hinreichend zu dokumentieren. Möglicherweise liegt kein Diagnose- oder Behandlungsfehler vor, son- dern der Arzt hat lediglich seine Aufklärungspflicht verletzt, indem er den Patienten nicht oder nur un- vollständig über den durchzuführenden Eingriff auf- geklärt hat. Falls durch die sorgfältige Behandlung ein Schaden entstanden ist, weil sich ein Risiko verwirk- licht hat, haftet die Ärztin auch in den Fällen der un- genügenden Aufklärung. Im Jahr 2012 hat die Gut- achterstelle einen solchen Fall bejaht.
Es hat sich immer wieder gezeigt, dass die Kom- munikation zwischen Arzt und Patientin nicht opti- mal war. Bleibt der Behandlungserfolg aus oder stellen sich nach einer Behandlung neue gesund- heit liche Probleme ein, kann eine unbefriedigende Kommunikation beim Patienten zu Frustration füh- ren, und weckt oder verstärkt den Verdacht, dass ein Behandlungsfehler vorliegen könnte.
Qualitätssicherung
Die Qualitätssicherung hat einen grossen Stellen- wert bei der Begutachtung durch die aussergericht- liche Gutachterstelle FMH. Sie wird durch die fol- genden Massnahmen sichergestellt:
– Die medizinischen Fachgesellschaften schlagen Aktuelle
Forumthemen Diskutieren Sie mit!
Im Forum präsentieren wir regel mässig brisante Themen aus Politik, Öko
nomie und Wissen
schaft, die das Schwei
zer Gesundheitswesen be
treffen. Bringen Sie Ihre Meinung ein oder kom
mentieren Sie die Äusse
rungen Ihrer Kolleginnen und Kollegen. Das Forum finden Sie unter:
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Editores Medicorum Helveticorum
für jeden Fall einen oder mehrere Gutachter vor.
Diese werden beauftragt, sobald alle Parteien mit der Beauftragung ihrer Person einverstanden sind. Falls erforderlich wird ein Gutachterteam aus verschiedenen Disziplinen zusammenge- stellt. Dadurch soll einerseits sichergestellt wer- den, dass die Unbefangenheit der Gutachter gewährleistet ist, andererseits, dass die Begut- achtung kompetent durchgeführt wird. Wenn immer möglich wird auch sichergestellt, dass die Gutachter diejenige Landessprache sprechen, welcher auch der Patient mächtig ist.
– Das nun seit Jahren verwendete Schema für die Gutachter erweist sich als hilfreich. Es struktu- riert das Gutachten und stellt sicher, dass auf alle relevanten Aspekte eingegangen wird. Dadurch wird eine Qualität des Gutachtens erreicht, die
es erlaubt, eine angemessene rechtliche Lösung des Falles zu finden.
– Ein weiteres Instrument der Qualitätssicherung ist das juristische Lesen des Gutachtensentwurfs durch eine Rechtsanwältin des Rechtsdienstes der FMH. Die Parteien sind praktisch immer mit diesem Vorgehen einverstanden. Das juristische Lesen dient dazu, das Gutachten auf Klarheit, Verständlichkeit auch für medizinische Laien, Vollständigkeit, Schlüssigkeit und rechtliche Re- levanz zu überprüfen.
Ausbildung der Gutachter
Die Rechtsanwältinnen des FMH-Rechtsdienstes referieren unter anderem an Veranstaltungen, wel- che die Ausbildung medizinischer Gutachter oder das Haftpflichtrecht allgemein betreffen. Im Berichtsjahr referierten sie anlässlich der Gutachterkurse der Swiss Insurance Medicine (SIM), des Instituts für Rechtsmedizin Zürich sowie des Jahreskongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin (SGIM) in Basel.
Dauer des Verfahrens
Immer wieder wird die lange Verfahrensdauer be- mängelt. Vor allem die betroffenen Patienten erwar- ten eine baldige Antwort auf ihre Fragen. Es kommt vereinzelt vor, dass eine Begutachtung vor Ablauf eines Jahres seit Einreichung des Antrags abgeschlos- sen werden kann. Im Schnitt muss man aber mit einer Dauer von ungefähr 17 bis 18 Monaten ab Ein- reichen des vollständigen Antrags rechnen. Diese lange Dauer lässt sich unter anderem folgendermas- sen erklären: Ein reglementiertes, transparentes und
von allen akzeptables Verfahren benötigt Zeit. Je nach Fall dauert allein die Suche nach kompetenten Gutachtern mehrere Monate. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die vorgeschlagene Gutachterin von einer der Parteien abgelehnt wird. Hinzu kommt der Zeitaufwand für das juristische Lesen des Entwurfs, welcher dann zu einer Überarbeitung oder Ergän- zung des Gutachtens führen kann. Wie bereits er- wähnt, erhöht sich dadurch oft die Qualität des Gut- achtens. Auch die Suche nach und die Herausgabe der erforderlichen medizinischen Dokumente berei- tet häufig Schwierigkeiten, was zu Verzögerungen führt. Zudem kommt es immer wieder vor, dass Pa- tienten nicht optimal kooperieren, weshalb sie bei- spielsweise wegen mehrwöchiger Auslandaufenthal- ten nicht innert nützlicher Frist vom Gutachter un- tersucht und befragt werden können.
Sind mehrere Gutachter beauftragt, so benötigt jeder Verfahrensschritt mehr Zeit, begonnen bei der Anhörung und Untersuchung der Patientin bis zur Schlussredaktion des Gutachtens. Nicht zu vergessen ist, dass die berufliche Belastung vieler Gutachter der- art hoch ist, dass sie die benötige Zeit für die Ausar- beitung eines Gutachtens kaum finden können; oft wird dafür sogar ein Teil der Freizeit geopfert.
Die aussergerichtliche Gutachterstelle ist eine von vielen Anbietern von medizinischen Gutach- ten. Übernimmt sie einen Fall zur Begutachtung, wird dieser nach Reglement und für alle Parteien nach denselben Massstäben erledigt.
Wissenschaftlicher Beirat
Der wissenschaftliche Beirat überwacht im Auftrag des FMH-Zentralvorstandes die Tätigkeit der Gutach- terstelle. Er hat keine Entscheidkompetenz im Ein- zelfall, sondern entlastet den Zentralvorstand von seiner Aufsichtspflicht und unterstützt die Gutach- terstelle bei der Lösung allfälliger Schwierigkeiten in einem Begutachtungsverfahren. Im Berichtsjahr hat sich der Beirat zweimal zu einer Sitzung getroffen und stichprobenweise acht Gutachtendossiers und zwei Nichteintretensentscheide durchgesehen.
Die Mitglieder des Beirats sind Dr. med. Bruno Lerf, Präsident, Dr. med. Jürg Knessl und Rechts- anwalt Massimo Pergolis.
Personelles
Susanne Friedli ist Leiterin der Gutachterstelle und betreut die Dossiers aus der Deutschschweiz und dem Tessin. Ihr Stellvertreter, Sébastian Lerch, bear- beitet die Dossiers aus der Romandie.
«Auch in der Medizin haben also glücklicherweise nicht alle Fehler
negative oder gar gravierende Konsequenzen.»
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Ende September 2012 hat Fürsprecherin Lucia Rabia die FMH nach acht Jahren verlassen. Während dieser Zeit hat Lucia Rabia die Gutachterstelle mit Willensstärke und Engagement supervisiert. Wir danken ihr an dieser Stelle herzlich für ihre wertvolle Mitarbeit und wünschen ihr alles Gute für ihre wei- tere berufliche Laufbahn. Seit Oktober 2012 wird die aussergerichtliche Gutachterstelle von Valérie Roth- hardt, Rechtsanwältin, supervisiert, unterstützt seit November 2012 von Dr. iur. Ursina Pally Hofmann, Rechtsanwältin. Beide Anwältinnen sind im Rechts- dienst der FMH tätig.
Dank
Die Gutachterstelle kann nur funktionieren, wenn die einzelnen Akteure mitwirken. Wir danken den medizinischen Fachgesellschaften und ihren Dele- gierten für die wertvolle Unterstützung und den Gutachtern für ihre Disponibilität und ihre grossar- tige Arbeit zur Klärung der Fälle. Die Gutachterstelle dankt den behandelnden Ärztinnen sowie den Spi- talleitungen, die auf Anfrage der Patienten offen und fair bei den Begutachtungen mitgewirkt haben.
Susanne Friedli und Sébastian Lerch betreuen die Dossiers von der ersten Anfrage bis zum Versand des Gutachtens. Sie sind die Ansprechpersonen für alle Beteiligten eines Verfahrens und leisten viel Koordi- nations- und Beratungsarbeit. Ich danke Susanne Friedli und Sébastian Lerch herzlich für ihren gro- ssen Einsatz und ihre Motivation.
Empfehlung an die Patienten
Die FMH-Gutachterstelle ermöglicht es den Pa tienten, ihren Anwälten und anderen, den Pa- tienten beratenden Personen, den Fall vor Ein- reichung des definitiven Gutachterantrags tele- fonisch mit dem für das Dossier zuständigen Mitarbeiter zu besprechen. Die folgenden Fra- gen können dabei geklärt werden: Welcher Arzt hat wahrscheinlich anlässlich welcher Behand- lung einen Fehler gemacht? An welche weiteren potentiellen Fehlerquellen sollte noch gedacht werden? Welches ist der beklagte Gesundheits- schaden? Auf welche besonderen Aspekte soll die Gutachterstelle den Delegierten der Fachge- sellschaft hinweisen, der einen Gutachter vor- schlag unterbreiten muss? usw. Diese Vorbe- sprechungen benötigen Zeit, sie können aber viele Rück fragen vermeiden und führen dazu, dass das Verfahren effizienter gestaltet werden kann.
Die Unterlagen für die Einreichung eines An- trags auf Begutachtung sind unter der folgen- den Adresse erhältlich: Aussergerichtliche Gut- achterstelle der FMH, Postfach 6159, 3001 Bern, Tel. 031 359 12 10 (vormittags von 8 bis 12 Uhr), Fax 031/359 12 12.
Weitere Informationen unter www.fmh.ch → Services → Gutachterstelle.
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Gestationsalter bei der Aufnahme.
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Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2013;94:27/28 Umfassende Geburtsbegleitung
Ausgangslage
Von den jährlich 4000 Geburten in der Geburtsklinik des Genfer Universitätsspitals finden schätzungs- weise mindestens 20 % ohne jegliche ärztliche Inter- vention statt. Durch eine Abgrenzung der Kompe- tenzbereiche lässt sich unseres Erachtens die Betreu- ung der Gebärenden verbessern.
Einführung eines neuen Modells für die perinatale Betreuung
Die Pflegedienstleiterin der Geburtsklinik hat die Lancierung dieses Pilotprojekts für eine umfassende Geburtsbegleitung ermöglicht und unterstützt. Die Projektskizze: Ein Team von acht Hebammen über- nimmt die gesamte Begleitung von Frauen, die sich für dieses Modell entschieden haben und deren
Schwangerschaft ohne medizinische Besonderhei- ten verläuft. Das Hauptziel besteht darin, den Frauen im Auftrag des Chefarztes von Beginn der Schwan- gerschaft bis zum Austritt aus der Wochenbettabtei- lung eine Begleitung im Spital durch ein spezielles Hebammenteam zu bieten.
Seit Januar 2011 erfasst dieses Projekt alle Tätig- keiten von Fachpersonen im Zusammenhang mit der Begleitung von normalverlaufenden Schwanger- schaften und Geburten. Das Projekt zeigt die auto- nome Rolle der Hebammen in einem Universitäts- spital auf. Es ist gelungen, die verschiedenen Partner für das Projekt zu gewinnen und ihre Zu- stimmung zur Weiterentwicklung zu erhalten. In den Universitätsspitälern der Schweiz ist diese Art von umfassender Begleitung von normalverlaufen- den Schwangerschaften und Geburten durch Hebammen neu.
Jocelyne Bonnet
Swiss Quality Award 2013 – ausgezeichnete Qualitätsinnovationen im Fokus
Aus knapp 60 eingereichten Projekten wurden anlässlich des Nationalen Symposiums für Quali
tätsmanagement im Gesundheitswesen am 12. Juni vier Projekte mit dem Swiss Quality Award 2013 ausgezeichnet. Getragen wird der Preis von drei Organisationen: der Schweizeri
schen Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen SQMH, dem Institut für Evalua tive Forschung in der Medizin IEFM der Universität Bern sowie der Verbindung der
Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH. Die drei Trägerorganisationen freuen sich, Ihnen nachfol
gend die Gewinnerprojekte der Kategorien
«Man agement» und «Technologie» vorzustellen.
Die Siegerprojekte der Kategorien «Patienten
sicherheit» und «Empowerment» wurden in der letzten Ausgabe (26/2013) der Schweizerischen Ärztezeitung publiziert.
Dr. med. Christoph Bosshard, Mitglied des Zentral- vorstandes der FMH, Verantwortlicher Ressort Daten, Demographie und Qualität und SAQM
Quality Award 2013 – die Gewinner (Teil 2)
Gewinner Kategorie Management
Korrespondenz:
Jocelyne Bonnet
Hebammenexpertin Geburtshilfe Universitätsspital Genf Pflegedirektion Boulevard de la Cluse 30 Maternité
CH-1205 Genf
jocelyne.bonnet[at]hcuge.ch www.hugge.ch
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nisch nicht zu gebrauchen ist. Im Rahmen der Spezial sprechstunde «Die schmerzhafte Knie-TP»
standen wir vor der Aufgabe, eine Methode zu ent- wickeln, die einfach und in der klinischen Routine einsetzbar ist sowie die Bestimmung der Prothesen- position verlässlich ermöglicht.
Wir konnten feststellen, dass sich durch die Ver- wendung von 3D-rekonstruierten CT-Bildern die Messfehler derart minimieren lassen, dass die gemes- senen Werte klinisch wertvolle Aussagen ermögli- chen. Zudem haben wir ein spezielles Bildgebungs- protokoll entwickelt, das 3mm Schichten des Hüft- Gewinnerteam der Kategorie «Management» des Swiss Quality Awards 2013:
Jocelyne Bonnet, Lucia Floris, Virginie Briet (v. l. n. r.).
Gewinner Kategorie Technologie
Korrespondenz:
PD Dr. med.
Michael T. Hirschmann Klinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates
Kantonsspital Baselland CH-4101 Bruderholz
michael.hirschmann[at]unibas.ch Michael T. Hirschmann, Adrian Bernard, Helmut Rasch, Johann Henckel
Software zur akkuraten Beurteilung der Prothesenposition nach Knie- und Hüft- gelenksersatz mittels dreidimensional rekonstruierten CT-Bildern
Für die meisten Patienten bedeutet ein totaler Ersatz des Kniegelenkes (Knie-TP) das Ende ihres Leidens.
Für andere allerdings nehmen die Beschwerden kein Ende. Rund ein Viertel aller Patienten ist nach einer Knie-TP nicht zufrieden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Eine Fehlpositionierung der Prothese gilt als eine der entscheidenden Ursachen. Für den be- handelnden Orthopäden ist es von unschätzbarem Wert, die Positionierung der Knie-TP präzise und ver- lässlich beurteilen zu können.
Bisher erfolgt die Beurteilung auf Röntgen- oder axialen Computertomographie-Bildern (2D-CT).
Nach einer 2011 im Journal of Bone & Joint Surgery publizierten Arbeit ist die Ausmessung der Knie-TP im Röntgen als auch im 2D-CT wenig verlässlich.
Dies ergibt sich aus der nicht standardisierbaren Bildakquise, der ungenauen Messmethodik und der Schwierigkeit die anatomischen/prothetischen Landmarken eindeutig zu erkennen. In der genann- ten Studie konnten maximale Abweichungen inner- halb der gleichen Methode und zwischen zwei Un- tersuchern von bis zu 20° für das Röntgen und 10°
für das 2D-CT nachgewiesen werden. Als Orthopäde versucht man die Prothese mit einer Genauigkeit von ±3° zu positionieren. Dieser Wert zeigt, dass die Ausmessung der Knie-TP im Röntgen und 2D-CT kli-
Die Lancierung und Umsetzung dieses Projekts hat sich auf die Entwicklung der Berufspraxis ausge- wirkt: Gespräch und Austrittsuntersuchung nach der Geburt, Sprechstunde sechs bis zehn Wochen nach der Geburt sowie Schulung in der Ausführung von einfachen Dammnähten.
Auswertung und Perspektiven
Es ist geplant, die Ausgaben der umfassenden Betreu- ung mit den Kosten einer traditionellen Betreuung zu vergleichen. Gemäss Aussagen der Patientinnen beim Austritt aus der Wochenbettabteilung scheint die Zufriedenheit mit der umfassenden Betreuung höher zu sein. Zudem stellte man fest, dass die Ab- senzen im Hebammenteam deutlich geringer sind als bei anderen Fachpersonen des Departements. Zur Auswertung dieses Projekts wurden bestimmte Indi- katoren herangezogen, die aus der klinischen Doku- mentation sowie aus einem Fragebogen stammen, den die Patientinnen zwei Monate nach der Geburt selbst ausgefüllt haben. Sobald alle Indikatoren aus- gewertet sind, wird entschieden, wie es nach dieser ersten Testphase weitergehen soll.
Bildausgabe nach Ausmessung der Knieprothesen- Position (Varus-Valgus links, Flexion-Extension Mitte, Rotation rechts).
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Swiss Quality Award
Kluge Ideen im Qualitätsmanagement helfen nicht nur Patientinnen und Patienten, sie nützen dem gesamten Gesundheitswesen. Deshalb rückt der Swiss Quality Award jährlich innovative Qualitätspro
jekte ins Rampenlicht. Getragen wird der Preis gemeinsam von der Verbindung der Schweizer Ärztin
nen und Ärzte FMH, dem Institut für Evaluative Forschung in der Medizin IEFM der Universität Bern so
wie der Schweizerischen Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen SQMH. Der Swiss Quality Award prämiert neue, praxiserprobte Projekte in den Kategorien Management, Patien
tensicherheit, Technologie und Empowerment. Jede Preiskategorie ist mit 10 000 Franken dotiert. Die Preisverleihung findet jeweils im Rahmen des Nationalen Symposiums für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen statt.
Alle Informationen zum Swiss Quality Award und die Onlineplattform mit den Projektpostern der Gewinner sowie weiteren eingereichten Projekten befinden sich unter www.swissqualityaward.ch Michael T. Hirschmann, Helmut Rasch, Adrian Bernard (v. l. n. r.):
Vertreter des Gewinnerteams der Kategorie «Technologie» des Swiss Quality Awards 2013.
und Sprunggelenkes sowie Dünnschichten des Kniegelenkes (mind. 0.7mm) beinhaltet. So ist es möglich, den Datensatz standardisiert entlang der mechanischen Beinachse auszurichten und den Messfehler auf ±1° zu reduzieren. Für die Bildanalyse wurde basierend auf Python, welche C++-Kompo- nenten und VTK-Modulen (www.vtk.org) verbindet, eine spezifische Software entwickelt. Diese führt den Untersucher in 8 Minuten Schritt für Schritt durch den Messvorgang. Die einfache Bedienbarkeit und die verständliche Datenausgabe sowie Speichermög- lichkeit für Orthopäden und Radiologen im PACS, schaffen die Voraussetzung für eine klinische Rou- tine-Anwendung (Abb. S. 1067). Nach ausgiebiger Evaluation und Validierung wird dieses Verfahren seit Juli 2012 in unserer Klinik eingesetzt.
Mit Hilfe der von uns entwickelten Software zur Bestimmung der Position von Knie- und Hüft-TPs haben wir zu einer signifikanten Verbesserung der klinischen Diagnostik beigetragen. In Zukunft wer- den wir die Software auch für andere Gelenke weiter- entwickeln und anderen Krankenhäusern eine Lizenz zur Nutzung anbieten.
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In memoriam Andres Giedion
Andres Giedion wurde als zweites Kind von Sigfried Giedion und Carola Giedion-Welcker in München geboren. Seine Kindheit und Jugend in Zürich waren durch das kulturelle Interesse seiner Eltern geprägt.
Der Vater lehrte an der Harvard University, der ETH Zürich und am MIT moderne Architektur und war Mitbegründer der Congrès Internationaux d’Archi- tecture Moderne. Seine Mutter prägte als Kunsthis- torikerin, Autorin und Mitglied des Gremiums für Ankäufe des Kunsthauses das kulturelle Leben von Zürich und stand den Surrealisten nahe. Künstler wie Moholy-Nagy, Arp, Schwitters, Mondrian, Max Ernst, James Joyce und Le Corbusier verkehrten mit den Gie- dions und machten ihr Heim zu einem Treffpunkt der
«Internationalen Moderne».
Andres Giedion besuchte das Gymnasium und studierte Medizin in Zürich. Das Staatsexamen be- stand er 1950. Er doktorierte über «Die hämorrhagi- sche Encephalitis postvaccinalis» und entschied sich für eine Ausbildung in Pädiatrie am Children’s Hospi- tal in Boston bei C. Janeway. Dort begegnete er E.B.D. Neuhauser, einem der Gründerväter der Kin- derradiologie. Beeindruckt von Neuhauser und der Bedeutung der Radiologie in der Kindermedizin kehrte er 1954 nach Zürich ans Kinderspital zurück.
Unter Guido Fanconi hatte das Spital Weltruhm erlangt, doch eine Röntgenabteilung fehlte. Auf Wunsch von Fanconi erlernte Giedion die radiologi- schen Grundlagen am Kantonsspital Zürich, dem heutigen USZ, parallel zu seiner Tätigkeit als Oberarzt in der Kinderklinik. Auch die Radiologie hatte in Zü- rich unter Hans Rudolf Schinz internationale Bedeu- tung gewonnen. Wichtige Kontakte pflegte er mit Kollegen wie W. A. Fuchs, A. Rüttimann, M. del Bono und E. Maranta. Im Hinblick auf die neu zu schaf- fende Röntgenabteilung im Kinderspital kehrte Giedion nach Boston zu Neuhauser zurück, wo er seine Kenntnisse bei Experten wie D. Wittenborg und C. Harris erweiterte.
Andres Giedion übernahm 1959 die Leitung der Radiologie und später die neugeschaffene Chefarzt- position am Kinderspital Zürich. Er beschäftigte sich intensiv mit der Projektionsradiographie und Durch- leuchtungsuntersuchungen, wovon zahlreiche Publi- kationen zeugen. Sein Hauptinteresse galt dem Ske- lett, vor allem bei Missbildungen. Er widmete sich der Beobachtung, Charakterisierung und Klassifizierung der Knochendysplasien. Dabei kamen ihm sein brei- tes Interesse, seine scharfe Beobachtungsgabe und sein Kombinationsvermögen zustatten. Publikatio- nen, wie «Konstitutionelle Skeletterkrankungen» im Standardwerk «Schinz, Radiologische Diagnostik in Klinik und Praxis» legen davon Zeugnis ab.
Giedion habilitierte sich 1968 an der medizini- schen Fakultät der Universität Zürich mit dem Thema: «Zapfenepiphysen: Naturgeschichte und diagnostische Bedeutung einer Störung des enchon- dralen Wachstums». Er analysierte Veränderungen an den Wachstumszonen der Fingerknochen und fand Merkmale bestimmter genetischer Erkrankun- gen, die nun seinen Namen tragen. Seine Antritts- vorlesung endete folgendermassen: «Die direkte oder verschlüsselte Sprache der Morphologie auf- zuzeichnen und wiederzugeben, ist unser Beruf.
Morphologie aber ist ein Abenteuer. Dies ist unser Lust-Gewinn.»
Andres Giedion war ein international geachteter Vertreter der Kinderradiologie und Experte für Kno- chendysplasien. Er war Mitbegründer der Schweize- rischen Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie, der International Skeletal Dysplasia Society, der Gesell- schaft für Pädiatrische Radiologie und der European Society of Pediatric Radiology, sowie Organisator und Präsident des 14. Jahreskongresses letzterer Ge- sellschaft. Die Wertschätzung, die er genoss, äusserte sich in vielen Ehrenmitgliedschaften von radiologi- schen und kinderradiologischen Gesellschaften.
Giedion verfolgte mit Interesse die Entwicklung der Technik. Ein Sabbatical 1982 am Hospital for Sick Children in Toronto bei D. Harwood-Nash diente ihm als Einführung in die Computertomographie des Nervensystems. Die Einführung der CT im Kin- derspital kurz nach seiner Pensionierung ist mass- geblich seiner Vorarbeit zu verdanken. Auch im Ruhestand blieb er dem Kinderspital und der Univer- sität eng verbunden. Seine Energie war unbegrenzt, Gipfel wurden auch im wörtlichen Sinn erklommen, speziell in seiner zweiten Heimat, Davos, wo er Kraft und Freude schöpfte zusammen mit seiner Frau Monica. Noch 2002 schrieb er ein Buch über «Die Architektur der Davoser Alphütten» und kehrte gleichsam zu seinen kulturhistorischen Wurzeln zurück.
Andres Giedion verstarb in seinem 88. Lebens- jahr. Er bleibt in Erinnerung als herausragende Per- sönlichkeit, als Wegbereiter der Kinderradiologie und als Erforscher der Knochendysplasien. Er vertrat seine Anliegen mit Brillanz und Leidenschaft und wurde weit über die Grenzen seiner Heimat bekannt.
Viele erinnern sich mit Dankbarkeit an den gütigen und treuen Freund, der sich mit grosser Zuneigung und Einfühlungsvermögen ebenso um seine kleinen Patienten gekümmert hat wie um seine Studenten, Schüler und Kollegen.
PD Dr. med. Georg Eich, Aarau Prof. Dr. med.
Andres Giedion (2.5. 1925–15. 1. 2013)
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Personalien
Ärztegesellschaft des Kantons Luzern
Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion Stadt haben sich angemeldet:
Sabine Maria Fischer, Fachärztin für Kardiologie und Innere Medizin FMH, Luzerner Kantons- spital, 6000 Luzern 16
André Marti Surovy, Facharzt für Dermatolo - gie & Venerologie FMH, St. Leonhaårdstr. 20, 9000 St. Gallen, ab ca. November 2013: Inseli- quai 12, 6005 Luzern
Saphira Rodenhausen Mosses, Fachärztin für Rheu- matologie FMH, Centramed, Frankenstrasse 2, 6002 Luzern
Einsprachen sind innert 20 Tagen nach der Pu- blikation schriftlich und begründet zu richten an: Ärztegesellschaft des Kantons Luzern, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern.
Ärztegesellschaft des Kantons Schwyz
Zur Aufnahme in die Ärztegesellschaft des Kan- tons Schwyz hat sich angemeldet:
Cornelius Würtenberger, Facharzt für orthopädi- sche Chirurgie und Traumatologie des Bewe- gungsapparates, Querstrasse 4, 8805 Richters- wil. Tätigkeit in Praxis Dr. Komorek in 8808 Pfäffikon und Belegarzt Regionalspital Einsiedeln.
Einsprachen gegen diese Aufnahme richten Sie schriftlich innert 20 Tagen an Dr. med. Hugo Brunner, Dorfstrasse 14, 6417 Sattel.
Unterwaldner Ärztegesellschaft Zur Aufnahme in die Unterwaldner Ärztege- sellschaft haben sich angemeldet:
Jörg-Christoph Blecher, Facharzt für Mund-/
Kiefer-/Gesichtschirurgie, Industriestrasse 23, 6055 Alpnach,
Tobias Brandenburg, Facharzt für Plastische, Re- konstruktive und Ästhetische Chirurgie, Son- nenbergstrasse 11, 6052 Hergiswil
Einsprachen gegen diese Aufnahmen sind mit Begründung innert 20 Tagen an die Präsidentin der Unterwaldner Ärztegesellschaft zu richten.
Todesfälle / Décès / Decessi Antonio Binzoni (1921), † 26.1.2013, Specialista in medicina interna generale, 6500 Bellinzona
Peter Bleiker (1923), † 29.4.2013, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, 9016 St. Gallen
Praxiseröffnung /
Nouveaux cabinets médicaux / Nuovi studi medici
AG
Bernhard Andreas Wolf,
Facharzt für Urologie, Kaiserstrasse 7a, 4310 Rheinfelden
BE
Eva Cordula Boose,
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Effingerstrasse 92, 3008 Bern
GE
Nemanja Polic,
Spécialiste en chirurgie orthopédique et traumatologie de l’appareil locomoteur et Médecin praticien, 1, rue Emile-Yung, 1205 Genève
Ärztegesellschaft des Kantons Bern Ärztlicher Bezirksverein Bern Regio Zur Aufnahme als ordentliche Mitglieder haben sich angemeldet:
Thomas Fischer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Humboldtstrasse 24, 3013 Bern
Michèle Irene Mérat, Fachärztin für Anästhesie FMH, Bellevuestrasse 163, 3095 Spiegel Einsprachen gegen diese Vorhaben müssen in- nerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffentlichung schriftlich und begründet beim Präsidenten des Ärztlichen Bezirksvereins Bern Regio einge- reicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet der Vorstand über die Aufnahme der Gesuche und über die allfälligen Einspra- chen.
Preise / Prix Rössler-Preis 2013
Der diesjährige Rössler-Preis geht an Olivier Voinnet, Professor für RNA-Biologie am Depar- tement Biologie der ETH Zürich. Der Franzose erhält den mit 200 000 Schweizer Franken do- tierten Förderpreis für seine bahnbrechenden Entdeckungen im Bereich der Molekular- und Zellbiologie.
Wolter de Loos Award
An der European Conference on Traumatic Stress in Bologna wurde Prof. Dr. med. Ulrich Schnyder, Klinikdirektor der Klinik für Psychia- trie und Psychotherapie des UniversitätsSpitals Zürich, mit dem Wolter de Loos Award for Dis- tinguished Contribution to Psychotraumatol- ogy in Europe ausgezeichnet.
The International Otopathology Society
Le travail intitulé «Partial restoration of the VOR in humans by motion-modulated electri- cal stimulation of the vestibular system» de Nils Guinand, Angelica Perez-Fornos, Marco Pe- lizzone, Jean-Philippe Guyot, du Service d’Oto- rhino-laryngologie et de Chirurgie cervico- faciale des Hôpitaux Universitaires de Genève et de la Faculté de Médecine de l’Université de Genève a été récompensé du Travel Award de
«The International Otopathology Society»
(a.k.a. The Schuknecht Society, Massachusetts Eye and Ear Infirmary, Harvard Medical School, Boston).
Editores Medicorum Helveticorum
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S G I M / S G A M
O R G A N I S AT I O N E N D E R Ä R Z T E S C H A F T
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Das Weiterbildungsprogramm für Allgemeine Innere Medizin (AIM) von SGIM und SGAM bewährt sich
Fundierte Weiterbildung für Ärzte: zentraler Bau- stein für Qualitätssicherung und Patientensicherheit
Der am 1. Januar 2011 in Kraft getretene neue Facharzt
titel für Allgemeine Innere Medizin bedeutet für angehende Allgemeininternisten fünf Jahre anspruchsvolle Weiter
bildung. Basis dafür ist das gemeinsame Weiterbildungs
programm für Allgemeine Innere Medizin (AIM) der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Me
dizin (SGIM) und der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Medizin (SGAM). Die Originalität des Wei
terbildungsprogramms ist in seiner Flexibilität und sei
nem modularen Aufbau begründet. Die Facharztprüfung für Allgemeine Innere Medizin (AIM), die 2013 erstmals gemeinsam von SGIM und SGAM durchgeführt wird, ist ein zentraler Baustein des Weiterbildungsprogramms.
Nur wenige Weiterbildungsprogramme müssen den Weiterbildungsbedarf in so vielen medizinischen Tätigkeitsfeldern abdecken, und nur wenige wurden so konzipiert, dass jeder junge Arzt die für seine zu
künftige Karriere relevantesten Fähigkeiten finden und auswählen kann. Dies gilt nicht nur für die Wahl zwischen einer Karriere im Spital oder in der Praxis, sondern noch in stärkerem Masse für die verschiede
nen Profile einer Tätigkeit als Hausarzt. Möchte ein junger Kollege in einer ländlichen Hausarztpraxis in einer Region arbeiten, wo es an Fachärzten mangelt?
Dann benötigt er solide Grundlagen in Innerer Medi
zin und Fachkenntnisse in Pädiatrie, kleiner Chirur
gie, Traumatologie bzw. Gynäkologie. Entscheidet er sich für die Arbeit in der Stadt oder am Stadtrand, z. B.
in einer Ärztegemeinschaft mit ambulantem Notfall
zentrum? Dann kann er seine Fachkenntnisse dem
entsprechend auswählen. Möchte er eine Hausarzt
praxis im Stadtzentrum eröffnen? Dann hat er die Möglichkeit, seine Kenntnisse in Innerer Medizin und bestimmten klassischen Fachbereichen wie Pneumo
logie und Kardiologie zu vertiefen. Interessiert er sich für psychosomatische Probleme? Dann kann er sich psychiatrische Fachkenntnisse aneignen. Das Weiter
bildungsprogramm AIM bietet mit seiner Flexibilität und seinem modularen Aufbau mögliche Antworten und Lösungen auf die meisten dieser Fragen.
Herausforderungen und Zukunft –
Flexibilität und Professionalität sind gefragt Die Herausforderung für das Weiterbildungspro
gramm AIM besteht darin, sich im Sinne eines «ler
nenden Programms» kontinuierlich an die zukünf
tigen Praxisbedingungen und die Bedürfnisse der Patienten anzupassen. Ein Beispiel dafür ist die Pallia
tivmedizin. Ein weiteres Beispiel von entscheidender Bedeutung ist die Behandlung komplexer Patienten, insbesondere der Erwerb von Kenntnissen zur Leitung multiprofessioneller Teams bzw. von Techniken zur gemeinsamen Entscheidungsfindung oder zur moti
vierenden Gesprächsführung, mit denen es gelingt, den Patienten zum Mitverantwortlichen und Partner zu machen.
Und die Forschung? Eine medizinische Disziplin ist nur dann glaubwürdig, wenn sie durch spezifi
sche Forschungsergebnisse untermauert wird. In der Grundversorgungsmedizin steckt die Forschung je
doch noch in den Kinderschuhen. All diese Ziele, Trends und Entwicklungen gilt es bei der Weiterent
wicklung des Weiterbildungsprogramms AIM zu be
rücksichtigen.
Die Facharztprüfung für Allgemeine Innere Medi
zin (AIM) spiegelt diese Herausforderungen wider.
Facharztprüfung AIM – zweite Durchführung 2013
Erstmalig wird die Facharztprüfung 2013 für Allge
meine Innere Medizin (AIM) 2013 in Zusammen
arbeit zwischen der SGIM und der SGAM durchge
führt. Die zweite Facharztprüfung findet am 29. Ok
tober 2013 im Congress Center Basel statt. Dabei handelt es sich um eine schriftliche Prüfung, beste
hend aus MultipleChoice(MC)Fragen in englischer Sprache und fünf KurzantwortFragen (KAF) in deut
scher, französischer oder italienischer Sprache.
Das Anmeldeportal zur zweiten Facharztprüfung in Allgemeiner Innerer Medizin (AIM) 2013 ist seit 1. Mai 2013 geöffnet. Weitere Informationen zur Facharztprüfung AIM 2013 und den Anmeldemoda
litäten finden Sie auf dem gemeinsamen Webportal Facharztprüfung AIM der SGIM und der SGAM:
www.aiminfo.ch.
Die Anmeldefrist für die Facharztprüfung AIM 2013 vom 29. Oktober 2013 im Congress Center Basel läuft am 31. Juli 2013 ab. Die Vorbereitung und Orga
nisation der beiden Facharztprüfungen AIM 2013 wird von der SGIM durchgeführt.
JeanMichel Gaspoz a, François Héritier b
a Vorsteher des Präsidiums der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGIM)
b Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Medizin (SGAM)
Korrespondenz:
Geschäftsstelle SGIM Solothurnerstrasse 68 CH4008 Basel Tel. 061 225 93 31 info[at]sgim.ch