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Equal pay – Wunsch oder (bald) Wirklichkeit? von Julia Borggräfe

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Academic year: 2022

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Equal pay – Wunsch oder (bald) Wirklichkeit?

von Julia Borggräfe1 und Karin Tondorf2

Zu moderner Personalpolitik gehört die gleiche Bezahlung von Mitarbeiter_innen für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten – ob sie von Männern oder Frauen, von Menschen mit oder ohne Migrati- onshintergrund, mit heller oder dunkler Hautfarbe, mit oder ohne Behinderung ausgeübt werden, darf dabei grundrechtlich keine Rolle spielen. Ausschlaggebend für die Eingruppierung sollten die Anforderungen an die Funktion sein. Weder Verhandlungsgeschick, noch Leistungserwartungen oder

„Vitamin B“ – zu wem auch immer – können eine Eingruppierung rechtfertigen. Individuelle Leistun- gen können durch eine zusätzliche Leistungsvergütung honoriert werden.

Viele Unternehmen haben die Vorteile einer gleichstellungsorientierten Personalpolitik längst er- kannt und praktizieren Diversity-Konzepte, beteiligen sich an M.I.N.T.-Förderprogrammen (Anm.:

M.I.N.T. = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und werben mit flexiblen Ar- beitsmodellen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In jüngster Zeit wollen immer mehr Un- ternehmen auch das Thema „faire Bezahlung“ angehen und prüfen, ob Frauen mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit tatsächlich schlechter bezahlt sind als ihre Kollegen.

Auch wir haben versucht, initiiert durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, mit dem eg-check die Situation bei uns, der Messe Berlin GmbH, zu ermitteln. Zu diesem Zweck haben wir Funktionen ausgewählt und im Grundentgelt gegenüber gestellt, die mehrheitlich von Frauen bzw. von Männern ausgeübt werden. Das Ergebnis: Grundsätzlich spielt bei der Eingruppierung keine Rolle, ob Funktio- nen von Männern oder Frauen ausgeübt werden. Zweifel blieben aber, ob die Funktionen anforde- rungsgerecht bewertet und entlohnt werden und ob bei der Eingruppierung einheitliche Maßstäbe angewendet werden, wie es rechtlich gefordert ist. Dem sind wir weiter nachgegangen.

Vergütet wird bei der Messe Berlin GmbH, einem landeseigenen Unternehmen Berlins mit ca. 450 Mitarbeiter_innen und 60 % Frauenanteil, nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den kommunalen Bereich, TVöD. Er löste 2005 den BAT, den Bundesangestelltentarifvertrag, der zwi- schen 1961 und 2005 die Vergütung von Angestellten beim Bund und in den Kommunen regelte, ab.

Problematisch für die Unternehmen: Auch nach In-Kraft-Treten des TVöD gelten die meisten alten Eingruppierungsregelungen des BAT weiter, da die Tarifparteien sich bis heute nicht auf andere Ein- gruppierungsregeln verständigen konnten – Eingruppierungsregeln, die sich in 50 Jahren nicht we- sentlich weiterentwickelt haben.

Viele für die Messewirtschaft typische betriebliche Funktionen finden sich mit ihren Anforderungen im TVöD nicht wieder, z.B. Produktmanager_in, Projektorganisator_in, Ausstellerbetreuung etc. Ent- scheidend für diese Funktionen sind Kommunikation, Kooperation, Überzeugungsvermögen, die Fähigkeit, unter Druck zu arbeiten und ein hohes Maß an Komplexität zu managen. Viele Mitarbei- ter_innen arbeiten aufgrund der Internationalität der Messekunden mit Menschen aus anderen Kulturkreisen zusammen - da sind nicht nur Sprachkenntnisse gefragt, sondern auch Einfühlungs- vermögen und interkulturelle Kompetenz. Solche Anforderungsmerkmale kennt der TVöD nicht. Er bietet fünf sehr allgemeine Kriterien für die Eingruppierung an: Arbeitsschwierigkeit, Fachkenntnis- se, selbständige Leistungen, Verantwortung und Bedeutung der Tätigkeit. Und diese überschneiden

1 Dr. Julia Borggräfe, Head of HR & Corporate Governance der Messe Berlin GmbH, www.messe-berlin.de

2 Dr. Karin Tondorf, Forschung & Beratung zu Entgelt- und Gleichstellungspolitik, www.karin-tondorf.de

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sich zum Teil auch noch inhaltlich, so beispielsweise schwierige Tätigkeiten und selbständige Leis- tungen, Verantwortung und Bedeutung der Tätigkeit. Da stellt sich für die betriebliche Praxis die Frage: Wie gruppiere ich Funktionen ein, wenn einerseits tarifliche Merkmale nicht oder nur unzu- reichend geeignet sind, andererseits wesentliche Kriterien fehlen? Welchen Weg können Arbeitge- ber einschlagen, die ihre Beschäftigten gerecht und transparent eingruppieren wollen, aber zugleich mit einem tradierten, intransparenten Tarifvertrag zurechtkommen müssen?

Möglich ist dann nur eine betriebliche Lösung unterhalb der tariflichen Ebene, die die tariflichen Eingruppierungsnormen mit der gebotenen Flexibilität anwendet, sie sozusagen durch betriebliche Definitionen „konkretisiert“. Geboten meint hier: nach den rechtlichen Maßstäben der Entgelt- gleichheit der Geschlechter und nach dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrund- satz. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die betriebliche Eingruppierungspraxis die wesentli- chen Anforderungen der Tätigkeiten berücksichtigt und die Bewertungskriterien einheitlich ange- wendet. Die flexible und grundgesetzkonforme Auslegung und Anwendung der Tarifnormen betrifft daher sowohl die Auswahl der Eingruppierungsmerkmale und ihre Auslegung als auch die Bewer- tungsmethode; sonst könnten die allgemeinen Eingruppierungsnormen des TVöD ihre Auffangfunk- tion, die ihr die Tarifparteien zugedacht haben, nicht erfüllen. Ein analytisches Verfahren, das die jedes Bewertungsmerkmal einzeln bei jeder Tätigkeit analysiert, wird zwar seltener angewendet, etwa bei Beamt_innen oder in einigen Bereichen der Metall- und Elektroindustrie der Fall, aber es wird immer genauer und transparenter sein als ein summarisches Verfahren, das mit wenigen Be- wertungsmerkmalen auskommen muss und Tätigkeiten nur „in der Summe“ und uneinheitlich be- wertet. Daher sollte darüber nachgedacht werden, differenziertere und transparentere Verfahren zu praktizieren, die es auch Führungskräften leichter machen, Eingruppierungsentscheidungen sachlich zu legitimieren. Viele Unternehmen haben sich auch durch den Einsatz sogenannter Job Family- Modelle, die nicht nur zur Vergütungsbewertung, sondern auch zu Personalentwicklungszwecken eingesetzt werden können, unterhalb der tariflichen Ebene bereits auf den Weg gemacht.

Perspektivisch wäre wünschenswert, dass ein Tarifvertrag den aktuellen rechtlichen und betriebli- chen Anforderungen entspricht. Unternehmen mit einem modernen Personalmanagement können hier wichtige Impulse geben, da sie beweglicher sind als große Verbände.

Bei der Messe Berlin haben wir uns gemeinsam mit dem Betriebsrat dafür entschieden, sämtliche Funktionen (personenunabhängig) zu beschreiben und durch das auf uns angepasste Bewertungs- modell des eg-check zu überprüfen. Auf das Ergebnis sind wir gespannt. Unter Umständen wird es Überführungsszenarien geben müssen. Klar ist in jedem Fall, dass wir in Zukunft stärker darauf ach- ten werden, etwaige geschlechtsbezogene Ungleichbehandlungen in der Bewertung von Funktionen durch Tarifvertrag auf Basis unserer betrieblichen Konkretisierung auszubalancieren und damit für eine gerechte Bezahlung zwischen Frauen und Männern zu sorgen.

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