Die Information:
Bericht und Meinung Berufspolitik
Andererseits setzte Odenbach die Schwierigkeiten auseinander, die sich auch nach der Zurückziehung des ersten Entwurfes für das Psy- chotherapeuten-Gesetz und bei den Anhörungen der Sachverstän- digen noch nicht haben lösen las- sen. Denn man müsse zum Bei- spiel die Frage stellen, ob ein Voll- studium der Psychologie und eine dreijährige klinische Ausbildung wirklich schon alle Psychologen in die Lage versetzen, mit Patienten umzugehen.
Ein großes Problem ist die Frage, wie die Zusammenarbeit von Arzt und nichtärztlichem Psychothera- peuten geregelt werden soll. Nach dem, was bisher über den in Vor- bereitung befindlichen zweiten Entwurf des Psychotherapeuten- Gesetzes bekanntgeworden ist, soll der nichtärztliche Psychothe- rapeut die Indikation stellen dür- fen, daß eine Behandlung durch ihn erforderlich sei; es müsse je- doch ein Arzt zustimmen.
Wenn dann der Verdacht entsteht, daß eine weitere Behandlung durch den Arzt erforderlich ist, so soll der nichtärztliche Psychothe- rapeut die Verantwortung dafür tragen, daß eine solche ärztliche Behandlung auch stattfindet — die Frage ist, wie sich dies rechtlich absichern läßt.
Abgesehen von derartigen juristi- schen Schwierigkeiten, und auch abgesehen von dem Streit zwi- schen den verschiedenen psycho- therapeutischen Verfahren und
Methoden bleibe die grundsätzli- che Frage zu beantworten, ob die manchen Politikern vorschweben- de „umfassende psychosoziale Versorgung" nicht lediglich den Krankenkassen eine neue Kosten- explosion, der Bevölkerung aber keine gesundheitlichen Vorteile bringen werde. Man müsse von ärztlicher Seite auf jeden Fall for- dern, daß der ärztliche Sachver- stand nicht aus der Betreuung des Patienten ausgeschaltet wird, und schon aus diesem Grunde sei es wünschenswert und zu begrüßen, wenn sich noch mehr Ärzte für
Fragen der Psychiatrie und der Psychotherapie interessieren.
Für ein berufspolitisches Po- diumsgespräch mit den Kongreß- teilnehmern hatten sich außer Dr.
Odenbach zur Verfügung gestellt:
der Präsident der Ärztekammer Berlin, Professor Dr. Wilhelm Heim; der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Dr. Gerhard Löwenstein;
die Justitiare der Bundesärzte- kammer, Dr. Jürgen Bösche, und der Bayerischen Landesärztekam- mer, Franz Maria Poellinger; fer- ner Dr. Günter Flatten, Ärztlicher Geschäftsführer der KBV.
ECHO
Zu: „Die (sogenannten) neuen Ju- gendreligionen" von Prof. Dr.
med. Manfred Müller-Küppers in Heft 3/1979, Seite 127 ff.
Neue Gefahr:
der Psycho-Markt
„Eine Diskussion ,Gefahr durch Sekten', bei der in der Mathäuskirche Exponenten der umstrittenen ,Scientolo- gy Church` mit Judensternen auftraten, um sich das Air Glaubensverfolgter zu verlei- hen; der Fall eines Arztes, der beschuldigt wird, eine Praxishelferin zur Teilnah- me am Lehrgang dieser ,Church` genötigt zu haben — dies sind nur zwei Sympto- me einer Entwicklung, die von Fachleuten mit der bei der Drogensucht verglichen wird. Die Gefahren für insbe- sondere jugendliche ‚Konsu- menten' des Psycho-Mark- tes — so lautet der kriminali- stische Sammelbegriff für psychoanalytische laienhaf- te Experimentiererei — wer- den von Strafverfolgern und von ärztlichen Berufsvertre- tungen kaum geringe- ver- anschlagt als die de: • r) ,(2' gen marktes . ."
Freudenreich in „Süddey'-.
sche Zeitung")
Vom Thema der Referenten aus- gehend, war man schnell beim all- täglichen Problem des Arztes:
dem Zeitmangel, der eine umfas- sende; das Psychische einschlie- ßende Beratung und Betreuung des Patienten erschwert.
Dieses Phänomen kann jedoch, wie die Diskussion zeigte, von vie- len Seiten her jeweils anders gese- hen werden. Ältere Ärzte glauben, daß die jüngeren heute mehr von der Psychiatrie verstehen; die jün- geren glauben, der „alte Haus- arzt" habe mehr psychologische Erfahrungen gehabt. Der Patient glaubt, der Hausarzt habe keine Zeit für lange Gespräche und wün- sche daher mehr Psychiater; man- cher Hausarzt halte aber gar nichts von einem „langen Palaver"
mit dem Patienten und meint, mit dem kürzeren, aber gezielten Ge- spräch sei allen besser gedient.
Als eine der größten Gefahren heute sah man jedenfalls die Spal- tung des Berufes in „Ärzte für den Körper" und „Ärzte für die Psyche".
Möglichkeiten, dies zu verhindern, sah man einmal in der bevorste- henden Ärzteschwemme, welche die letzten Versorgungslücken schließen wird und damit mehr Zeit für das ausführliche Gespräch mit dem Patienten schaffen wird.
Zum anderen wurde beispielswei- se auch über Wege diskutiert, ei- nen höheren Zeitaufwand zu ho- norieren, etwa mit einer gestaffel- ten Beratungsgebühr.
Es wurde also eine vielseitige Dis- kussion; einerseits bemerkens- wert für eine Kongreßveranstal- tung, die (wegen des Schweizeri- schen Nationalfeiertages) für 21 Uhr angesetzt werden mußte; an- dererseits aber doch auch selbst- verständlich für die Davoser Kon- greßteilnehmer, die trotz ihrer bei
„Davos II" immer relativ geringen Zahl in etwa 100 einzelnen Veran- staltungen nicht nur die Seminar- säle füllen, sondern intensiv arbei- ten. gb
2462 Heft 39 vom 27. September 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT