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Archiv "Den Nachwuchs ins Boot holen - aber wie?" (27.09.1979)

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Bericht und Meinung Berufspolitik

Den Nachwuchs ins Boot holen aber wie?

Berufspolitik ohne einen Blick auf die Nachwuchszahlen ist wohl heute schon gar nicht mehr denk- bar. Beim Berufspolitischen Semi- nar des 27. Bundesärztekammer- kongresses in Meran jedenfalls standen die Nachwuchszahlen und die Konsequenzen, die daraus heute schon zu ziehen sind, im Mittelpunkt. Im Unterschied aller- dings zu mancherlei anderen Äu- ßerungen zu diesem Thema, die sich nur in Schwarzmalerei erge- hen, wurde in Meran auch über- legt, wie man kommende Ärztege- nerationen integrieren könne. Da- mit muß man eben jetzt schon an- fangen. Dr. Horst-Joachim Rhein- dorf, Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer Hessen, hatte daher, in Anerkennung an ein gro- ßes Vorbild, sein Referat zu Recht

„Die Zukunft hat schon begon- nen" betitelt.

Dr. Gustav Osterwald, Vizepräsi- dent der Bundesärztekammer, be- dauerte beim Thema Nachwuchs- zahlen, daß diese, aus der Statistik doch ersichtliche Entwicklung, immer wieder bagatellisiert werde,

„auch unter den Kollegen". Rhein- dorf nannte die Zahlen: 1960 habe es erst 82 000 Ärzte gegeben, heu- te seien es 152 000; innerhalb der nächsten 10 Jahre werde mit Si- cherheit mit 55 000 zusätzlichen Ärzten zu rechnen sein. Dabei sei- en solche Ärzte, die aus EG-Län- dern möglicherweise einwandern würden, noch gar nicht mitge- zählt, und auch andere Ausländer seien bei dieser Hochrechnung nicht erfaßt. Solche ausländischen Ärzte gibt es heute aber immerhin schon etwa 8000, ein Umstand, der aus dem Teilnehmerkreis des Be- rufspolitischen Seminars in Meran heftig kritisiert wurde (wie ja schon seit Jahren, ohne daß sich an den Zahlen nennenswert etwas geändert hätte). Dr. Gerhard Lö- wenstein freilich nahm die auslän- dischen Kollegen in Schutz: er

müsse aus Sicht einer Kassenärzt- lichen Vereinigung — Löwenstein ist Erster Vorsitzender der KV Hes- sen — doch bemerken, daß man die Ausländer bis heute einfach nötig habe, und zwar auch für die ambu- lante Versorgung, denn es gebe nun einmal bis heute Gebiete, in denen die ärztliche Versorgung nur mit Hilfe ausländischer Kolle- gen sicherzustellen sei. Ralf Buch- ner vom Bundesvorstand des NAV sekundierte: solange in den gro- ßen Städten noch gut verdient werde, werde keiner aufs platte Land ziehen, „wo ein Bahnhof nach dem anderen zugemacht wird". Darauf ging dann Dr. Oster- wald wieder ein: Tatsächlich sei die Niederlassung auf dem Land wesentlich ein Problem der Infra- struktur; die Schulen und viele an- dere öffentliche Einrichtungen würden aus dem Dorf abgezogen und in Mittelpunkt-Orte verlagert.

Vom Arzt aber erwarte man, daß er auf dem Dorf wohnen bleibe.

Insgesamt hat sich aber offen- sichtlich auf dem Land die Lage heute schon entspannt. Mancher redet — bundesweit gesehen — schon von der Gefahr einer Über- versorgung. Mit der beschäftigte man sich auch in Meran. Nach Rheindorf können von den 55 000 zusätzlich zu erwartenden Ärzten allenfalls 12 000 „in den Gehälter zahlenden Einrichtungen unter- kommen"; möglicherweise könn- ten weitere 15 000 dann in Kran- kenhäusern eine Planstelle finden, wenn die Auseinandersetzungen um den Bereitschaftsdienst (Pro- zesse in Hamburg!) dazu führen würden, daß die Krankenhäuser zur Entlastung der Bereitschafts- dienst leistenden Ärzte in größe- rem Umfang zusätzliche Planstel- len (trotz Abbau des Bettenber- ges?) einrichten würden. Immer- hin, Rheindorf rechnet mit rund 20 000 Ärzten, die auch dann nicht unterkommen können. Ein Diskus-

sionsredner befürchtete daher, das sei das Potential der revolutio- nierenden unzufriedenen Ärzte; er argwöhnte sogar, politisch sei ei- ne solche Entwicklung vielleicht sogar gewollt, denn diese Unzu- friedenen würden manche Kon- zessionen machen, um einen Po- sten zu bekommen.

„Pflichtweiterbildung"

wäre letztlich „Ausbildung"

Da war es dann nicht erstaunlich, daß in Meran der Ruf nach Einig- keit und Einheit der Ärzteschaft wieder aufkam; wohl jedermann, der sich zu Wort meldete, stimmte darin ein. Dabei spielte offensicht- lich auch die Erinnerung an den letzten Deutschen Ärztetag in Nürnberg eine Rolle, dessen Dis- kussionen bis an die Basis Wellen geschlagen haben. Buchner über den Ärztetag: „Ein ganz schwar- zes Kapitel", und er meinte damit die Ausbildungsbeschlüsse, vor al- lem auch die Ablehnung einer

„Pflichtweiterbildung" für alle. Für die Allgemeinmedizin jedenfalls

„hat der Ärztetag nichts ge- bracht".

Dieser Kritik widersprach Oster- wald. Die Weiterbildung zum All- gemeinarzt wäre geradezu abqua- lifiziert worden, wenn man sie als

„Pflicht" und damit praktisch als Ausbildungsbestandteil eingebaut hätte. Dr. Rheindorf gar sprach von „Hagens Lanze im Rücken", hätte man die Weiterbildung zur Pflicht erklärt, denn dann wäre sie, weil Ausbildung, letztlich aus der Zuständigkeit der ärztlichen Selbstverwaltung herausgenom- men und in Staatshand überführt worden. Osterwald hielt das Er- gebnis des Ärztetages und „bei dem Interessengerangel" alles in allem noch für positiv. Buchner stellte daraufhin klar, daß ihn am Ärztetag auch weniger das Ergeb- nis als der Stil der Auseinanderset- zung gestört habe, daran sei ein Auseinanderstreben der Ärzte zu erkennen. Vor allem schienen sich seine Befürchtungen auf Differen- zen zwischen jüngeren und älte-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 27. September 1979 2463

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Bericht und Meinung Berufspolitik

ren Ärzten zu beziehen. Aus dem Teilnehmerkreis kam daher auch die Aufforderung, es sei höchste Zeit, daß die Jüngeren „ins Boot einsteigen", denn um ihre Zukunft gehe es heute doch. Ein älterer Arzt: „Ich habe vielleicht mein Schäfchen schon im Trockenen, aber auf die Jungen kommt das, was sich heute alles andeutet, noch zu." Wenn die Älteren sich heute um Ausbildung, Weiterbil- dung und künftige Niederlassung kümmerten, dann täten sie das doch im Interesse der nachrük- kenden Generation und die sei nun auch selbst am Zuge.

Integration der

jüngeren Ärzte vordringlich Wie aber soll die Integration der jüngeren Ärzte angegangen wer- den? Dr. Löwenstein stellte seinen Kollegen in Meran knallhart die Frage, ob sie eigentlich bereit sei- en, „mit den Jüngeren zu teilen".

Das Erstaunliche: Im Saal gab es weder lauten Protest noch unwilli- ges Gemurmel, sondern nach- denkliches Nicken. Eine Teilneh- merin fragte, warum denn die Ärz- te noch mit 60 und 65 so daran

interessiert seien, Einkommen und Vermögen weiter zu mehren. Die- se Frage führte in Meran zu einer ausgiebigen Diskussion über ein

„Alterslimit" für Ärzte.

Dr. Osterwald: er hielt eine Alters- begrenzung „auf dem Wege einer innerberuflichen Regelung für er- reichbar". Eine Zwangsvorschrift lehnte er jedoch ab. Ähnlich äu- ßerten sich auch Dr. Löwenstein und Ralf Buchner. Buchner, der in seinem Verband einen Kreis jun- ger Ärzte vertritt, berichtete, daß unter dem Nachwuchs diese Frage seit längerem diskutiert werde. Lö- wenstein erklärte dazu: „Wir kön- nen es uns überhaupt nicht lei- sten, eine Armee junger Leute draußen zu lassen und ,closed shop` zu spielen."

Löwenstein wie auch Osterwald sprachen sich dafür aus, junge Ärzte als Partner in die Praxis zu nehmen. Durch die Zusammenar- beit mit erfahrenen Kollegen könnten auch eventuell Ausbil- dungsmängel, die aus dem derzei- tigen überfüllten Medizinstudium resultierten, ausgeglichen werden.

Löwenstein gab allerdings zu be- denken, daß ein früheres Zur-Ru- he-Setzen der Ärzte nur Zug um Zug geschehen könne. Angesichts der derzeitigen Altersstrukturen im Bereich der kassenärztlichen Versorgung könne es sonst un- liebsame Lücken geben.

Allerdings erwies sich in Meran auch, daß die Bereitschaft der jün- geren Ärzte, gemeinsam eine Pra- xis mit anderen zu teilen, bisher

ziemlich gering ist. Offensichtlich ist das traditionelle Verhaltensmu- ster, das von der Einzelpraxis aus- geht, noch weiterhin prägend. Der Arzt als „Einzelkämpfer" ist nach wie vor Prototyp des Freiberuf- lers. Wird an dieser Auffassung von Freiberuflichkeit auch die dis- kutierte Altersgrenze scheitern.

Dr. Osterwald jedenfalls meinte, es müsse jedem freiberuflichen Arzt schwerfallen, sich bei einer be- stimmten Altersgrenze zur Ruhe zu setzen. Andererseits, so stellte er in anderem Zusammenhang fest, sei auch unter den niederge- lassenen Ärzten zunehmend eine Angestellten-Mentalität festzustel- len, die dazu führe, den Risiken des freien Berufes auszuweichen.

Rheindorf kam auf diese Risiken gerade im Zusammenhang mit der Nachwuchswelle einerseits und den begrenzten Mitteln der ge- setzlichen Krankenversicherung andererseits zu sprechen. „Gehört es zum Wesen des freien Berufes, sich die wirtschaftliche Unabhän- gigkeit garantieren zu lassen, oder gehört es dazu zu riskieren, auch an den finanziellen Abgrund ge- drängt zu werden?", fragte er, oh- ne diese Fragen direkt zu beant- worten. Wer aber möchte schon ohne zu zögern auf solche Frage mit „ja" antworten, selbst wenn er meint, daß zum Freiberufler das Risiko gehört. NJ

Linkes Bild: bei der Eröffnung des Meraner Fortbildungskongresses. Rechtes Bild: das „Podium" während des Berufspoliti- schen Seminars, moderiert von Dr. Gustav Osterwald (2. v. I.). Ganz links Dr. Horst Joachim Rheindorf, dann - nach Osterwald - .

Dr. Gerhard Löwenstein und Ralf Buchner (s. Bericht auf diesen Seiten) Fotos: Daldossi-Wolf; DÄ

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