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onn oder Berlin? Die defi- nitive Entscheidung über den Regierungssitz ist noch nicht gefallen, doch die Anzeichen mehren sich, daß sie zugunsten von Berlin ausfallen wird. Wenn es so kommt, dann werden sich auch all die vielen Organisationen, die Interessen vertreten und auf Regierung und Parlament einwirken, dem Sog der Hauptstadt nicht entzie- hen können. Denn trotz Tele- fon, Telefax und Flugverbindun- gen sind die klassischen Mittel der Interessenvertretung, das persönliche Gespräch und die informelle Begegnung, nicht zu ersetzen.Deshalb haben sich ja auch große ärztliche Organisationen in Bonn und Köln, nahe dem Sitz der Bundesregierung und des Parlamentes, niedergelas- sen: die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundes- vereinigung in Köln, der Hart- mannbund in Bonn, der Mar- burger Bund, der BPA und der (soeben mit dem Virchow-Bund vereinte) NAV in Köln.
Ein Wechsel von Boni nach Berlin hätte Symbolkraft und langfristig weitreichende Bedeu- tung für das föderale System der Bundesrepublik Deutschland.
Das Hauptargument der Berlin- Befürworter läßt sich auf nur ei- nen Punkt zurückführen, näm- lich den Wunsch, wieder eine
N
ach Korrespondentenbe- richten ist Irans Staats- präsident Rafsanjani im Schatten des Golfkrieges und seiner Nachwehen dabei, die strengen Regeln und das Sy- stem, wie sie nach der Kho- meini-Revolution eingeführt worden waren, vorsichtig zu Lok- kern. Die ehedem berüchtigten Revolutionsgarden beispielswei- se seien, so heißt es, in das regu- läre Militär, die Revolutionsko- mitees (also das „Blockwartsy- stem") in die reguläre Polizei eingegliedert und damit aus dem Machtbereich der Mullahs her- aus in den des Staates überführtRegierungssitz
Machtwechsel
Metropole als Hauptstadt zu ha- ben, ein echtes Machtzentrum im Unterschied zum funktiona- len Verwaltungszentrum Bonn.
Von den Berlin-Befürwortern wird freilich betont, die föderale Struktur der Bundesrepublik nicht antasten, ja das föderative Element noch stärken zu wollen.
Symbol des föderalen deutschen Staates ist indes Bonn und war bisher nicht Berlin. Schon die 40jährige Geschichte der Bon- ner Republik zeigt, daß sich die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern zunehmend zugun- sten des Bundes verschoben hat.
Es wäre zumindest unwahr- scheinlich, wenn sich ausgerech- net bei einer Metropole Berlin die Machtbalance wieder auf die Seite der Länder neigen würde.
Symbolkraft hätte Berlin auch im Hinblick auf die ost- deutschen Bundesländer. Mit Berlin wäre dem Bonner Staat der Rücken gekehrt. Wenn die Vereinigung Deutschlands bis- her allzusehr einer Einverlei- bung der früheren DDR in die Bonner Republik glich, so würde mit einer Haupt- und Regie- rungsstadt Berlin das Gewicht
IRAN
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Fundamentalisten und Liberale
worden. Die Bilder des Aya- tollah seien weitgehend aus den Straßen verschwunden.
Auf ein besonderes Beispiel aus dem Gesundheitswesen macht die amerikanische Zei- tungskorrespondentin Judith Miller (International Herald Tribune) aufmerksam: Es gebe
der Länder im Osten zunehmen.
Echte oder vermeintliche Errun- genschaften der ehemaligen DDR würden wieder ins Blick- feld rücken. Ein Vorgeschmack mag die Entscheidung des Bun- desverfassungsgerichtes sein, bei der Bodenreform die Macht des Faktischen zu akzeptieren. Be- zogen auf das Gesundheitswe- sen könnte das bedeuten, daß der neuerdings wieder anschwel- lende Chor der Befürworter von Institutionen der ambulanten Versorgung bereitwilliger Gehör fände.
Die Berlin-Befürworter, die offen oder unterschwellig an das Nationalbewußtsein appellieren, wissen, daß mit der Wahl auch eine Machtfrage entschieden wird, während die Bonn-Freun-
de, die immer noch die Kosten ins Feld führen, das offenbar nicht gemerkt haben. Mit Berlin würde eine weitere Machtverla- gerung auf die Zentrale eingelei- tet. Den Deutschen ist die Stär- kung ihrer Zentrale bisher nicht gut bekommen Man mag hof- fen, daß es in der Zukunft an- ders sein wird.
In Hamburg tagt jetzt der Deutsche Ärztetag, das Urbild einer föderalen Institution. Da mag es gestattet sein, an die fö- derale Struktur des Staates zu erinnern, in den die Ärzteschaft eingebettet ist — und den sie mit- trägt. NJ
noch starke Gruppen, vor allem im Parlament, die sich einer Li- beralisierung widersetzen. Ihr Opfer wurde Gesundheitsmini- ster Iraj Fazel: Er hatte islami- sche Fundamentalisten aus der Medizinischen Fakultät der Uni- versität Teheran entfernt, und das wurde ihm so übelgenom- men, daß Rafsanjani ihn abset- zen mußte. Sein Nachfolger wur- de jedoch ein Mann, der von Fa- zel selbst „handverlesen" sei — und er gelte als noch liberaler als Fazel selbst. Und ein paar Tage später wurde Fazel in die Aka- demie der Wissenschaften beru- fen . . . bt DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Dt. Ärztebl. 88, Heft 18, 2. Mai 1991 (1) A-1529