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noch am besten alternativ zur Elek- trophysiologie eine Zuordnung zu dem potentiellen Kompressionsort vermuten.
Ein weiterer Vorteil der Myelo- graphie ist die gleichzeitige Gewin- nung des Liquors zur Erfassung ent- zündlicher oder metabolischer Radi- kulopathien.
Zu 2. Der Annahme von Herrn Dr. E. Farhoumand kann ich nicht zustimmen, daß das Ligamentum longitudinale posterius und anterius mit zunehmendem Alter an Elastizi- tät verliert und daher der Patient im Bereich der Wirbelsäule weniger Schmerz empfindet. Die empfohle- nen Therapiemaßnahmen (zum Bei- spiel Alkoholinjektionen?) will ich aus Platzgründen nicht kommentie- ren, es ist aber dringend zu empfeh- len, daß nur solche Therapeuten sich mit invasiven Maßnahmen an der
DISKUSSION
LWS betätigen sollen, die die Krank- heitsbilder aufgrund eigener Fach- kenntnis beherrschen.
Zu 3. Herrn Dr. Wölk ist zuzu- stimmen, daß chronische Kreuz- schmerzen nicht nur durch funktio- nell-mechanische, sondern häufig auch durch psychogene Ursachen zu erklären sind. Dieser Sachverhalt wird insgesamt zu wenig berücksich- tigt, kann aber trotzdem nicht Thema einer neurologischen Übersicht sein.
Zu 4. Herr Prof. Dr. M. R. Gaab vermißt in unserer Übersicht die Fa- cetteninfiltration bei pseudoradiku- lären Syndromen und die chronische Instabilität der LWS als Ursache chronischer Rückenschmerzen. Ich darf hierzu auf die Arbeit von J. Krä- mer „Kreuzschmerzen aus orthopäd- ischer Sicht" (Heft 5, 1994) verwei- sen. Über die hohe Wertigkeit der
Kernspintomographie (NMR) be- steht kein Dissens; natürlich wird ei- ne Tumorchirurgie im LWS-Bereich ohne NMR zu Recht nur noch selten durchgeführt. Die beschriebenen spezifischen Risiken der Myelogra- phie sind aber zweifellos sehr selten und sicher kein Grund, grundsätzlich vor jeder lumbalen Myelographie ein NMR zu fordern.
Zu 5. Für den Hinweis von Herrn Prof. Dr. T. Gräf-Baumann bin ich dankbar, da er den Unter- schied Chiropraxis und Chirothe- rapie erläutert.
Für die Verfasser:
Univ.-Prof. Dr. med. Johannes Jörg Direktor der Neurologischen Klinik Wuppertal
Heusnerstraße 40 42283 Wuppertal
Magenlymphome
1 Gibt es den gesunden Magen überhaupt?
Die Autoren schreiben in dem Kapitel: Mit Helicobacter pylori as- soziierte Gastritis und MALT-Lym- phom: „Bemerkenswert ist, daß der Magen der häufigste Entstehungsort primär extranodaler Lymphome ist, obwohl die gesunde Magenschleimhaut kein lymphatisches Gewebe enthält."
Nach den Lehrbüchern der Hi- stologie besitzt die Tunica propria mucosae des Magens Lymphknöt- chen (Lymphonoduli solitarii), also lymphatisches Gewebe. Hierzu Stöhr/v. Möllendorf/Goerttler (Lehr- buch der Histologie; Fischer, Stutt- gart, 1969): „Freie Zellen (kleine Lymphozyten, Plasmazellen und eo- sinophile Granulozyten) sind in ei- nem ganz gesunden Magen in gerin- ger Zahl zu finden; in den basalen Schleimhautteilen gibt es in wech- selnder Menge Solitärknötchen."
Und Junqueira/Carneiro (Histo- logie, Springer-Verlag, Heidelberg,
1991): „Die lamina propria mucosae (des Magens) besteht aus dicht ge-
Zu dem Beitrag von Priv.-Doz. Dr. med.
Wolfgang Fischbach, Dr. med. Stephan Böhm, Prof. Dr. med. Klaus Wilms in Heft 24/1993
wirktem Bindegewebe und ist zell- reich. Sie enthält . . . in größerer Zahl Lymphozyten, häufig Lymphfol- likel, Plasmazellen, eosinophile Gra- nulozyten und Mastzellen."
Im gleichen Sinne äußert sich auch der Pathologe Doerr (Spezielle pathologische Anatomie II; Springer- Verlag, 1970): „Die Reichhaltigkeit der Einlagerung des lymphoretikulä- ren Gewebes ist sehr starken Schwankungen unterworfen."
Hier ist selbstredend zu fragen, ob es im Erwachsenenalter den ge-
sunden Magen überhaupt gibt. Hier- zu Remmele (Pathologie Bd. 2;
Springer-Verlag, Heidelberg, 1984):
„Wenn man davon ausgeht, daß 30 bis 60 Prozent der symptomfreien In- dividuen histologisch eine chronische Gastritits aufweisen, so errechnet sich für die Erwachsenenbevölkerung in der Bundesrepublik daraus eine Zahl von 10 bis 20 Millionen „histolo- gischer Gastritiden".
Die Diskussion über die Ursa- chen der Magenlymphome, auch Ma- genkarzinome steht am Anfang. Die Berücksichtigung der Histologie in allen Spielarten ist dabei nicht unwe- sentlich.
Em. Prof. Dr. med.
Albert Landsberger Institut für Anatomie und Zellbiologie
der Universität Heidelberg Lerchenweg 6
69226 Nußloch
2 Tumorresektion fragwürdig
In ihrer Übersichtsarbeit disku- tieren Fischbach et al. ausführlich das Fehlen gesicherter therapeu- tischer Konzepte in der Therapie der
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 25/26, 27. Juni 1994 (67) A-1831
MEDIZIN
Magenlymphome. Wie die Autoren sind wir der Meinung, daß eine Klä- rung nur durch prospektive Studien bei dieser seltenen Lymphomentität erzielt werden kann.
Neuere Übersichtsarbeiten, auch in der chirurgischen Fachliteratur, stellen den Wert der primären Tumor- resektion zunehmend in Frage und diskutieren ein konservatives Vorge- hen durch eine kombinierte Radio-/
Chemotherapie (1, 2). Eine Klärung der Wertigkeit der unterschiedlichen Therapiemodalitäten läßt sich durch das von den Autoren empfohlene Be- handlungskonzept im Rahmen ihrer Multicenterstudie nicht erzielen, da bei Operabilität lediglich die Tumor- resektion vorgesehen ist.
Entschließt man sich zu einem operativen Vorgehen, halten wir bei niedrigmalignen Lymphomen im Sta- dium IE die Empfehlung der alleini- gen Resektion ohne additive Thera- pie für nicht vertretbar. Wother- spoon et al. haben gezeigt, daß Ma- genlymphome häufig multifokal in Form von sogenannten Mikrolym- phomen auftreten, die das gesamte Organ durchsetzen und der klini- schen und radiologischen Diagnostik entgehen (3). Sie sind Ursache der Lokalrezidive nach sogenannten ku- rativen Resektionen.
„Kurativ" wäre lediglich die Gastrektomie, die nach der Literatur bei dem in der Regel höheren Le- bensalter der Patienten (durch- schnittlich etwa 58 Jahre) mit einer erheblichen Letalität (2,3 bis 23,5 Prozent) behaftet sein kann (4, 5).
Außerdem verhindert die postopera- tive Morbidität häufig eine eventuell erforderlich werdende additive The- rapie (6).
Gleiche Bedenken gelten auch für die Empfehlung zur Behandlung hochmaligner Lymphome des Ma- gens. Zusätzlich muß die Tatsache berücksichtigt werden, daß etwa ein Drittel der Fälle simultan oder se- kundär aus niedrigmalignen Lym- phomen entsteht (7). Entgeht dem Untersucher dieser Befund, trägt ad- ditive Behandlung mit dem CHOP- Protokoll lediglich der hochmalignen Komponente Rechnung. Eine mögli- che kurative Therapie des niedrigma- lignen Anteils bedarf der zusätzli- chen lokalen Bestrahlung.
DISKUSSION
Wir sind der Meinung, daß das vorgeschlagene Therapiekonzept nicht uneingeschränkt für alle Ma- genlymphome angewendet werden sollte und aus den genannten Grün- den einer Ergänzung bedarf.
Literatur bei den Verfassern
Dr. med. Peter Koch
Prof. Dr. med. Jürgen van de Loo Westfälische Wilhelms-Universität Medizinische Klinik und Poliklinik
— Innere Medizin A — Albert-Schweitzer-Straße 33 48129 Münster
Schlußwort
Der Diskussionsbeitrag von A.
Landsberger hebt auf unsere Aussa- ge ab, „die gesunde Magenschleim- haut enthalte kein lymphatisches Ge- webe". Er gibt uns die Gelegenheit, dies etwas detaillierter auszuführen.
Die normale Magenschleimhaut zeigt ein streng gegliedertes Immun- system. Hauptbestandteil sind intra- epitheliale a43-T-Zellen, welche die Foveolae und die Drüsen besiedeln.
Sie sind mehrheitlich CD8 + und sel- ten CD4 + ; einzelne exprimieren zu- dem y-S-Rezeptoren (1). Diese zell- vermittelte Immunität dient einer lo- kalen Immunüberwachung der mu- kosalen Integrität. Im Gegensatz zum physiologischen MALT (Muco- sa-associated-lymphoid-tissue) des Dünn- und Dickdarmes verfügt die Magenschleimhaut nicht über ein Sy- stem der aktiven humoralen Immun- antwort.
Die Ausbildung intramukosaler Lymphfollikel und die Akkumulation von sekretorischen Immunglobuline produzierenden Plasmazellen wird durch eine Helicobacter-pylori(Hp)- assoziierte Gastritis induziert (1). In- sofern kann die Hp-Gastritis als Wegbereiter des erworbenen MALT angesehen werden. Hinsichtlich der pathogenetischen Zusammenhänge wird auf die entsprechende Literatur verwiesen (1, 2).
Gerne greifen wir die in dem Beitrag von Koch und van de Loo an- gesprochene Ergänzung auf. Die Kri- tik, „daß bei Operabilität lediglich die Tumorresektion vorgesehen ist", ist sachlich nicht korrekt. Die alleini-
ge Operation beschränkt sich nur auf die niedrigmalignen MALT-Lympho- me des Stadiums EI1 und EI2 ohne Risikofaktoren (siehe Tabelle 3 in unserem Beitrag). Diese Empfehlung gründet auf den Ergebnissen zweier wegweisender Studien, die als bislang einzige durchgehend die MALT- Klassifikation angewandt haben (3, 4). Die 5-Jahres-Überlebensraten der nahezu ausnahmslos operierten Patienten waren mit 95 Prozent be- ziehungsweise 90 Prozent exzellent.
In den Stadien EI2 mit Risikofakto- ren und EII wird auch von uns eine additive Radiotherapie angeregt.
Hochmaligne Lymphome bedürfen immer einer Chemotherapie.
Die Autoren beschränken sich in ihrer Diskussion über Sinn und Notwendigkeit einer Operation aus- schließlich auf therapeutische As- pekte, wenngleich sie selbst mit dem Hinweis auf die mögliche multifokale Lokalisation der Lymphome und dem Nebeneinander von niedrig- und hochmalignen Anteilen indirekt die Problematik der Diagnostik anspre- chen. Man muß den Stellenwert der Operation jedoch auch unter dem Aspekt einer exakten histologischen Klassifikation und zuverlässigen Be- urteilung von Infiltrationstiefe, Tu- morgröße und Lymphknotenbeteili- gung betrachten. Selbst bei sorgfälti- ger Biopsietechnik erscheint die end- oskopische Erfassung von Mikroher- den oder einer fokalen hochmalignen Transformation problematisch. Der Beitrag der Endosonographie zur Differenzierung der Stadien EI1, EI2 und EH bleibt prospektiv zu belegen.
Ein Fortschritt in der Therapie gastraler Lymphome hängt indessen entscheidend von einer exakten Dia- gnostik unter Einschluß dieser ent- scheidenden prognostischen Fakto- ren (3, 4) ab. Dies wurde in der Ver- gangenheit beispielhaft von der Deut- schen-Hodgkin-Studiengruppe erar- beitet, die der Staging-Laparotomie in limitierten Stadien des M. Hodgkin ohne Risikofaktoren unverändert ei- nen festen Platz einräumt (5).
Vielleicht stellt schon bald die Hp-Eradikation eine weitere, bislang nicht beachtete Therapie niedrigma- ligner Magenlymphome des MALT im Stadium EI dar. Isaacson beob- achtete jüngst in sechs Fällen unter A-1832 (68) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 25/26, 27. Juni 1994