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«Inhalierbares Insulin nur in Ausnahmefällen»

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Academic year: 2022

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M E D I E N

M E D I E N ■■ M O D E N M O D E N ■■ M E D I Z I NM E D I Z I N

Es ist nun schon mehr als 80 Jahre her, da Frederick Banting mit seinen Kollegen James Collip und Charles Best das Insulin entdeckte, einen Extrakt aus den Bauch- speicheldrüsen von Hunden herstellte und mit einer Insulin-Injektion das Leben des kleinen Leonard Thompson rette, der bereits im diabetischen Koma lag. Seit diesen Tagen, die Medizingeschichte geschrieben haben, hat sich einiges getan. Nachdem Insulin Jahrzehnte lang aus Rindern und Schweinen gewonnen wurde, gelang An- fang der Achtzigerjahre die gentechnische Herstellung von Humaninsulin, vor zehn Jahren dann die Entwicklung von Insulin- Analoga. Doch an einem hat sich über die Zeit nichts geändert: Insulin muss weiter injiziert werden, zum Leidwesen mancher Typ-2-Diabetiker, die aus Angst vor der Spritze sich nicht der notwendigen Be- handlung unterziehen.

Insulin - als Tablette unmöglich

Tatsächlich gab es von Anfang an Versuche, das Hormon etwa in Tablettenform oder nasal zu verabreichen, aber schliesslich blieb ihnen allen am Ende nur das Scheitern vorbehalten. Doch jetzt ist der alte Traum doch noch Wirklichkeit geworden. Im Ja- nuar 2006 haben die europäische (EMEA) und die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) das erste inhalative Insulin für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker unter dem Handels- namen Exubera® zugelassen.

Die Reaktion fällt in Fachkreisen allerdings weniger enthusiastisch aus, als vielleicht zu vermuten wäre. In der vergangenen Woche hat sich beispielsweise die Deutsche Dia- betes-Gesellschaft (DDG) in einer Stellung- nahme zurückhaltend gezeigt. Bei deren Experten setzt man weiter auf die her- kömmliche Injektionstherapie und erklärt, dass «bei Insulin-Bedürftigkeit der etab- lierte subkutane Weg gewählt und beim Patienten umzusetzen versucht werden sollte. Die Verschreibung inhalativen Insu- lins darf nicht die Schulung und intensive Gespräche mit den Patienten ersetzen: Ziel

muss bleiben, diese dazu zu bringen, sich Insulin subkutan zu injizieren». Nach Mei- nung der DDG-Experten dürfte das inhala- tive Insulin lediglich für einen «sehr gerin- gen Anteil von Patienten mit Typ-2-Diabetes hilfreich sein». Dazu gehörten Patienten, die «mit oralen Antidiabetika eine sehr schlechte Blutzuckereinstellung erreichen und trotzdem nicht auf das Spritzen von Insulin umstellen wollen. Für diese ist das inhalierbare Insulin gut geeignet, um die dringend benötigte Insulin-Therapie zu beginnen», meint Professor Harald Klein, Vorsitzender des Ausschusses Pharmako- therapie der DDG.

Schmerz: kein Grund für Angst vor der Spritze

Dass die Umstellung auf das Spritzen von Insulin manche Typ-2-Diabetiker auch heute noch abschreckt, darüber herrscht Einigkeit unter den Fachleuten. Für die Angst vor der Spritze gibt es laut DDG verschiedene Gründe: Die Erkrankung er- scheint den Betroffenen durch eine The- rapie mit Spritzen schwerwiegender und sie ist mit einem höheren Aufwand verbunden;

manche Patienten befürchten eine Gewichts- zunahme. Dabei sei, wie die DDG-Experten betonen, die Insulin-Therapie heute so pro- blemlos wie nie: «Moderne Insulin-Pens verursachen beim Spritzen so gut wie keine Schmerzen und sind überall jederzeit leicht zu handhaben.» Auch die Insulintherapie mit inhalierbarem Insulin setze im Übrigen eine intensive Schulung der Patienten und des Assistenzpersonals voraus, um Applika- tionsfehler zu vermeiden.

Inhalierbares Insulin: so wirksam wie injiziertes

Doch ohnedies kann das inhalierbare Insulin nur einem Teil der Diabetiker verschrieben werden: Raucher oder Menschen mit Lungenerkrankung sollen es beispielsweise nicht anwenden. Bei Kindern und Jugend- lichen unter 18 Jahren ist Exubera® nicht

zugelassen. Patienten, die das inhalierbare Insulin anwenden, dürfen, wie Untersu- chungen zeigen, mit einer ähnlich guten Stoffwechseleinstellung rechnen wie unter der herkömmlichen Injektionsbehandlung mit kurz wirkendem Insulin. Allgemein- gültige Empfehlungen zur Dosierung kön- nen nach Meinung der DDG jedoch nicht gegeben werden, da der individuelle Bedarf sehr unterschiedlich sei. «Auch fehlen bis- her Langzeiterfahrungen mit dem neuen Präparat», gibt Professor Wolfgang Kerner, Präsident der DDG, zu bedenken. Gewisse Befürchtungen richten sich auf eine mög- liche Schädigung der Lunge nach langjäh- riger Anwendung.

Keine Störung der Lungenfunktion

Die Lungenfunktionsparameter, die in bis- herigen Studien über einige Jahre verfolgt wurden, zeigten im Vergleich zur Kon- trollgruppe allerdings keine oder nur ge- ringe, statistisch nicht signifikante Ver- änderungen. «Bei fehlender Erfahrung in der Langzeitanwendung können lokale Gewebeveränderungen jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden», heisst es in der DDG-Stellungnahme. Dass die Zahl der Insulin-Antikörper im Vergleich zu subkuta- ner Insulin-Gabe stärker ansteigt, ist laut DDG dagegen ohne klinischen Belang.

Hingegen verursachen die Kosten ange- sichts der vorherrschenden Sparzwänge im Gesundheitswesen grösseres Kopfzerbre- chen. Die Therapie mit inhalierbarem Insu- lin wird sich um das Drei- bis Fünffache im Vergleich mit der herkömmlichen Injek- tionstherapie verteuern.

In der Schweiz werden schätzungsweise 25 000 Typ-1-Diabetiker und 90 000 Typ-2- Diabetiker mit Insulin behandelt. Sie müs- sen sich über inhalierbares Insulin noch nicht den Kopf zerbrechen. Momentan ist Exubera® in der Schweiz noch nicht zuge-

lassen.

U.B.

Zurückhaltende Einschätzung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft

«Inhalierbares Insulin nur in Ausnahmefällen»

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ARS MEDICI 20 2006

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