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Archiv "Pharmapolitik: Liberale Essentials" (13.02.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Pharmapolitik:

Liberale Essentials

Die FDP-Bundestagsfraktion hat Bestrebungen entschieden wider- sprochen, den Pharmamarkt mit noch mehr dirigistischen Sanktio- nen und innovationsfeindlichen Regulativen zu durchsetzen. Von den Bestrebungen, die in der Ab- teilung „Krankenversicherung und Gesundheit" des Bundesar- beitsministeriums gehegt werden, weicht das pharmakapolitische Konzept des kleineren Bonner Koalitionspartners zum Teil er- heblich ab.

Der sozialpolitische Referent der FDP-Bundestagsfraktion, Heiner Schülke, hat anläßlich eines wis- senschaftlichen Symposiums über aktuelle Pharmamarkt-Pro- bleme — veranstaltet von den or- doliberalen Sozialwissenschaft- lern Prof. Frank E. Münnich, Mün- chen, und Prof. Peter Oberender, Bayreuth, am 24. und 25. Januar 1985 in München — die Positionen der Liberalen, wie sie auch von prominenten FDP-Politikern im Bundestag (Irmgard Adam- Schwaetzer und Dieter Julius Cro- nenberg) vertreten werden, um- rissen.

1. Die FDP setzt sich für eine Stär- kung der marktwirtschaftlichen Elemente auf dem Markt für phar- mazeutische Produkte und im Rahmen der gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) ein. Nach FDP-Diktion findet dort nicht nur eine Konkurrenz um die Nachfra- ge auf qualitativer Ebene statt, sondern auch eine noch weitge- hend intakte Preiskonkurrenz der Anbieter untereinander. Daher sollten die Marktstrukturen auf diesem Sektor erhalten, interna- tionale Markthemmnisse und im- mer höher werdende behördliche Schranken jedoch abgebaut wer- den. Durch Öffnung der Märkte könnten auch preisdämpfende Wirkungen auf internationaler Ebene erzielt werden. Der Wett- bewerb müsse auf den inländi-

schen wie ausländischen Absatz- märkten gestärkt werden, um bes- sere und zugleich preisgünstigere Medikamente hervorzubringen.

Dem dienten insbesondere Maß- nahmen zur Erhöhung der Markt- transparenz.

2. Entschieden abgelehnt werden Jie Forderungen der SPD, eine Bedürfnisprüfung vor der Zulas- sung nach dem Arzneimittelge- setz einzuführen. Nicht in einer Kartellierung und in kollektivver- traglichen Absprachen über die Preise zwischen den Herstellern der Pharmaindustrie und den Ver- bänden der Krankenkassen sei das Heil einer Preisdämpfung zu sehen, sondern in einem ver- schärften Qualitätswettbewerb.

Preisvergleichslisten für Ärzte 3. Die FDP befürwortet praktika- blere Preisvergleichslisten in den Händen von Ärzten. Sie lehnt sol- che Listen als „marktfeindlich"

ab, die nur einen speziellen Aus- schnitt des Marktes umfassen oder das Angebot stark reduzie- ren wollen. Eine abschließende und verbindliche GKV-Arzneimit- telliste für erstattungsfähige Me- dikamente lehnt die FDP ab, weil sie Gefahr liefe, 90 Prozent aller versorgungsnotwendigen Arznei- mittel vom GKV-Markt auszugren- zen. Zudem provoziere dies eine Zweiklassenmedikation.

Positivlisten hätten auch den Nachteil, den Qualitätswettbe- werb zu behindern, da neue Prä- parate dann nicht nur das Risiko trügen, sich auf dem Markt durch- setzen zu müssen, sondern auch Gefahr liefen, nicht zugelassen zu werden.

Eine verbindliche GKV-Positivliste auf lediglich 2000 bis 2500 Medi- kamente zu beschränken, fördere nicht nur die Unternehmenskon- zentration der „Pharma-Multis", sondern begünstige auch den rui- nösen Verdrängungswettbewerb innerhalb der etablierten Branche und unter den meist mittelständi-

schen „Grenzanbietern" der pharmazeutischen Industrie.

4. Verbindliche GKV-Arzneimittel- listen erhöhen nach Meinung der FDP das ökonomische Risiko der Produzenten und damit auch das Arbeitsplatzrisiko einer vorwie- gend exportorientierten wachs- tums- und innovationsintensiven Branche. Werde die Innovations- kraft der Unternehmen wegen schwindender Gewinnmargen be- schnitten, leide auch die interna- tionale Wettbewerbsfähigkeit.

Darunter könne der Außenbeitrag der pharmazeutischen Industrie zum Bruttosozialprodukt sinken.

5. Zentralisierte Preisbildungen seien geradezu „Gift" für die Ent- faltung der Marktkräfte auf dem Arzneimittelmarkt. Würden Preis- verhandlungen über Medikamen- te zentral und über Zwangskartel- le (Verbände, Körperschaften) ge- führt, so sei eine mögliche Reak- tion auf das so aufgebaute Nach- fragemonopol der gesetzlichen Krankenkassen und deren Ver- bände eine vermehrte Oligopol- und Monopolbildung auf der An- gebotsseite (nämlich der Herstel- ler der pharmazeutischen Produk- te). Bei kollektiven Preisverhand- lungen, so befürchten auch neoli- berale Ökonomen, könnten sich beide Marktkontrahenten sehr leicht zu Lasten Dritter „ökono- misch salvieren".

6. Auch bei einer Liberalisierung der Angebots- und Nachfrage- strukturen auf dem Markt für pharmazeutische Produkte müß- ten die Rahmenbedingungen der gesetzlichen Krankenversiche- rung beachtet werden. Mindest- normen für die Preis- und Pro- duktspolitik sollten für solche Prä- parate erlassen werden, die zu La- sten der GKV-Versicherten ver- ordnet werden dürfen.

Pharmakologische Fortbildung für Kassenärzte

7. Ein Vakuum mutmaßt die FDP in der pharmakologischen Fortbil- Ausgabe A 82. Jahrgang lieft 7 vom 13. Februar 1985 (27) 391

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DIE REPORTAGE Pharmapolitik der FDP

dung der Kassenärzte. Die Ärzte- kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen sollten mehr auf die Fortbildungsobliegenheiten der Ärzte sehen und die Einhal- tung der Vorschrift des § 368 m Absatz 5 RVO drängen. Diese re- gele die Art und Weise der Fortbil- dung und rufe zur lebenslangen Fortbildung auf.

Keine Drogen, keine Gewalt, kein privates Eigentum

Synanon auf Gut Fleckenbühl • Selbsthilfe in enger Gemeinschaft

Therapiefreiheit erhalten!

8. Auch in Zukunft müsse die The- rapiefreiheit des Arztes erhalten bleiben. Dem diene eine mög- lichst breite Palette von alternati- ven Therapieformen und -mög- lichkeiten. Der Arzt müsse die Freiheit behalten, das für seinen Patienten notwendige Medika- ment individuell auszuwählen. Die Bestrebungen des Bundesaus- schusses Ärzte/Krankenkassen, eine bewertende Preisvergleichs- liste und eine Begründungspflicht des Arztes vorzuschreiben, falls er abweichend verordnet, liefen dem Ziel der Therapiefreiheit zuwider.

Über die Höhe der Arzt- und Zahn- arzthonorare müßten die Selbst- verwaltungen von Krankenkassen und Kassenärzten ebenso auto- nom entscheiden, wie den Arznei- mittelherstellern das Recht belas- sen werden müsse, Preise nach Knappheitsrelationen festzuset- zen. Der Gesetzgeber müsse sich hier abstinent zeigen, allenfalls dürfe er Rahmenbedingungen setzen und könne Anreize geben.

9. Schließlich befürwortet die FDP die Umstellung der Arzneimittel- Direktbeteiligung von einer festen

Verordnungsblattgebühr (2 DM bislang) auf eine prozentuale Be- teiligung (mit einer sozial austa- rierten Obergrenze). Die „Nega- tivliste" sollte nicht auf weitere In- dikationsgebiete ausgedehnt wer- den, da dies Abgrenzungsschwie- rigkeiten, Härten und Umge- hungsmöglichkeiten in noch grö- ßerem Umfang als bisher herauf- beschwören könnte. Statt dessen sollten Wirtschaftlichkeitsprüfun- gen nach Maßgabe des § 368 e RVO intensiviert werden. HC

Von der Bundesstraße zweigt ein schmaler, lehmverschmierter Weg zum Gut Fleckenbühl ab.

Rechts ein paar abgeerntete Obstbäume, links ein Bach, dahin- ter Felder. Der Weg knickt, gibt den Blick frei auf einen weiten, kopfsteingepflasterten Hof, den an drei Seiten Ställe begrenzen.

Merkbar steigt der Hof zum Her- renhaus hin an, einem weißen, zweistöckigen Gebäude mit rotem Dach. Die kleinen Fenster im Erd- geschoß sind hell erleuchtet.

Seit September gehört das Gut Fleckenbühl dem gemeinnützi- gen Verein Synanon International.

Synanon: Das sind ehemalige Rauschgift- oder Alkoholabhängi- ge, die Süchtige aufnehmen und betreuen. Gegründet wurde das erste Synanon 1958 in Kalifornien/

USA von einem trockenen Alko- holiker. Der Name soll entstanden sein, als jemand gleichzeitig

„Symposium" und „Seminar" sa-

Abseits der Bundesstraße - Selbsthilfe von Drogenabhängigen

gen wollte. In den 60er Jahren er- fuhren Irene und Ingo Warnke, selbst rauschgiftabhängig, von dem Projekt. Die Idee, mit ande- ren Süchtigen drogenfrei und ge- waltlos zusammenzuleben, faszi- nierte sie. 1971 gründeten die bei- den eine Gruppe in Berlin. Damals lebten die ehemaligen Fixer und Trinker auf zwei unbeheizten Eta- gen einer verfallenen Fabrik.

Heute ist Synanon Berlin auf weit über 100 Personen angewachsen.

Aus den zwei Etagen wurden drei Häuser. Synanon finanziert sich durch Spenden sowie zu 60 Pro- zent aus den Einnahmen aus ei- nem Transportunternehmen, ei- ner Druckerei, einer Tischlerei und einer Töpferei. Im September sind ein Dutzend Leute von Berlin aufs Land gezogen, um den Hof zu übernehmen und damit das vierte Synanon-Haus aufzubauen.

Ingo Warnke (42), Mitgründer und heutiger erster Vorsitzender von Synanon, ist mitgezogen. Die Idee, auf einem Bauernhof zu le- ben, sei älter als die Arbeit in Ber- lin, berichtet er. Seit 1980 hat er dann Maklergespräche geführt und Objekte geprüft. „Die guten Höfe kaufen die Leute, die Geld haben; die schlechten bekommen die Sozialfreaks ab", faßt er seine Erfahrungen zusammen.

Schließlich hat Synanon Gut Flek- kenbühl von der Stadt Kassel ge- kauft, für vier Millionen Mark. Spä- ter sollen dort einmal etwa fünfzig Menschen leben. Gezahlt haben andere: drei Millionen das Land Hessen, 600 000 die Stiftung Jugendmarke. 400 000 Mark müs- sen noch aufgebracht werden. Im Moment leben die frischgebacke- nen Landwirte von einer Finanz- 392 (28) Heft 7 vom 13. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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