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Archiv "ARTERIOSKLEROSE-SERIE: Die Arteriosklerose als pädiatrisches Problem - Frühstadien der Atherogenese" (26.09.1984)

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(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

ARTERIOSKLEROSE-SERIE

Die Arteriosklerose

als pädiatrisches Problem

Frühstadien der Atherogenese

Ingeborg R. Kupke

B

ereits Anfang dieses Jahr- hunderts wurde darauf hin- gewiesen, daß nicht allein das Studium der Endstadien arte- riosklerotischer Läsionen für den Menschen nützlich sei; ihre An- fangsstadien sorgfältig zu erfor- schen, wurde nachhaltig empfoh- len (1,2)"). Dieser Hinweis auf die Frühstadien der Atherogenese hat während der letzten Jahrzehnte besonderes Gewicht erlangt, nachdem beobachtet wurde, daß in den Industrieländern bis zu 60 Prozent der Morbiditäts- und Mor- talitätsraten auf degenerative Ge- fäßerkrankungen zurückzuführen sind. Die Weltgesundheitsorgani- sation (WHO) empfahl daher den besonders betroffenen Ländern im Jahre 1969, die frühen Stadien der Erkrankung zu erforschen und verstärkt geeignete Präventions- und Interventionsprogramme zu entwickeln (3). Die erfolgreiche Bekämpfung kardiovaskulärer Er- krankungen wurde zunehmend als pädiatrisches Problem erkannt (4,5). Forschungsaktivitäten im europäischen Raum wurden maß- geblich von der WHO stimuliert und koordiniert (6, 7).

Risikogruppen können nicht nur bei Jugendlichen, sondern bereits im Kindesalter definiert werden.

Bei diesen Gruppen konnte eine Risikokonstanz über längere Zeit-

Bis zur klinischen Manife- station der Arteriosklerose, der führenden Krankheitsur- sache in den Industrielän- dern, können mehrere Jahr- zehnte vergehen. Da vorwie- gend das mittlere und höhe- re Lebensalter betroffen sind, folgt zwangsläufig, daß die Wurzeln des Krankheits- prozesses in der Jugend, ja sogar in der Kindheit ge- sucht werden müssen. Nach den gegenwärtig verfügba- ren Informationen sind Ge- fäßschäden in einem frühen Stadium regressionsfähig, so daß Prävention und Inter- vention in einem möglichst frühen Alter einsetzen soll- ten. Die alte Erkenntnis,

„Vorsorge ist besser als hei- len", sollte gerade hier ihre uneingeschränkte Gültigkeit haben. Die Pädiatrie müßte daher der Bekämpfung der Arteriosklerose ihre ver- stärkte Aufmerksamkeit wid- men. Diese Forderung wird nachdrücklich von der Welt- gesundheitsorganisation un- terstützt. Erste Ergebnisse aus Studien an Kindern und Jugendlichen in deutschen Großstädten liegen vor.

räume sowie eine enge Bezie- hung zu Umweltfaktoren und Ver- haltensweisen beobachtet wer- den. Die ersten aktiven Raucher wurden z. B. in einem Alter von 6 bis 9 Jahren gefunden. Hinsicht- lich der Eßgewohnheiten ist be- kannt, daß eine zu hohe Kalorien- zufuhr Übergewicht verursacht, welches zwar nicht allein, jedoch gemeinsam mit anderen Faktoren (Hypercholesterinämie, Hyperto- nie, Diabetes mellitus) das Gefäß- risiko steigern kann. Relativ hohe Anteile an Cholesterin und gesät- tigten Fetten bestimmen maßgeb- lich die Gesamt- und die low-den- sity lipoprotein (LDL)-Cholesterin- spiegel im Blut, welche wiederum eine enge Korrelation zu korona- ren Herzerkrankungen aufweisen.

Weitere Risikofaktoren sind Be- wegungsmangel, orale Kontra- zeptiva sowie negative Lebensbe- dingungen, verbunden mit einer fehlerhaften Ernährung (8, 9 f).

Bei Erwachsenen wurden die ge- nannten Faktoren als Risikofakto- ren identifiziert sowie Risikoindi- katoren gefunden, welche auf ei- ne erhöhte Disposition für arterio- sklerotische Veränderungen hin- weisen (10). Problematisch ist, daß bei kindlichen und jugendli- chen Risikoträgern die klinische

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 39 vom 26. September 1984 (47) 2793

(2)

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Fibröse Plaques _ _ o / + komplizierte Läsionen

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kalzifizierte Läsionen o 7 //

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10-14 I 20-24 I 30-34 I 40-44 I 50-54 I 60-64 I 70-74 180-84 I 15-19 25-29 35-39 45-49 55-59 65-69 75-79 85-89

Altersgruppen in Jahren 100

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.73

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t

Darstellung 1: Prävalenzkurve von koronarsklerotischen Plaques (altersentspre- chend). WHO-Studie (5 Länder). Mit Genehmigung des Autors (7, 9 a)

Alter 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64

Plaques 87 93 98 98 100 100

Myokard- 0,25 1,64 2,90 5,06 6,78 9,72 infarkte

Tabelle 1: Kumulative lnzidenz von atherosklerotischen Plaques und lnzidenz vom ersten Myokardinfarkt in ausgewählten Städten (altersspezifisch). Mit Genehmigung des Autors (9 a)

Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

Symptomatik weitgehend fehlt.

Als Arbeitshypothese für die Päd- iatrie kann daher gelten, daß die in der Erwachsenenmedizin nach- gewiesenen Risikofaktoren und -indikatoren potentiell auch für Kinder und Jugendliche gültig sind (6-9, 11).

Morphologie und Pathogenese

Die Notwendigkeit einer Primär- prävention wird insbesondere durch eine von der WHO in 5 euro- päischen Ländern durchgeführte morphologische Studie an Koro- nararterien und Aorten von Jugendlichen deutlich (Darstel-

lung 1). Ein Zehntel der 10- bis 14jährigen Jugendlichen war be- reits Träger von Plaques. Eine Ex- trapolation der Ergebnisse erlaubt die Schlußfolgerung, daß bei Eu- ropäern männlichen Geschlechts bereits einige Jahre nach der Ge- burt Plaques entstehen können und daß ihre Inzidenz ungefähr 2 Prozent pro Jahr beträgt, um im Alter von 50 Jahren zu einer Prä- valenz von 100 Prozent zu führen.

Beim weiblichen Geschlecht ist dieser Prozeß um 5 bis 10 Jahre verzögert. Da die klinisch stumme Phase bis zur 4. Lebensdekade andauern kann (Tabelle 1), wäre es sinnvoll, eine Primärprävention der Koronarsklerose möglichst im frühen Kindesalter zu beginnen.

Lipidreiche Plaques (Vorläuferlä- sionen) in der Aortenintima sind bereits bei vielen Kleinkindern nachzuweisen (1, 9 b). Im Alter von 15 Jahren können diese Pla- ques bis zu 15 Prozent der Aorten- intima bedecken. Ähnliche lipid- reiche Plaques sind im gleichen Alter in den Koronararterien zu beobachten, welche sich bis zur 3. Lebensdekade stetig weiter- entwickeln. Eine Fortentwicklung dieser lipidreichen Plaques in fi- bröse Plaques wird angenommen.

Da diese fibrösen Plaques ohne Zweifel eine direkte Beziehung zur klinischen Manifestation arte- riosklerotischer Erkrankungen aufweisen, ist ihrer Entstehung im Zuge der Atherogenese besonde- re Aufmerksamkeit zu widmen.

Um den pathogenetischen Prozeß zu erhellen, entstanden verschie- dene Theorien - sie schließen ein- ander nicht aus, sondern ergän- zen sich (1)**). Charakteristisch ist die Bereitschaft der glatten Mus- kelzellen der Gefäßwand, auf ver- schiedene Agentien (Hyperli- poproteinämie, Thrombozyten, Bestandteile des Tabakrauches, Hypoxie usw.) mit Mitosen und Proliferationen zu reagieren. Eine erhöhte Endothelpermeabilität und/oder erhöhte LDL ((3-LP)-Kon- zentration im Blut führen zur er- höhten Aufnahme und Akkumula- tion dieses Lipoproteins in die Ge- fäßwand. Zellnekrosen, entzünd- liche und Heilungsprozesse wer- den eingeleitet. Sofern dieser Prozeß über Jahre andauert, kann die Entwicklung lipidreicher und schließlich fibröser Plaques die Folge sein. Die Regressionsfähig-

keit dieser Plaques in jüngerem Alter wird nicht bezweifelt.

Risikofaktoren

Zu den am stärksten pathogenen Risikofaktoren gehören der Blut- hochdruck, ein erhöhter Chole- sterinspiegel im Blut sowie das Rauchen (5, 12). Blutdruck und Cholesterinspiegel sind von endo- genen und exogenen Einflüssen abhängig (13). Das Raucherver- halten wird wahrscheinlich vor- wiegend von äußeren Faktoren geprägt - insbesondere von psy- chosozialen Einflüssen; eine mögliche Beteiligung von endo-

-1 Siehe auch Doerr, W.: Pathologisch-anato- mische Definition der Arteriosklerose — Theorien zur Entstehung der Arteriosklero- se. Dtsch. Arztebl. 80, Heft 20 (1983)— Hort, W.: Morphologie der koronaren Herzer- krankungen. Dtsch. Arztebl. 80. Heft 32 (1983)

2794 (48) Heft 39 vom 26. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

genen Suchtstrukturen ist nicht auszuschließen (7, 9, 14).

~ Physiologische Faktoren:

Im Wachstumsalter sind entwick- lungsphysiologische Faktoren zu berücksichtigen: Der Cholesterin- spiegel z. B. fällt vom 12. bis 16.

Lebensjahr deutlich ab, der Blut- druck jedoch steigt an (Darstel- lungen 2 und 3). Cholesterin- oder Blutdruckwerte sind aber erst dann als tatsächlich erhöht zu be- urteilen, wenn diese Werte - al- tersgerecht -über einen längeren Zeitraum bestätigt werden kön- nen. Trotz großer Variabilität konnte ein Phänomen {"trak- king") beobachtet werden: ln der Kindheit beobachtete Blutdruck- und Cholesterinwerte können im Jugend- und Erwachsenenalter häufig im vergleichbaren Perzen- tilbereich wiedergefunden wer- den (9 c-e, 15).

~ Stoffwechselstörungen:

Bei der Mehrzahl der Jugendli- chen mit erhöhten Konzentratio- nen des Gesamt- und LOL-Choie- sterins sowie der Triglyzeride im Serum liegt eine erworbene, se- kundäre Hyperlipoproteinämie vor (z. B. durch hohen Anteil an Cholesterin, gesättigten Fetten und Kalorien in der Nahrung; bei Nieren-, Schilddrüsen und Leber-

mmol/1

4,9

4,7

4,5

4,3

4,1

Alter Anzahl

12 .39

!ffil47

13 .100

!ill]111

erkrankungen; durch schlecht ge- führten Diabetes mellitus oder durch die Einnahme von Kontra- zeptiva. Diese sekundären Hyper- lipoproteinämien sind diätetisch bzw. durch Behandlung der Pri- märerkrankung beeinflußbar.

Eine besondere Stellung nehmen die familiären Hyperlipoprotein-

ämien ein. Kinder mit einer famili-

ären Hypertriglyzeridämie (> 140 mg/dl) reagieren ausgezeichnet auf diätetische Maßnahmen; Me- dikamente werden nicht empfoh- len. Diät und Gewicht müssen un- ter Kontrolle bleiben (16). Unter den familiären Hypercholesterin- ämien ist die homozygote Form (> 600 mg/dl, LOL-Choiesterin

>450 mg/dl) mit einem extrem ho- hen Arterioskleroserisiko assozi- iert. Xanthome können bereits bei Geburt vorliegen, entwickeln sich jedoch auf alle Fälle bis zum 4. Le- bensjahr. Tödliche Herzinfarkte treten in der Regel unter 30 Jah- ren und weit früher auf. Die Häu- figkeit dieser Erkrankung wird zum Glück nur mit ca. 1 1 000 000 angegeben. Diätetische und medikamentöse Maßnahmen ließen bis jetzt keine wesentliche Verzögerung der Atherogenese erkennen. Spezielle Therapiever- fahren, wie z. B. die Plasmaphere- se, werden eingesetzt (1 0). Neben

14 .83

!ffil62

15 .110

!ffil103

16 in Jahren .47

!ffil4G

Darstellung 2: Veränderungen der Serumcholesterinwerte (altersentsprechend). Mit Genehmigung des Autors (9 e)

2796 (50) Heft 39 vom 26. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

der Therapie dieser Kinder ist die Prävention bei Familienangehöri- gen ersten Grades notwendig. Die heterozygote Form der fami- liären Hypercholesterinämien (>

350 mg/dl} gehört mit einer Häu- figkeit von < 0,5 Prozent zu den am meisten verbreiteten geneti- schen Störungen. Klinische Sym- ptome, insbesondere Herzinfark- te, treten vor dem 55. Lebensjahr auf. ln diesem Falle sollten Famili- enmitglieder ersten Grades ein- schließlich der Kinder einer Unter- suchung und gegebenenfalls der Prävention unterzogen werden. ln den ersten zwei Lebensjahren sprechen Kinder auf eine chole- sterinsenkende Diät gut an; bis zu einem Alter von ungefähr 7 Jahren nimmt diese Ansprechbarkeit ab;

nach dem 8. Lebensjahr wird häu- fig eine kombinierte Therapie (Di- ät und Medikamente) erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß eine frühe Erkennung und Be- handlung dieser genetischen Dis- position das Risiko der Arterio- sklerose erheblich reduzieren kann (9 c, 16). Sofern ein mäßig hoher Gesamtcholesterinspiegel durch ein hohes HOL- bei norma- lem LOL-Choiesterin bedingt ist, besteht keine Indikation zur Be- handlung (17). Im folgenden sol- len Risikofaktoren beschrieben werden, welche in der Umwelt un- serer Kinder und Jugendlichen von Bedeutung und demnach ei- ner Modifikation zugänglich sind.

Hervorgehoben sei, daß nicht in jedem Einzelfall das Vorhanden- sein eines Risikofaktors zur Er- krankung führen muß- es wächst jedoch das statistische Risiko, ins- besondere bei einer Kumulation mehrerer Faktoren.

~ Ernährung:

Eine biologisch sinnvolle Ernäh- rung sollte sich am natürlichen Bedarf orientieren. Abweichun- gen sind als Fehlernährung zu verstehen und können ein erhöh- tes Risiko für die Gesundheit be- deuten wie z. B.:

t> Überernährung im Sinne zu

hoher Kalorienzufuhr.

(4)

Darstellung 3:

Veränderungen des Blutdrucks (altersentspre- chend} bei ameri- kanischen Kin- dern (weiße Be- völkerung). Modi- fiziert nach G. S.

Berenson (15)

120

0)

100

I

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+-' .::l

m 80

60

5

C> Ein relativ hoher Anteil an

Cholesterin und gesättigten Fetten in der Nahrung.

C> Ein relativ hoher Anteil an

einfachen Kohlenhydraten (raffi- nierter Zucker, Süßigkeiten).

C> Eine einseitige und an essen-

tiellen Bestandteilen arme Kost, z. B. Mangel an Vitaminen, es- sentiellen Amino- und Fettsäuren sowie Spurenelementen.

C> Kontaminierte Nahrungsmittel

(Blei, Quecksilber, Cadmium). Ist die Zufuhr von Kalorien größer als der Verbrauch, kann Fettsucht und Übergewicht entstehen. Es sei jedoch hervorgehoben, daß Übergewicht allein nicht zwangs- läufig mit einer Hypercholesterin- ämie assoziiert und als einziger Risikofaktor der Arteriosklerose selten ist. ln Verbindung mit ande- ren Risikofaktoren, z. B. Hyperto-

Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

10

Alter (Jahre)

15

nus, Hypercholesterinämie, Dia- betes mellitus, kann Übergewicht jedoch ein zusätzliches Gefäßrisi- ko bedeuten. Umgekehrt kann Gewichtsreduktion z.ur Erniedri- gung des Blutdrucks, des Chole- sterinspiegels sowie zu einer Ver- minderung der Diabetes-Häufig- keit führen (5, 12, 13).

Zahlreiche Studien haben bestä- tigt, daß eine enge Korrelation zwischen dem Verzehr von gesät- tigten Fetten und Cholesterin einerseits sowie den Konzentra- tionen des Gesamtcholesterins und des LOL-Choiesterins im Blut andererseits besteht. Eine direkte Beziehung zwischen diesen Cho- lesterinfraktionen und der Häufig- keit koronarer Herzerkrankungen ist erwiesen. Diese Hyperchole- sterinämien sind vorwiegend un- abhängig von der quantitativen Nahrungszufuhr und dem Körper- gewicht. Weiterhin sei bemerkt,

daß innerhalb einer Population bei ähnlichen Eßgewohnheiten unterschiedliche Cholesterinspie- gel vorliegen können. Endogene (möglicherweise genetische) so- wie auch diätetische Faktoren be- stimmen offensichtlich im Wech- selspiel den individuellen Chole- sterinspiegeL Als primäre exoge- ne Faktoren, welche die Höhe des Cholesterinspiegels bestimmen, haben sich Anteil und Zusammen- setzung von Nahrungsfett (unge- sättigte und gesättigte Fettsäu- ren) sowie der Cholesteringehalt erwiesen. ln diesem Zusammen- hang sind in verschiedenen Län-

HDL (mg/dl) 80

70 60

50 40 30 20

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-Jungen ---Mädchen mit 10 ···Mädchen ohne

Ovulationshemmer 10 30 50 70 90

Prozentile

Darstellung 4: Prozentsummenkur- ven für HOL-Cholesterin bei jugend- lichen Mädchen mit und ohne Ovu- lationshemmer im Vergleich zu männlichenJugendlichen (Köln 1976).

Mit Genehmigung des Autors (9 d) dern durchgeführte Untersuchun- gen aufschlußreich:

..,.. Eine bekanntlich unterschied- liche Ernährungsweise in diesen Ländern ist mit folgenden Chole- sterinspiegeln (mg/dl) im Blut der jeweiligen Populationen assozi- iert: Japan - 150, Griechenland - 175, Italien- 200, USA- 225, Finn- land - 250. Wenn ein durch- schnittlicher Cholesterinspiegel

von < 200 mg/dl empfohlen wird,

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 39 vom 26. September 1984 (51) 2797

(5)

Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

1° 2° 3°

.1,7\2 .1 1 0 2° 3°

1975 .1)

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200 -

150 -

100 -

50 -

10 -

b CHOL (mg/dI)

.7

BPS (mmHg)

.8

.8 / BPD 4 (mmHg) .9

.7 .8

1

50 -

10 -

.9 .2 .0

I I I

.2

Gruppen %

ZIG (cig/d) 150 -

100 - (T)

w F-Werte < 1.0

"WS

.9 BMI (cg/m 2)

200 -

1 ° 2° 3° 1 ° 2° 3° 2° 3° Gruppenzuordnung 1975 1976 1980 Untersuchungsjahr

.6 BMI (cg/m 2)

CHOL (mg/dl) .7

.7 .4 .5

1976 F-Werte < 1.0

.5

.8

BPS (mmHg)

.5

BPD 4 (mmHg)

Gruppen %

1° 2°

1980

ZIG (cig/d) Gruppenzuordnung Untersuchungsjahr

Darstellung 5: Auftrennung einer Gruppe von 459 männlichen (a) und 474 weib- lichen (b) Jugendlichen (1975, 15 bis 19 Jahre) in drei Gruppen, die für jedes Un- tersuchungsjahr (1975, 1976, 1980) unterschiedliche Gruppenmittelwerte für die einzelnen Risikovariablen ergeben (BMI = Größen-Gewichts-Index, CHOL = Ge- samtcholesterin, BPS = systolischer Blutdruck. BPD4 = diastolischer Blutdruck 4.

Phase, ZIG = Zigarettenrauchen). Auf der Abszisse sind die 3 Untersuchungsjahre mit den jeweiligen Gruppenkennziffern 1°, 2° und 3° angegeben; auf der Ordinate ist der Einfachheit halber ein quantitativer Maßstab markiert, der für die jeweiligen Risikovariablen mit der entsprechenden Einheit gelesen werden muß. Die Pro- zentanteile der einzelnen Gruppen verschieben sich zwischen 1975 und 1980 ent- sprechend den Angaben in der entsprechenden Zeile (Gruppenprozent). Die ange- gebenen F-Werte sind ein Maß für die Homogenität der jeweiligen Gruppe (Mit Genehmigung des Autors [9 d])

könnten die japanischen, griechi- schen und italienischen Ernäh- rungsweisen als richtungweisend gelten. Dies steht im Einklang mit Ergebnissen, welche wir in Unter- suchungen an deutschen und ja- panischen Kindergartenkindern in Düsseldorf erzielt haben (siehe unten).

Als Empfehlung für die Ernährung von Kindern gilt:

1. Das Stillen ist als natürliche Er- nährungsweise zu unterstützen.

2. Bei älteren Kindern sollte, be- zogen auf die gesamte Kalorien- zufuhr, der Fettanteil 30 Prozent nicht überschreiten; davon ca. 10 Prozent gesättigte sowie jeweils ca. 10 Prozent einfach bzw. mehr- fach ungesättigte Fette. Die Cho- lesterinaufnahme kann bis 300 mg/Tag betragen.

3. Unter den Kohlenhydraten soll- te die komplexe Form vorherr- schen (faserreiches Obst und Ge- müse, Kerne, Nüsse, Hülsen- früchte).

4. Unter den tierischen Produk- ten sind Fisch, Geflügel und ande- res mageres Fleisch zu empfeh- len.

5. Für kleine Kinder sind Milch- produkte mit normalem, für ältere Kinder und Erwachsene solche mit reduziertem Fettgehalt emp- fehlenswert. Bei Kindern (wie auch bei älteren Menschen und prä-klimakterischen Frauen) soll- ten Eier in der Ernährung nicht ganz fehlen (13, 16, 17).

Eine Mangelernährung im Sinne einer „fehlerhaften" Ernährung

kann Stoffwechselschäden sowie eine Beeinträchtigung des Wachstums verursachen; ein er- höhtes Gefäßrisiko kann die Folge sein (Literatur bei 8). Weiterhin können in Nahrungsmitteln ent- haltene Schadstoffe (in Abhängig- keit von der jeweiligen Konzentra- tion) den Stoffwechsel spezifisch

beeinflussen. Einige Schwerme- talle (z. B. Blei, Quecksilber) kön- nen Enzymreaktionen hemmen und den Energiehaushalt der Zel- le - einer Hypoxie vergleichbar - stören. Durch Hypoxie wiederum kann im Tierexperiment Arterio- sklerose erzeugt werden! I>

2798 (52) Heft 39 vom 26. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

.... Atmungsluft und Rauchen:

Nicht nur Nahrungsmittel, son- dern auch die Atmungsluft sind in der Industriegesellschaft kontami- niert (Abgase). Zusätzlich inhalie- ren - insbesondere die aktiven Raucher- die Schadstoffe des Ta- bakrauches (neben Kanzeroge- nen auch Nikotin, Kohlenmonox- id). Wie oben beschrieben, ist auch hier eine hypoxisehe Stoff- wachselage und damit die Dispo- sition für degenerative Gefäßver- änderungen gegeben. Weiterhin sind immunologische Reaktionen der Gefäßwand nicht auszuschlie- ßen, z. B. eine Tabakallergie (19).

Bereits schwaches Rauchen muß als erhöhtes Risiko gelten (20). Wie bereits in der Einleitung an- gesprochen, wurden die ersten aktiven Raucher schon in einem Alter von 6 bis 9 Jahren gefunden. Danach steigt die Prävalenz steil an und erreicht bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren den Gipfel der Raucherprävalenz bei Erwachsenen (7, 9 a). Erste Sym- ptome einer Gesundheitsschädi- gung durch Rauchen im frühen Kindesalter sind Erkrankungen der Atmungsorgane und häufige- re Komplikationen bei Infektionen der oberen Luftwege. ln einem frühen Stadium sind diese Schädi-

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gungen reversibel. Wird das Rau- chen nicht aufgegeben, ist für das künftige Leben des Kindes mit ge- sundheitlichen Einschränkungen zu rechnen, z. B. mit kardiavasku- lären Erkrankungen (20).

Hinsichtlich des passiven Rau- chans konnte bis jetzt noch kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Arterioskleroserisiko nach- gewiesen werden. Für Personen mit eingeschränkter Gesundheit (Asthma, Bronchitis, Herzinfarkt) sowie auch für Kinder- insbeson- dere kleine Kinder - kann jedoch eine erhöhte bzw. veränderte Sensitivität gegen die Bestandtei- le des Tabakrauches angenom- men werden. Diese Annahme steht im Einklang mit der Beob- achtung, daß Kinder von rauchen- den Eitern im ersten Lebensjahr für die Erkrankung an Bronchitis und Pneumonie ein doppeltes Ri- siko tragen. Kinder von rauchen- den Eltern sind weiterhin dem Ri- siko ausgesetzt, durch negatives Beispiel selbst zu frühen aktiven Rauchern zu werden (13, 20).

Der negative Einfluß des Tabak- rauches auf das kard iovasku läre System ist insbesondere auch an Feten von zigarettenrauchenden Schwangeren zu beobachten. Ei-

ne Primärprävention der Arterio- sklerose hinsichtlich des Rau- chens sollte daher nicht erst im Kindesalter, sondern bereits im fetalen Alter beginnen. Verein- facht könnte man die Raucher- krankheit als Kinderkrankheit auf- fassen (9 a). Sie zu verhüten, soll- te unser Anliegen sein (7, 9 e, 13, 20, 21)!

.... Infektionen:

Unter den viralen Infektionen im Kindesalter seien insbesondere die üblichen Infektionen der obe- ren Atmungswege mit Coxsacki- Viren erwähnt. Schädigungen der Gefäßendothelien sind die Folge.

Eine unzureichende Wundheilung dieser frühen Läsionen wird als Auftakt zur Ausbildung arterio- sklerotischer Läsionen diskutiert - ebenso die notwendige Beteili- gung des Cholesterins bei der Wundheilung (22, 23).

.... Bewegung:

Mangelnde Bewegung führt zu Übergewicht und unzureichender Sauerstoffversorgung des Orga- nismus mit dem erhöhten Risiko für koronare Herzerkrankungen (5, 12, 13). Eine Einschränkung des natürlichen Bewegungsdran- ges des Kindes ist in unserer Mas- sengesellschaft überall zu beob-

6

4

2

*p < 0,05, **p < 0,01-0 = Referenzgruppe (n = 335). D = übergewichtige Kinder (n = 22), • =sozial unterprivilegierte Kinder (n = 96)

Darstellung 6: Vergleich der 3 deutschen Gruppen (3 bis 7 Jahre, Jungen und Mädchen) (8, 9 f, 28)

2800 (54) Heft 39 vom 26. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES

achten: Enge Wohnräume in Miet- und Hochhäusern, ungebührlich langes Stillsitzen vor dem Fernsehapparat, unzureichender Raum für Spiel und Sport, Trans- port zur Schule mit öffentlichen Transportmitteln oder Kraftfahr- zeug der Eitern. Mangelnde Sti-

mulation durch eingeengtes Spiel

und passive Freizeitbeschäfti- gung (Fernseher) hemmen die geistige, seelische und körper- liche Aktivität. Eine Einschrän- kung neurohumoraler Prozesse ist wahrscheinlich.

Umgekehrt ist bekannt, daß durch spezifische Reize neurohumorale Prozesse ausgelöst werden kön- nen, welche zu arteriellen Spas- men und Veränderungen der Ge- fäßendothelien führen (Literatur in 9 b). Eine insbesondere bei Jugendlichen zu beobachtende Konfliktsituation zwischen Lei- stungsbereitschaft und Leistungs- anforderung sowie eine gegen- wärtig wirklich oder vermeintlich eingeschränkte Lebensperspekti- ve sollten als zusätzliche Stresso- ren in Erwägung gezogen werden.

...,. Negative Lebensbedingungen:

ln sozial unterprivilegierten Be- völkerungsgruppen sind die ge- nannten Risikofaktoren gehäuft anzutreffen: Fehlernährung, eine erhöhte lnfektionsrate, psychoso- ziale Einschränkungen, verstärk- ter Zigaretten- und Alkoholkon- sum. Eine pränatale Schädigung des Kindes durch Zigaretten- und Alkoholabusus der Mutter wäh- rend der Schwangerschaft ist häu- figer der Fall. Eine verminderte Abwehrbereitschaft des Organis- mus kann den Boden für degene- rative Erkrankungen, wie die Arte- riosklerose, vorbereiten. Folgt auf negative Lebensbedingungen in der Kindheit und Jugend der Wohlstand, ist weiterhin eine ver- minderte Toleranz gegen be- stimmte Bestandteile der Nah- rung (z. B. Cholesterin u. a. Fette) nicht auszuschließen.

ln diesem Sinne sind nicht nur der Überfluß, sondern ebenso der Mangel - also die Abweichung

Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

vom natürlichen Bedarf (insbe- sondere im frühen Alter) - als er- höhtes kardiavaskuläres Risiko zu verstehen. Dies steht im Einklang mit Berichten aus Norwegen über eine enge Beziehung zwischen koronaren Herzerkrankungen im Erwachsenenalter und einem niedrigen Lebensstandard in der Kindheit. Ergebnisse aus Untersu- chungen im "Obdachlosenbe-

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Jugendlichen hinsichtlich der Früherkennung eines Arterioskle- roserisikos und einer Primärprä- vention zu verzeichnen. Die ge- wonnenen Ergebnisse setzen un- verzichtbare Maßstäbe für die For- schungsinhalte - sie sind dage- gen keinesfalls übertragbar auf das jeweilige Land mit seinen Po- pulationen (24). Während der letz- ten 10 Jahre sind in der Bundesre-

*8.8s a

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1s

2s

-3s 229 254 26 253 38 202 276 399 377 376 51 226

ß und a ~ ß-und a-Lipoproteine;

* ~ ß-: «-Lipoproteine ~ .. atherogener Index·· (Literatur in 8);

GLUK ~ Glukosespiegel; Ordinate: x ~Mittelwert der Referenzgruppe;

die Ergebnisse bedeuten Standardabweichungen von diesem Mittelwert

Darstellung 7: Kinder mit erhöhtem Cholesterinspiegel (TC) (8, 28) reich Düsseldorf" werden weiter

unten geschildert (Literatur bei 8, 9 f). Sozioökonomische Struktu- ren sind nicht nur in gesundheits- fördernder Richtung beeinfluß- bar. Eine Verschiebung zur nega- tiven Seite hin ist bei einer zuneh- menden Arbeitslosigkeit denkbar - begleitet von einer verstärkten Neigung für degenerative Gefäß- prozesse.

Untersuchungen an Kindern und Jugendlichen

in drei deutschen Großstädten:

Köln, Berlin, Düsseldorf

Seit ungefähr 25 Jahren sind im internationalen Rahmen zahlrei- che Studien an Kindern und

publik Deutschland ebenfalls diesbezügliche Untersuchungen durchgeführt worden. Einige Er- gebnisse und vorläufige Schluß- folgerungen sollen hier mitgeteilt werden.

.... Köln:

Im Jahre 1974 wurde in Köln mit einer Eingangsuntersuchung von mehr als 6000 Jugendlichen im Al- ter von 15 bis 19 Jahren begonnen (9 d). Die Häufigkeit des Zigaret- tenrauchans war - schichtunab- hängig - in den Gymnasien gerin- ger als in den Berufsschulen.

Beim Übergang in die Berufs- schulen wurde eine deutliche Zu- nahme des Risikos, Raucher zu werden, beobachtet. Bei beiden Geschlechtern war ein verstärktes Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 39 vom 26. September 1984 (55) 2801

(8)

Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

Rauchen mit erhöhtem Alkohol- konsum verbunden. Mädchen un- ter hormoneller Kontrazeption rauchten verstärkt und gaben häufiger den Konsum alkoholi- scher Getränke an. Die Konzen- tration des Serumcholesterins war bei diesen Mädchen erhöht, diejenige des HOL-Cholesterins erniedrigt (Darstellung 4).

Eine Aggregationsneigung ver- schiedener Risikoparameter wur- de bereits in diesen ersten Unter- suchungen beobachtet. Verlaufs-

~ Berlin:

Im Jahre 1979 wurde an über 800 Berliner Schulkindern im Alter von 12 bis 16 Jahren eine Vorun- tersuchung mit dem Ziel durchge- führt, ein schulisches Programm zur primären Prävention chroni- scher Herz-Kreislauf- wie auch Lungenerkrankungen vorzuberei- ten (9 e). in Tabelle 2 ist der Anteil der bei diesen Schülern beobach- teten, auffälligen Befundkombina- tionen wiedergegeben. Bemer- kenswert ist, daß das Risiko nach dem 13. Lebensjahr für Jungen

12- bis 13jährige Schüler 15- bis 16jährige Schüler

n Ia llb n Ia "b

Jungen 138 6,6% 11,2% 154 6,2% 38,3%

Mädchen 155 5,7% 11,9% 143 8,1% 47,3%

a I Systolischer Blutdruck 13D-139 mm Hg oder Cholesterin 5,18-5,69 mmol/1 oder geie- gentlicher Raucher

b II Systolischer Blutdruck;;;; 140 mm Hg oder Cholesterin;;;; 5,70 mmol/1 oder regelmäßi- ger Raucher

Tabelle 2: Anteil auffälliger Befundkombinationen bei verschiedenen Grenzwerten. Mit GenehmigJr'lQ des Autors (9 e)

untersuchungen über 5 Jahre er- möglichten die Definition von 3 Risikogruppen (Darstellung 5). in

der "Hochrisikogruppe" (3°) wa-

ren die biologischen Parameter stark ausgeprägt. in dieser Grup- pe wie auch in der "Normalgrup- pe" (1°) spielte das Rauchen keine wesentliche Rolle. in der Gruppe (2°) mit mittelstark ausgeprägten, biologischen Parametern dage- gen fand sich eine Häufung des Zigarettenrauchens.

Auffällig ist der Befund, daß 48 Prozent aller untersuchten Pro- banden ihre Zuordnung zur jewei- ligen Risikogruppe über 5 Jahre hinweg beibehielten. Bei Nichtbe- rücksichtigung des Rauchverhal- tens ergab sich eine Aufteilung in 2 Risikogruppen, deren mittelfri- stige Stabilität über 5 Jahre sogar bei 66 Prozent liegt (persönliche Mitteilung des Autors). Eine deut- liche Tendenz zur "Risikokon- stanz" zeichnet sich ab.

und Mädchen steil ansteigt. Das vorherrschende Merkmal war wie- derum das Rauchverhalten. Ähn- lich wie in der Kölner Studie war eine Abhängigkeit vom Schultyp vorhanden: Unter den Schülern der Hauptschule rauchten 60 Pro- zent, im Gymnasium nur 16 Pro- zent.

in Übereinstimmung mit dem in- ternationalen Schrifttum und den Ergebnissen der Kölner Studie, weisen auch diese Ergebnisse der Berliner Studie nachdrücklich darauf hin, daß nicht nur geneti- sche Dispositionen und gewisse Erkrankungen mit einem erhöh- ten Gefäßrisiko verbunden sind, sondern insbesondere im Jugendalter - sozialpsychologi- sche Gesichtspunkte erwogen werden müssen.

Als methodischer Ansatz bietet sich hier die Beeinflussung von Verhaltensmustern an, z. B. mit 2802 (56) Heft 39 vom 26. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

Hilfe schulischer Lernprogramme - wobei der gleichzeitige Einfluß von Familie und Freizeitumge- bung nicht unterschätzt werden darf. Das "Rauchverhalten" z. B.

wird weitgehend von der Grup- pennorm bestimmt, von Vorbil- dern geprägt, sowie vom Schul- typ, Geschlecht und Alter mode- riert. Es gilt, gruppenkonformes Verhalten transparent zu machen und eine sinnvolle Korrektur von Verhaltensmustern zu ermög- lichen, etwa mit der Frage: Wie kann ich eine angebotene Zigaret- te ablehnen, ohne als Feigling zu gelten?

Eine Befragung ergab, daß 78 Pro- zent der Jugendlichen das Rau- chen einschränken oder aufge- ben wollen. Bemerkenswert ist vor allem, daß die Schüler selbst den Wunsch äußerten, nicht nur befragt und untersucht zu wer- den, sondern auch praktische Hil- festellung zu erhalten. Das Rau- chen als "Kinderkrankheit" (siehe oben) scheint somit heilbar zu sein - wie auch andere Kinder- krankheiten!

Zusammenfassend kann über die Ergebnisse der in Köln und Berlin durchgeführten Untersuchungen gesagt werden, daß Jugendliche bereits bestimmten Risikogrup- pen zugehören, und eine Kon- stanz dieser Zugehörigkeit über mehrere Jahre nachgewiesen werden konnte. Eine Extrapola- tion zum jüngeren Alter hin würde bedeuten, daß nicht nur Jugendli- che, sondern bereits Kinder be- stimmten Risikogruppen angehö- ren und diese Zugehörigkeit wahrscheinlich beibehalten. Dar- aus leitet sich die Notwendigkeit einer möglichst frühen Erken- nung des Risikos und einer Prä- vention ab. Da bei den untersuch- ten Jugendlichen enge Beziehun- gen zwischen Risiko und spezifi- schen Verhaltensmustern beob- achtet wurden, verspricht eine

Modifikation der Lebensführung

Erfolg, zumal bei diesen Jugendli- chen eine beachtliche Bereit- schaft zur Korrektur bei angemes- sener Unterstützung vorlag. [>

(9)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

~ Düsseldorf:

ln den Jahren 1978 bis 1980 wur- den ca. 700 Kinder (3 bis 7 Jahre) in Düsseldorfer Kindergärten un- tersucht. Ziel dieser Studie war es, ein neues Programm auf seine Angemessenheit für die Untersu- chung von Kleinkindern außer- halb der Klinik oder Praxis zu überprüfen, sowie weiterführende Kriterien für ein koronares Risiko im frühen Kindesalter zu erarbei- ten (8, 9 f). Hierbei standen ethi- sche Gesichtspunkte im Vorder- grund: Bei minimaler Belästigung des Kindes sollten möglichst zahl- reiche Daten gewonnen werden.

Nach vorherigem, schriftlichem Einverständnis der Eltern bzw. Er- ziehungsberechtigten wurde die Untersuchung aller Kinder im ver- trauten Milieu des Kindergartens vorgenommen. Die Kinder schau- ten zu; spielerische Momente wurden einbezogen, die Wißbe- gier geweckt und Ängste vermie- den bzw. abgebaut. Blutdruck, Größe und Gewicht wurden ermit- telt sowie Kapillarblut aus der Fin- gerbeere entnommen.

Wir stellten den Kindern vor der Blutentnahme die Frage: Bist du schon von einer Mücke gestochen worden? Von einem Kaktus? Fast jedes Kind verfügte über diese Er- fahrung und konnte den Lanzet-

tenstich einordnen. Obwohl nur geringe Serummengen aus Kapil- larblut (0,3 bis 0,5 ml) zur Verfü- gung standen, gelang es, durch die erstmalige Anwendung neuer Mikro- und Ultramikromethoden (in 8) 11 Stoffwechselparameter zu bestimmen (Darstellung 6).

Dieser umfangreiche Datensatz ermöglichte die Darstellung spezifischer Stoffwechselmuster, welche über die Stoffwechselsi- tuation bestimmter Gruppen, Fa- milien wie auch einzelner Kinder Auskunft geben.

ln einer "repräsentativen Grup- pe" (n=380) befanden sich 335 Kinder, deren Wachstumskrite- rien altersentsprechend im Be- reich der Norm lagen. Die bei die- sen Kindern gemessenen Stoff- wechselparamter wurden als "Re- ferenzwerte" definiert (Darstel- lung 6). Kinder mit Extremwerten, z. B. einer Hypercholesterinämie (Darstellung 7), zeigten unter- schiedliche Stoffwechselmuster: 9 von 12 Kindern hatten erhöhte Spiegel sowohl des atherogenen ß-LPs wie auch des a-LPs (Schutz- faktor); der .. atherogene Index"

lag somit im Bereich der Norm.

Nur bei 2 Kindern war dieser In- dex erhöht und bei 2 weiteren Kin- dern im unteren Normbereich.

Diese Ergebnisse unterstreichen

Tri- Kephaline Lezithine

säure glyzeride

die Forderung, eine Hyperchole- sterinämie differenziert zu beur- teilen bzw. zu behandeln. Bei übergewichtigen Kindern (n=22) (Darstellung 6) wurden niedrige Gesamt- sowie ß-LP-Cholesterin- spiegel beobachtet - ein Befund, welcher als früher Indikator für Stoffwechselveränderungen bei Adipositas interpretiert wurde (8).

ln einer sozial unterprivilegierten Gruppe (n=114) (Obdachlosenbe- reich Düsseldorf, [25]) waren die Wachstumskriterien bei 96 Kin- dern (Darstellung 6) im Bereich der Norm, bei 14 Kindern dagegen wurde ein verzögertes Wachstum beobachtet. ln beiden Gruppen konnten deutlich erniedrigte Kon- zentrationen für mehrere Stoff- wechselparameter nachgewiesen werden. Der "atherogene Index"

war erhöht; bei 11 von 14 Kindern mit verzögertem Wachstum lag dieser Index im oberen Bereich, bei 4 Kindern sogar im oberen Ex- trembereich. Die Annahme, daß negative Lebensbedingungen in der Kindheit degenerative Gefäß- veränderungen möglicherweise begünstigen, wird durch diese Er- gebnisse verstärkt.

Japanische Kinder (n=78) glei- chen Alters zeigten im Unter- schied zu den deutschen Kindern (Darstellung 8) u. a. niedrigere

6

'---Cholesterin- - -- - - ' 0 = deutsche Referenzgruppe (n = 335), • = japanische Kinder (n = 78) *P < 0,01; **p < 0,005

Darstellung 8: Japanische Kinder im Vergleich zur deutschen Referenzgruppe (3-7 Jahre, Jungen und Mädchen) (9 f, 27, 28) 2804 (58) Heft 39 vom 26. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(10)

+4s

+3s TC

+2s

+1s

GLUK

—1 s

s Tochter 5 Jahre

TC

TG

GLUK

PC

Vater 37 Jahre Bluthoch- druck Starker Raucher

GLUK TG PC

TC

pß

Mutter

+ 4s

+ 3s

+ 2s

+1s

x

1s

— 2s TG

PC

Arteriosklerose als pädiatrisches Problem

Cholesterinspiegel. Offensichtlich besteht ein Zusammenhang mit der japanischen Ernährungsweise (26) (siehe auch oben).

Untersuchung von Familien:

Es ist heutzutage gut begründet, Kinder von Herzinfarktpatienten hinsichtlich eines koronaren Risi-

kos zu untersuchen mit dem Ziel einer Prophylaxe. Wir haben — in umgekehrter Weise — damit be- gonnen, Eltern und Geschwister von Kindergartenkindern zu un- tersuchen, welche mit abweichen- den Stoffwechselparametern auf- fielen (11). In allen bisher unter- suchten Fällen konnten „ver- wandte" Stoff Wechselmuster bei Familienangehörigen gefunden werden (Darstellung 9). Die Erfas- sung von gefährdeten Erwachse- nen vor der klinischen Manifesta- tion der Erkrankung und die rechtzeitige Intervention sind z. B.

auf diese Weise möglich.

Schlußfolgerungen

In der an Kölner Jugendlichen (15 bis 19 Jahre) durchgeführten Stu- die konnte die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Risikogruppe über mehrere Jahre nachgewie- sen werden. Wir konnten in Düs- seldorf zeigen, daß bereits im Al- ter von 3 bis 7 Jahren Risikogrup-

pen definiert werden können: Bei scheinbar gesunden und normal- gewichtigen Kleinkindern wurden Stoffwechselmuster beobachtet, welche potentiell als frühe Indika- toren eines Gefäßrisikos gelten können. Auch bei übergewichti- gen sowie sozial unterprivilegier- ten Kindern lagen Abweichungen

Darstellung 9:

Beispiel einer Fa- milienstudie. Er- klärungen siehe Darstellung 7 (28)

vor, welche auf ein erhöhtes Ge- fäßrisiko hinweisen. Daß nicht ge- netische, sondern Umwelteinflüs- se einschließlich Ernährungsge- wohnheiten im Vordergrund ste- hen, hat weiterhin unsere Studie an japanischen Kindern bestätigt.

Eine Modifikation von Verhaltens- mustern setzt insbesondere die Bereitschaft der Zielgruppen vor- aus. Die bei Berliner Schülern (12 bis 16 Jahre) beobachtete Bereit- schaft zur Korrektur dürfte in noch jüngeren Jahren stärker aus- geprägt sein.

Zahlreiche Präventionsmodelle wurden entwickelt. Im Mittelpunkt stehen Strategien für eine sinn- volle Änderung von Lebensge- wohnheiten, einschließlich Eßge- wohnheiten (27, 28). Da inzwi- schen bewiesen werden konnte, daß eine Erniedrigung des LDL- Cholesterins mit einer verminder- ten Häufigkeit an koronaren Herz- erkrankungen assoziiert ist (29), sollten Ernährungs- und Verhal- tensweisen erlernt werden, wel-

che das Lipoproteincholesterin- Verteilungsmuster altersentspre- chend in den Normbereich ein- pendeln. Unsere Erfahrungen ha- ben gezeigt, daß es sinnvoll er- scheint, Vorsorgeuntersuchungen bereits in Kindergärten anzusie- deln: Unser Untersuchungspro- gramm hat sich bewährt und wur- de von nahezu allen Kindergärt- nerinnen und Eltern befürwortet.

Kindergärtnerinnen haben nicht nur maßgeblichen Einfluß auf ihre jungen Schützlinge, sondern auch auf deren Eltern. Sie sind enga- gierte Mitarbeiterinnen. Kinder dieses Alters sind von der Not- wendigkeit der Untersuchungen leicht zu überzeugen und arbei- ten aktiv mit. Eine Modifikation der Lebensführung könnte in den Alltag des Kindergartens inte- griert werden. Modifikationen von Verhaltensmustern sind im Kin- desalter sicher weniger proble- matisch und mit guten Erfolgs- chancen verbunden. Weiterhin ist potentiell die Möglichkeit gege- ben, Eltern über den Weg der Vor- sorgeuntersuchung an ihren Kin- dern frühzeitig als infarktgefähr- det zu erkennen. Hierzu liegen er- ste Untersuchungen vor.

Alle heute verfügbaren Informa- tionen weisen darauf hin, daß be- reits vorhandene Schäden im Kin- desalter regressionsfähig sind. Im Vordergrund steht die Entwick- lung einer gesundheitsfördern- den Lebensweise, wobei kein Zweifel mehr darüber bestehen kann, daß alle Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Milderung koro- narer Herzerkrankungen im frü- hen Kindesalter beginnen sollten.

Literatur im Sonderdruck, zu beziehen über die Verfasserin.

Anschrift der Verfasserin:

Professor Dr. rer. nat.

Ingeborg R. Kupke

Medizinische Einrichtungen der Universität Düsseldorf Zentralinstitut

für Klinische Chemie

und Laboratoriumsdiagnostik Moorenstraße 5

4000 Düsseldorf

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 39 vom 26. September 1984 (59) 2805

Referenzen

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