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Hans-Georg Müller

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Academic year: 2022

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Müller, Hans-Georg. Zum „Komma nach Gefühl“ 215

Hans-Georg Müller. 2007. Zum „Komma nach Gefühl“. Implizite und explizite Kommakompetenz von Berliner Schülerinnen und Schülern im Vergleich (Reihe Theorie und Vermittlung der Sprache 50). Frankfurt am Main u. a.: Peter Lang. 298 S.

Dieter Nerius Universität Rostock

Institut für Germanistik August-Bebel-Str. 28 D-18051 Rostock dieter.nerius@uni-rostock.de

Das Hauptziel der Arbeit von Hans-Georg Müller, einer Dissertation der Humboldt-Universität Berlin von 2007, ist es, die Grundlagen für die mentalen, inneren Regeln zu ermitteln und zu untersuchen, die die Kom- masetzung von Schülern bestimmen. Dabei wird davon ausgegangen, dass diese mentalen Regeln (hier implizite Kommakompetenz bzw. Kommasetzung genannt) und die kodifizierten orthografischen Kommaregeln nicht iden- tisch sind. Ebenso wird davon ausgegangen und im Laufe der Arbeit auch zu beweisen versucht, dass die in der Didaktik allgemein übliche Annah- me, die Kenntnis der geltenden orthografischen Regeln sei für die Kom- masetzung von entscheidender Bedeutung und diese müssten deshalb durch intensives Üben eingeschliffen werden (hier Algorithmus-Hypothese genannt), nicht zutrifft und deshalb durch angemessenere Hypothesen ersetzt werden muss. Hierzu möchte diese Arbeit einen entscheidenden Beitrag leisten.

Es werden im Wesentlichen vier Hypothesen entwickelt, die die men- tale Repräsentation der Kommasetzung bei Schülern bestimmen oder beeinflussen sollen:

die Pausenhypothese, d. h. die Orientierung an bestimmten intonatorischen Merkmalen;

die Signalworthypothese, d. h. die Orientierung an Elementen, die (nach den geltenden Regeln) sehr häufig nach einem Komma stehen wie z. B. Kon- junktionen oder Relativpronomen;

die Syntaxhypothese, d. h. die Orientierung an der Satz- und Wortgruppen- struktur, wobei vor allem das Erkennen der Prädikation und der Reihung ei- ne wichtige Rolle spielt;

die Semantikhypothese, d. h. die Orientierung an Sinneinheiten.

Diese Hypothesen können natürlich bei der Kommasetzung auch zusam- menwirken, wobei ihre Wirksamkeit den Schülern in der Regel nicht oder nur ansatzweise bewusst ist (Komma nach Gefühl).

Der Hauptteil der Arbeit besteht nun darin, diese angenommenen Einflussfaktoren der impliziten Kommasetzung in operationale und mess-

ZRS, Band 1, Heft 2

© Walter de Gruyter 2009 DOI 10.15/zrs.2009.042

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bare Verfahren umzusetzen und ihre Wirksamkeit in einem Großversuch mit Schülern von Berliner Gymnasien zu untersuchen. In diesen Versuch werden insgesamt 1.026 Schüler aus 49 Klassen von sieben Berliner Schu- len einbezogen, und zwar aus den Klassenstufen 8, 10 und 12. Für die Durchführung der Untersuchung wird ein umfangreiches und sehr diffe- renziertes Untersuchungsdesign entwickelt, in dem verschiedene mathe- matisch-statistische Methoden zur Anwendung kommen, bei denen der Autor sich offensichtlich gut auskennt. Der Versuch besteht aus zwei Tei- len, einem Diktat, in dem die Kommakompetenz der Schüler getestet und die Rolle der verschiedenen Einflussfaktoren untersucht wird, und einem Test, bei dem die Schüler die fehlenden Kommas in einen Text einsetzen und ihre Entscheidung begründen sollen. Mit diesem zweiten Test soll vornehmlich das Regelwissen der Schüler und sein Einfluss auf die Kom- masetzung ermittelt werden. Der Autor spricht hier von expliziter Komma- kompetenz bzw. Kommasetzung.

Die Auswertung der einzelnen Tests erfolgt differenziert, akribisch und präzise. Mit Hilfe mathematisch-statistischer Verfahren wird eine viel- fältige Skalierung der Schwierigkeitsgrade und der persönlichen Kompe- tenz der Probanden, differenziert auch nach den verschiedenen Einfluss- faktoren, vorgenommen. Hierbei kommt es mitunter dazu, dass sich die Erörterung der Untersuchungsverfahren etwas verselbständigt und in ge- wissem Maße zum eigentlichen Gegenstand der Untersuchung avanciert.

Ergebnis der Untersuchung ist, dass der Einfluss des Regelwissens auf die Kommakompetenz der Schüler relativ schwach ist und die Ausgangsthese des Autors von der Unangemessenheit der Algorithmus-Hypothese durch die Untersuchungsergebnisse bestätigt wird. Weiter zeigen die Untersu- chungsbefunde, dass die implizite Kommasetzung der Schüler ganz we- sentlich von den vier angenommenen Einflussfaktoren bestimmt wird. So

„können die Voraussagen der vier Einflusshypothesen bestätigt werden. Die Kommasetzung der Probanden wurde deutlich davon beeinflusst, ob ihnen eine kommarelevante Stelle mit oder ohne Segmentierungspause vorgetragen wurde, sie wurde ferner von der unmittelbaren Verfügbarkeit von Signalwörtern beein- flusst, daneben auch vom syntaktischen, v. a. aber auch vom semantischen Zu- sammenhang der Sachverhalte.“ (S. 132)

Im Einzelnen wird der Semantikhypothese der entscheidende Einfluss auf die implizite Kommasetzung der Schüler zugeschrieben, auch wenn diese Hypothese am wenigsten zu operationalisieren und ihr Einfluss am schwierigsten zu messen ist. Den anderen angenommenen Einflussfakto- ren wird im Grunde nur eine Hilfsfunktion zugeordnet, wobei speziell der Syntaxhypothese im Gegensatz zur allgemeinen Meinung der geringste Einfluss zugemessen wird. Die allgemeine Meinung beruht natürlich auf der Tatsache, dass die Interpunktion in der deutschen Gegenwartssprache

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Müller, Hans-Georg. Zum „Komma nach Gefühl“ 217 primär durch das syntaktische Prinzip geprägt ist, was übrigens in unserer Konzeption (Nerius 2007: 90) als semantisch-syntaktisches Prinzip zu ver- stehen ist, während der Autor diese spezielle Bedeutung nicht sieht und eher einen Gegensatz zwischen syntaktischen (grammatischen) und se- mantischen Einflussfaktoren annimmt. Unabhängig davon ist aber das in- tensive Bemühen des Autors um eine möglichst exakte Verifizierbarkeit seiner Thesen hoch anzuerkennen.

Das entscheidende Manko der Arbeit liegt nach Ansicht des Rezen- senten auch nicht in den Tests und Untersuchungen, sondern in den an- gebotenen didaktischen Schlussfolgerungen, die man von einer solchen, primär didaktisch ausgerichteten Arbeit erwarten muss. Das, was hier an- geboten wird, kann, zumal bei den mit großer Entschiedenheit vorgetra- genen Untersuchungsergebnissen, nicht befriedigen. Dass nicht isoliertes Kommaregelwissen gelehrt werden soll, sondern Einsichten in die sprach- liche, speziell die grammatische Struktur vermittelt werden müssen, aus denen dann das Kommaregelwissen abgeleitet werden kann (S. 261), ist nichts Neues und wurde schon in der ehemaligen DDR in den 1980er- Jahren von der Didaktik (J. Riehme u. a.) postuliert und praktiziert. Hier hätte man gerne etwas weiter gehende und differenziertere Schlussfolge- rungen erwartet, vor allem in Bezug auf die vom Autor favorisierte Se- mantikhypothese. Die didaktische Umsetzung des „Kommas nach Ge- fühl“ steht also noch aus.

Literatur

Nerius, Dieter. 2007. Deutsche Orthographie. 4. Aufl. Hildesheim u. a.: Georg Olms.

Riehme, Joachim. 1974. Probleme und Methoden des Rechtschreibunterrichts.

Berlin: Volk und Wissen.

Riehme, Joachim. 1986. Grammatik/Orthographie. Zur Theorie und Praxis des Unterrichts. Berlin: Volk und Wissen.

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