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Archiv "15. bis 19. Mai 1979 in Nürnberg: 82. Deutscher Ärztetag: Klare Mehrheitsbeschlüsse zur ärztlichen Ausbildung" (31.05.1979)

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DEUTSCHE S

Ä RZTE BLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

15. bis 19. Mai 1979 in Nürnberg

82. Deutscher Ärztetag:

Klare Mehrheitsbeschlüsse zur ärztlichen Ausbildung

Karsten Vilmar:

Weiterentwicklung der Gesundheits- und Sozialpolitik

Jörg-D. Hoppe:

Die Ausbildung zum Arzt

Referate, Diskussionen, Entschließungen, Wahlergebnisse

Auseinandersetzungen um die künftige Struktur der ärztlichen Aus- bildung beherrschten den 82. Deutschen Ärztetag in Nürnberg. Nicht allein der Tagesordnungspunkt II, der ausdrücklich der „Ausbildung zum Arzt" gewidmet war, wurde davon bestimmt, sondern gleich das einleitende Referat von Bundesärztekammer-Präsident Dr. Karsten Vilmar beschäftigte sich mit dieser Thematik; und sie zog sich dann hin bis zu den Wahlen gegen Ende des Ärztetages am 19. Mai.

Denn es gibt wohl keinen Zweifel, daß einige Delegierte aus einer gewissen Verärgerung über eine ihren Wünschen entgegengelau- fene Abstimmung über den Arzt von morgen durch Enthaltung oder Gegenstimme Denkzettel verteilten. Und die trafen dann ausgerech- net den Präsidenten. Immerhin, Vilmar bekam mit 146 der 220 abgegebenen gültigen Stimmen ( = 66,4 Prozent) eine respektable Mehrheit. Die Zahl der Pro-Stimmen war auch bei den übrigen neu gewählten Vorstandsmitgliedern in etwa gleich hoch: Vizepräsident Dr. Helmuth Klotz erhielt 143, die beiden Vertreter der angestellten Ärzte, Dr. Jörg-Dietrich Hoppe und Dr. Gerhard Wündisch, kamen auf 145 und 148 Ja-Stimmen. Eine Abweichung zeigte sich lediglich bei der Wahl des zweiten Vizepräsidenten: Dr. Gustav Osterwald bekam 109 Stimmen; das lag wohl daran, daß er in Dr. Wilhelm Baldus, dem bisherigen Vizepräsidenten, für den 92 Stimmen abge- geben wurden, einen starken Gegenkandidaten hatte.

Der Protest drückte sich freilich nicht nur in Protest-Stimmen aus, sondern er wurde auch verbal im Plenum und mehr noch in der Lobby geäußert. Von einer „schweren Niederlage der Allgemeinme- diziner" war die Rede, nachdem der Ärztetag sich auf ein anderes Ausbildungsmodell, als es Vertreter der Allgemeinärzte sich vorge- stellt hatten, festgelegt hatte. Für den Beobachter freilich war die Haltung der Allgemeinarzt-Politiker nicht ganz einfach zu verstehen.

Das liegt zum guten Teil aber auch daran, daß sich innerhalb der Gruppe der niedergelassenen Allgemeinärzte und Praktischen Ärzte

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82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

höchst unterschiedliche Strömun- gen zeigten. Hier vermengten sich Sorgen um die Qualität der künfti- gen „Hausärzte", Statusüberle- gungen und Ängste vor einer Nachwuchswelle zu einem un- durchsichtigen Ineinander. Einig- keit bestand noch darin, den Arzt, der die „Grundversorgung" trägt, stärker zu fördern. Wer will das eigentlich nicht? Dr. Muschallik jedenfalls hatte sich in seinem Vortrag bei der Eröffnungsveran- staltung des Ärztetages am 15. Mai prononciert für die Allgemeinme- dizin verwandt.

Aber schon in der Frage, ob Träger der „Grundversorgung" in Zukunft nur mehr der „Allgemeinarzt" (mit vorgeschriebenem Weiterbil- dungsgang nach dem Studium) oder auch der „praktische Arzt"

herkömmlicher Art sein soll, waren sich die Vertreter der „Hausärzte"

und deren Freunde in Nürnberg nicht mehr einig. Schon gar nicht über den Weg: qua Ausbildung, über eine Kombination aus Ausbil- dung und Weiterbildung, durch Aufhebung der Grenzen zwischen Aus- und Weiterbildung?

Ausbildung, Weiterbildung:

Mehr als

ein Streit um Worte

„Ausbildung" und „Weiterbil- dung" — ist das denn nicht ein Streit um Worte? Das schien auch mancher, den „Allgemeinärzten"

verpflichtete Delegierte zu mei- nen, der da in Nürnberg erklärte, man solle es mit diesen Begriffen doch so genau nicht nehmen. Tat- sächlich steckt aber in der Unter- scheidung eine Menge Politik.

Das offenbarte sich auch in der Debatte um die „Ausbildung zum Arzt", die schließlich in einem klar auf die Ausbildung begrenzten Er- gebnis endete.

Denn der 82. Deutsche Ärztetag hat sich am Ende einer andert- halbtägigen Diskussion mit über- wältigender Mehrheit auf die fol- genden Vorschläge geeinigt:

Struktur der Ausbildung

„Der Deutsche Ärztetag stellt fest, daß die gegenwärtige Ausbil- dung zum Arzt den Studienabsol- venten nicht befähigt, nach Ab- schluß der Ausbildung und Ertei- lung der Approbation eigenverant- wortlich tätig zu werden. Wesentli- cher Grund für diese Situation ist die Überlastung unserer Universi- täten durch eine zu große Anzahl von Studenten.

Außerdem gibt es folgende Män- gel innerhalb der Struktur der gel- tenden Ausbildung:

1. Es fehlt eine Definition des Aus- bildungszieles für den Beruf des Arztes. Studenten und Hochschul- lehrer können somit nicht auf ein verbindliches Lehrangebot ver- pflichtet werden.

2. Die ausschließlich schriftlichen Prüfungen nach dem Antwort- Wahl-Verfahren fördern eine rein kognitive Lernweise. Ärztliches Denken in Zusammenhängen wird durch dieses Prüfungssystem ver- hindert.

3. Die praktische Ausbildung wäh- rend des Studiums (,Praktika') und am Ende des Studiums (,Prakti- sches Jahr') reichen nicht aus, um einen nahtlosen Übergang vom Studium in eine eigenverantwortli- che Ausübung des ärztlichen Be- rufes zu sichern.

Deshalb fordert der Deutsche Ärz- tetag den Gesetzgeber und Ver- ordnungsgeber auf, die Struktur der Ausbildungsordnung wie folgt zu ändern:

1. In die Bundesärzteordnung und in die Approbationsordnung ist ei- ne Definition des Ausbildungszie- les aufzunehmen. Der Vorschlag des Deutschen Ärztetages für ei- nen entsprechenden Text ist in der Anlage beigefügt.

2. Zur Ausbildung zum Arzt gehört ein wissenschaftliches Hochschul- studium und ein klinisch-prakti- scher Ausbildungsabschnitt.

a) Das wissenschaftliche Studium der Medizin ist an universitären Einrichtungen zu absolvieren. Es

hat die Dauer von fünf Jahren.

Sinn dieses Hochschulstudiums ist es, in einem theoretisch-de- monstrativen Unterricht das Grundwissen zu vermitteln, wel- ches der angehende Arzt besitzen muß, um im nächsten Ausbil- dungsabschnitt klinisch-praktisch eingesetzt werden zu können.

b) Der klinisch-praktische Ausbil- dungsabschnitt dauert zwei Jahre.

In diesem Zeitraum soll der ange- hende Arzt die Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen und vertie- fen, die der Arzt zu eigenverant- wortlicher ärztlicher Tätigkeit be- nötigt. Als Voraussetzung hierfür ist dem in der Ausbildung befindli- chen angehenden Arzt ein Status zu verleihen (z. B. Pflichtassistent) der ihn berechtigt, unter Anlei- tung, Aufsicht und in Zusammen- arbeit mit berufserfahrenen Ärzten klinisch-praktisch tätig zu werden.

3. Die Prüfungsbestimmungen in der Approbationsordnung sind so zu ändern, daß in allen geeigneten Fällen neben den schriftlichen Prüfungen nach dem Antwort- Wahl-Verfahren mündlich-prakti- sche Prüfungen durchgeführt wer- den. Der letzte Abschnitt der ärztli- chen Prüfung ist ausschließlich mündlich und praktisch zu gestal- ten. Sinn dieser Prüfung ist es, festzustellen, ob der Kandidat die Voraussetzung der Ausbildungs- zieldefinition erfüllt.

Die Prüfungskommission für die Prüfungen im letzten Abschnitt der ärztlichen Prüfung soll aus Hochschullehrern und praktizie- renden Ärzten aus Praxis und Krankenhaus sowie unter Mitwir- kung der ärztlichen Körperschaf- ten zusammengesetzt sein. Nach Auffassung des Deutschen Ärzte- tages ist die klinisch-praktische Ausbildung, außer in Universitäts- kliniken, in geeigneten Kranken- häusern und Praxen niedergelas- sener Ärzte zu vermitteln.

Für die, Beschaffung der Ausbil- dungsplätze sowie die organisato- rische und finanzielle Sicherstel- lung auch des praktischen Ausbil-

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82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

Nach der amtseidlichen Verpflichtung des Vorstands der Bundesärztekammer, dessen „Spitze" am letzten Sitzungstag neu gewählt wurde: der Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Dr. Karsten Vilmar (3. v. I.) sowie die beiden Vizepräsidenten, Dr. Helmuth Klotz und Dr. Gustav Osterwald (4. und 5. v. I.) - Die Ergebnisse sämtlicher Wahlen sind auf Seite l der vorliegenden Ausgabe wiedergegeben

dungsteils ist der Staat zuständig.

Der Deutsche Ärztetag sagt seine tatkräftige Mithilfe bei der Reali- sierung einer derartigen klinisch- praktischen Ausbildung zum Arzt zu.

Anlage:

Ausbildungsziel ‚Arzt'

Die theoretische und praktische Ausbildung hat einen Arzt zum Ziel, der auf der Grundlage

> pluralistischen und unabhängi- gen wissenschaftlichen Denkens

> medizinischer, wissenschaft- lich-methodischer und die Medi- zin übergreifender Kenntnisse

> der zu ihrer Anwendung erfor- derlichen geistigen, psychischen, physischen und praktischen Fä- higkeiten sowie

> einer dem Patienten verpflich- teten ärztlichen Einstellung imstande ist, unter Wahrung der Würde des Menschen und Ach- tung der freien Selbstbestimmung des einzelnen, nach den Regeln der ärztlichen Kunst sachgerecht und eigenverantwortlich im Dienst an der Gesundheit des einzelnen und der Allgemeinheit tätig zu sein. Der Arzt muß gelernt haben, seine Grenzen zu erkennen, und wissen, wo spezielle gebietsbezo- gene Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich sind.

Der Arzt muß die Notwendigkeit der berufsbegleitenden Fortbil- dung erkannt haben und befähigt sein, diese in eigener Initiative zu betreiben.

Er muß in der Lage sein, sich nach Abschluß seiner Ausbildung in einem bestimmten Gebiet, Teil- gebiet oder Bereich weiterzubil- den."

Die Debatte: Langwierig, aber mit gutem Ergebnis Diese Vorschläge des Deutschen Ärztetages, gefaßt unter dem Ta- gesordnungspunkt II „Ausbildung zum Arzt", sind klar und eindeutig.

Die Debatte aber — zwischen dem

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82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

als klug und wohlabgewogen an- erkannten Referat von Dr. Jörg- Dietrich Hoppe am Mittwoch mit- tag und der Beschlußfassung am Abend des Donnerstag der Ärzte- tagswoche- war eine der langwie- rigsten aller Ärztetage der letzten Jahrzehnte, angefüllt mit unzähli- gen Einzelideen und Einzelvor- schlägen von mehr als 100 (!) Dis- kussionsteilnehmern, aber auch von - ungewollten oder gewollten (?) - Mißverständnissen, von brei- ter Übereinstimmung in den mei- sten Sachtragen einerseits bis zu verstecktem oder offenem Dissens in einer Hauptsache andererseits.

ln der Folge blieben Emotionen, ja Aggressionen nicht aus.

..,.. Das Endergebnis aber ist gut, wie von der weit überwiegenden Mehrheit der Delegierten, aber auch von den anwesenden Stu- dentenvertretern und nicht zuletzt vom Referenten selbst anerkannt wurde, der die Beschlußvorlage - obwohl in einem Punkt glatt über- stimmt- des Vorstandes der Bun- desärztekammer schließlich mit nur wenigen Abstrichen zur Ver- abschiedung gebracht hat.

Gründe für eine "Reform"

der klinisch-praktischen Ausbildung

Schon in dem Referat des Präsi- denten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Dr. Karsten Vilmar, zu Punkt I der Ta- gesordnung "Gesundheits- und Sozialpolitik" waren am Morgen des 16. Mai die Entwicklungen an- gesprochen worden, die zu einer

"Reform" der ärztlichen Ausbil- dung zwingen: "Zwar gibt es bis heute sicher keine ,Ärzteschwem-

me', es mögen sogar in manchen

Bereichen noch Mängel bestehen, wie in einigen Zeitungen gesagt wurde, man müßte jedoch mit

Blindheit geschlagen sein, um an-

gesichts der seit Jahren steigen- den und 1978 bereits bei rund 11 000 Studienanfängern in der Medizin pro Jahr liegenden Stu- dentenzahlen nicht zu erkennen, daß ein Überangebot an Ärzten die

Folge sein wird, wenn diese Stu- denten ihr Studienziel erreicht ha- ben werden."

Bei Fortdauer des Trends würde sich die Zahl der berufstätigen Ärzte von rund 118 000 im Jahre 1975 auf rund 257 000 im Jahre 2000 erhöhen, wie nahezu über- einstimmend vom Wissenschaftli- chen Institut der Ortskrankenkas- sen, vom Zentralinstitut der Kas- senärzteschaft und von dem Kieler Institut für Gesundheitssystemfor- schung errechnet worden ist. Be-

rü~sichtigt man die Zahl derjeni- gen Medizinstudenten in Europa, die heute schon studieren und die spätestens in fünf bis sechs Jah- ren ihre Approbation als Arzt ha- ben werden (nach neuesten Auf- stellungen gibt es in der EG heute etwa 378 000 Medizinstudenten!), so wird deutlich, daß das Niveau der ärztlichen Ausbildung zwangs- läufig sinken muß, wenn keine Ab- hilfe erfolgt.

Dazu Dr. Vilmar (siehe auch den Gesamtwortlaut seines Referates ab Seite 1501 dieses Heftes):

"Es liegt auf der Hand, daß derart

riesige Zahlen von Studierenden in der Medizin in hohem Maße pror blematisch sind, weil die vorhan- denen Ausbildungskapazitäten diesen Massen in keiner Weise ge- wachsen sind und es aus nahelie- genden Gründen in der Medizin unmöglich ist, durch eine Vermeh- rung der Ausbildungsplätze den Ansturm zu bewältigen, weil dazu sowohl die Lehrenden mit der nö- tigen Erfahrung als vor allem auch die Patienten fehlen. Die enorme Quantität wird also die Qualität der Ausbildung drücken und nahezu unlösbare Probleme für die ärztli- che Versorgung in der Zukunft heraufbeschwören, wenn man den Dingen weiterhin ihren Lauf läßt.

Mängel in der Ausbildung sind nun aber nicht einfach durch eine auf- gepfropfte Pflichtweiterbildung oder eine Zwangsweiterbildung zu beheben. Abgesehen davon, daß auch hier die enorm hohen Zahlen nicht zu bewältigende Schwierig-

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keiten auslösen würden, müßte durch eine derartige ,Pflicht-Wei- ter-Ausbildung' die Weiterbildung zur Ausbildung werden. Sie fiele

damit in die Kompetenz des Bun-

des und nicht mehr in die Kompe- tenz der ärztlichen Selbstverwal- tung. Das hätte weiter zur Folge, daß am Ende einer so veränderten Ausbildung nicht mehr das ge- meinsame Berufsziel Arzt stünde, die heutige Approbation als Arzt ihren Charakter als Akt staatlicher Berufszulassung verlöre und nur noch die Bedeutung eines ,Weiter- Ausbildungs-Berechtigungsschei- nes' in der Wertigkeit eines Hoch- schulabiturs hätte. Denn erst der Spezialist hätte nach Abschluß der ,Weiter-Ausbildung' das Berufsziel erreicht.

Derartige Vorstellungen werden vom Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 23. März 1960 in der Frage der Zulassungs- beschränkung aufgrundeiner Ver- hältniszahl und vom 9. Mai 1972 in der Facharztfrage ausdrücklich abgelehnt. Und das mit gutem Grund. Folgte man nämlich den Überlegungen zur Einführung ei- ner Pflichtweiterbildung, so müßte konsequenterweise der gemeinsa- me Arztberuf, der erst 1869 durch die Gewerbeordnung im Nord- deutschen Bund, die später in ein Reichsgesetz überging, geschaf- fen wurde, aufgegeben werden und sich in rund 30 Spezialberufe auflösen.

Natürlich kann man sagen: 110 Jahre sind genug, wir wollen es jetzt anders machen. Dem Patien- ten wird damit aber sicher nicht gedient, da für ihn eine derartige Atomisierung der Medizin unver- ständlich und undurchschaubar wäre. Die durch die Differenzie- rung und Spezialisierung infolge der Entwicklung der Medizin heu- te auf dem Boden eines gemeinsa- men Berufes schon manchmal auftretenden Probleme der Ko- operation und Koordination zum Zweck einer möglichst ganzheitli- chen Versorgung der Patienten, würden sich damit keineswegs auflösen, sondern vervielfachen."

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82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

Neben der Gefährdung einer mög- lichst effizienten Patientenversor- gung hätte eine Aufsplitterung in eine Vielzahl ärztlicher Berufe auch nachhaltige Auswirkungen auf die gesamte Struktur unseres Gesundheitswesens, nicht zuletzt auch auf die ärztliche Selbstver- waltung. Die Gestaltung der Aus- bildung des Arztes, die möglichen Konsequenzen für die Weiterbil- dung und die Regelung der Zulas- sung zu selbständiger und eigen- verantwortlicher Tätigkeit sind an- gesichts dieser Umstände, wie Vil- mar betonte, von erheblicher Be- deutung für die Bevölkerung wie für die Ärzteschaft.

Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, der Ärzte- tags-Referent zu Tagesordnungs- punkt II „Ausbildung zum Arzt", knüpfte an diese Ausführungen Vilmars an und wies darauf hin,

„daß sich politische Gruppen, die das System unseres Gesundheits- wesens generell verändern wollen, gerade auf dem Gebiet der Ausbil- dung besonders engagierten. „Ist doch, wie wir wissen, die Bil- dungspolitik neben der Medienpo- litik bei entsprechender Geduld für die Einleitung grundsätzlicher Systemänderungen der aussichts- reichste Kampfplatz. Warum sollte dies nicht auch für die Bildung der Gesundheitsberufe gelten?"

Dr. Hoppes Conclusio: „Wenn es uns Ärzten und damit uns verant- wortlichen Delegierten dieses Deutschen Ärztetages nicht ge- lingt, eine breit getragene, am Pa- tienten orientierte, ärztlich be- gründete und politisch realisierba- re Ausbildungsordnung vorzu- schlagen, die zur uneingeschränk- ten und eigenverantwortlichen Ausübung des ärztlichen Berufes führt, spielen wir bei vollem Wis- sen um die Folgen unseren Geg- nern in die Hände."

Mängelkatalog ist relativ rasch zu bereinigen

Nach einer Darlegung der Pläne aus dem Lager der Systemüber- winder und nach einer Schilde-

rung der Situation auf dem Bil- dungssektor (einschließlich der Probleme der Auswahl und Zulas- sung zum Medizinstudium) — im einzelnen nachzulesen in dem ab Seite 1515 im Wortlaut wiederge- gebenen Referat — trug Dr. Jörg- Dietrich Hoppe eine Mängelanaly- se der ärztlichen Ausbildung vor.

Ein Großteil dieser Mängel — Dr.

Hoppe war in seiner Aussage opti- mistisch — werde relativ rasch kor- rigierbar sein:

Die von der Bundesärztekammer erarbeitete Ausbildungsziel-Defi- nition dürfte sicherstellen, daß ein nach ihr ausgebildeter Arzt den Anforderungen der Patienten in der sogenannten Primärversor- gung genügen kann. Um dieses Ausbildungsziel zu erreichen, wur- de der Ausbildungsgang in den Vorschlägen der Bundesärzte- kammer strukturiert in ein Vorbe- reitungspraktikum, ein wissen- schaftlich-theoretisches Studium und einen klinisch-praktischen Studienabschnitt.

Abschließend erläuterte der Refe- rent die Vorstellungen der Bun- desärztekammer von den künfti- gen Prüfungen, wie sie auch in den (bereits auf Seite 1480 wieder- gegebenen) Beschluß des Ärzteta- ges eingegangen sind, womit die- ser auch eine unmißverständliche Aussage über den Zeitpunkt ge- macht hat, zu dem ein Arzt in sei- nem Beruf eigenverantwortlich handlungsfähig sein soll.

Daß die Ärztetagsmehrheit dabei den vom Referenten begründeten und vertretenen Vorstellungen des Vorstandes der Bundesärztekam- mer, basierend auf den Vorschlä- gen ihres Ausschusses „Approba- tionsordnung", mit wenigen Aus- nahmen folgen würde, war vor dem Ärztetag und in den ersten Stunden seiner Debatten noch kei- neswegs abzusehen. Unter den Delegierten, aber auch unter Jour- nalisten, kursierten verschiedene Arbeitspapiere, ein gemeinsames des „Berufsverbandes der Prakti- schen Ärzte und Ärzte für Allge- meinmedizin" und des „Marbur-

ger Bundes", außerdem Vorschlä- ge eines Konsultationsringes ärzt- licher Verbände und schließlich auch ein Vorschlagspapier des Hartmannbundes, deren Inhalte mehr oder weniger wortgetreu in Entschließungsanträgen von sat- zungsgemäß jeweils mindestens zehn Delegierten des Ärztetages eingegangen waren. Drei grund- verschiedene Richtungen waren aus den Antragstexten selbst ab- zulesen:

Der Kammer-Vorschlag

Nach dem Vorschlag der Bundes- ärztekammer sollte das wissen- schaftliche Studium der Medizin nach einem einjährigen Vorberei- tungsabschnitt beginnen und fünf Jahre dauern; der Bezug zum Pa- tienten sollte in dieser Zeit durch Famulaturen, auch während des Semesters, gefördert werden. Dr.

Hoppe:

„Am Schluß des Hochschulstu- diums findet dann ein Staats- examen entsprechend dem jetzi- gen zweiten Abschnitt der ärztli- chen Prüfung, jedoch zusammen mit dem Inhalt des schriftlichen Teils des dritten Abschnitts der ärztlichen Prüfung statt, nach de- ren Bestehen der in der Ausbil- dung Befindliche wie ein Arzt, je- doch nur in Zusammenarbeit mit und unter Aufsicht von berufser- fahrenen Ärzten tätig werden soll."

Daran anschließen sollte sich nach den Vorstellungen des Vorstandes der Bundesärztekammer ein drei- jähriger klinisch-praktischer Aus- bildungsabschnitt, an dessen En- de der dritte und letzte Abschnitt der ärztlichen Prüfung stattfinden sollte: Nach Bestehen dieser mündlichen Prüfung sollte die Ap- probation als Arzt und damit die Erlaubnis zu selbständiger Aus- übung des ärztlichen Berufs erteilt werden.

Während hinsichtlich der Gestal- tung der ersten beiden Studienab- schnitte kaum ein Grunddissens bestand, offenbarte sich ein sol-

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1484 Heft 22 vom 31. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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So sah das Aarztetagsplenum also aus - hier in Nürnbergs Meistersingerhalle

Der Blick auf die Bühne (links oben): Die Dekoration ist wichtig — für das Fernsehen und die Foto- grafen (und damit für die Öffent- lichkeit). Kein Personenkult — aber (links unten) das sind die Perso- nen, die den Ablauf eines solchen Ärztetags lenken; die Herren (von links nach rechts): Prof. J. F. Vol- rad Deneke, Hauptgeschäftsfüh- rer; Dr. Karsten Vilmar, Präsident;

Dr. Helmuth Klotz, Vizepräsident (und wiedergewählt) sowie Dr.

Wilhelm Baldus, Vizepräsident bis zum 19. Mai 1979; statt des Letzt- genannten wurde am letzten Sit- zungstag Dr. Gustav Osterwald (Schwarzweißbild links) zu einem der beiden Vizepräsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetags gewählt;

rechts neben Baldus: Geschäfts- führender Arzt Dr. Heinz-Peter Brauer; die Dame (ganz links):

Frau Finger-Bäumer, erfahrene Referentin in der Geschäftsfüh- rung. Und so sehen sich die Dele- gierten dem Präsidium „konfron- tiert"; die ersten Reihen auf die- sem Bild von Scheinwerfern und Blitzlicht überbelichtet (die Jacken

fielen bei fortschreitender Mai-Hit- ze — die weißen Hemden hätten im Licht noch mehr geblendet .. .).

Ernsthaft: Dr. Karsten Vilmar bei seinem Referat (rechts Mitte); daß er auch über schlagfertigen Witz verfügt, weiß mittlerweile jeder.

Und noch einmal, aus anderer Per- spektive (rechts unten): das impo- nierende Bild eines arbeitsamen Parlaments (der deutschen Ärzte).

Fotos in diesem Heft: Bohnert- Neusch (ausgenommen vier Bilder auf Seite 1496)

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82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

cher hinsichtlich des Rechtsstatus des angehenden Arztes nach Ab- solvierung des wissenschaftlichen Studiums und hinsichtlich der Ap- probation.

Der Verbände-Vorschlag Nach dem von Mitgliedern des Konsultationsringes eingebrach- ten sogenannten Verbände-Vor- schlag sollte das nach einjährigem Krankenpflegepraktikum zu absol- vierende fünfjährige Medizinstu- dium mit einem Staatsexamen ab- schließen, nach dessen Bestehen der Arzt eine Approbation mit Sperrvermerk erhalten sollte, mit dem Vermerk nämlich, daß er den ärztlichen Beruf nicht selbständig ausüben darf. Dieser Vermerk soll- te nach einer dreijährigen Assi- stenzzeit gelöscht werden. Die As- sistenzjahre sollten „nach Maßga- be der Weiterbildungsordnung"

auf die Weiterbildungszeit ange- rechnet werden. Und nach Been- digung der Assistenzzeit sollte sich der Arzt selbständig im Kran- kenhaus oder in freier Praxis betä- tigen können.

Der Häußler-Vorschlag

Noch weiter vom Vorschlag der Bundesärztekammer entfernt war ein Entschließungsantrag (von Prof. Dr. Häußler und Kollegen), der die Beibehaltung des jetzigen zweimonatigen Krankenpflege- praktikums und der jetzigen (sechsjährigen) Dauer des Stu- diums einschließlich des prakti- schen Jahres vorsah. Nach dem Staatsexamen sollte der Arzt eine Approbation mit Sperrvermerk er- halten, wie auch im „Verbände- Vorschlag" vorgesehen. Bis zur Löschung dieses Vermerks sollte eine dreijährige Assistenzzeit im Rahmen einer frei gewählten Wei- terbildung abgeleistet werden. Die Weiterbildungsordnung sollte so geändert werden, daß die Weiter- bildungszeit für den Allgemeinarzt auf drei Jahre reduziert werde und ihr Inhalt in diesen drei Jahren der Pflichtassistenzzeit erfüllbar sei.

Was der Sachkenner aus diesen Vorschlägen herauslas und was im Ablauf der Diskussionen immer deutlicher wurde:

Die Bundesärztekammer hatte sich für eine ganz klare Ausbil- dungslösung entschieden, also für die Einbeziehung auch des prakti- schen Abschnitts in die Ausbil- dung, an deren Ende der Arzt ei- genverantwortlich tätig sein könn- te. Eine solche Regelung nimmt den Staat in die Pflicht, auch für den praktischen Ausbildungsteil zu sorgen (mit der in den achtziger Jahren zunehmenden Verschlech- terung der Relation zwischen Kli- nikbetten und Studentenzahlen würde ohne die Neuregelung für viele angehende Ärzte gar keine Möglichkeit mehr gegeben sein, praktische Erfahrungen zu sam- meln).

Der „Verbände-Vorschlag" wäre nach Mehrheitsmeinung darauf hinausgelaufen, den Staat aus sei- ner Verantwortung für die gesam- te Ausbildung zu entlassen. Nach Ansicht nicht nur der Studenten hätte der Vorschlag einen zweiten Numerus clausus, nämlich den vor der Berufszulassung, bedeutet, ganz abgesehen von den materiel- len Auswirkungen eines sozusa- gen rechtlosen Status im letzten Studienabschnitt. Die Frage war aufgeworfen, was besser sei: ent- weder ein geringes, allerdings not- wendigerweise ausreichendes Entgelt während der Pflichtassi- stentenzeit, aber jedenfalls die ga- rantierte Möglichkeit der prakti- schen Ausbildung, oder anderer- seits die „Entlassung" nach dem

wissenschaftlich-theoretischen Studium, wonach nur jene etwas verdienen würden und weiterkä- men, die eine Stelle gefunden hät- ten. Da war es auch kein Trost, daß ein Delegierter als Vorteil des

„Verbände-Vorschlags" heraus- stellte, fertiger Arzt, wenn auch nicht selbständiger, nach fünf Jah- ren zu sein, und dann sei er ja gar nicht gezwungen, eine praktisch- klinische Tätigkeit (im Kranken- haus oder beim freipaktizierenden Arzt) zu suchen und aufzunehmen,

wenn er etwa die Universitätslauf- bahn einschlagen oder in die Pharma-Industrie gehen wolle.

Dr. Horst Bourmer merkte an die- ser Stelle der Diskussion an, daß hier der einzige Dissens zwischen den Vorschlägen der Bundesärz- tekammer und der Verbände liege:

Hoppe sei für mehr Staat und er für weniger Staat, selbst um den Preis „halbe Bezahlung auf halber Assistentenstelle". Ein Schlag- wort, das im Verlauf der Debatte Folgen haben sollte. (Hoppe repli- zierte übrigens, daß es ihm keines- wegs um mehr Staat gehe, son- dern darum, dessen Verantwor- tung eben nicht zu verringern.) Der Vorsitzende eines Arbeitskrei- ses junger Ärzte im Hartmann- bund, Dr. Lutz, der mit Zustim- mung der Versammlung Rede- recht erhielt, obgleich er nicht De- legierter war, wandte sich mit größtem persönlichen Bedauern gegen seinen Verbandsvorsitzen- den und kritisierte, daß man das Wort von der Teilung der Stellen überhaupt in den Mund nehme.

Bei allem Verständnis für die Not- situation nach dem letzten Kriege,

„ich werde kämpfen bis zum Ende, daß so was nicht wieder eintritt", was auch Dr. Buchner, der Leiter des entsprechenden Arbeitskrei- ses des Verbandes der niederge- lassenen Ärzte (NAV), unterstrich.

Schlaglichtartig war damit auch eine materielle Konsequenz aus den beiden sich gegenüberste- henden Anträgen aufgehellt, wenn auch Dr. Bourmer eigentlich nur, wie er bei einer späteren Wortmel- dung erklärte, mit seiner Bemer- kung darauf hatte hinweisen wol- len, daß die Zeiten für die künfti- gen Studenten und Ärzte ganz all- gemein deutlich schlechter wer- den würden.

Der Vorschlag von Häußler schließlich wäre — in Abwandlung seines beim vorigen Deutschen Ärztetag in Köln vorgetragenen, abgelehnten und danach vieldis- kutierten Antrags auf volle Pflicht- weiterbildung für alle Niederlas-

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DER KOMMENTAR

Konsequenzen

Wenige Tage vor dem 82. Deut- schen Ärztetag hatten Dr. Vil- mar und Prof. Deneke ein Ge- spräch mit Frau Antje Huber, der Bundesministerin für Ju- gend, Familie und Gesundheit, und ihrem Staatssekretär Prof.

Wolters. Dabei wurde noch ein- mal deutlich gemacht, daß die Beeinträchtigung der prakti- schen Ausbildung unausweich- lich war und ist, weil so große Studentenzahlen überhaupt nicht ordnungsgemäß zu be- wältigen sind.

Die Bundesregierung vertritt derzeit den Standpunkt, daß die vorhandenen Ausbildungska- pazitäten „ausgeschöpft" sei- en. Man kann daraus entneh- men, daß keine weitere Auswei- tung propagiert werden wird, daß derzeit aber auch keine Re- duzierung der Studentenzahlen beabsichtigt ist. Dabei wird sei- tens der Ärzteschaft immer wie- der darauf hingewiesen, daß die Kapazität nicht an der Vorklinik zu messen ist! Die Möglichkei- ten der Klinik sind und bleiben begrenzt — „vor allem kann man Patienten nicht beliebig ver- mehren und die vorhandenen Klinikpatienten nicht noch mehr belasten". Vor der Presse in Nürnberg formulierte es Dr.

Vilmar noch sarkastischer: Man

kann schließlich nicht den „Aus- bildungs-Patienten" schaffen!

Es ist Sache des Staates, Kon- sequenzen aus der von ihm selbst zu verantwortenden Stu- dentenflut zu ziehen, auf die bezogen, auch die Vorschläge des 82. Deutschen Ärztetages zur Verbesserung der Ausbil- dung nur ein Teilbehelf sind.

Mit ihrer Realisierung allein wird die Frage nach einer Re- duzierung, nämlich nach einer bildungspolitisch und volks- wirtschaftlich vernünftigen An- passung der Studentenzahlen an die tatsächliche klinische Ausbildungskapazität, nicht verstummen können, von der Frage nach einer Anpassung an den tatsächlichen Zukunftsbe- darf ganz zu schweigen.

Andererseits ist die Überein- stimmung in der Auffassung des Bundesgesundheitsmini- steriums und der Bundesärzte- kammer und jetzt auch des Deutschen Ärztetages in der Frage der Ausbildungsstruktur bemerkenswert: Übereinstim=

mend soll am einheitlichen Arztberuf und an der zum Ab- schluß der Ausbildung zu ertei- lenden und zur vollen Berufs- ausübung als Arzt berechtigen- den Approbation festgehalten werden. Das wenigstens ist konsequent. roe 82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

sungswilligen — darauf hinausge- laufen, die Ausbildung nicht mehr beim „Arzt", sondern erst beim voll Weitergebildeten, also bei den Gebietsärzten beziehungsweise beim Allgemeinarzt enden zu las- sen — mit allen in den Referaten von Dr. Vilmar und Dr. Hoppe auf- gezeigten Konsequenzen.

Eine Grundsatzentscheidung auch zur Rechtssystematik Es war also, hinsichtlich der recht- lichen Stukturierung des letzten Studienabschnitts, insbesondere auch hinsichtlich einer etwaigen Verquickung von Ausbildungs- und Weiterbildungselementen ei- ne Grundsatzentscheidung der Delegierten des 82. Deutschen Ärztetages für oder gegen die bis- herige Rechtssystematik, für oder gegen eine völlig andere Rechts- ordnung gefordert. Auch die Ar- beitsgemeinschaft der Sozialde- mokraten im Gesundheitswesen hatte sich noch wenige Tage vor dem Ärztetag für eine Änderung der bestehenden Rechtsordnung erklärt, was die Alternative eigent- lich nur noch deutlicher, schärfer herausstellte. Kein Wunder also, daß bei solchem Dissens zwischen den Gruppen die Debatte so lang- wierig und teilweise so heftig war, vereinzelt bis zur Erregung geriet.

Um die „Gegenvorschläge" ging es also bei einem Großteil der Dis- kussion. Und obwohl die Antrag- steller im Verlauf der Debatte selbst Abstriche machten, durch Streichungen, durch Neuformulie- rung, verfielen sie der Ablehnung durch große, deutliche Mehrhei- ten. In zwei Punkten wurde die Bundesärztekammer-Vorlage al- lerdings geändert: Statt drei Jah- ren soll der klinisch-praktische Ausbildungsabschnitt zwei Jahre dauern, und zwar, der Begrün- dung Dr. ltals entsprechend, zum Beispiel unter der Bezeichnung Pflichtassistent; das Pflichtvorbe- reitungsjahr im Pflegedienst wur- de gestrichen. Statt dessen wurde, der Begründung Dr. Stuckes und anderer Kollegen folgend, die frei-

willige Ableistung eines einjähri- gen Krankenpflegepraktikums oder sozialen Jahres mit einer kla- ren Chancenverbesserung des Studienbewerbers im Zulassungs- verfahren vorzuschlagen be- schlossen. Diese und weitere er- gänzende Beschlüsse, die am En- de der Debatte zu Tagesordnungs- punkt 2 gefaßt wurden, sind auf Seite 1535 dokumentiert.

Frau Dr. med. dent. Hanna Neu- meister, CDU-Bundestagsabge-

ordnete aus Niedersachsen, hatte bei der Eröffnung der Aussprache zum Tagesordnungspunkt II „Aus- bildung zum Arzt" das Wort erhal- ten und einige Aussagen über die Aufgabe des Bundesgesetzgebers gemacht, der in der Bundesärzte- ordnung den Rahmen der Ausbil- dung abzustecken und Inhalt, Zweck und Ziele der Rechtsver- ordnung zur Änderung der Appro- bationsordnung aufzuzeigen hat.

Vom Ärztetag erwarte sie konkrete Vorschläge zur Ausfüllung dieses

DEUTSCHES ARZ'I'EBLATT Heft 22 vom 31. Mai 1979 1487

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D

ie Eröffnungsveranstaltung des 82. Deutschen Ärztetages hatte drei Höhepunkte: Die Begrü- ßungsrede des bayerischen Mini- sterpräsidenten Dr. Franz Josef Strauß war nicht nur Höflichkeit, sondern enthielt handfeste ge- sundheitspolitische Aussagen (oben: Strauß trifft vor der Meister- singerhalle ein). Den zeitlichen Mittelpunkt bildete die Verleihung der Paracelsus-Medaille an drei verdiente Ärzte (rechte Seite unten

Begegnungen, Auszeichnungen und

festliche Reden

rechts). Den Festvortrag hielt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Hans Wolf Muschallik (unten links). Solche Veranstaltungen sind auch Treff-

punkt und Begegnungsmöglich- keit, wie das Foto unten rechts auf dieser Seite zeigt: Es besprechen sich (von links) Bundesärztekam- merpräsident Dr. Karsten Vilmar, Ministerpräsident Franz Josef Strauß, BÄK-Vizepräsident Dr.

Wilhelm Baldus, Dr. Muschallik, der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer Prof. Hans Joachim Sewering und der Präsi- dent der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg Josef Stingl.

1488 Heft 22 vom 31. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 22 vom 31. Mai 1979 1489

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82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

Rahmens, wobei sie den dringen- den Rat gab, hinsichtlich der Län- ge der Ausbildung ein gewisses Augenmaß zu bewahren, das der Bundesgesetzgeber zugegebener- maßen nicht immer habe. Die Ärz- te sollten hier dem Gesetzgeber ein gutes Beispiel geben.

Nun, die Beschlüsse des 82. Deut-

schen Ärztetages beweisen, daß die Delegierten ein solches Au- genmaß sehr wohl gehabt haben.

Das erzielte Ergebnis dürfte die Erwartung verstärken, die Dr. Vil- mar mit seinen Dankesworten an Frau Neumeister formuliert hatte, nämlich

~ "daß wir Beratungsergebnisse

erzielen, die dann von den Politi- kern auch beachtet werden".

Strauß über "Bettenberg"

und "Ärzteschwemme"

Einer jener apostrophierten Politi- ker, Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß, sprach auf der Eröffnungsveranstaltung des Ärz- tetags ein Grußwort, das einiges mehr als die andernorts beliebten unverbindlichen Grußwortfloskeln enthielt. Strauß dankte zunächst den Ärzten für ihren Einsatz für ein freiheitliches Gesundheitssystem, das ein unverzichtbarer Baustein unseres Staates sei und weiterhin verteidigt werden müsse. Er wand- te sich gegen die überzogene Bü- rokratisierung und den Dirigismus, die mit dem Krankenhausfinanzie- rungsgesetz über das Kranken- hauswesen und die Landräte und Bürgermeister hereingebrochen seien, und forderte, das jetzige Sy- stem der Mischfinanzierung auf- zugeben zugunsten einer Rück- kehr zur alleinigen Länderkompe- tenz im Krankenhausbau. Strauß befürwortete die Erhaltung bür- gernaher kleinerer Krankenhäuser

insbesondere, um der Vereinsa-

mung vor allem älterer Patienten entgegenzuwirken. Zum "Betten- berg" und zur "Ärzteschwemme"

befürwortete Strauß (manchen Zu- hörer vielleicht etwas überra- schend, vor allem hinsichtlich der

"Ärzteschwemme"), sich auf die

Selbstregulierungskräfte von An- gebot und Nachfrage zu verlassen; die ärztliche Ausbildung solle so gestaltet werden, daß sie, auf der Erarbeitung des theoretischen Wissens aufbauend, in die prakti- sche Berufstätigkeit überleite.

Muschallik:

Selbst- und Neubesinnung bei Patient und Arzt

Muschalliks Festvortrag (Wortlaut ebenso wie der des Strauß-Gruß- wortes im nächsten Heft) - neben dem Grußwort von Strauß Kern- stück der Eröffnungsveranstal- tung - beschäftigte sich mit dem Verhältnis von individueller Frei- heit und sozialer Verantwortung im Gesundheitswesen. Förderung und Erhaltung der Gesundheit zählen nach Muschallik zwar zu den öffentlichen Aufgaben von eminenter Bedeutung, Gesundheit sei aber "vor allem und in erster Linie eine private Aufgabe von un- bestreitbarem Rang". Allerdings kann man, wenn man das Gesund- heitsverhalten der Bevölkerung analysiert, Zweifel daran bekom- men, ob die Mehrheit sich dieser ihrer privaten Aufgabe auch be- wußt wird. Muschallik jedenfalls

forderte mehr "Mut zur Mitverant-

wortung". Insgesamt hält er eine Selbst- und Neubesinnung bei Pa- tient und Arzt für nötig. Dem Arzt falle eine zunehmend wichtigere Rolle in der Gesundheitserziehung zu. Gesundheit könne und müsse man lernen -und ein solches Wir- ken gehöre "als Aufgabe des Arz- tes für die Zukunft an die vordring- lichste Stelle".

Darüber hinaus habe aber das Zu- sammenwirken von Arzt und Pa- tient eine neue Dimension bekom- men. Der Arzt müsse seinen Pa- tienten als vielschichtiges Wesen begreifen, "Gesundheit, Krankheit und Medizin sind genauso ein Fait social wie der von ihnen betroffe-

ne Mensch und vollzieht sich in der konkreten personalen Begeg- nung von Patient und Arzt, einge- bunden in das konkrete Sozialge- füge der jeweiligen zwei".

1490 Heft 22 vom 31. Mai 1979 DEUI'SCHES ARZTEBLATT

Energisch verwahrte sich Mu- schallik gegen den "im Denkan- satz fatalen Irrtum", Gesundheit von Staats wegen verordnen zu können. Würde der Patient im Arzt einen von irgendeiner Instanz ferngesteuerten Funktionsträger sehen, so ginge die vertrauensvol- le Zuwendung, die das Verhältnis von Patient und Arzt kennzeich- net, verloren.

Das von Muschallik umrissene Zu- sammenspiel von Patient und Arzt klang später wieder in dem ge- sundheits- und sozialpoliÜschen Referat von Dr. Karsten Vilmar an.

Vilmar: Gesundheit ist nicht käuflich

Auch Vilmar (Wortlaut Seite 1501) hält nichts von verordneter Ge- sundheit, ja er hat auch Zweifel an dem von politischer Seite postu- lierten "Recht auf Gesundheit". ln dieser Forderung zeigt sich nach Vilmar die falsche Erwartung vom permanenten Wachstum und der daraus resultierenden Überzeu- gung, alles sei machbar, wenn man es nur richtig organisiere und das nötige Geld bereitstelle. Damit werde die falsche Vorstellung ge- weckt, Gesundheit sei käuflich; doch mittlerweile setze sich nicht nur unter den Ärzten die Erkennt- nis durch, daß auch der Medizin Grenzen gesetzt seien. Ähnlich wie Muschallik plädierte auch Vil- mar für die Eigeninitiative und Ei- genverantwortung des einzelnen für seine Gesundheit: "Das Indivi- dualitätsprinzip hat Vorrang vor dem Kollektivitätsprinzip, das Lei- stungsprinzip Vorrang vor dem Verteilungsprinzip."

Auf dieser Basis werde auch die Neufassung des "Blauen Papiers", der gesundheits- und sozialpoliti- schen Vorstellungen der deut- schen Ärzteschaft, erstellt. ln Nürnberg lag dazu eine umfang- reiche, aber dennoch fragmentari- sche Vorlage vor, die in erster Le- sung beraten wurde. Im nächsten Jahr, in Berlin, soll das neue

"Blaue Papier" vollständig als Ent-

wurf vorliegen und - nach dem

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82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

Willen des Ärztetages — auch ver- abschiedet werden. Neben derarti- gen Grundsatzfragen behandelten sowohl Vilmars Referat wie auch die Diskussion dazu als auch die Anträge und Beschlüsse zum „Tä- tigkeitsbericht der Bundesärzte- kammer" eine Fülle von aktuellen Fragen.

Hatte der vorausgegangene Ärzte- tag in Mannheim wegen der außer- ordentlichen Problemfülle der im Tätigkeitsbericht angeschnittenen Themen und einiger mit Kritik be- dachter Passagen noch zu lebhaf- ten Debatten geführt und sogar notwendig gemacht, den 81. Ärz- tetag in Köln fortzusetzen, so hat- ten sich in Nürnberg die Wogen insoweit wieder geglättet, daß die zwölf Themenkomplexe in sach- lich-nüchterner Atmosphäre aus- führlich diskutiert werden konn- ten. Nur vereinzelt wurden „Ver- ständnisfragen" zu den Sachkapi- teln des 249 Seiten starken „Tätig- keitsberichtes '79" der Bundesärz- tekammer laut, den Vorstand und Geschäftsführung zu verantwor- ten hatten.

Gesundheits-

sicherstellungsgesetz ist überfällig!

Die meisten der insgesamt 38 Be- schlußanträge zu den unter- schiedlichsten gesundheits- und sozialpolitischen Themenkomple- xen wurden von den Delegierten fast einmütig verabschiedet (Ein- zelheiten im nächsten Heft). Sie- ben meist kontrovers diskutierte Anträge wurden an den Vorstand der Bundesärztekammer zur wei- teren Beratung überwiesen. In ei- ner einstimmig angenommenen Entschließung forderte der Ärzte- tag, das längst überfällige „Ge- sundheitssicherstellungsgesetz"

zu verabschieden. Im Gegensatz zu den europäischen Nachbarlän- dern wie etwa Schweden, Norwe- gen und der Schweiz befindet sich die Bundesrepublik Deutschland — was die personellen, organisatori- schen, materiellen und techni- schen Voraussetzungen für die

gesundheitliche Versorgung im Katastrophen- und Verteidigungs- fall betrifft — noch im Zustand ei- nes „Entwicklungslandes". Um den Gefahren von Parallel- und Konkurrenzplanungen sowie eines hinderlichen Konkurrenzgeran- gels wirksam zu begegnen, sollten noch in dieser Legislaturperiode die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um Koordinie- rungsstellen für das gesamte zivile Gesundheitswesen, für den Ge- sundheitsdienst, den Zivilschutz sowie den Sanitätsdienst der Bun- deswehr einzurichten. Der Be- schluß fordert zentrale Planung bei dezentraler Durchführung und einen überregionalen Ausgleich der Versorgungskapazitäten. Auch die Krankenhausbedarfsplanung und die öffentlichen Mittel der Krankenhausfinanzierung sollten in ausreichendem Umfange auch in den Dienst des Zivil- und Kata- strophenschutzes gestellt werden.

Mit „großer Sorge" kritisierte der Ärztetag, daß die Neufassung des

§ 218 StGB oftmals als ein „Recht auf Abtreibung" mißverstanden worden sei. Nicht wenige Ärzte sä- hen sich hierdurch erheblichen Gewissenskonflikten ausgesetzt.

Wiederholt wurde darüber ge- klagt, daß versucht werde, die strengen Kautelen des Gesetzes unter dem Deckmantel der Legali- tät und Legalisierung zu umgehen.

In jedem Falle müsse der Arzt in seinen Gewissensentscheidungen frei bleiben. Der absolute Schutz des Lebens, Schwangerenaufklä- rung, Konfliktberatung müßten ab- soluten Vorrang haben. Ganz ent- schieden lehnten die Delegierten Bestrebungen ab, spezielle Abtrei- bungseinrichtungen in sogenann- ten „Zentren" zu schaffen.

Die Bestrebungen, Grundsätze zur Qualitätssicherung in allen Berei- chen der angewandten Medizin zu entwickeln, wurden nachhaltig be- grüßt. Kommende Ärztetage sollen über den Fortgang der Arbeiten unterrichtet werden. Qualitätssi- cherung und Qualitätsnormen sei- en wichtige allgemeine berufspoli- tische Anliegen, die die Gesamt-

ärzteschaft im Interesse der Pa- tienten gemeinsam lösen müsse.

Besorgt zeigte sich der Ärztetag über die wachsende Zahl von Sui- ziden und Suizidversuchen sowie die Zunahme psychischer Erkran- kungen und Störungen bei Kin- dern und Jugendlichen. Es sei Aufgabe der gesamten Ärzte- schaft, die Öffentlichkeit über alar- mierende Trends zu unterrichten.

Eine wirksame Prävention und Be- kämpfung erfordert, so ein Be- schluß, mehr Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie an allgemeinen Krankenhäusern, ei- ne größere Anzahl spezieller Lehr- stühle, eine bessere Ausbildung des Fachpersonals und eine enge Kooperation der Ärzte mit anderen Berufsgruppen.

Krankenhäuser gehören in die „Konzertierte Aktion"

Das Ärzteparlament brach erneut eine Lanze für das modernisierte, kooperative Belegarztwesen in der stationären Grund- und Regelver- sorgung. Gerade an der Nahtstelle zwischen ambulantem und statio- närem Bereich eröffneten sich vie- le Möglichkeiten der bürgernahen, wirtschaftlichen und teamgesteu- erten Krankenbetreuung bei Wah- rung des Prinzips der freien Arzt- wahl. Im Sinne der Westerländer Leitsätze von 1972 sollten auch die Universitätskliniken neu struktu- riert und kollegial geleitet werden.

Mit diesen Forderungen korre- spondieren Beschlüsse, die be- reits unter Tagesordnungspunkt I gefaßt wurden (dazu auch Seiten 1511 ff.). Ohne den § 405 a der

Reichsversicherungsordnung (RVO) zu ändern, sollte die „Kon- zertierte Aktion im Gesundheits- wesen" auch für den Kranken- hausbereich akzeptable Rahmen- sätze angeben, ohne jedoch den bewährten Grundsatz der Vollko- stendeckung dadurch zu tangie- ren. Um den Trend zum kommuna- len Krankenhaus zu bremsen und versorgungsnotwendigen, kleine- ren Krankenhäusern den notwen- digen Vertrauensschutz zu garan-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 22 vom 31. Mai 1979 1491

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Der Ärztetag probte das

„Grüne Rezept"

Ein nicht geringer Teil der in Nürnberg versammelten Ärzte- tags-Delegierten gehörte wohl mit großer Wahrscheinlichkeit zu jener Gruppe von Mitbür- gern, die Ärztetags-Präsident Dr. Vilmar am 17. Mai, kurz vor der Mittagspause der Plenar- versammlung des 82. Deut- schen Ärztetages, als „zwar im Sitzen Geübte, aber sportlich Ungeübte" charakterisierte. Die Beratungen wurden daraufhin unterbrochen, und eine Gruppe von Vorturnern zeigte den Dele- gierten, was sie ihren Patienten (und sich selber) mit Hilfe einer soeben erschienenen Jogging- und Trimm-Schallplatte (Titel:

„Das grüne Rezept mit Musik macht vital und topfit") des Münchner Tanzorchesters Max Greger verschreiben können.

Auf dem oberen Bild sind diese Vorturner auf der Bühne zu se- hen (von links): Dr. Stordeur, Geschäftsführender Arzt der Bayerischen Landesärztekam- mer; die jungexaminierte Ärztin Frau Kraus; Bayerns Sportärz- tepräsident Dr. Gossner, Initia- tor des „Grünen Rezepts"; Or- chesterchef Max Greger; Frau Dr. Siegfried, Allgemeinärztin, die die Übungen für diese Schallplatte konzipiert hat, und der Plattenproduzent Bobby Schmidt (Polydor). Die Dele- gierten machten nach dem Vor- bild der Vorturner in grünen Trainingsanzügen mehr oder weniger eifrig mit — beim Rumpf- und Bauchbeugen (Mit- te) oder beim Auf-der-Stelle- Laufen —,hier war es einmal er- laubt, bei einer Ärztetags-Vorla- ge nicht vorwärts zu kom- men . . bt

„Das grüne Rezept", Stereo LP 2371943 Polydor, vorgestellt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportbund, der Bundes- ärztekammer und dem Deutschen Ärzte- tag; Mai 1979. Preis: 22 DM.

1492 Heft 22 vom 31. Mai 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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82. Deutscher Ärztetag: Übersicht

tieren, sollte der umstrittene § 371 RVO im Sinne der bereits 1978 von Bundesarbeitsminister Dr. Ehren- berg abgegebenen Erklärung (vor dem Bundesrat) geändert werden.

Vilmar forderte schließlich in sei- nem Referat zu Tagesordnungs- punkt I, bei der Neuregelung der Krankenhausfinanzierung den ärztlichen Sachverstand besser zu berücksichtigen.

Odenbach:

Umfassender Überblick über das Fortbildungsangebot Daß Fortbildung eine das ganze Berufsleben umfassende Berufs- pflicht des Arztes ist, war schon Gemeinplatz Jahrzehnte bevor die vom 79. Deutschen Ärztetag 1976 in Düsseldorf beschlossene Be- rufsordnung in § 7 konkrete For- mulierungen festlegte. Davon ging Dr. Erwin Odenbach, Leiter der Abteilung „Fortbildung und Wis- senschaft" der Bundesärztekam- mer, in seinem Referat aus (Nähe- res im nächsten Heft). Trotz des eingrenzenden Titels „Organisato- rische Aufgaben der Ärztekam- mern als Folge der Fortbildungs- verpflichtung" gab Odenbach ei- nen weiterreichenden Überblick über das vielfältige Fortbildungs- angebot der Kammern, über Ziele, Methoden und Didaktik der Fort- bildung, über konventionelle und moderne Theorien und Möglich- keiten, wobei die Erfahrungen ei- ner Gruppe deutscher Fortbil- dungsexperten bei einer Studien- reise in den USA eine große Rolle spielten. Dies allerdings wesent- lich auch in dem Sinne, daß die amerikanischen Entwicklungen nicht nur nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar sind, sondern daß man sich auch die Gefahren dieser Entwicklungen genau ansehen muß.

Die anschließende Diskussion drehte sich vor allem immer wie- der um den Absatz 4 des § 7 der Berufsordnung, in dem festgelegt ist, daß der Arzt seine Fortbildung gegenüber der Ärztekammer „in geeigneter Form nachweisen kön-

nen muß". Es gibt nämlich bereits verschiedene Nachweismethoden (Testate bei Kongressen, Plaket- ten, Nachweishefte und Selbstein- schätzungs-Fragebogen bei den Fortbildungsakademien der Lan- desärztekammern) — aber es gibt kein wirklich befriedigendes, z. B.

auch das Literaturstudium umfas- sendes Nachweisverfahren.

Andererseits wird man sich darauf einstellen müssen, daß in Zukunft etwa bei Arzthaftpflichtprozessen Versicherungsträger oder die

„Opfer" solche Nachweise verlan- gen werden. Hier wird noch viel zu diskutieren sein, um einen ver- nünftigen Weg zu finden, der zur gleichen Zeit die Vorschrift der Berufsordnung ausfüllt, die Öf- fentlichkeit angemessen über- zeugt und aber auch dem Arzt die Freiheit läßt, in eigener Verantwor- tung zu entscheiden, wann, wo und wie er seiner Fortbildungs- und Nachweispflicht nachkommt.

In diesem Sinne sollte auch jeder Arzt ein „Fortbildungsbuch" füh- ren, wie es in einem Entschlie- ßungsantrag gefordert wurde. Der Antrag wurde — zusammen mit ei- nem weiteren, der die Förderung des Austausches von Ärzten zwi- schen Klinik und Praxis zu Zwek- ken der Fortbildung vorschlägt — an den Vorstand überwiesen mit der Maßgabe, Ausschuß und Stän- dige Konferenz „Ärztliche Fortbil- dung" zu beauftragen, ihre Arbeit unter Berücksichtigung der von Dr. Odenbach dargelegten Er- kenntnisse weiterzuführen.

Baldus: Aufzeichnungen sind nicht nur Gedächtnisstützen Zwei weitere, in der Berufsord- nung fixierte Pflichten waren Ge- genstand eines eigenen Tagesord- nungspunktes. Der Ärztetag beschloß auf der Grundlage eines Referats von Dr. Wilhelm Baldus schließlich zwei Änderungen der Muster-Berufsordnung für die deutschen Ärzte (Näheres im nächsten Heft). Eine war durch ei- ne Entscheidung des Bundesge-

richtshofes notwendig geworden, der ärztliche Aufzeichnungen neu- erdings nicht mehr als bloße Ge- dächtnisstützen für den Arzt defi- niert, sondern — und so steht es nunmehr in der Berufsordnung —

„sie dienen auch dem Interesse des Patienten an einer ordnungs- gemäßen Dokumentation" (§ 11 Abs. 1). Die zweite Änderung soll mehr nach außen wirken, weil noch allzuhäufig die Juristen nicht ausreichend der Objektivität ärztli- cher Gutachter vertrauen: Die neue Fassung des § 15 Abs. 1 über die Kollegialität betont ausdrück- lich, daß „die Verpflichtung des Sachverständigen, in einem Gut- achten, auch soweit es die Be- handlungsweise eines anderen Arztes betrifft, nach bestem Wis- sen seine ärztliche Überzeugung auszusprechen", von den Regeln der Kollegialität nicht berührt und beeinträchtigt werden darf.

Satzungsmäßige Wahlen wie bisher

Unter Tagesordnungspunkt V lehnten die Delegierten einen von der Ärztekammer Nordrhein ein- gebrachten und von Dr. Friedrich W. Koch begründeten Antrag ab, der den § 5 Absatz 2 der Satzung der Bundesärztekammer zu än- dern beabsichtigte. Dem nordrhei- nischen Antrag zufolge sollte bei der Wahl des Präsidenten und der beiden Vizepräsidenten der Bun- desärztekammer „jeweils die Mehrheit der Stimmen der zum Ärztetag delegierten Abgeordne- ten erforderlich" sein. Dies wären insgesamt 126 Stimmen. Die für Satzungsänderungen erforderli- che Zweidrittelmehrheit wurde in- des knapp verfehlt. Künftig bleibt es also dabei: In den ersten beiden Wahlgängen ist die „Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen" er- forderlich. Auch ohne eine solche neue Bestimmung — der vom 82.

Deutschen Ärztetag in seinem Amt bestätigte Präsident erreichte nicht nur das von den Nordrhei- nern gewünschte Quorum: er be- kam 20 Stimmen darüber hin- aus. roe/bt/HC/gb/NJ

1494 Heft 22 vom 31. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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